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Erziehungsverständnisse in evangelikalen ... - Bieler Tagblatt

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enen Strukturen und Grenzen enorm rigid. Regeln werden immer e<strong>in</strong>seitig von den Autoritäten aufgestellt<br />

und dirigistisch durchgesetzt.<br />

8.3.4 Vorkommen von Gewalt<br />

Körperliche Gewalt<br />

Auch beim dogmatisch-wahrheitsorientierten Verständnis von Erziehung droht dem K<strong>in</strong>d körperliche Gewalt<br />

<strong>in</strong> Form von körperlicher Züchtigung. Die körperliche Züchtigung als Erziehungsmethode ist zwar nicht von<br />

so zentraler Bedeutung wie beim dogmatisch-machtorientierten Erziehungsverständnis. Aber sie ist die wichtige<br />

„letzte Option” <strong>in</strong>nerhalb des dirigistischen Methodenrepertoires.<br />

Dobson (2012), Seaders und Zaugg (2011) und Priolo (2009) befürworten körperliche Züchtigung. Fischer<br />

und Fischer (2010) äussern sich nicht zur Thematik, was auch vor dem H<strong>in</strong>tergrund der deutschen Gesetzgebung<br />

verstanden werden kann, welche körperliche Züchtigung verbietet. Beim Ratgeber von Tripp, P.D.<br />

(2009) geht es um Teenager, die nach übere<strong>in</strong>stimmender Auffassung nicht mehr geschlagen werden sollen.<br />

Psychische Gewalt<br />

Gewalt zeigt sich bei diesem Verständnis besonders <strong>in</strong> Form von psychischer Gewalt. Die Idee der Umgestaltung<br />

<strong>in</strong> das göttliche (elterliche) Ideal geht e<strong>in</strong>her mit der Missachtung und Entwertung des K<strong>in</strong>des. Durch<br />

die dauernde Fixierung auf den rechten Weg wird das K<strong>in</strong>d fast ausschliesslich unter dem Aspekt der Abweichung<br />

wahrgenommen. Noch verschärft wird diese Tendenz dadurch, dass der k<strong>in</strong>dliche Entwicklungskontext<br />

praktisch vollständig ausgeblendet wird, das K<strong>in</strong>d ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> diesem Erziehungsverständnis als<br />

moralisch verantwortlicher Erwachsener.<br />

Priolo (2009) empfiehlt das Führen e<strong>in</strong>es Sündentagebuchs, <strong>in</strong> welchem die konkreten Sündengewohnheiten<br />

erfasst werden sollen, mit denen das K<strong>in</strong>d zu kämpfen hat. Das K<strong>in</strong>d wird als defizitär wahrgenommen,<br />

im extremen Fall sogar krim<strong>in</strong>alisiert. E<strong>in</strong>e der von Priolo (2009) empfohlenen Methoden ist die Überführung<br />

der K<strong>in</strong>der: “[...] was bedeutet dieses ‘Überführen’? [...] Es deckt ihre Schuld anhand von Beweisen auf” (Priolo<br />

2009, S. 44).<br />

Die Abweichung vom rechten Weg der Umgestaltung wird als Sünde bezeichnet und dem K<strong>in</strong>d als vererbte<br />

Persönlichkeitseigenschaft, als e<strong>in</strong>e Tendenz zum Bösen zugeschrieben. Das K<strong>in</strong>d wird dadurch <strong>in</strong> hohem<br />

Masse stigmatisiert und entwertet. Der wichtigste Aspekt der K<strong>in</strong>dererziehung ist: K<strong>in</strong>der sollen sich als das<br />

sehen, was sie s<strong>in</strong>d – Sünder. „Innerhalb weniger Jahre entwickelten unsere K<strong>in</strong>der auf diese Weise e<strong>in</strong><br />

fe<strong>in</strong>es Gewissen, verstanden früh, was es heisst, e<strong>in</strong> Sünder zu se<strong>in</strong> [...]” (Fischer & Fischer 2010, S. 6).<br />

Um die erwünschten Verhaltensänderungen zu erzw<strong>in</strong>gen, wird e<strong>in</strong> enormer psychischer Druck aufgebaut.<br />

Das K<strong>in</strong>d steht unter dauernder Lenkung und Kontrolle. Die Formen der Korrektur und Belehrung haben oft<br />

etwas Indoktr<strong>in</strong>äres und Manipulatives. Das Recht des K<strong>in</strong>des auf e<strong>in</strong>e eigene Sichtweise, welche auch<br />

letzte Fragen e<strong>in</strong>schliesst, wird verne<strong>in</strong>t. An eigenen Motiven und Zielen darf nur das aufsche<strong>in</strong>en, was mit<br />

dem letzten Ziel der Umgestaltung übere<strong>in</strong>stimmt.<br />

8.3.5 Diesem Erziehungsverständnis zugeordnete Ratgeber<br />

Die folgenden Ratgeber können diesem Erziehungsverständnis zugeordnet werden. Der Ratgeber von Ezzo<br />

und Bucknam (2011) stellt als Babyratgeber e<strong>in</strong>e Besonderheit dar. Er wurde mehrfach überarbeitet und<br />

„entschärft”, dennoch sche<strong>in</strong>t immer noch stark das Motiv durch, k<strong>in</strong>dliche Bedürfnisse zu kanalisieren.<br />

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Dobson, James (2012). Der grosse Familien- und Erziehungsratgeber. Bd-Verlag.<br />

Ezzo, Gary & Bucknam, Robert (2011). Schlaf Gut, Me<strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>er Schatz. 8. Aufl. Ebner und Spiegel.<br />

Fischer, Bärbel & Fischer, Jürgen. Mit Werten erziehen und prägen. Medien-Verlag.<br />

Seaders, Ian & Zaugg, Lukas (2011). K<strong>in</strong>dererziehung Kompakt. Bd-Verlag.<br />

Priolo, Lou (2009). K<strong>in</strong>derherzen lehren. Wie man die Bibel <strong>in</strong> der Erziehung anwendet. Bethanien Verlag.<br />

Tripp, Paul David (2009). Das (Alp)traum-Alter. Ke<strong>in</strong>e Angst vor Teenagern. 3L Verlag.<br />

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