Nr. 11 / November 2011 - Die Pause (PDF, 5016 kb) - KV Schweiz
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Wo fängt die Bestechung an?<br />
Korruptionspraktiken werden oftmals<br />
in der Buchhaltung aufgedeckt. Denn<br />
Firmenvertreter, die sich die Gunst der<br />
Klientel erkaufen, müssen die Ausgaben<br />
dafür irgendwie verbuchen. <strong>Die</strong> Aufarbeitung<br />
eines Verdachts – ein heikles Unterfangen<br />
– verlaufe meist firmenintern, so<br />
Scheiwiller. Externes Whistleblowing<br />
komme in der <strong>Schweiz</strong> viel seltener vor als<br />
in den USA. Dort könnten Personen, die<br />
mit Erfolg einen Korruptionsfall bei den<br />
Behörden anhängig machen, 18 bis 30<br />
Prozent der Busse in die eigenen Taschen<br />
stecken. Scheiwiller: «Eine solche Belohnung<br />
widerspricht dem Rechtsempfinden<br />
vieler Europäer.»<br />
Dabei lässt sich Schmiergeldzahlung<br />
längst nicht immer eindeutig definieren.<br />
Scheiwiller kennt Beispiele: Erlaubt man<br />
es dem Lastwagenfahrer, bei einem Zoll<br />
in Osteuropa einige Zehnernoten hinzulegen,<br />
damit er zügig weiterfahren kann?<br />
Denn die Alternative könnte sein, dass der<br />
Lastwagen drei Tage am Grenzübergang<br />
warten muss. Oder was ist mit dem Kundengeschenk<br />
im Wert von 100 Franken? In<br />
der <strong>Schweiz</strong> wird dies wohl bloss als nette<br />
Geste aufgefasst. In einem Land wie Vietnam<br />
dagegen – einem vielversprechenden<br />
Wachstumsmarkt – bedeutet ein Betrag<br />
von umgerechnet 100 Franken für<br />
manche Leute einen Monatslohn. Compliance-Richtlinien<br />
könnten helfen, solche<br />
Dilemmas zu lösen, so Scheiwiller. «Viele<br />
Menschen haben eigentlich ein gutes<br />
Bauchgefühl für saubere oder unsaubere<br />
Praktiken.»<br />
Ethik ist mehr als Multiple-Choice<br />
An das Entscheidungsvermögen der Angestellten<br />
appelliert auch Florian Wettstein,<br />
Direktor des Instituts für Wirtschaftsethik<br />
an der Universität St. Gallen. «Ethik<br />
braucht Regeln», sagt Wettstein. Aber ein<br />
allzu engmaschiges Regelwerk verhindere<br />
das eigenständige Denken. Wer nur noch<br />
nach Vorlagen handle, verliere das Gefühl<br />
für Eigenverantwortung. Wettstein: «Dann<br />
geht der Schuss nach hinten los.»<br />
Dass es zu Regelverstössen komme,<br />
hänge auch mit dem zunehmenden Leistungsdruck<br />
zusammen. Denn um die<br />
hochgesteckten Erwartungen und Rendi-<br />
teziele zu erfüllen, dürften die Mitarbeitenden<br />
sich eher auf unerlaubte Strategien<br />
einlassen.<br />
Für Wettstein ist klar: «Ein Unternehmen<br />
darf das moralische Leitbild nicht<br />
auf Compliance verkürzen. <strong>Die</strong> Mitarbeitenden<br />
brauchen einen gewissen Freiraum,<br />
um ihre Entscheidungen zu treffen.»<br />
Aber Verantwortung will auch<br />
gelernt sein. Der St. Galler Professor, der<br />
selbst in den USA unterrichtet hat, lobt die<br />
Bedingungen wie sie an einigen amerikanischen<br />
Universitäten herrschen. Dort sei<br />
Ethik in Wirtschaftslehrgängen nicht selten<br />
Pflichtstoff und es stehe genügend<br />
Lehrpersonal zur Verfügung, um die Themen<br />
ausführlich mit den Studierenden zu<br />
besprechen.<br />
Einen Wunsch für den Wirtschaftsethikunterricht<br />
in der <strong>Schweiz</strong> – ob an der<br />
Hochschule oder an <strong>KV</strong>-Bildungsinstituten<br />
– hegt Wettstein dennoch: «Bitte keine<br />
Multiple-Choice-Tests». Denn mit dieser<br />
Art von Fragestellung werde man dem<br />
komplizierten Thema nicht gerecht.<br />
SoufflEUR dER BanKER<br />
Eine Bank hat die Herkunft der Kundenvermögen<br />
abzuklären, auch wenn das bedeutet,<br />
dass man bei der Klientel hartnäckig<br />
nachfragen muss: Dürfen wir den Vertrag<br />
über den Liegenschaftsverkauf sehen, der<br />
Ihnen so viel Geld eingebracht hat? Oder:<br />
Übergeben Sie uns doch bitte das Testament,<br />
aus dem Sie als Erbe hervorgehen.<br />
Ein Compliance-Officer stellt diese Fragen<br />
nicht selbst, sondern souffliert dem Banker<br />
im Hintergrund. <strong>Die</strong> Ausbildung und Aufklärung<br />
der Kundenberater, welche die Bank<br />
nach aussen vertreten, sei eine Hauptaufgabe<br />
der Compliance, sagt Markus Affolter,<br />
Head Legal und Compliance bei der Bank<br />
Sarasin in Basel. «Man muss sehr gut mit<br />
den Frontleuten kommunizieren können.»<br />
Das gelinge nur, wenn man selbst über eine<br />
mehrjährige Bankerfahrung verfüge.<br />
Auch mit den Richtlinien der nationalen<br />
und internationalen Finanzaufsichtsbehörden<br />
muss sich ein Compliance-Manager<br />
bestens auskennen. Bei Sarasin arbeiten<br />
etwa 40 Personen in der Compliance, dies<br />
Ihr Ergonomie-Fachgeschäft<br />
www.sitz.ch<br />
Weitere Informationen:<br />
www.berufsberatung.ch<br />
Stichwort Compliance Officers<br />
www.complianceofficers.ch<br />
Kristin Kranenberg ist Journalistin<br />
im Basler Pressebüro Kohlenberg.<br />
kranenberg@kohlenberg.ch<br />
bei einem Personalbestand von 1600. Neben<br />
den Juristen, die traditionell in diesem<br />
Bereich tätig sind, brauche es auch Spezialisten<br />
«mit einem anderen Blick auf die<br />
Dinge», so Affolter. Eine kaufmännische<br />
Bankenlehre sei durchaus eine Grundlage<br />
für eine Laufbahn in Compliance.<br />
Zu den weiteren Aufgaben des Compliance-<br />
Officers gehören die Organisation regelkonformer<br />
Abläufe und Arbeitsprozesse sowie<br />
die interne Kontrolle. Zum Beispiel<br />
überwacht Compliance die Einhaltung der<br />
Vorschriften zum eigenen Kauf und Verkauf<br />
von Wertschriften, die gelten für das ganze<br />
Personal der Bank – vom Portier bis zum<br />
CEO.<br />
<strong>Die</strong> Hochschule Luzern (www.hslu.ch) bietet<br />
mit dem DAS Compliance Management<br />
eine berufsbegleitende Weiterbildung von<br />
10 Monaten. Zugelassen werden Studierende<br />
mit einem Hochschulabschluss oder<br />
dem Diplom einer höheren Fachprüfung sowie<br />
mindestens drei Jahren Berufserfahrung<br />
im Bank- oder Finanzwesen.<br />
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