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74 LITERATURTIPP<br />
Die Goldenen 30er<br />
Keramik<br />
Zeitzeugen<br />
Malerei<br />
Kunstmuseum Stuttgart in Kooperation mit dem Lehrstuhl<br />
für Mittlere und Neuere Kunstgeschichte der Staatlichen<br />
Akademie der Bildenden Künste Stuttgart (Hg.):Das Auge<br />
der Welt. Otto Dix und die Neue Sachlichkeit, 256 Seiten,<br />
zahlreiche Abbildungen überwiegend in Farbe, Hatje Cantz<br />
Verlag, Ostfildern, 2012, Preis: € 39,80.<br />
„Künstler sollen nicht bessern oder bekehren. [...] Nur<br />
bezeugen müssen sie“, so Otto Dix und für Christian Schad<br />
galt:„Ich urteile nicht, ich sehe“. Eine gravierende Diskrepanz<br />
lässt sich zwischen diesen zwei Grundpositionen also<br />
eigentlich nicht feststellen, und dennoch unterscheiden<br />
sich die <strong>Gemälde</strong> dieser beiden Künstler ganz erheblich.<br />
Popp, Michael (Hg.):Eva Zeisel – Keramik-Entwürfe für<br />
Hirschau/Obpf., 48 Seiten, Broschur, Abbildungen in Farbe<br />
und Schwarzweiß, Verlag Popp & Partner, Nürnberg, 2012,<br />
Preis: € 12,-.<br />
Ende 2011 verstarb Eva Zeisel mit 105 Jahren in New York, wo<br />
sie nicht nur den Großteil ihres Lebens verbracht hatte, sondern<br />
auch ihre internationale Bedeutung als Designerin<br />
manifestierte. In jungen Jahren führte die gebürtige Ungarin,<br />
die auf Anraten ihrer Mutter anstelle eines Kunststudiums<br />
eine solide Ausbildung zur Keramikerin absolviert<br />
hatte, ein relativ unstetes Leben. Bereits mit 21 kehrte sie<br />
ihrer Heimat den Rücken und ging nach Deutschland. Nach<br />
einer nur sechs Monate währenden Tätigkeit in Hamburg<br />
zog sie weiter in den Schwarzwald, wo sie für die Schramberger<br />
Majolika Fabrik als Designerin tätig wurde. 1931/32<br />
lebte sie in Berlin und belieferte einen neuen Auftraggeber,<br />
die Steingutfabriken Christian Carstens, die sowohl in Lübeck<br />
als auch in Hirschau produzierten, mit Entwürfen.<br />
Dann machte sie kurzzeitig Karriere in der damaligen<br />
Sowjetunion, wo man ihr die künstlerische Leitung der<br />
staatlichen Porzellanindustrie übertrug. Sie geriet aber in<br />
den Strudel der stalinistischen Säuberungsaktionen, wurde<br />
zu Unrecht inhaftiert und nach Österreich abgeschoben.<br />
Die aktuellen politischen Umstände zwangen die Jüdin<br />
schließlich zur Flucht in die USA. Eva Zeisel selbst bezeichnete<br />
1931 später als ihr „Golden Year“ – vielleicht weil sie<br />
damals ihren Stil fand, von den eher strengen, geometrischen<br />
Formen der Schramberger Zeit zu den weichen, haptisch<br />
reizvollen Formen, die fortan zu ihrem Markenzeichen<br />
wurden. Leider war es bislang oft schwierig, ihre Entwürfe<br />
für die Carsten’sche Steingutfabrik am Standort Hirschau<br />
zu identifizieren, das Firmenarchiv wurde bei einem Brand<br />
zerstört und die Objekte selbst sind rar. Aber – unverhofft<br />
kommt oft, der Zufall spielte Michael Popp vor einiger Zeit<br />
wertvolle Musterblätter in die Hände, auf Basis derer er in<br />
Zusammenarbeit mit den wichtigsten fachkundigen<br />
<strong>Sammler</strong>n aus ganz Deutschland dieses Buch erarbeitete.<br />
ISBN 978-3-00-041803-7