Nr. 11 / November 2011 - Die Pause (PDF, 5016 kb) - KV Schweiz
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Monatsinterview<br />
Ich habe mein Pensum an der Universität<br />
reduziert. So verfüge ich über genügend<br />
Kapazität, um das mit 30 Prozent<br />
dotierte Amt wahrzunehmen.<br />
Sie üben drei völlig verschiedene Funktionen<br />
aus. Warum ist das für Sie attraktiv?<br />
Weil ich so immer mal wieder einen<br />
Wechsel machen kann. Ich muss nie das<br />
Gefühl haben, festgefahren zu sein. Ich<br />
könnte ja einfach Lehre und Forschung an<br />
der Universität betreiben, aber das wäre mir<br />
zu eintönig. Berufsparlamentarier wollte<br />
ich nie werden. Dass das <strong>KV</strong>-Präsidium<br />
nicht vollamtlich ist, liegt auf der Hand.<br />
Welche Aufgaben kommen im <strong>KV</strong> auf<br />
Sie zu?<br />
Man ist in diesem Amt ja primär Präsident<br />
des Zentralvorstands, dem Gremium<br />
also, welches sowohl eine strategische<br />
Funktion als auch eine Überwachungsfunktion<br />
ausübt. Für mich als<br />
Präsidenten kommt dann als zusätzliche<br />
Aufgabe noch hinzu, dass ich die Anliegen<br />
des <strong>KV</strong> <strong>Schweiz</strong> in der Öffentlichkeit<br />
und in der Politik vertreten werde. Ich bin<br />
der Meinung, dass der Verband zu wenig<br />
wahrgenommen wird.<br />
Was können Sie in Bundesbern für den<br />
<strong>KV</strong> <strong>Schweiz</strong> ausrichten?<br />
Ich bin seit Frühling als Nachfolger<br />
von Mario Fehr in der Kommission Wissenschaft,<br />
Bildung, Kultur. Dort bringe<br />
ich die Anliegen des <strong>KV</strong> <strong>Schweiz</strong> ein beziehungsweise<br />
der Angestellten, die er<br />
vertritt. Man kann zum Bundesrat mit einem<br />
Anliegen, oder man kann ein Bundesamt<br />
aufsuchen und dort seine Position<br />
einbringen. Als Parlamentarier stehen einem<br />
viele Türen offen.<br />
Wir hören täglich von Entlassungen.<br />
Wie soll der Verband darauf reagieren?<br />
Nun, wir befinden uns in einer Krise.<br />
Und in einer Krise kommt es zu Entlassungen.<br />
Das ist eine Tatsache. Allein daran<br />
kann ein Verband praktisch nichts<br />
ändern. Das Engagement des Verbandes<br />
setzt dort ein, wo es um die Frage geht,<br />
wie eine Entlassung abläuft. Gibt es einen<br />
Sozialplan? Oder ganz grundsätzlich:<br />
Welche Form der Unterstützung können<br />
wir betroffenen Mitgliedern bieten?<br />
Der <strong>KV</strong> <strong>Schweiz</strong> unterhält zahlreiche Gesamtarbeitsverträge.<br />
Sind GAV noch zeitgemäss?<br />
«Der Finanzplatz muss sauber bleiben.<br />
Alles andere ist nicht mehr zeitgemäss.»<br />
Ja, davon bin ich überzeugt. Es gibt<br />
Branchen, die sich mehr dafür eignen als<br />
andere. Gesamtarbeitsverträge machen<br />
dort einen Sinn, wo es eine grosse Zahl<br />
von vergleichbaren Arbeitsverträgen gibt<br />
und die Löhne tief sind, zum Beispiel im<br />
Verkauf. Im Kollektiv erreicht man mehr<br />
als der oder die Einzelne. Gesamtarbeitsverträge<br />
sind nicht zuletzt auch im Interesse<br />
der Arbeitgeber.<br />
Was halten Sie von der Occupy-Paradeplatz-Bewegung?<br />
Mir ist die Forderung «Menschen helfen,<br />
nicht Banken» auf einem an den Mauern<br />
des Lindenhofs angebrachten Transparent<br />
aufgefallen. Das sollte wohl eine<br />
Anspielung auf die Rettung der UBS vor<br />
drei Jahren sein. Und es stimmt: Wir haben<br />
der UBS geholfen, aber damit auch den<br />
Menschen. Banken – das bedeutet auch Arbeitsplätze,<br />
und zwar gute. Grundsätzlich<br />
finde ich es sinnvoll, dass im Zusammenhang<br />
mit der Finanzkrise ein Diskurs geführt<br />
wird. Dass der Finanzplatz Probleme<br />
hat, ist ja nicht von der Hand zu weisen.<br />
