Erziehungsverständnisse in evangelikalen ... - Bieler Tagblatt
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des Bösen (sowie Ritualen zu deren Austreibung). Ist Ihrer Me<strong>in</strong>ung nach e<strong>in</strong> k<strong>in</strong>dgerechter Umgang mit<br />
solchen Konzepten überhaupt möglich?<br />
Mit etwa vier Jahren entwickeln die K<strong>in</strong>der magisches Denken. Sie beg<strong>in</strong>nen sich für Märchen und Fabelwesen<br />
zu <strong>in</strong>teressieren. Helden und Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong>nen werden zu beliebten Spielfiguren. Dennoch glaube ich nicht,<br />
dass die K<strong>in</strong>der mit den Vorstellungen der Erwachsenen viel anfangen können, was aber nicht ausschliesst,<br />
dass die Vorstellungen ihnen Angst machen. Das Bedenkliche dabei ist die Verb<strong>in</strong>dung zwischen Angst und<br />
Gehorsam. E<strong>in</strong>mal mehr spielt dabei e<strong>in</strong>e grosse Rolle, wie sehr die Erwachsenen selbst unter Ängsten<br />
leiden.<br />
Verschiedene Autoren warnen vor der sündigen Welt, gerade von den Peers soll besondere Gefahr ausgehen.<br />
Die K<strong>in</strong>der sollten möglichst mit K<strong>in</strong>dern aus gläubigen Familien Umgang haben, z.B. im Jugendtreff<br />
ihrer Geme<strong>in</strong>de. Alle Eltern möchten, dass ihre K<strong>in</strong>der e<strong>in</strong> Umfeld haben, das ihnen guttut. Wie sehr kann<br />
und soll man dieses Umfeld kontrollieren?<br />
Im Verlaufe der Pubertät lösen sich die K<strong>in</strong>der von ihren Eltern ab. Die B<strong>in</strong>dung zwischen K<strong>in</strong>d und Eltern<br />
wird soweit aufgelöst, dass der junge Erwachsene die Familie verlassen kann. Damit kommt es zu e<strong>in</strong>em<br />
Kontroll- und Liebesverlust, der vielen Eltern zu schaffen macht. Gleichzeitig werden die Peers für die meisten<br />
Jugendlichen wichtiger als die Eltern. Sie orientieren sich am Verhalten und den Wertvorstellungen der<br />
Freunde und Freund<strong>in</strong>nen. Die Befürchtung der Eltern ist schon berechtigt: Ihr E<strong>in</strong>fluss auf die K<strong>in</strong>der ist<br />
weitgehend geschwunden.<br />
Alle Eltern haben bestimmte Wertvorstellungen, die ihnen wichtig s<strong>in</strong>d und die sie an ihre K<strong>in</strong>der weitergeben<br />
wollen. Viele evangelikale Eltern erleben diesbezüglich e<strong>in</strong> Dilemma: Wenn es ihnen nicht gel<strong>in</strong>gt, ihren<br />
Glauben weiterzugeben (nur 30 Prozent gel<strong>in</strong>gt es nach Mauerhofer 2011a), gehen ihre K<strong>in</strong>der „verloren“.<br />
Was raten Sie Eltern, wenn es um die Weitergabe von Werten geht?<br />
Verhalten und Wertvorstellungen werden nicht so sehr über erzieherische Massnahmen vermittelt, als vielmehr<br />
über Vorbilder. Wenn die Eltern für ihre K<strong>in</strong>der als Vorbilder glaubwürdig s<strong>in</strong>d, werden sich die K<strong>in</strong>der<br />
an ihnen orientieren. S<strong>in</strong>d die Eltern es aber nicht, werden sich ihre K<strong>in</strong>der Vorbilder suchen, die ihnen besser<br />
entsprechen. Die Eltern kommen nicht darum herum: Je authentischer und je näher an der Lebenswirklichkeit<br />
sie leben, desto eher werden die K<strong>in</strong>der nach ihnen werden.<br />
Herzlichen Dank für dieses Interview.<br />
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