stereoplay Mehr Tiefgang, mehr Pegel? (Vorschau)
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Der letzte Besuch: Auf „The Visitors“ trugen ABBA schon Trauer,<br />
ahnten aber noch nichts von ihrem baldigen Verschwinden.<br />
POP<br />
Musik:<br />
Klang:<br />
ABBA<br />
Polar / UniversaI (73:53) www.abbasite.com<br />
The Visitors<br />
„It‘s better to burn out than to fade away“ – wenn<br />
man so will, haben sich ABBA nicht an Neil Youngs<br />
Maxime gehalten. Streng genommen löste sich der<br />
Pop-Vierer nie auf, ein dementsprechendes offizielles<br />
Statement der Band gab es nie. Aber die persönlichen<br />
Prioritäten verschoben sich, die Mitglieder<br />
hatten sich auseinandergelebt – und das auch jenseits<br />
der für alle sichtbar zerbrochenen Ehen von<br />
Björn und Agnetha, von Benny und Frida. So ist<br />
auch ihr letztes Studioalbum „The Visitors“ (1981)<br />
das nun in einer CD+DVD-Deluxe-Version vorliegt,<br />
eine Momentaufnahme einer sich langsamen auflösenden Band.<br />
Der selbst gewählte Anspruch war hoch: Mit dem vergleichsweise kantigen<br />
Titelsong und dem nahe an der Prog-Parodie agierenden „Soldiers“ reflektierten<br />
ABBA den Kalten Krieg der frühen 80-er. „One Of Us“ und „When<br />
All Is Said And Done“ wollten und konnten ihren direkten Bezug zur Trennung<br />
der beiden Ehepaare nicht leugnen. Die theatralische Mini-Sinfonie „I<br />
Let The Music Speak“ wartet mit Musical-Elementen auf, die Benny und<br />
Björn später bei der Arbeit an „Chess“ wieder aufgriffen. Erst in der Verlängerung<br />
(hier als Bonustracks enthalten), bei ihren letzten Aufnahmen 1982,<br />
gelang ABBA ein letztes Pop-Meisterstück: „The Day Before You Came“, das<br />
mit minimalem, repetitivem Synthie-Einsatz eine Blaupause für die künftigen<br />
Songs hätte sein können. Im Übrigen: Die groß angekündigte, unveröffentlichte<br />
Aufnahme ist nur ein Zusammenschnitt von <strong>mehr</strong>eren Demoversionen<br />
von „Like An Angel Passing Through My Room“ – und eher verzichtbar.<br />
ABBAs Schwanengesang: der sanfte Fade-Out einer einst großen Popband.<br />
SW<br />
BRIT-POP<br />
Musik:<br />
Klang:<br />
Musik:<br />
Klang:<br />
Musik:<br />
Klang:<br />
Pulp<br />
Fire / Cargo (48:15; 93:43; 74:26) www.warnermusic.de<br />
It / Freaks / Separations<br />
Im Alter von 15 Jahren gründete Jarvis<br />
Cocker Arabicus Pulp. Schon bald war der<br />
Name gekürzt, ein erstes Demo aufgenommen,<br />
das bei BBC-DJ John Peel landete, der<br />
die Newcomer aus Sheffield 1981 zu einer<br />
seiner legendären Sessions einlud. Dann die<br />
Durststrecke. Erst im Alter von 33 Jahren<br />
wurde Cocker zum Popstar, zum Posterboy<br />
des aufkommenden Britpop-Hypes. Warum<br />
erst so spät? Die Re-Issues der ersten drei<br />
Pulp-Alben legen eine Vermutung nahe:<br />
Cocker musste für seine von sexuellen und<br />
sozialen Spannungen angetriebenen Melodramen<br />
zunächst noch die Form finden.<br />
Zugegeben: Auf „It“ (1983) klangen Cockers<br />
Bekenntnisse noch eher verklemmt als beklemmemd.<br />
Aber die große Pop-Geste, den<br />
reifen Crooner ließ der 20-Jährige damals<br />
schon raushängen. Die Musik? Ebenfalls unentschlossen,<br />
