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Sammler Journal Gemälde (Vorschau)

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nicht. Erhard & Söhne pflegte eine<br />

neue gediegene Prächtigkeit und<br />

entwickelte – als zweiten technischen<br />

Kunstgewebe-Coup nach den<br />

Intarsien – mit ihrem Zierrat in Filigrantechnik<br />

wieder eine Dekorationslinie,<br />

die auf altem Kunsthandwerk<br />

fußt, aber in modernem Gewande<br />

daherkommt. Filigranarbeiten<br />

waren im Zuge der Kunstgewerbereformen<br />

und der damit einhergehenden<br />

Wiederbelebung des Handwerks<br />

wieder in Mode gekommen.<br />

Bei Erhard & Söhne stellte man diese<br />

Zierteile aus fein aufgerollten Drähten<br />

maschinell her. Sehr modern<br />

oder gar avantgardistisch wirkten<br />

diese Modelle nicht. Geschmack ist<br />

bekanntlich verschieden. Erhard &<br />

Söhne verfolgte diverse Produktlinien.<br />

Aus Frankreich schwappte<br />

Mitte der 1920er-Jahre der Stil „Zig-<br />

Zag" herüber. Das frische luxuriöskonstruktive<br />

Art déco, das das<br />

Maschinenzeitalter ebenso reflektiert<br />

wie das schrille Großstadtleben,<br />

fasste kurzzeitig Fuß. Der Entwerfer<br />

Eugen Schwemmle, der hauptsächlich<br />

für die Deutschen Werkstätten<br />

in Dresden-Hellerau arbeitete und<br />

als Apologet des Deutschen Werkbundes<br />

gelten darf, kreierte einige<br />

Messing-Dosen in einem kühlen,<br />

aber durchaus ornamentbekennenden<br />

Stil.<br />

Ein völlig neues Fenster stieß die<br />

Firma um 1925/30 mit farbstarken,<br />

bunten Emailarbeiten auf. Mit grafisch-abstrakten<br />

Dekoren im Kontrast<br />

von Grün und Gold oder mit<br />

Farbspielen in Zitronengelb und<br />

Gold wehte ein neuer Zeitgeist<br />

durch die mittlerweile stark expandierte<br />

Fabrik. Über ein formal sehr<br />

reduziertes Kästchen aus Tombak<br />

mit konstruktivistischem Email-Deckel,<br />

das der Gestalter Paul Haustein<br />

entworfen hatte und das Teil einer<br />

ganzen Rauchgarnitur war, schrieb<br />

die Fachzeitschrift „Die Schaulade",<br />

dass die „nicht all zu teure Ware den<br />

Anforderungen der Zeit, die sich vom<br />

Billigen abwendet, ohne ganz zum<br />

Teuren schon genügende Kräfte zu<br />

haben, in hohem Grade entspricht."<br />

Manch kühne, farbige Abstraktion<br />

täuschte allerdings auch nur Email<br />

vor und war nur aufgespritzt. Mit Art<br />

déco-Produkten konnte Erhard &<br />

Söhne die großen Exporterfolge in<br />

die USA fortsetzen. Speziell für die<br />

US-amerikanische „Waltham Watch<br />

Company" im Bundesstaat New York<br />

produzierte man in Schwäbisch<br />

Gmünd Uhrengehäuse und Ziffernblätter<br />

im Art déco-Stil. Waltham gehörte<br />

damals zu den gehobenen Uhrenfabrikanten.<br />

Entsprechend mondän<br />

und mit einer Spur von Pariser<br />

Chic versehen waren die Entwürfe<br />

des Malers und Grafikers Max Körner.<br />

NEUE SACHLICHKEIT<br />

Deutschland war nicht unbedingt<br />

das Land für eine prosperierende Art<br />

déco-Produktion. Deutsche Kunstgewerbe-<br />

und Einrichtungsunternehmen<br />

folgten eher den Leitideen<br />

des Deutschen Werkbundes, der<br />

einen soliden Funktionalismus vertrat.<br />

Die Industrie sollte moderne,<br />

geschmackvolle Einrichtungen und<br />

Haushaltsgegenstände für eine breite<br />

Masse der Gesellschaft ermöglichen.<br />

Luxus war ein ganz anderes<br />

Kapitel. Auf der Mathildenhöhe in<br />

Darmstadt, im Bauhaus und in der<br />

Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein<br />

hatte die Industrie ihre<br />

ideologischen und auch praktischen<br />

Vorreiter. Erhard & Söhne stand in<br />

der Diskussion um modernes Industriedesign<br />

nicht abseits. Seit dem<br />

Jugendstil hat man mit progressiven<br />

Entwerfern zusammengearbeitet<br />

und nach dem Ende des Ersten Weltkrieges<br />

mit dem Bauhaus und den<br />

Deutschen Werkstätten in München<br />

und Dresden-Hellerau gute Kontakte<br />

gepflegt. Eine deutliche Hinwendung<br />

zu einem schlichten Funktionalismus<br />

und zur Neuen Sachlichkeit<br />

ist in Schwäbisch Gmünd vor allem<br />

seit der Zusammenarbeit mit dem<br />

Münchner Architekten und Designer<br />

Wolfgang von Wersin erkennbar. Er<br />

sollte in den 1930er- und 40er-Jahren<br />

und auch noch nach Ende des Zweiten<br />

Weltkriegs das Profil der Erhard’-<br />

schen Erzeugnisse für Haus und<br />

Heim entscheidend prägen.<br />

ENTWURF: V. WERSIN<br />

Der erste Wolfgang-von-Wersin-Entwurf,<br />

den Erhard & Söhne realisierte,<br />

war laut Alfred Ziffer (Ausstellungskatalog<br />

„Wolfgang von Wersin",<br />

München, 1991) 1923 eine Schreibtischgarnitur<br />

in Messingguss und<br />

Kugelschleuderascher, Entwurf Bernhard<br />

Fuhrer, 1950, Messing, verchromt<br />

und lackiert (Foto: Bernhard Backes/<br />

Museum im Prediger Schwäb. Gmünd)<br />

Funktionale Schreibtischgarnitur, Entwurf<br />

Wolfgang von Wersin, brüniertes<br />

Messing, um 1950 (Foto: Bernhard Backes/Museum<br />

im Prediger Schwäb.<br />

Gmünd)

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