03.03.2014 Aufrufe

Untitled - Instytut Książki

Untitled - Instytut Książki

Untitled - Instytut Książki

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

14<br />

KRZYSZTOF VARGA<br />

KRZYSZTOF VARGA (GEB. 1968),<br />

SCHRIFTSTELLER UND JOURNALIST,<br />

AUTOR VON 11 PROSABÄNDEN,<br />

VERÖFFENTLICHTE ZULETZT<br />

DIE ROMANE EIN GRABSTEIN<br />

AUS TERRAZZO (2007) UND<br />

UNABHÄNGIGKEITSALLEE (2010).<br />

Photo: Krzysztof Dubiel<br />

Späne<br />

Protagonist und gleichzeitig Erzähler von Späne ist der fünfzigjährige Piotr<br />

Augustyn, der als Handelsvertreter eines Warschauer Unternehmens<br />

unentwegt durch Polen reist. Der Roman enthält den Monolog dieser Figur,<br />

gestaltet als eine Art umfassende Beichte, als Generalabrechnung mit dem<br />

Leben, als Gewinn- und Verlustrechnung, obwohl von Gewinn eigentlich gar<br />

keine Rede sein kann. Schließlich bleibt diese Biografie in jeglicher Hinsicht<br />

unerfüllt, sie ist verdammt zu unzähligen Niederlagen, Enttäuschungen und<br />

Demütigungen; der unglückliche und im Grunde groteske Vertreter legt einen<br />

Widerwillen gegen alles und jeden an den Tag. Er verflucht seine Eltern,<br />

die ihm keine anständige Kindheit ermöglicht haben, seine gierige Frau, die<br />

sich, enttäuscht von ihrem Angetrauten, vor Jahren von ihm getrennt hat,<br />

seine Mitreisenden im Zug (er ist unterwegs von Warschau nach Wrocław),<br />

er verachtet die Mitarbeiter des Mutterkonzerns und die Angestellten anderer<br />

Firmen, mit denen er sich ständig trifft, er hasst Erfolgsmenschen<br />

und Verlierertypen, versnobte Jugendliche und modische Künstler. Diese<br />

Aufzählung ließe sich endlos fortsetzen, Augustyn ist zutiefst frustriert,<br />

permanent läuft ihm die Galle über. Das einzige positive Merkmal des (gelinde<br />

gesagt) unsympathischen Vertreters ist seine große Liebe zur alten<br />

Musik, in der er sich bestens auskennt. Doch auch dieses Attribut wendet<br />

sich gegen ihn – Augustyn fühlt sich von der Gegenwart abgeschnitten und<br />

kann sie weder verstehen noch akzeptieren, das heutige Polen (der Protagonist<br />

monologisiert im Jahr 2011) gilt ihm als in jeder Hinsicht schlecht<br />

eingerichtet, seine Einwohner sind Versager wie er, nur unvergleichlich<br />

verlogener. Hier liegt der vielleicht größte Reiz von Späne. Vargas Roman<br />

lässt sich als radikales Pamphlet über die Gegenwart lesen. Die titelgebenden<br />

Späne sind der kümmerliche Stoff, aus dem die Seele des Protagonisten<br />

gemacht ist, sie kennzeichnen sein Bewusstsein, repräsentieren aber<br />

gleichzeitig, oder vielleicht sogar in erster Linie – so der Autor – das Wesen<br />

der Gesellschaft. Die Späne stehen für die allgemeine Verlogenheit, die allgegenwärtige<br />

Heuchelei und den billigen Schund, Verblödung, Neid und den<br />

Triumph des Zynismus, für intellektuellen und mentalen Murks. Natürlich<br />

entsteht so ein bewusst überzeichnetes, karikaturistisches Bild, das aber<br />

dennoch bezwingt. Das Finale, in dem ein letztlich unmotiviertes Verbrechen<br />

geschieht, darf als eigenwilliges Memento interpretiert werden. Der<br />

Autor legt nahe, dass Soziopathie und gewohnheitsmäßiger Hass auf die<br />

Mitmenschen nicht nur einer Geisteshaltung entspringen, sondern auch einer<br />

kriminellen Veranlagung.<br />

Dariusz Nowacki<br />

zurück zum Inhaltsverzeichnis

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!