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Musik Klassik<br />
Totgesagte leben länger.<br />
Schon vor Jahren haben<br />
viele Kollegen der SACD<br />
den schnellen Tod prophezeiht.<br />
Und sie lebt immer noch und fristet<br />
im Klassikbereich ein munteres<br />
Nischendasein. Vor allem kleine<br />
Independents weigern sich, auf die<br />
klanglichen Vorzüge des hochauflösenden<br />
Formats zu verzichten.<br />
Jetzt aber hat eine Major-Company,<br />
die altehrwürdige britische EMI,<br />
die sich zuvor zwölf Jahre lang<br />
zierte, ihre ersten SACDs veröffentlicht<br />
und sich dabei überraschenderweise<br />
auf das ursprüngliche<br />
Zweikanal-Format beschränkt.<br />
Erinnern wir uns: Die Super<br />
Audio CD wurde kurz vor der Jahrtausendwende<br />
zunächst von Sony<br />
und Philips als reines Stereo-Format<br />
eingeführt, um in erster Linie<br />
die PCM-skeptischen Vinyl-Hörer<br />
für die hochauflösende Digitaltechnik<br />
zu gewinnen. Und da sich deren<br />
Vorlieben auf „echte“ Analogaufnahmen<br />
aus den 1960er- und<br />
1970er-Jahren beschränkten, waren<br />
George Szell, Bruno Walter,<br />
Leonard Bernstein und Glenn<br />
Gould die ersten Stars des SACD-<br />
Katalogs. Erst später ließ man sich<br />
auf das Surround-Abenteuer ein,<br />
weil man die Konkurrenz der<br />
DVD-A fürchtete. Doch konnte<br />
<strong>Mehr</strong>kanal in audiophilen Kreisen<br />
nie richtig Fuß fassen. Insofern<br />
scheint mir die jetzt getroffene Entscheidung<br />
der EMI, nach so langem<br />
Zögern nun ausgerechnet mit<br />
historischen Stereo-Aufnahmen ins<br />
SACD-Geschäft einzusteigen, ein<br />
gleichermaßen mutiger wie sensibler<br />
Schritt, der der Stimmungslage<br />
Rechnung trägt und vielleicht<br />
auch manches kleinere Label<br />
ermuntert mitzuziehen.<br />
„Signature Collection“ nennt<br />
sich die aufwendig gestaltete Edition,<br />
die in buchähnlicher Hardcover-Ausstattung<br />
jeweils zwei bis<br />
Unsterbliche Klassiker: Die<br />
Schubert-Aufnahmen von<br />
Dietrich Fischer-Dieskau<br />
aus den Jahren 1955 bis<br />
1958.<br />
Zurück<br />
in<br />
die Zukunft<br />
„Signature Collection“ – Attila Csampai über die<br />
erste SACD-Serie von EMI-Klassikern.<br />
vier SACDs pro Set anbietet und<br />
mit zehn Sets (26 SACDs) startet:<br />
Sechs Orchester-Ausgaben sind in<br />
vornehmem Blau gehalten, die beiden<br />
für Klavier in Grasgrün, die<br />
vokalen in Aubergine. Die Aufnahmedaten<br />
umfassen einen Zeitraum<br />
von 25 Jahren, wobei die phänomenale<br />
Gesamteinspielung des<br />
Debussyschen Klavierwerks mit<br />
Walter Gieseking bis 1951 zurückreicht<br />
und komplett im originalen<br />
Mono gemastert ist – auch dies<br />
eine bemerkenswerte Premiere auf<br />
SACD.<br />
Auch das zweite Klavieralbum<br />
ist längst Kult: Es kombiniert zwei<br />
Liszt-Juwelen des ungarischen Klavierberserkers<br />
György Cziffra. Kurz<br />
nach seiner Flucht aus Budapest<br />
im Jahr 1957 spielte er in Paris die<br />
