Untitled - Instytut KsiÄ Å¼ki
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15<br />
Ich<br />
bin Vertreter für Verzichtbares, mein Job ist es, durch Polen<br />
zu fahren, mich mit fremden Menschen zu treffen, die ich gar<br />
nicht treffen möchte, mit ihnen Zeit zu verbringen, die ihren<br />
festen Preis hat, obwohl sie keinerlei Mehrwert erzeugt, dann nach Warschau<br />
zurückzukommen oder den nächsten Ort anzufahren, mal mehr, mal weniger<br />
weit entfernt. Ich bin ein professioneller Pilger, der für seine Akkordpilgerei<br />
bezahlt wird, der Geld bekommt für die vielen hundert Wallfahrtskilometer,<br />
die er fast täglich zurücklegt. Ich pilgere durch Polen, und das ist die schwerste<br />
Bußübung, die überhaupt verhängt werden kann, sie wird aber verständlich,<br />
wenn man bedenkt, dass derjenige, der sie verhängt hat, mir zuvor die Beichte<br />
abgenommen hat. (…)<br />
Ich werde wohl im Laufe meiner (nennen wir es hochtrabend) Berufslaufbahn<br />
in vielleicht hundert Städten gewesen sein, natürlich hauptsächlich in<br />
solchen der mittleren Kategorie, dieses Jahr waren es sechsunddreißig Städte,<br />
also rein statistisch drei Städte pro Monat, aber die Statistik verschleiert ja<br />
üblicherweise mehr als sie aufklärt, schließlich war ich in mehreren Städten<br />
mehr als einmal, und es ist gewiss keine Überraschung, dass dies vor allem die<br />
größten Städte betrifft, die Metropolen, jedenfalls für polnische Verhältnisse.<br />
Ich weiß genau, wo ich wie oft war, weil das alles in einem eigens angelegten<br />
Notizbuch mit festem Einband verzeichnet ist, das ich pedantisch führe:<br />
An- und Abreisedatum, Stadt, Hotel. Natürlich mache ich diese Buchführung<br />
nicht aus Sentimentalität, sondern aus Abrechnungsgründen, ich stelle meine<br />
Reisekosten in Rechnung, das heißt, ich bekomme die Fahrtkosten erstattet,<br />
leider nur 2. Klasse, immerhin Intercity, was aber auch nicht viel heißt, weil<br />
die sowieso immer Verspätung haben, und die Hotelkosten, natürlich maximal<br />
drei Sterne. Dieses Buch mit seinen Daten und Zahlenkolonnen ist meine<br />
Lebensgeschichte. (…)<br />
Meine Auslagen für Essen führe ich nicht auf, für die Verpflegung zahle ich<br />
nämlich selbst, deshalb kaufe ich mir Durchschnittsessen zu Durchschnittspreisen,<br />
nichts Repräsentatives, meistens Kaffee, meistens in einer Kette, Coffee<br />
Heaven, Starbucks oder so etwas, meine Vertragspartner haben ein Faible<br />
für Caféketten, sie denken, das steigere ihr Prestige, außerdem wissen sie, dass<br />
ich zahle, und es ist ja auf jeden Fall besser, im Starbucks seinen Kaffee zu<br />
bekommen als in irgendeinem Marysieńka’s oder so.<br />
Sie haben bei den Ketten dieses Profi-Gefühl; es geht nicht einmal darum,<br />
dass die Kaffeemenge größer ist und der Becher, oder dass statt der müden<br />
Frau mit nachgedunkeltem Haaransatz, die gelangweilt die Tassen bringt,<br />
eine forsche, junge Bedienung sie an den Tresen ruft, es geht allein darum,<br />
dass der Kunde dort dieses Profi-Gefühl hat. Jeder Versager mit seinem Pappbecher<br />
Café latte in der Hand, der so tut, als hätte er es eilig, vermittelt dieses<br />
Profi-Gefühl. Alle Vertragspartner verabreden sich mit mir an solchen Orten,<br />
der Pappbecher Café latte befördert sie von einem Niemand zu einem Niemand<br />
Plus, außerdem hoffen sie, von einem Bekannten gesehen zu werden,<br />
der sich zur selben Zeit mit einem meiner Vertreterkollegen trifft. Unmengen<br />
dieser mürrischen Burschen und genervten Frauen mit Pappbechern in<br />
der Hand habe ich auf meinen Wanderungen an mir vorbeiziehen sehen, in<br />
furchtbarer Eile zu einem Meeting von geradezu unsagbarer Wichtigkeit unterwegs,<br />
