Untitled - Instytut KsiÄ Å¼ki
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SYLWIA CHUTNIK<br />
SYLWIA CHUTNIK (GEB. 1979), SCHRIFTSTELLERIN UND STADTFÜHRERIN DURCH WARSCHAU,<br />
HAT KULTURWISSENSCHAFTEN UND GENDER STUDIES STUDIERT, IST SOZIAL ENGAGIERT UND<br />
VORSITZENDE DER STIFTUNG MAMA, DIE SICH IN POLEN FÜR DIE RECHTE VON MÜTTERN EINSETZT.<br />
CWANIARY (DT. DIE SCHLAWINERINNEN) IST IHR DRITTER ROMAN.<br />
Photo: Mikołaj Długosz<br />
Die Schlawinerinnen<br />
„Es gibt keinen größeren Schlawiner als den Warschauer“, sang einst<br />
Stanisław Grzesiuk, polnischer Liedermacher im Warschau der Vorkriegszeit<br />
und unbestrittener Patron des neuesten Romans von Sylwia Chutnik. Der<br />
Rhythmus seiner Balladen, die hier so manches Mal zitiert werden, und er<br />
selbst, der namentlich genannt wird, machen den Ton, den Schick und den<br />
Charme des ganzen Romans aus. Chutnik zeigt, dass Grzesiuks Welt – oder<br />
eher Unterwelt – die nur selten mit der sogenannten großen Welt zusammentrifft,<br />
die Macht hat, die zeitgenössische, entzauberte, getünchte und<br />
modernisierte Wirklichkeit Warschaus zu überdecken. Man muss lediglich die<br />
Literatur und die Geschichte gut kennen, und den Rhythmus der Geschichten<br />
über Stasiek Messerstecher, Antek, den Sohn der Straße, über Geliebte,<br />
Säufer und Dirnen, und am Ende über den Henker, der schon am Galgen<br />
wartet, aufnehmen können. Sylwia Chutnik hat ein besonderes Gespür für<br />
diese Rhythmen. Und sie ist außergewöhnlich einfallsreich. Sie lässt sich<br />
inspirieren von Grzesiuks Balladen über Warschau, von Pola Gojawiczyńskas<br />
„Die Mädchen aus Nowolipki“ (dem Kultroman über das Leben junger Frauen<br />
im Warschau der Zwischenkriegszeit) und vom Anarcho-Punk-Feminismus.<br />
Sie hat einen eigenständigen, originellen Stil entwickelt, einen sowohl witzigen<br />
als auch bewegenden, melodramatischen, grausamen und politischen<br />
Roman. Denn es gibt durchaus einen größeren Schlawiner als den Warschauer<br />
– das ist die Schlawinerin, das unbesiegbare Banditen-Mädchen, das<br />
immer für eine gerechte Sache kämpft. Jedenfalls fast immer. Manchmal<br />
kämpft sie aus purem Vergnügen. Vor allem agiert eine Schlawinerin nicht<br />
allein. Chutniks Roman besingt die Erfolge einer ganzen Bande weiblicher<br />
Rächerinnen. Einer Bande, die soziale Schichten, Stadtbezirke und Generationen<br />
vereint, so wie einst in den Schulklassen. Celina, Halina, Stefa und<br />
Bronka spielen hier die erste Geige. Sie sprechen selbst Recht. Die Haupthandlung<br />
ist ein Rachefeldzug gegen einen brutalen Bauunternehmer, der<br />
eine Aktivistin der Mieterbewegung angezündet hat. Sie beruht auf einer<br />
wahren Geschichte, die in Warschau passiert ist. Die Täter wurden nie gefunden<br />
– die Schuld des Bauunternehmers ist lediglich eine symbolische. Im<br />
Roman nehmen sich die jungen Frauen der Sache an, und nur dank ihrer siegt<br />
die Gerechtigkeit. Die Geschichte beginnt auf dem Friedhof in Bródno und<br />
endet gewissermaßen auch auf einem Friedhof, denn das ist das Schicksal<br />
der Kriegerinnen, das grausame und traurige Ende der Ballade.<br />
Kazimiera Szczuka<br />
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