wildeste, exzentrischste Version der<br />
Zwölf „Études d’exécution transcendante“,<br />
während er dann an<br />
der Aufnahme der 19 Ungarischen<br />
Rhapsodien fast drei Jahre lang,<br />
von 1972 bis1975, feilte.<br />
Die beiden Vokalalben präsentieren<br />
unsterbliche Klassiker in einer<br />
ungeahnten Klangqualität:<br />
Dietrich Fischer-Dieskaus Schubert-Liederalben<br />
aus den Jahren<br />
1955 bis 1958 mit den Pianisten<br />
Gerald Moore und Karl Engel zählen<br />
bis heute zu den unerreichten<br />
Referenzen differenzierter Liedgestaltung,<br />
während die Canzone<br />
napolitane mit Giuseppe di Stefano<br />
(von 1953 und 1961) die<br />
ästhetische Gegenposition überschwänglicher<br />
Spontaneität und<br />
eines geradezu naiv anmutenden<br />
tenoralen Furors kultivieren.<br />
Respekt gebietende Galionsfigur<br />
des sinfonischen Programms<br />
ist Otto Klemperer, der am Pult<br />
des Londoner Philharmonia Orchestra<br />
in den frühen 1960er-<br />
Jahren hochbetagt Schallplattengeschichte<br />
schrieb: Trotz breiter<br />
Tempi verströmen seine von<br />
Walter Legge produzierten späten<br />
Mozart-Sinfonien bis heute herbe,<br />
strenge Schönheit und eine enorme<br />
Innenspannung.<br />
Zu den vergessenen Juwelen des<br />
EMI-Archivs zählen auch die späten<br />
Bruckner-Aufnahmen mit den<br />
Wiener Philharmonikern unter<br />
Carl Schuricht. Aber auch Elgars<br />
Cellokonzert mit Jaqueline du Pré<br />
und Dvoraks Klavierkonzert mit<br />
Svjatoslav Richter und Carlos Kleiber<br />
residieren ebenso dauerhaft im<br />
Olymp der historisch bedeutenden<br />
Aufnahmen wie Beethovens Tripelkonzert<br />
in der Traumbesetzung<br />
Oistrach, Rostropowitsch, Richter,<br />
Karajan. Dank der äußerst<br />
behutsamen SACD-Transfers<br />
kann man sie jetzt in einer superben,<br />
von jeglichen Nebengeräuschen<br />
befreiten akustischen Qualität<br />
genießen.<br />
Signature Collection<br />
Debussy<br />
Sämtliche Klavierwerke; Gieseking<br />
EMI 9 55917 2 (4 SACD)<br />
Liszt<br />
Ungarische Rhapsodien, Etüden;<br />
Cziffra, EMI 9 55992 2 (3 SACD)<br />
Schubert<br />
Sinf. Nr. 3 & 4; Schumann, Sinf. Nr. 4;<br />
Klemperer, EMI 9 55910 2 (2 SACD)<br />
Neapolitan Songs<br />
di Stefano,<br />
EMI 9 55926 2 (2 SACD)<br />
Mozart<br />
Die Sechs Letzten Sinfonien;<br />
Klemperer, EMI 9 55932 2 (3 SACD)<br />
Mendelssohn<br />
Sinf. Nr. 3 & 4; Schumann, Sinf. Nr. 4;<br />
Klemperer, EMI 9 55910 2 (2 SACD)<br />
Bruckner<br />
Sinf. Nr. 8 & 9; Schuricht,<br />
EMI 9 55984 2 (2 SACD)<br />
Beethoven<br />
Tripelkonzert; Brahms, Doppelkonzert,<br />
Violinkonzert, Oistrach, Rostropwitsch,<br />
Richter, Karajan; Szell<br />
EMI 9 55978 2 (2 SACD)<br />
Dvorak<br />
Grieg, Schumann, Klavierkonzerte<br />
Richter, Kleiber, Matacic<br />
EMI 9 55989 2 (2 SACD)<br />
Elgar<br />
Delius, Cellokonzerte, Sea Pictures<br />
du Pré, Baker, Barbirolli, Sargent<br />
EMI 9 55905 2 (2 SACD)<br />
FOTOS: EMI Classics, PR<br />
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