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Cicero Kein Recht auf Randale (Vorschau)

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POSTSCRIPTUM<br />

N°-3<br />

SARRAZIN<br />

Thilo Sarrazin hat ein neues Buch geschrieben,<br />

weil er sich geärgert hat.<br />

Diesmal gewissermaßen in eigener Sache,<br />

denn den ehemaligen Berliner Finanzsenator<br />

wurmt es offensichtlich immer noch<br />

ganz gewaltig, dass insbesondere<br />

„Deutschland schafft sich ab“ von vielen<br />

Medien kritisiert wurde ( was, nebenbei<br />

gesagt, den außergewöhnlichen Erfolg<br />

dieses Werkes überhaupt erst ermöglicht<br />

haben dürfte ). Kurzum: Sarrazin sieht sich<br />

als Opfer einer medialen Diffamierungskampagne<br />

– oder, um seine eigene, titelgebende<br />

Wortwahl zu gebrauchen, als Opfer<br />

eines „neuen Tugendterrors“.<br />

Wer sind diese neuartigen Tugendterroristen?<br />

Das sind vor allem jene, die ihre<br />

Macht dazu missbrauchen, um Sarrazin<br />

fertigzumachen, indem sie – mit welchen<br />

Argumenten auch immer – Kritik an seinen<br />

Thesen üben. Also Journalisten. Ihnen<br />

wirft Thilo Sarrazin vor, seine Schriften<br />

entweder nicht gelesen oder nicht verstanden<br />

oder absichtlich missverstanden zu<br />

haben. „Ich glaube, dass aktuell eine<br />

herrschsüchtige, ideologisierte Medienklasse<br />

ganz informell und ohne großen<br />

Plan zusammenwirkt mit einer opportunistischen<br />

und geistig recht wenig profilierten<br />

Politikerklasse“, heißt es in seinem Buch.<br />

Das ist aus zwei Gründen bemerkenswert.<br />

Erstens macht sich Sarrazin mit einem<br />

solchen Satz eine Methode zu eigen, die er<br />

ausgerechnet seinen Gegnern stets vorhält,<br />

nämlich das Fällen von empirisch nicht<br />

unterfütterten Pauschalurteilen. Und<br />

zweitens zitiert er ständig irgendwelche<br />

Passagen aus Zeitungen und Magazinen,<br />

die genau das bestätigen, was Sarrazin<br />

denkt. Ein Medienkomplott stellt man sich<br />

wahrlich anders vor, aber egal.<br />

Wichtiger ist die Frage, warum die<br />

Tugendterroristen in den Medien einen<br />

solch unbändigen Hass gegen Thilo<br />

Sarrazin hegen. Ganz einfach: Weil sie<br />

alle politisch links der Mitte stehen und<br />

als Linke dem Kult der Gleichmacherei<br />

frönen. Dies wiederum aus Neid: „90 ​<br />

Prozent der Medienberichte über Ungerechtig<br />

keiten der Einkommens- und<br />

Vermögensverteilung oder das Fehlverhalten<br />

sogenannter Reicher sind Ausfluss<br />

von Neid“, schreibt Sarrazin allen Ernstes.<br />

Dass diese Zahl der blanke Unfug ist,<br />

liegt <strong>auf</strong> der Hand, denn wie will man so<br />

etwas je messen? Damit schürt Sarrazin<br />

vielmehr den Verdacht, es mit der Empirie<br />

auch sonst nicht allzu genau zu nehmen.<br />

Er dekonstruiert sich also selbst.<br />

„Der neue Tugendterror“ will Ressentiments<br />

entlarven, doch dies gelingt vor<br />

allem in Bezug <strong>auf</strong> den Autor selbst. Vielleicht<br />

war das in dem Fall unvermeidlich.<br />

Schade ist es trotzdem.<br />

ALEXANDER MARGUIER<br />

ist stellvertretender Chefredakteur<br />

von <strong>Cicero</strong><br />

DIE NÄCHSTE CICERO-AUSGABE ERSCHEINT AM 27. MÄRZ<br />

Illustration: Anja Stiehler/Jutta Fricke Illustrators<br />

138<br />

<strong>Cicero</strong> – 3. 2014

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