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JUGENDSTIL 35<br />
1910 übernahm Max Hohenstein die<br />
Hofkunsttöpferei Franz Eberstein,<br />
die Fabrik seines Onkels. Zuvor hatte<br />
der junge Unternehmer zwei Monate<br />
an der keramischen Abteilung der<br />
Großherzoglichen Kunstgewerbeschule<br />
in Weimar hospitiert und erhielt<br />
weiterhin die begehrten Entwurfsmodelle.<br />
Hohenstein fiel im<br />
Ersten Weltkrieg, sein Nachfolger<br />
Carl Fischer übernahm 1915 die Manufaktur<br />
und griff auf das Formenrepertoire<br />
Henry van de Veldes insbesondere<br />
der frühen Weimarer<br />
Jahre bis in die 1920er-Jahre zurück.<br />
CARL GEBAUER<br />
Die Kunsttöpferei und Majolikafabrik<br />
Carl Gebauer gehörte neben Eberstein<br />
zu den Manufakturen in Bürgel,<br />
die maßgeblich von den Entwürfen<br />
van de Veldes profitierten. Auf<br />
zwei im Bürgeler Museum ausgestellten<br />
Musterblättern befinden<br />
sich alleine 26 nummerierte Entwürfe<br />
des Belgiers. Die Zeichnungen geben<br />
einen guten Überblick über die<br />
ganze Bandbreite der Modelle, die<br />
die Firma Gebauer von der Weimarer<br />
Kunstgewerbeschule erhielt. Anhand<br />
der Abbildungen lässt sich eine<br />
Reihe von Exponaten der Firma Gebauer<br />
direkt Henry van de Velde zuordnen.<br />
Eine nicht unerhebliche Anzahl<br />
von nicht nummerierten Keramiken<br />
lässt sich zudem aufgrund ihrer<br />
spezifischen Form als ein Werk<br />
des Jugendstilkünstlers oder seines<br />
Umkreises identifizieren, so etwa der<br />
eindrucksvolle Kump mit blau-gelber<br />
Laufglasur und der leuchtend türkisfarbenen<br />
Innenglasur. Die Kunstfertigkeit<br />
und herausragende Qualität<br />
von Gebauers Glasuren veranschaulichen<br />
weitere im Keramik-Museum<br />
Bürgel zu besichtigende Exponate,<br />
die ihre Entsprechungen auf den erwähnten<br />
Musterblättern finden, so<br />
die Dreihenkelvase Nr. 751 mit den<br />
kühn reduzierten Henkeln, die nur<br />
noch als kleine Grifflöcher fungieren.<br />
Über einem hellgrauen Scherben ist<br />
eine zweifarbige Laufglasur, hier in<br />
Blau-Braun, aufgetragen. Oder die<br />
Dreihenkelvase Nr. 743, die ebenfalls<br />
durch die kontrastreiche Laufglasur<br />
besticht. Die Schale Nr. 741, die in<br />
unterschiedlichen Glasuren und Glasurverläufen<br />
angeboten wurde, ist in<br />
der Bürgeler Ausstellung mit grüner<br />
Innenglasur und hellbrauner Laufglasur<br />
vertreten. So weist z.B. eine<br />
weitere Variante der nahezu dreieckig<br />
anmutenden Schale innen eine<br />
kräftige grün-braune Laufglasur auf.<br />
Zwei kleine Vasen mit der Modellnummer<br />
793 veranschaulichen die<br />
breite Palette der verwendeten Glasuren.<br />
Die zwei in Bürgel präsentierten<br />
Deckeldosen belegen eindrucksvoll<br />
das breite Spektrum der verwendeten<br />
Dekore und Glasuren bei Gebauer:<br />
Von einer kunstvollen Lüsterglasur<br />
bis hin zum traditionellen<br />
weißen Punktdekor auf blauem<br />
Grund erstreckte sich das ganze<br />
Spektrum der Kunsttöpferei. Die präsentierten<br />
Exponate überzeugen<br />
den Betrachter durch ihre feinen und<br />
hellen Glasurflüsse über dunklen<br />
Fonds, die herrlichen Kontraste zwischen<br />
matter und glänzender Oberfläche<br />
und die mehrfarbigen changierenden<br />
und verlaufenden Glasurtöne<br />
von Gelb-Blau, Gelb-Grün, Hellblau-Dunkelblau<br />
und Braun-Blau. Sie<br />
belegen eindrucksvoll die hohe Qualität<br />
der Erzeugnisse der Kunsttöpferei<br />
Gebauer, die auf dem Gebiet der<br />
Glasur die anderen Bürgeler Hersteller<br />
weitaus überragte und sich hinter<br />
den exquisiten Reduktionsglasuren<br />
der Firma Hanke im Westerwald<br />
nicht verstecken musste. Die enorme<br />
Wertschätzung, die Henry van de<br />
Velde dem Keramiker Gebauer entgegenbrachte,<br />
zeigt sich in dessen<br />
Großer Kumpf, Henry van de Velde (Entwurf)<br />
/ Carl Gebauer, Bürgel (Ausführung),<br />
ab 1907, Keramik-Museum Bürgel<br />
(Foto: Wolfgang Philler)<br />
Vase mit grünbrauner Laufglasur, Nr.<br />
735, Henry van de Velde (Entwurf) / Carl<br />
Gebauer, Bürgel (Ausführung), ab 1907,<br />
Privatbesitz (Foto: Wolfgang Philler)<br />
Vorschlag, dieser solle Mitglied des<br />
Deutschen Werkbundes werden.<br />
C.A. SCHACK<br />
In den Verkaufskatalogen der Tonwarenfabrik<br />
C.A. Schack finden sich<br />
einige Gefäße, die zwar der Formensprache<br />
van de Veldes und seiner<br />
Schüler entsprechen, jedoch expliziter<br />
Hinweise auf den Entwerfer entbehren.<br />
So weist die in der Bürgeler<br />
Schau präsentierte Henkelschale<br />
bzw. Vase, die vermutlich auf einen<br />
Entwurf der Kunstgewerbeschule<br />
zurückgeht, eine äußerst feine und<br />
kunstfertige Laufglasur in Blau- und<br />
Brauntönen auf. Die Arbeit belegt<br />
eindrucksvoll die Kenntnisse, die sich<br />
Carl Schack in einem Kursus zur Herstellung<br />
von Kunstglasuren in der<br />
Kunstgewerbeschule aneignete.<br />
Die Töpferstadt Bürgel war aber<br />
nicht nur durch die vielzähligen Ent-