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36 JUGENDSTIL<br />
würfe Henry van de Veldes und seiner<br />
Schüler sowie die damit einhergehenden<br />
impulsgebenden Neuerungen<br />
in der keramischen Formensprache<br />
privilegiert. Der Designer<br />
setzte sich zudem besonders für den<br />
Einsatz bleifreier, nicht gesundheitsschädlicher<br />
Glasuren in den dortigen<br />
Fabriken und die Fortbildung der<br />
ortsansässigen Töpfer ein. Das keramische<br />
Museum in Bürgel lag ihm<br />
besonders am Herzen: Das seit 1880<br />
als Mustersammlung bestehende<br />
und die rund 450-jährige Töpfertradition<br />
der ostthüringischen Stadt<br />
dokumentierende Haus besuchte er<br />
u.a. mit seinem Künstlerfreund William<br />
Finch. Neben der Ausstellung<br />
eigener Werke realisierte er Ankäufe<br />
von anderen Produzenten, wie z.B.<br />
mehrere Enghals- und Deckelvasen<br />
mit Laufglasuren der Königlichen<br />
Porzellanmanufaktur Berlin und Westerwälder<br />
Steinzeuge. Für die Präsentation<br />
der Exponate entwarf er<br />
Tische und Wandregale, die leider<br />
nicht erhalten geblieben sind: Eine<br />
zeitgenössische Abbildung mit einem<br />
pyramidal aufgebauten Tisch<br />
vermittelt dem Besucher aber einen<br />
Eindruck der damaligen Raumsituation.<br />
Sogar die auszustellenden Keramiken<br />
arrangierte der Künstler<br />
selbst.<br />
„Die erfreulichsten Auswirkungen<br />
meiner Anstrengungen realisierten<br />
sich in den Erzeugnissen der Töpfereien<br />
in Bürgel. […] Und im Winter<br />
sah man in Weimar im Schaufenster<br />
von Bauer einige Vasen und ein kleines<br />
Teeservice aus den neubelebten<br />
Bürgeler Töpfereien", berichtete van<br />
de Velde erfreut über die geglückte<br />
Transformation traditioneller Formen<br />
in eine anspruchsvolle keramische<br />
Produktion, die gleichermaßen<br />
schön wie mit einem hohen Nutzwert<br />
ausgestattet sein sollte. Die<br />
Früchte des in Bürgel bewirkten<br />
künstlerischen Erfolges van de Veldes,<br />
die lange insbesondere bei<br />
Wissenschaftlern und <strong>Sammler</strong>n im<br />
Schatten des Westerwälder Steinzeugs<br />
standen, können nun in der<br />
Ausstellung im Bürgeler Keramik-<br />
Museum in einem neuen Licht in Augenschein<br />
genommen werden.<br />
INFO<br />
Die Ausstellung „Henry van de Velde<br />
und die Bürgeler Jugendstil-Keramik"<br />
läuft im Keramik-Museum Bürgel<br />
bis 22. September und im Rokokoschloss<br />
Dornburg bis 20. August.<br />
Zur Ausstellung erschien ein<br />
Katalog, in dem die neuesten Forschungsergebnisse<br />
dokumentiert<br />
sind.<br />
Weitere Literatur: Henry van de Velde<br />
und seine Schüler. Der Ausstellungskatalog<br />
der Villa Esche in Chemnitz<br />
von 2007 gibt einen guten Einblick<br />
über die keramischen Entwürfe Henry<br />
van de Veldes und der Kunstgewerbeschüler<br />
für die Bürgeler und<br />
Westerwälder Werkstätten. Die Publikation<br />
zur Ausstellung „Leidenschaft,<br />
Funktion und Schönheit.<br />
Henry van de Velde und sein Beitrag<br />
zur europäischen Moderne", Weimar<br />
2013, konzentriert sich auf die Westerwälder<br />
Entwürfe. Seit 2001 erarbeitet<br />
die Klassik Stiftung Weimar<br />
ein fünfbändiges Werkverzeichnis<br />
der kunstgewerblichen und raumkünstlerischen<br />
Arbeiten van de Veldes.<br />
Der dritte Band (Keramik & Porzellan)<br />
erscheint 2014.<br />
Henry van de Velde © VG Bildkunst 2013<br />
Henkelschale Nr. 301, Kunstgewerbeschule<br />
Weimar (Entwurf zugeschrieben)<br />
/ Tonwarenfabrik C. A. Schack (Ausführung<br />
zugeschrieben), ab 1912, Privatbesitz<br />
(Foto: Wolfgang Philler)<br />
Vasen mit drei geschlossenen Henkeln,<br />
Henry van de Velde oder Kunstgewerbeschule<br />
(Entwurf zugeschrieben) / Carl<br />
Gebauer, Bürgel (Ausführung zugeschrieben),<br />
1910-1915, Privatbesitz (Foto:<br />
Wolfgang Philler)