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Cicero Kein Recht auf Randale (Vorschau)

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TITEL<br />

<strong>Kein</strong> <strong>Recht</strong> <strong>auf</strong> <strong>Randale</strong><br />

PACK<br />

Die Schläger mit den schwarzen Kapuzen halten sich für links.<br />

Dabei ist ihr Krawall gar nicht politisch – und wirkt darum politisch<br />

Von FRANK A. MEYER<br />

Wofür halten sich die randalierenden<br />

Demonstranten von<br />

Hamburg oder Berlin oder<br />

Wien oder Zürich?<br />

Sie halten sich für Linke. Sie bestehen<br />

dar<strong>auf</strong>, dass sie Widerstand leisten:<br />

gegen die Zerstörung eines Kulturzentrums;<br />

gegen die Räumung eines Flüchtlingscamps;<br />

gegen die Wiener Ballnacht<br />

von <strong>Recht</strong>sradikalen; gegen die Macht<br />

der Zürcher Bahnhofstraße.<br />

Was kann ehrenwerter sein als solcher<br />

Widerstand, denken sich die Widerständler<br />

– und zählen dar<strong>auf</strong>, dass sie als<br />

ehrenwert anerkannt werden im linken<br />

Bürgertum, wor<strong>auf</strong> dieses bereitwillig<br />

hereinfällt, geht es doch stets irgendwie<br />

ums Große, Ganze, Gute.<br />

Eine militante Macht der Straße hat<br />

sich da etabliert, schwarz uniformiert:<br />

schwarze Kapuzen über schwarzen Jacken.<br />

Schwarze Helme, schwarze Gesichtstücher.<br />

Schwarze Vermummung!<br />

Rote Gesinnung?<br />

Der Aufzug soll Furcht erregen. Erst<br />

fliegen Fäuste, dann Steine, schließlich<br />

Brandsätze. Scheiben in Scherben, Fahrzeuge<br />

in Flammen – Fanal „des kommenden<br />

Aufstands“, wie der Titel eines<br />

schwarzen Buches lautet, verfasst von einem<br />

„unsichtbaren Komitee“, das 2007<br />

Dem schwarzen<br />

Block sind die<br />

Polizisten<br />

Hassobjekt: der<br />

Mensch als<br />

Objekt, <strong>auf</strong> das<br />

man einschlägt<br />

das baldige Ende der kapitalistischen<br />

Ordnung prophezeite.<br />

Die Avantgarde der Revolte marschiert<br />

mit Vorliebe und Stolz unter dem<br />

Namen „schwarzer Block“. In Wien orchestrierte<br />

eine international kampferfahrene<br />

Genossin den schwarzen Block,<br />

getarnt durch das Pseudonym „schwarze<br />

Katze“. Ihr sarkastisches Credo: „Welches<br />

autoritäre System wurde bisher<br />

weggekuschelt?“<br />

In Zürich befand der Polizeivorsteher<br />

Richard Wolff, in der Stadtregierung<br />

Vertreter der linksalternativen Szene, der<br />

schwarze Block sei „eine interessante<br />

Ergänzung“ des politischen Lebens. Er<br />

wurde im Februar wiedergewählt.<br />

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf<br />

Scholz, ein Sozialdemokrat, sieht’s genau<br />

umgekehrt: „Ich bin liberal, aber nicht<br />

doof“ – und befahl die Polizei in drei<br />

Stadtteile, die er als „Gefahrengebiete“<br />

systematisch kontrollieren ließ. Die Süddeutsche<br />

Zeitung ernannte den Sozialdemokraten<br />

zum „roten Sheriff“.<br />

Roter Sheriff gegen rote Randalierer.<br />

Das ist unschön.<br />

Wie rot sind eigentlich die Krawallanten,<br />

die von weither in die Städte strömen,<br />

wenn wieder mal die gerechte Sache ruft?<br />

Ihre Uniformfarbe ist Schwarz. Wie<br />

die Uniform von Mussolinis „ Camicie<br />

nere“. Oder die der „Milice française“<br />

des Nazi-Kollaborateurs Pétain im besetzten<br />

Frankreich.<br />

Ja, der Faschismus hat vorgemacht,<br />

wie das geht: Gewalt als Manifestation<br />

politischer Macht. Tief sitzen die Bilder<br />

im kollektiven Gedächtnis der europäischen<br />

Demokratien.<br />

Warum also Schwarz für die roten<br />

Schlägerkolonnen? Könnte es sein, dass<br />

da – les extrêmes se touchent – Verwandtschaft<br />

vorliegt?<br />

Kurt Schumacher, der erste SPD-<br />

Vorsitzende nach der Nazizeit, prägte<br />

den Begriff vom „roten Faschismus“;<br />

Jürgen Habermas, Meisterdenker der<br />

deutschen Demokratie, sprach von<br />

„Linksfaschismus“.<br />

Könnte es sein, dass den gewaltverliebten<br />

Kohorten nur die schwarz-weißroten<br />

Fahnen und die kahl geschorenen<br />

Schädel der Neonazis fehlen, damit wir<br />

sie erkennen?<br />

Wem’s dann immer noch nicht dämmert,<br />

der sollte den Blick <strong>auf</strong> die Opfer<br />

der Schlägertrupps richten, die Polizisten!<br />

Was sind Polizisten? „Bullen“ oder<br />

„Schweine“, wie es ihnen aus den marodierenden<br />

Reihen entgegenschallt?<br />

Polizisten sind Arbeitnehmer, häufig<br />

Gewerkschafter, nicht selten Sozialdemokraten,<br />

also Bürger mit linken Anliegen.<br />

Den schwarzen Rotten sind sie der Feind,<br />

das Hassobjekt – genau: Objekt.<br />

Der Mensch als Objekt – entmenschlicht,<br />

damit man umso gewissenloser<br />

<strong>auf</strong> ihn einschlagen kann. Was ist an einer<br />

solchen Haltung noch antifaschistisch<br />

– ein Label, mit dem man sich in<br />

diesen Kreisen ja ganz besonders gerne<br />

schmückt?<br />

<strong>Recht</strong>es Pack? Linkes Pack? Einerlei.<br />

Denn letztlich ist dieses Pack gar nicht<br />

politisch, obgleich es sich selbst politisch<br />

wähnt. Indem die Schlägertrupps den Unterschied<br />

zwischen links und rechts im<br />

Nebel der Gewalt verschwinden lassen,<br />

wirken sie destruktiv – weit über den materiellen<br />

Schaden hinaus.<br />

Und genau das ist die Gefahr: Immer<br />

wieder in der Geschichte verlieh der Gewaltrausch<br />

autoritären politischen Kräften<br />

Vorwand und Schubkraft – zur Zerstörung<br />

der Demokratie.<br />

FRANK A. MEYER<br />

ist Journalist und Gastgeber<br />

der politischen Sendung<br />

„Vis-à-vis“ in 3sat<br />

Foto: Privat<br />

30<br />

<strong>Cicero</strong> – 3. 2014

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