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stereoplay Mehr Tiefgang, mehr Pegel? (Vorschau)

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Musik Klassik<br />

OPER<br />

Musik:<br />

Klang:<br />

KLANGTIPP<br />

PentaTone/Codaex 5186 401 (226:20, 4 SACDs)<br />

Richard Wagner: Parsifal Elsner, DeYoung, Selig, Nikitin, Schulte, Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Janowski (2011)<br />

Weihe ist langsam, ein Bühnenweihfestspiel<br />

ein Langsamkeitsrekord.<br />

Meint ein zählebiges „Parsifal“-Klischee,<br />

dem Marek Janowski entschieden<br />

keine Folge leistet: Die beschleunigte<br />

Boulez-Marke verfehlt er nur um<br />

wenige Minuten. Dabei geht es Janowski<br />

weniger um strukturelle Durchleuchtung<br />

als um warm tönenden, organischen<br />

Fluss, der freilich in ein mit<br />

Boulez gemeinsames Ideal mündet:<br />

größtmögliche Transparenz. Die Live-<br />

Aufnahme aus der Berliner Philharmonie<br />

– dort präsentiert der Maestro,<br />

dem modernen Regiemusiktheater abhold,<br />

des Meisters reife Opern konzertant<br />

– steigert diese Tugend fast<br />

zum Nonplusultra, und die hoch auflösende<br />

SACD-Technik bildet’s perfekt<br />

ab: Man vernimmt nahezu jede<br />

Feinheit, allerdings um den Preis entschärfter<br />

dynamischer Spitzen. Dafür<br />

wird ein- und ausdrucksvoll hörbar,<br />

wie zart, verletzlich und zwischentönig<br />

Wagners Partitur gewoben ist.<br />

Solch sensiblen Wegen folgt Christian<br />

Elsners Parsifal mit lyrisch-liedhaftem<br />

Tenor – eine Idealbesetzung für die<br />

Rolle wie die Interpretation. Gebührend<br />

dramatisch, aber auch mit Erdbeben-Tremolo<br />

tönt die Kundry der<br />

Michelle DeYoung, nobel in aller Pein<br />

Evgeny Nikitin als Leidensmann Amfortas.<br />

Franz-Josef Selig als Gurnemanz<br />

wäre ohne seine gurgelnden<br />

Tiefen ein Meister melodischen<br />

Sprechgesangs. Eike Wilm Schulte gibt<br />

einen sängerisch wie psychologisch<br />

scharf konturierten Klingsor.<br />

Letztlich lichtet Janowski mit dem klangschön-luziden<br />

Rundfunk-Sinfonieorchester<br />

Berlin die ideologische Finsternis<br />

des Werks: Ihm gelingt die Erlösung<br />

vom Erlöserkitsch. Man lauscht ergriffen,<br />

aber ohne Weihrauchrausch.<br />

Martin Mezger<br />

SINFONIK<br />

Musik:<br />

Klang:<br />

KLANGTIPP<br />

cpo 777 720-2 (211:00, 3 CDs)<br />

Johannes Brahms: Sinfonien Nr. 1-4 u. a. Helsingborg Symphonie-Orchester, Andrew Manze (2009/10)<br />

