Untitled - Instytut KsiÄ Å¼ki
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22 MARIUSZ SIENIEWICZ<br />
MARIUSZ SIENIEWICZ (GEB. 1972),<br />
PROSASCHRIFTSTELLER UND FEUILLETONIST,<br />
GILT ALS EINER DER VIELVERSPRECHENDEN<br />
AUTOREN DER JÜNGEREN GENERATION,<br />
ZULETZT ERSCHIENEN DIE REBELLION (2007)<br />
UND DIE STADT DER GLASELEFANTEN (2010).<br />
Photo: private<br />
Dornröschens Beichte<br />
Mariusz Sieniewicz, einer der wichtigsten Prosaautoren seiner Generation,<br />
bleibt auch in seinem jüngsten Roman den Themenkreisen verhaftet, die<br />
ihn besonders interessieren. Die Dekonstruktion der nationalen wie lokalen<br />
kulturellen Identität, die schon seine früheren Arbeiten „Der vierte Himmel“<br />
und „Jüdinnen werden nicht bedient“ geprägt hatte, spielt auch in<br />
„Dornröschens Beichte“ eine gewichtige Rolle.<br />
Protagonistin des in drei Teile gegliederten Romans und gleichzeitig dessen<br />
Erzählerin ist die dreißigjährige Emila, die als Single ständig neue toxische<br />
Verbindungen mit Männern eingeht. Außerdem ist Emila Narkoleptikerin,<br />
sie erleidet täglich mehrere Schlafattacken. Dabei träumt sie die unglaublichsten<br />
Geschichten mit einem beharrlich wiederkehrenden Motiv – Selbstmord.<br />
Allerdings wird sie an der Ausführung immer wieder gehindert. Eines<br />
Tages tritt Swietka in ihr Leben, eine geheimnisvolle Belarussin, die erklärt,<br />
sie sei Emilas Schwester. Und weiter geht die Jagd nach dem nächsten Mann,<br />
dem nächsten „Bärchen“. Das Bärchen ist eine besondere Gattung Mann, die<br />
jedoch zahlreiche Untergruppen kennt: Selbstverliebte, Depressive, fanatische<br />
Patrioten …<br />
Die Welt in „Dornröschens Beichte“ balanciert auf dem schmalen Grat zwischen<br />
Traum und Wachzustand, für zusätzliche Effekte sorgt der spöttischgroteske<br />
Erzählstil. Unter dem Deckmantel einer leicht absurden Märchengeschichte,<br />
wirft der Autor einen kritischen Blick auf die Lebenswirklichkeit<br />
im heutigen Polen (im Hintergrund spielen auch die 1980er Jahre eine<br />
Rolle) mit ihren kulturell verankerten Erwartungen an Rollenbilder (für die<br />
unter anderem das titelgebende Dornröschen steht) und den Möglichkeiten<br />
der virtuellen Kommunikation im Netz. Sieniewicz bedient sich sprachlicher<br />
Floskeln, die er mit seiner einzigartigen Erzählweise als lächerlich bloßstellt,<br />
und zeigt so die ganze Absurdität der beherrschenden Kultur. Hier<br />
erklingt die ausdrucksstarke, groteske, polen- und gegenwartskritische<br />
Stimme eines Vierzigjährigen.<br />
Marcin Wilk<br />
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