Nr. 11 / November 2011 - Die Pause (PDF, 5016 kb) - KV Schweiz
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Zukunft<br />
Umsteigen, nicht aussteigen<br />
«The Age of Less» von David Bosshart bietet<br />
eine spannende Lektüre.<br />
Wir haben Anlass zur Sorge. Finanzund<br />
Eurokrise, überschuldete Länder,<br />
Hungersnöte, Umweltkatastrophen, Bevölkerungsexplosion<br />
und Wirtschaftssysteme,<br />
die unsteuerbar geworden sind:<br />
Das ist die Welt, wie sie sich präsentiert.<br />
Wie hilflose Feuerwehrsleute versuchen<br />
wir den einen oder anderen Brand einzudämmen,<br />
meist mit wenig Erfolg. Und der<br />
Zwang, überall und immer mehr Wachstum<br />
zu generieren, bleibt unangetastet.<br />
Obwohl wir wissen, dass gerade diese<br />
Wachstumsmanie vielen Katastrophen<br />
zugrunde liegt.<br />
«So kann es nicht weitergehen»,<br />
schreibt David Bosshart in seinem neuen<br />
Buch «The Age of Less». Der Leiter des renommierten<br />
Gottlieb-Duttweiler-Institutes<br />
zeigt auf, wie das Zeitalter des Zahlwachstums<br />
zu Ende geht. Er demonstriert<br />
anhand vieler Beispiele, dass die Logik<br />
des Immer-Mehr abgewirtschaftet hat.<br />
Und er plädiert für eine substanzielle Veränderung<br />
der wirtschaftlichen Verhältnisse.<br />
Nur so könnten wir unseren Wohlstand<br />
einigermassen erhalten. Bosshart<br />
fordert: umsteigen statt aussteigen, und<br />
zwar in das Age of Less, ein Zeitalter des<br />
Immer-Weniger, das uns aber gleichzeitig<br />
Aktionsräume für ein neues, robusteres<br />
Wachstum biete.<br />
David Bosshart skizziert entscheidende<br />
Zukunftstrends aus Wirtschaft,<br />
Gesellschaft, Konsum und Arbeit, die<br />
neuen Lebensstile, die uns prägen werden,<br />
und die Revolution von Social Media<br />
und Internet, die unsere Welt radikal verändert.<br />
Bosshart gibt einen umfassenden<br />
Überblick über die Systeme unserer<br />
Welt, wie sie aufeinander einwirken, wie<br />
Stress und Angst viele Lebens- und Wirtschaftsbereiche<br />
durchdringen und wie<br />
alles immer schneller, grösser, höher sein<br />
muss. mur<br />
David Bosshart: The Age<br />
of Less. <strong>Die</strong> neue Wohlstandsformel<br />
der westlichen<br />
Welt. Murmann<br />
Verlag 20<strong>11</strong>. CHF 28.50<br />
Prävention<br />
Sicherheit am Arbeitsplatz<br />
Das Risiko eines Unfalls in einem Bürobetrieb<br />
wird stark unterschätzt. Tatsache ist,<br />
dass 55 Prozent aller Berufsunfälle in Unternehmen<br />
im <strong>Die</strong>nstleistungssektor erfolgen.<br />
Mit wenig Aufwand könnte man die<br />
Arbeitsplatzsicherheit deutlich erhöhen.<br />
Wenn Mitarbeitende nicht zur Arbeit<br />
erscheinen, sind oft Rückenschmerzen<br />
oder Stolperunfälle der Grund. Hinzu<br />
kommen im Büro auch Beschwerden, die<br />
spezifisch mit der sitzenden Tätigkeit,<br />
dem Bildschirmarbeitsplatz und der<br />
Arbeit in klimatisierten Räumen zu tun<br />
haben: Rückenschmerzen, Verspannungen,<br />
Sehnen- und Muskelleiden sowie<br />
Erkrankungen der Atemwege und Augenprobleme.<br />
<strong>Die</strong> unfall- und krankheitsbedingten<br />
Kosten sind für die Unternehmen<br />
enorm. Allein wegen Muskel-Skelett-<br />
Schmerzen gehen in der <strong>Schweiz</strong> jedes<br />
Jahr rund 1.6 Millionen Arbeitstage verloren.<br />
<strong>Die</strong> Kosten beziffern sich auf durchschnittlich<br />
600 Franken pro Tag.<br />
Mit wenig Aufwand könnten die Betriebe<br />
die Arbeitsplatzsicherheit markant<br />
erhöhen. Prävention bedeutet in den<br />
meisten Fällen nicht die Anschaffung von<br />
neuen und teuren Geräten. Wichtig wäre<br />
vielmehr die richtige Nutzung beispielsweise<br />
von ergonomischen Stühlen und<br />
Bildschirmen. So sind etwa viele Bürotische<br />
zu hoch eingestellt.<br />
<strong>Die</strong> Eidgenössische Koordinationskommission<br />
für Arbeitssicherheit EKAS<br />
unterstützt Betriebe in ihren Präventions-<br />
Anstrengungen. Auf der Webseite www.<br />
praevention-im-buero.ch stellt sie Informationsbroschüren<br />
und Online-Lernmodule<br />
zur Verfügung. Wer bis am 31. Dezember<br />
eines der Online-Module absolviert,<br />
profitiert nicht nur von Informationen,<br />
sondern kann attraktive Preise rund um<br />
das Thema Sicherheit und Gesundheit am<br />
Arbeitsplatz gewinnen. pd<br />
www.praevention-im-buero.ch<br />
KOLUMNE<br />
Jobhüpfen<br />
Mit Stefanie Grob<br />
Ich war auch mal Pro-Juventute-Marken-<br />
Verkäuferin. Als 8-Jährige. Wie fast alle<br />
Kinder in der <strong>Schweiz</strong>. Auch jetzt klingeln<br />
sie wieder mit ihren Kartonbauchläden.<br />
Ich habe es nicht ungern gemacht.<br />
Abwechslung im Schulalltag.<br />
Ein Jahr später, in der 3. Klasse, gab es<br />
eine Projektwoche, