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Teil des Bewerbungsverfahrens war nämlich eine freie Rede zu einem vorgegebenen<br />
Thema gewesen. „Das kannte ich aus dem Griechisch-Unterricht.<br />
Ich ging streng nach dem Muster These – Antithese – Synthese vor.“<br />
Sosehr er auch die Zeit danach in der Stuttgarter Sozietät Carl Böttchers<br />
genoss, die Familienunternehmen beriet, so leidenschaftlich er diese<br />
Arbeit fortsetzte, als er 1981 alleiniger Seniorpartner wurde und die Kanzlei<br />
umbenannte, so zehrend es auch war, knapp 100 Aufsichtsräten anzugehören<br />
und in dieser Funktion Unternehmen zum Börsengang zu verhelfen,<br />
darunter Hugo Boss, Bijou Brigitte und Edding, so stolz er <strong>auf</strong> seine<br />
Stiftung sein mag und <strong>auf</strong> sein Standardwerk von 2004 über „die Familie<br />
und ihr Unternehmen“, das er gerade überarbeitet, aber auch <strong>auf</strong> die Mitherausgeberschaft<br />
des prominent besetzten, 600 Seiten starken Sammelbands<br />
„Wertewandel mitgestalten: Gut handeln in Gesellschaft und Wirtschaft“<br />
aus dem Jahr 2012: Literatur ist die Herzmitte aller Begeisterung.<br />
Darum liest er mit frühlingsfrischer Stimme Hugo von Hofmannsthals<br />
Liebesgedicht „Die beiden“, „denn beide bebten sie so sehr, / dass keine<br />
Hand die andre fand. / Und dunkler Wein am Boden rollte.“ Darum beschäftigte<br />
er sich einst, als einem seiner beiden Söhne diese Abitur<strong>auf</strong>gabe<br />
gestellt worden war, zwei Wochen lang mit Peter Huchels „An taube Ohren<br />
der Geschlechter“, kontaktierte auch die Witwe des Dichters. Er entnimmt<br />
die Parabel demselben Gedichtband, der nun schon <strong>auf</strong> dem Tisch<br />
liegt, ihm lieb und teuer. „Siebzehn Tage und Nächte brannte Troja, das<br />
wusste ich nicht. Hören Sie: ‚Es war ein Land mit hundert Brunnen. / Nehmt<br />
für zwei Wochen Wasser mit. / Der Weg ist leer, der Baum verbrannt. / Die<br />
Öde saugt den Atem aus‘.“ Darum auch beginnt sein Buch über die Familienunternehmen<br />
mit einer philologischen Exkursion. Familienunternehmer<br />
wüssten sich oft „immer noch in der Pflicht“. Dieser Begriff sei zu Unrecht<br />
verpönt, denn die Herkunftsgeschichte lehre: „Ob Pflicht nun in römischstoischer<br />
Tradition als Officium verstanden wurde, in christlicher Überlieferung<br />
als Gehorsam gegenüber den Geboten Gottes oder im Zuge der Aufklärung<br />
als Bindung an das Vernunftgesetz – stets wurde sie als Ordnung<br />
und Gesetz begriffen, die es den Menschen erst ermöglichen, Freiheit zu<br />
verwirklichen.“ Freiheiten, heißt das, brauchen Pflichten.<br />
Beim letzten Blick zurück in das Stuttgarter Wohnzimmer und die ebenfalls<br />
holzgetäfelte Bibliothek im alpenländischen Stil drückt er mir „Krambambuli“<br />
in die Hand. Wenige Seiten umfasst die traurige Geschichte eines<br />
treuen Hundes. Sie stammt von Marie von Ebner-Eschenbach und beginnt<br />
so: „Vorliebe empfindet der Mensch für allerlei Gegenstände. Liebe, die<br />
echte, unvergängliche, die lernt er – wenn überhaupt – nur einmal kennen.“<br />
Draußen regnet es stark. „Krambambuli“ ruht in meiner Tasche. Es ist<br />
keine Läuterungsgeschichte. Der Lebensgang des begeisterten Lesers Brun-<br />
Hagen Hennerkes zeigt: Nicht der Mensch sucht sich seine Bücher aus. Die<br />
Bücher suchen sich ihre Menschen.<br />
ALEXANDER KISSLER leitet den Salon und genoss sein Germanistikstudium<br />
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<strong>Cicero</strong> – 3. 2014