auf allen Kanälen funkend: Ich bin hier der Profi, ich habe keine Zeit<br />
für irgendetwas außer meinem Job, ich treffe mich nur mit Leuten meiner<br />
Kragenweite, ich interessiere mich nicht für Leute, die es nicht eilig haben<br />
und die nicht den Kaffee mit aufgeschäumter Milch von der Kette trinken,<br />
bei der ich ihn immer kaufe (obwohl ich jedes Mal heulen könnte, wenn es<br />
ans Bezahlen geht). Der einzige Trost für die Frauen ist, dass sie nur Geld<br />
für Kaffee und Wasser ausgeben, wenn es um – übertrieben gesprochen –<br />
Ernährung geht, manche auch noch für Mentholzigaretten, aber das immer<br />
seltener, ausnahmslos alle sind schlank und balancieren ihre bleichen Leiber<br />
auf dem schmalen Grat zum Untergewicht, diesen ewigen Kampf mit dem<br />
eigenen Körper können sie nur mit ihrem unsympathischen Auftreten kompensieren;<br />
bei meinen zahllosen Meetings hatte ich nicht ein einziges Mal mit<br />
einer sympathischen Vertragspartnerin zu tun, alle sind sie unterkühlt und<br />
zeigen unverhohlen, wie es sie ekelt, sich, und sei es nur beruflich, mit einem<br />
übergewichtigen Fünfzigjährigen mit zunehmend raumgreifender Platte treffen<br />
zu müssen.<br />
Die Caféketten haben w-lan, meine Partner kommen grundsätzlich mit<br />
Laptop, den sie während des Meetings hastig und ohne den geringsten Anlass<br />
hochfahren, aber ihre Laptops sind immer im Standby, ein Klick und über<br />
ihre Gesichter flackert ein zufriedenes Lächeln, das gleich wieder gespielter<br />
Konzentration weichen muss.<br />
Ich gebe ihnen meine Unterlagen, sie geben mir ihre Unterlagen, ich schaue<br />
mir ihre an, sie sich meine, unter Umständen ist eine Unterschrift gefragt, aber<br />
nicht zwangsläufig, es besteht keinerlei Notwendigkeit, den Laptop mitzunehmen,<br />
alle Details sind vorab geklärt worden, per E-Mail, bei Meetings brauche<br />
ich keinen Laptop, ich habe ihn nur, um abends in meiner Hoteleinsamkeit,<br />
untermalt von Straßenlärm und Aufzuggeräuschen, meinen Posteingang zu<br />
überprüfen und der Zentrale die jüngsten überwältigenden Firmenerfolge zu<br />
melden.<br />
So sitzen wir mit unseren Café latte-Bechern herum, sehen wortlos die Papiere<br />
durch und unterschreiben sie anschließend, aber auch das nicht immer,<br />
manchmal unterbreiten wir einander auch lediglich Angebote, ich lege ihnen<br />
eine Offerte vor, sie nehmen sie entgegen, wie ein Einschreiben bei der<br />
Post, und tragen sie zu ihren Vorgesetzten, zu denjenigen, die tatsächlich entscheidungsbefugt<br />
sind, ich bin ja im Grunde eine gemeine Brieftaube, keine<br />
weiße, sondern ein grauer Straßentäuberich. Die Leute, mit denen ich mich<br />
treffe, haben meist keinerlei Befugnisse, sie sind Dienstboten, Piccolos, Laufburschen<br />
auf dem Caféketten-Parcours, die sich im Auftrag ihrer Arbeitgeber<br />
mit meinesgleichen treffen, obwohl sie natürlich ungeheuer wichtig tun, sich<br />
aufplustern, in die Brust werfen und ihr kümmerliches Pfauenrad zu schlagen<br />
versuchen, das ihnen die Vorgesetzten schon ordentlich gerupft haben. Sie<br />
sind belanglos, genau wie ich, alles nur Spiegelfechtereien, und dabei sind sie<br />
immer jünger als ich, Mitte zwanzig, höchstens dreißig, sie könnten meine<br />
Kinder sein, den mühseligen Aufstieg haben sie noch vor sich und sie glauben,<br />
sie könnten den Gipfel erreichen, ich weiß aber, dass sie jahrelang auf<br />
ihrem schmalen Felsvorsprung sitzen und sich daran festklammern werden,<br />
um durchzukommen.<br />
Aus dem Polnischen von Thomas Weiler<br />
CZARNE, WOŁOWIEC 2012<br />
125 × 205, 368 PAGES<br />
ISBN: 978-83-7536-366-1<br />
TRANSLATION RIGHTS: POLISHRIGHTS.COM<br />
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