Ausgerechnet das sinfonische Werk<br />

von Johannes Brahms – es ist eine<br />

in ihren mannigfaltigen Anforderungen<br />

hohe Hürde, der sich Andrew<br />

Manze mit seinem Helsingborger<br />

Orchester stellt, und sie wird mit<br />

Bravour genommen. Manze versteht<br />

es, alles mit einer Lebendigkeit zu<br />

durchdringen, die den Zuhörer nie<br />

aus der Spannung entlässt. Die klare<br />

und schwungvolle Rhythmik, die<br />

sangliche Phrasierung, die Freude<br />

an den kontrapunktischen und instrumentalen<br />

Details – nichts wird<br />

hier in routinierte Gewöhnlichkeit<br />

hinabgezogen. Um mitzuerleben, wie<br />

ein zugleich frischer und von willkürlicher<br />

Originalitätsheischerei freier<br />

Zugang zu diesen Monumenten<br />

möglich ist, seien ganz besonders die<br />

zwei ersten Sätze der Zweiten Sinfonie<br />

empfohlen.<br />

Wie fast alle Dirigenten nimmt auch<br />

Manze keine Rücksicht auf die Tatsache,<br />

dass Staccati in hohen Registern<br />

kürzer klingen und daher etwas<br />

breiter genommen werden sollten als<br />

in der Tiefe. Doch seine Meriten bezüglich<br />

der Transparenz des Satzes,<br />

der eleganten und flexiblen Gestaltung<br />

der Übergänge, der Balance von<br />

Kraft und Leichtigkeit – all das ist<br />

eine Ohrenweide und lässt uns auf<br />

weitere Projekte ähnlichen Kalibers<br />

hoffen. Zumal das schwedische Orchester<br />

nach langen Jahren unter seiner<br />

Leitung nicht nur offensichtlich<br />

eine Ausdruckseinheit mit ihm bildet,<br />

sondern in solch kammermusikalischem<br />

Miteinander durchaus<br />

Weltformat beweist.<br />

Brillant und animierend ist Manzes<br />

Booklet-Essay, erstklassig auch das<br />

Klangbild in dieser rundum fesselnden<br />

Produktion.<br />

Christoph Schlüren<br />

Voigts Kolumne<br />

Perspektivwechsel:<br />

Richard Strauss bei MDG<br />

MDG und Richard Strauss? Wer den Katalog<br />

des audiophilen Labels und die Vorlieben<br />

seiner Gründer kennt, wird nicht<br />

wenig überrascht sein. „Sinnlich, üppig,<br />

spätromantisch“ ist nicht gerade das, was<br />

sich Werner Dabringhaus und Raimund<br />

Grimm auf die Fahne geschrieben haben.<br />

Sondern eher Bach, Händel und<br />

Mozart. Und aus der Zeit danach vorzugsweise,<br />

was Kammer- und Kirchenmusiker<br />

mögen. Zum Beispiel Orgelmusik<br />

von Liszt, Reger und Messiaen. Aber<br />

Richard Strauss?<br />

Nun war Strauss ein glühender Mozart-<br />

Fan. Außerdem liebte er es, seine Vorgänger<br />

zu zitieren, vor allem wenn es galt,<br />

eine Epoche oder ein ästhetisches Konzept<br />

zu charakterisieren – wie bei der Musik<br />

zu Molières „Bourgeois gentilhomme“.<br />

Sicher ist es kein Zufall, dass das Strauss-<br />

Programm bei MDG mit diesen neoklassizistischen<br />

Schmuckstücken beginnt. Sie<br />

passen hervorragend in die MDG-Kollektion,<br />

und sie profitieren sehr von dem<br />

klangtechnischen Know-how der Detmolder<br />

Tonmeister. Zudem lässt es das<br />

Musikkollegium Winterthur unter der<br />

Leitung seines Chefdirigenten Douglas<br />

Boyd auch nicht an Straussscher Sinnlichkeit<br />

fehlen. Diese Qualitäten kommen<br />

auch lyrischen Vokalwerken wie<br />

„Wiegenlied“ und „Morgen“ zugute.<br />

Doch dazwischen gibt es „Zueignung“<br />

und „Vier letzte Lieder“, Stücke also, denen<br />

mit kammermusikalischer Sensibilität<br />

allein nicht beizukommen ist. Und<br />

so schön das Kolleg aus Wintherthur auch<br />

phrasiert – etwa beim Beginn von „September“<br />

– , so sehr vermisse ich den spätromantischen<br />

Klang mit seinen raffinierten<br />

Farbmischungen. Am schönsten<br />

hört man das in der klassischen Walter-<br />

Legge-Produktion mit George Szell und<br />

Elisabeth Schwarzkopf (EMI 1965). Und<br />

wenngleich die herbstlichen Farben der<br />

Schwarzkopf-Stimme zum Teil auch krasse<br />

Vokalverfärbungen nach sich ziehen,<br />

bleibt es doch bewundernswert, wie die<br />

Sängerin mit ihren Mitteln eine Musik<br />

bewältigte, die 1950 von der üppigen<br />

Wagnerstimme der Flagstad aus der Taufe<br />

gehoben wurde. Demgegenüber erscheint<br />

Lisa Larsson, die Solistin bei<br />

MDG, als arge Verkleinerung: Strauss<br />

aus Händel-Perspektive. Das mag im<br />

Detail reizvoll klingen, doch immer dann,<br />

wenn die Stimme aufblühen müsste, wird<br />

sie dünn und matt – schlichtweg eine<br />

Anti-Klimax bei Stellen wie „Tief und<br />

tausendfach zu leben“<br />

(MDG 901 1738-6).<br />

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