Der <strong>KV</strong> <strong>Schweiz</strong> hat sich bisher eher<br />
zurückhaltend zur Finanzkrise geäussert.<br />
Wie ist Ihre Haltung dazu?<br />
Zunächst einmal muss klar festgehalten<br />
werden: Wir stehen zu den Bankangestellten,<br />
und somit selbstverständlich<br />
auch zu den Banken. Und wir pflegen ein<br />
konstruktives Verhältnis zu den Banken<br />
als Arbeitgeber. Grundsätzlich gilt: Der<br />
Finanzplatz muss sauber sein. Alles andere<br />
ist nicht mehr zeitgemäss. Und er<br />
muss seriös sein und das auch ausstrahlen.<br />
Denn das hat unseren Finanzplatz<br />
gross und erfolgreich gemacht. Im Management<br />
sind Fehler passiert, das ist unbestritten.<br />
Aber wenn man die Banken<br />
kritisiert, muss man aufpassen, dass es<br />
nicht zu pauschal ausfällt. <strong>Die</strong> Angestellten<br />
können weitgehend nichts dafür. Sie<br />
müssen die permanente Kritik der Öffentlichkeit<br />
ertragen. Dass sie auch intern unter<br />
grossem Druck stehen, kommt noch<br />
hinzu. Es sind denn auch nicht wenige<br />
Klienten, die den Rechtsdienst aufsuchen,<br />
in Banken tätig.<br />
Was wollen Sie mit dem <strong>KV</strong> <strong>Schweiz</strong><br />
erreichen?<br />
Ich möchte, dass es wieder aufwärts<br />
geht mit den Mitgliederzahlen. <strong>Die</strong> sind<br />
seit einigen Jahren rückläufig. <strong>Die</strong>sen<br />
Trend gilt es zu brechen. Das ist das grosse<br />
Ziel. Es muss uns gelingen, den Verband<br />
wieder zu einer Organisation zu<br />
machen, die für die kaufmännischen Angestellten<br />
so attraktiv ist, dass die Mitgliedschaft<br />
eine Selbstverständlichkeit<br />
ist. Früher war das so. Man hat die Lehre<br />
absolviert und trat danach fast automatisch<br />
dem Verband bei. Heute ist das nicht<br />
mehr der Fall, und auch bei anderen Verbänden<br />
ist dies längst nicht mehr selbstverständlich.<br />
Welche Massnahmen braucht es dazu?<br />
Das Angebot muss noch attraktiver<br />
und um neue <strong>Die</strong>nstleistungen ergänzt<br />
werden. Zwar bietet der Verband schon<br />
heute so viele Vergünstigungen, dass sich<br />
allein dadurch der Mitgliederbeitrag<br />
mehr als bezahlt macht, aber allein damit<br />
kann man noch keine neuen Mitglieder<br />
gewinnen. Potenzial sehe ich in der Beratung<br />
und bei den Weiterbildungen, die<br />
teilweise zu wenig aufeinander abgestimmt<br />
und zu wenig spezialisiert sind.<br />
Eine weitere Chance sehe ich darin, dass<br />
der Verband Netzwerke anbietet, vergleichbar<br />
mit den Alumni-Organisationen<br />
der Hochschulabgänger. Denn diese<br />
sind erfolgreich. Etwas Entsprechendes<br />
sollte es auch für Absolventen von Berufsprüfungen<br />
und Diplomen im kaufmännischen<br />
Bereich geben: Regelmässige Anlässe,<br />
wo sie sich treffen, austauschen und<br />
vernetzen können.<br />
Was ist Ihnen ausser der Arbeit sonst<br />
noch wichtig?<br />
Ich arbeite gern und viel, aber nie zu<br />
viel. Ich habe mir die Fähigkeit angeeignet,<br />
sehr ungestresst zu sein. Schlaflose<br />
Nächte kenne ich überhaupt nicht. Auch<br />
wenn ein Problem auftaucht, kann ich<br />
mich eine Weile damit beschäftigen,<br />
dann mich aber auch wieder völlig davon<br />
lösen und mich etwas anderem zuwenden.<br />
Das hat wohl auch damit zu tun, dass<br />
ich meine Zeit weitgehend frei einteilen<br />
und auch einfach mal sagen kann: so<br />
Schluss, jetzt gehe ich eine Stunde an die<br />
frische Luft.<br />
Therese Jäggi ist Context-Redaktorin.<br />
therese.jaeggi@kvschweiz.ch<br />
Reto Schlatter ist Fotograf im Zürcher Presseladen.<br />
mail@retoschlatter.ch<br />
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