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Virtuelle verdeckte Ermittler<br />
Das BKA nutzt Facebook<br />
Auch das Bundeskriminalamt (BKA) und der<br />
Zollfahndungsdienst nutzen fallbezogen offen<br />
zugängliche Informationen aus sozialen Netzwerken<br />
bei der Kriminalitätsbekämpfung. Es<br />
werde nicht systematisch oder anlassunabhängig<br />
recherchiert, heißt es in der Antwort<br />
auf eine Kleine Anfrage <strong>von</strong> Abgeordneten<br />
des Deutschen Bundestages an die Bundesregierung.<br />
Werden im Ermittlungsverfahren<br />
Benutzerkonten zu Beschuldigten in sozialen<br />
Netzwerken festgestellt, könne<br />
man die Personalien über<br />
die Provider der Netzwerke<br />
feststellen. Die Ermittlungen<br />
dienten ausschließlich als zusätzliche<br />
Erkenntnisquellen.<br />
Das BKA setze für eine längerfristige,<br />
gezielte Teilnahme an<br />
der Kommunikation in sozialen<br />
Netzwerken nach Anordnung<br />
der Staatsanwaltschaft<br />
so genannte virtuelle Ermittler<br />
ein. Das waren in den letzten<br />
24 Monaten sechs Fälle. In vier<br />
Fällen habe sich das BKA <strong>von</strong> Anbietern sozialer<br />
Netzwerke Zugang zu nicht öffentlichen<br />
Profilen bzw. Nachrichten geben lassen um<br />
eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder<br />
Freiheit einer Person abzuwenden (Suizidankündigung,<br />
Morddrohungen, Erpressung,<br />
Androhung einer Sprengstoffexplosion). Informationen<br />
aus sozialen Netzwerken würden<br />
nicht automatisiert mit Polizeidatenbanken<br />
verknüpft.<br />
Die Bundesregierung meint, eventuelle Grundrechtseingriffe<br />
durch Internetfahndungen<br />
seien durch geltende Gesetze und das Urteil<br />
So genannte verdeckte Ermittler sind Polizeibeamte,<br />
die unter einer ihnen verliehenen,<br />
auf Dauer angelegten Identität,<br />
die so genannte Legende, Straftaten ermitteln.<br />
Dies darf nur bei bestimmten Katalogtaten<br />
erfolgen bzw. bei Verbrechen,<br />
bei denen entweder Wiederholungsgefahr<br />
besteht oder deren besondere Bedeutung<br />
den Einsatz gebietet und die Aufklärung<br />
auf andere Art und Weise aussichtslos<br />
oder wesentlich erschwert ist. Daneben<br />
gibt es Polizeibeamte, die kurzzeitig in<br />
einer anderen Rolle ermitteln, etwa als<br />
Scheinkäufer. Privatpersonen helfen der<br />
Polizei als so genannte V-Leute und unterstützen<br />
Beamte auf längere Zeit vertraulich<br />
bei den Ermittlungen, ihre Identität<br />
ist geheim. Informanten sind Privatpersonen,<br />
die die Polizei gegen Zusicherung der<br />
Vertraulichkeit im Einzelfall informieren.<br />
Die Facebook-Nutzungsbedingungen untersagen,<br />
sich unter einer falschen Identität<br />
anzumelden. Hingegen verlangt das<br />
deutsche Telemediengesetz, dass Anwender<br />
diese Dienste unter einem Pseudonym<br />
nutzen können. Anwender können<br />
also nicht sicher sein, wer sich hinter<br />
einer virtuellen Identität verbirgt. Diese<br />
Vorschrift gilt aber nicht für die Polizei.<br />
Datenschützer Johannes Caspar: „Es gibt<br />
aktuell keine Ermächtigung, die den Sicherheitsbehörden<br />
gezielt ermöglicht, Vertrauensbeziehungen<br />
über die Verwendung<br />
pseudonymer Nutzungsprofile im Internet<br />
auszunutzen. Rechtsstaatliches Handeln<br />
erfordert jedoch klare Rechtsnormen.“<br />
des Bundesverfassungsgerichtes zur Online<br />
Durchsuchung legitimiert, selbst wenn diese<br />
im Einzelfall das Vertrauen der Nutzer ausnutzen.<br />
Man könne personenbezogene Daten aus<br />
offenen Quellen im Internet erheben oder offene<br />
Chats beobachten. Die Betroffenen könnten<br />
nicht schutzwürdig in die Identität des<br />
Kommunikationspartners vertrauen. Beamte<br />
des BKA könnten unter einer Legende (siehe<br />