zwischen Velvet-Underground-<br />
Rock, Violent-Femmes-Trotz und Vorahnungen<br />
späterer Pulp-Grandezza. Die vier Bonustracks<br />
zu „It“? Leider eher überflüssig.<br />
Die Bonus-CD zu „Freaks“ (1986) hingegen<br />
begeistert mit den schwelgerischen Non-<br />
Album-Singles „Little Girl“ und „Dogs Are<br />
Everywhere“. Sie repräsentieren die leichtere<br />
Seite der Band, während das Album mit<br />
„Ten stories about power, claustrophobia,<br />
suffocation and holding hands“ eher Nick-<br />
Cave-artige Projektionen von Cockers Innenleben<br />
(„Like A Prayer“) zeigt.<br />
„Separations“ (1992) schließlich ist Pulps<br />
Erfindung als (Synthie-)Band, die zwei Jahre<br />
später mit „His ‘n‘ Hers“ Erfolge zeitigen<br />
sollte. Erst dort sollte Cocker die Passform<br />
und Hitformel für seine Songs finden. Der<br />
Disco-Knaller „Countdown“ oder die siebenminütige<br />
Spoken-Word-Verführung „My<br />
Legendary Girlfriend“ uferten noch aus.<br />
Das spannende Frühwerk der Britpop-Ahnen.<br />
SW<br />
POP/ROCK<br />
Musik:<br />
Klang:<br />
Bee Gees<br />
Reprise / Warner (313:25) www.beegees.com<br />
HARDROCK<br />
Musik:<br />
Klang:<br />
Chrysalis / EMI (330:23) www.ufo-music.info<br />
AVANTGARDE/POP/ROCK Talk Talk<br />
Mythology<br />
Ein Bilderalbum aus 50 Jahren Familienbande:<br />
Das Bee-Gees-Boxset „Mythology – The 50th Anniversary<br />
Collection“, in den USA bereits 2010<br />
erschienen, widmet jedem der vier Gibb-Brüder<br />
und Songwriter eine CD – also auch Andy, der nie<br />
offizielles Mitglied der Band war. Höchstpersönlich<br />
von Barry, Maurice und Robin (oder deren<br />
Angehörigen) kompiliert, stehen auf den Einzel-<br />
CDs etwas unsortiert Hits („I Started A Joke“) neben<br />
fast vergessenen Schätzen („Odessa“).<br />
Umfangreiche, etwas zu kunterbunte Compilation.<br />
UFO The Chrysalis Years Vol. II (1980-1986)<br />
Man muss es so deutlich sagen: Nach dem Ausstieg<br />
von Gitarrist Michael Schenker 1979, mit dem Aufstieg<br />
neuer Bands der „New Wave Of British Heavy<br />
Metal“ (Iron Maiden, Saxon) wurden UFO obsolet.<br />
Ihr „erwachsener“ Midtempo-Hardrock hatte<br />
sich überholt, ihre fünf Studioalben aus den Jahren<br />
1980 bis 1986 – hier zusammengefasst auf fünf<br />
CDs und um Live-Versionen und Raritäten ergänzt<br />
– klangen im Vergleich zur Konkurrenz zahnlos.<br />
Besser zum ersten Volume der „Chrysalis Years“<br />
(1973 bis 1979) greifen.<br />
Ornette Coleman, Eric Satie, King Crimson: Schon<br />
als Talk Talk noch als Duran-Duran-Kopisten galten,<br />
warf Mark Hollis in Interviews mit popfremden<br />
Referenzen um sich. Auf „Spirit Of Eden“ (1988)<br />
löste er diese Versprechen ein – und Stil- und Songgrenzen<br />
auf. Die Geburt von Postrock? Der Einzug<br />
der Stille in der Popmusik? Ein zeitloses Meisterwerk,<br />
das nun wieder- (auf CD in der 1997er-Remaster-Version)<br />
und neu abgemischt erstmals als<br />
KLANGTIPP<br />
Musik:<br />
180g-Vinyl mit Audio-DVD aufgelegt wird.<br />
Klang:<br />
Ein Klangerlebnis – vor allem als Audio-DVD!<br />
Parlophone / EMI (41:22, auch als LP + DVD) www.emimusic.de<br />
SW<br />
RS<br />
RS<br />
Spirit Of Eden<br />
6/12 <strong>stereoplay</strong>.de 115