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Untitled - Instytut Książki

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42<br />

FILIP SPRINGER<br />

FILIP SPRINGER (GEB. 1982),<br />

JOURNALISTISCHER AUTODIDAKT,<br />

ARBEITET SEIT 2006 ALS<br />

REPORTER UND FOTOGRAF.<br />

VERGANGENES JAHR DEBÜTIERTE<br />

ER MIT DEM REPORTAGEBUCH<br />

MIEDZIANKA. HISTORIA ZNIKANIA<br />

[MIEDZIANKA. EINE GESCHICHTE<br />

DES VERSCHWINDENS].<br />

Photo: private<br />

Von schlechter Geburt<br />

Bücher und Ausstellungen wie David Crowleys Cold war modern haben gezeigt,<br />

dass die Architektur und die Ideologie der späten Moderne eine wichtige<br />

Front im ideologischen Krieg zwischen den beiden Seiten des eisernen<br />

Vorhangs waren. In den ehemaligen Ostblockländern fand sich diese Architektur<br />

auf der Müllhalde der Geschichte wieder. Besonders die kritiklos kapitalismusfaszinierten<br />

Polen zerstören bis heute mit der Leidenschaft von<br />

Neophyten alles an die Vergangenheit Erinnernde. Auf den Trümmern des<br />

Warschauer Supermarktes Supersam oder des brutalistischen Kattowitzer<br />

Bahnhofes erschien jedoch eine junge Generation von Aktivisten, Kunsthistorikern,<br />

Künstlern und Schriftstellern. Weitere Ausstellungen, Publikationen<br />

und Bücher verteidigen oder beschreiben ganz einfach die Kunst<br />

zur Zeit des Kommunismus, inklusive der sozialistischen Moderne, die sich<br />

als von „schlechter Geburt“ erwies, was der Titel von Filip Springers Buch<br />

ausgezeichnet wiedergibt. Der Journalist und Fotograf betrachtet die Denkmäler<br />

der vorherigen Epoche mit dem unschuldigen Blick des gerade einmal<br />

sieben Jahre vor den ersten freien Wahlen Geborenen und stellt fest, das sei<br />

doch „gute Architektur“!<br />

Von schlechter Geburt ist sowohl ein mit wertvollen archivalischen und Springers<br />

gegenwärtigen Aufnahmen gefülltes Fotoalbum als auch eine Sammlung<br />

von Reportagen über bauliche Stiefkinder. Beide Narrationen ergänzen<br />

einander hervorragend. Wichtiger als die gebrandmarkten Bauprojekte<br />

erweisen sich nämlich die Architektenschicksale, die die Wirklichkeit der<br />

Volksrepublik Polen in den vielfältigsten Schattierungen zeigen. Der Autor<br />

deckt die Schicksale der Kriegsgeneration auf, die nach dem Sieg des<br />

Kommunismus an Weichsel und Oder nach einer lokalen Version der Moderne<br />

suchte. Besonders spannend sind deren Spiele mit den Machthabern. In den<br />

Zeiten des Stalinismus, als die Behörden mit bitterem Ernst auf dem historisierenden<br />

Stil des Sozrealismus bestehen, errichtet der Kunsthistoriker und<br />

Architekt Marek Leykam für die Regierung eine eklektische Kopie der italienischen<br />

Renaissancedenkmäler. In Kattowitz bekommen die Architekten<br />

Buszko und Franta den besonderen Segen des lokalen Parteibonzen erteilt.<br />

Der Warschauer Architekt und Städteplaner Jerzy Hryniewiecki spottet öffentlich<br />

über die Regierung und ihre Machthaber und erhält trotzdem die<br />

Aufsicht über die wichtigsten und ehrgeizigsten Projekte, indem er sie dank<br />

seiner Beziehungen aus der Zeit in einem deutschen Gefangenenlager durch<br />

die entsprechenden Kabinette schleust.<br />

Der Reportagenschreiber Filip Springer baut daher im Grunde auf die Menschen<br />

und nicht auf die Architektur. Doch zwischen den Zeilen seines Buches<br />

scheinen auch die Schicksale der Gebäude nach dem Jahr 1989 durch,<br />

der Umbau und die Eingrenzung von Wohnsiedlungen, die Zerstörung ihrer<br />

Struktur durch neue Investitionen. Immer noch offen bleibt hingegen die<br />

Frage: Lässt es sich in diesen künstlerisch genialen, modernen Symbolen für<br />

den Stil eines offiziellen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ überhaupt<br />

wohnen?<br />

Max Cegielski<br />

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