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Untitled - Instytut Książki

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MAŁGORZATA SZEJNERT<br />

MAŁGORZATA SZEJNERT (GEB. 1936),<br />

JOURNALISTIN, REPORTERIN,<br />

SCHRIFTSTELLERIN. MITBEGRÜNDERIN<br />

DER ZEITUNG „GAZETA WYBORCZA”,<br />

BEI DER SIE 15 JAHRE LANG DAS<br />

REPORTAGERESSORT LEITETE UND<br />

ZAHLREICHE JUNGE REPORTER<br />

AUSBILDETE UND SCHULTE.<br />

Photo: Andrzej Bernat<br />

Das Heim der Schildkröte. Sansibar<br />

Małgorzata Szejnerts neues Reportageabenteuer nahm seinen Anfang bei<br />

der Begegnung mit einer … Schildkröte.<br />

Szejnert fuhr nach Sansibar, um tauchen zu lernen. Kaum unter Wasser, begegnete<br />

sie einer Grünen Meeresschildkröte, der heute äußerst seltenen Königin<br />

der sansibarischen Gewässer. – „Die Sonnenstrahlen beleuchteten sie;<br />

sie sah aus wie eine goldene Honigwabe“, sagte Szejnert später.<br />

Als sie aufgetaucht war und das Tauchgerät abgenommen hatte, setzte<br />

Małgorzata Szejnert sich an den Computer, um mehr über die Grüne Meeresschildkröte<br />

zu erfahren. Und erfuhr, dass diese Tiere 170 Jahre alt werden<br />

– könnten, gäbe es da nicht den Schädling namens Homo sapiens. Dass<br />

das Schildkrötenweibchen seine Eier an dem Strand ablegt, an dem es selbst<br />

geboren wurde. Und dass es an diesem Strand immer häufiger ein vom Homo<br />

sapiens errichtetes Hotel vorfindet. Und Beton, durch den die Schildkrötenflossen<br />

sich keinen Weg bahnen können.<br />

„Diese Heimatlosigkeit der Schildkröte, die schließlich auf dem Rücken ihr<br />

eigenes Heim mit sich herumträgt, hat mich sehr berührt“, sagt Małgorzata<br />

Szejnert. Und so wurde die Schildkröte zum Leitmotiv ihres Buches, das die<br />

Geschichte der Insel im Zeitraum von ebendiesen 170 Jahren schildert.<br />

Dabei zeigt sich, dass die Menschen im Laufe des Lebens einer einzigen<br />

Schildkröte imstande sind, sich ein wahres Kaleidoskop von Geschehnissen,<br />

Haltungen, Ideologien, Kriegen, Revolutionen, Wortbrüchen und Fanatismen<br />

zu bereiten. Małgorzata Szejnerts Sansibar sprudelt über von außergewöhnlichen<br />

Ereignissen und Gestalten – kaum zu glauben, dass das alles auf<br />

einer einzigen kleinen Insel geschehen sein soll. Ein fieser Sklavenhändler<br />

rettet einen eingefleischten Gegner der Sklaverei vor dem Tod; ein polnischer<br />

Aufständischer ertränkt (als französischer Konsul) seinen Kummer in<br />

der Dichtkunst; ein britischer Reisender bricht zum Herzen Afrikas auf und<br />

verfällt dem Wahnsinn, woraufhin Träger ihn neun Monate lang weitertransportieren,<br />

damit er in Westminster beerdigt werden kann.<br />

Das Sansibar Małgorzata Szejnerts ist die Welt im Miniaturformat; hier<br />

finden alle großen Übel der vergangenen zwei Jahrhunderte ihren Widerhall.<br />

Zuerst der Kampf um die Rechte der schwarzen Sklaven, später dann<br />

der Schatten des im fernen Deutschland aufkeimenden Imperialismus, der<br />

sich mit der Zeit zum Faschismus auswuchs. Der Kommunismus, der sich in<br />

eine blutige Revolution verwandelte. Schlussendlich dann die heutigen<br />

Zeiten: das wachsende Ungleichgewicht zwischen Arm und Reich. Und die<br />

Zubetonierung der Strände, an denen reiche Touristen sich wie zu Hause<br />

fühlen und Schildkrötenweibchen keinen Platz zur Eiablage finden. Dafür<br />

allerdings scheint sich, außer der polnischen Reporterin, kaum jemand zu<br />

interessieren.<br />

Witold Szabłowski<br />

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