Kasten) daran teilnehmen, zur Not auch an<br />
einer geschlossenen Benutzergruppe, indem<br />
„Das Internet darf kein<br />
rechtsfreier Raum sein.<br />
Diese Forderung gilt<br />
nicht nur an die Adresse<br />
der Nutzer, sondern auch<br />
an die des Staates.“<br />
Johannes Caspar, Beauftragter für<br />
Datenschutz für Hamburg<br />
man vorher den Zugangsschlüssel umgehe.<br />
Dabei sei zu berücksichtigen, ob man sich<br />
bei dem sozialen Netzwerk unter Pseudonym<br />
technisch problemlos anmelden könne und ob<br />
dies viele Nutzer praktizierten. Ausgeforschte<br />
sind im Nachhinein darüber zu informieren.<br />
Doch an dieser Position gibt es Kritik. Peter<br />
Schaar, der Bundesbeauftragte für Datenschutz,<br />
bezweifelt, inwieweit die vom BKA<br />
ausgeführten Rechtsnormen den Eingriff in<br />
das informationelle Selbstbestimmungsrecht<br />
legitimieren. Er hält es für geboten, Umfang<br />
und Grenzen derartiger Befugnisse durch<br />
spezielle Gesetze klar zu regeln. Auch der Vorsitzende<br />
des Bundes Deutscher Kriminalbeamter<br />
Klaus Jansen forderte klare gesetzliche<br />
Befugnisse für offene und verdeckte Ermittlungen<br />
in sozialen Netzwerken.<br />
Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes<br />
Caspar meint: „Von einer Vertraulichkeit der<br />
Kommunikation kann sicherlich nicht mehr<br />
gesprochen werden, wenn Nutzer ihre Angaben<br />
öffentlich zugänglich machen oder Profile<br />
bei Facebook für Freunde <strong>von</strong> Freunden<br />
angelegt werden. Dennoch ist es im Einzelfall<br />
schwierig, eine trennscharfe Grenze zwischen<br />
vertraulicher und öffentlicher Kommunikation<br />
zu ziehen.“ Man muss also je nach PrivatsphäreEinstellung<br />
differenzieren.<br />
Die MEGA-Personen-Suchmaschine<br />
Wie gefährlich der Datenpool sozialer Netzwerke<br />
ist, zeigt auch, dass Verfassungsschutzbehörden<br />
<strong>von</strong> Bund und Ländern derzeit ihre<br />
nachrichtlichen Informationssysteme (NADIS)<br />
zu einem umfassenden Wissensnetz mit Volltextrecherche<br />
ausbauen. Man will unstrukturierte<br />
Ursprungsdokumente speichern, also<br />
durch heimliche Maßnahmen erhobene Daten<br />
sowie Informationen aus offenen Quellen, wie<br />
Zeitungsmeldungen oder Publikationen im Internet.<br />
Daten <strong>von</strong> unbescholtenen Personen,<br />
die als Randperson zufällig bzw. unbewusst<br />
mit einer Zielgruppe in Kontakt treten oder<br />
über diese berichten, wie Familienangehörige,<br />
Nachbarn, Kollegen oder Journalisten sind automatisch<br />
erfasst.<br />
Aktuell dürfen diese nur in Papierakten<br />
erfasst werden. Der Gesetzgeber<br />
wollte vermeiden, dass die Daten<br />
technisch automatisiert in Windeseile<br />
aus einer immensen Fülle <strong>von</strong> Informationen<br />
herausgefiltert, ausgewertet<br />
und weltweit übermittelt werden<br />
können. Für den Bundesdatenschutzbeauftragten<br />
ist der Paradigmenwechsel<br />
ein Eingriff in das Recht auf<br />
informationelle Selbstbestimmung.<br />
Das Bundesinnenministerium ist jedoch<br />
anderer Ansicht.<br />
In den USA fordert das FBI erweiterte Gesetze,<br />
damit AntiTerrorexperten auf Daten in sozialen<br />
Netzwerken legal zugreifen können. Die<br />
Internetdienste müssten gesetzlich verpflichtet<br />
werden, mit den Behörden zusammenzuarbeiten.<br />
Das FBI strebt nach einem besseren<br />
technischen Zugriff auf die <strong>von</strong> den verschiedenen<br />
USABehörden betriebenen Datenbanken,<br />
um eine einfache Suchanfrage über alle<br />
Datenbanken zu machen.<br />
MEGADatenbanken sind weltweit auf dem<br />
Weg.<br />
whs<br />
Die Autorin ist Rechtsanwältin und lebt in Berlin.<br />
www.pc-magazin.de <strong>PC</strong> <strong>Magazin</strong> 1/2012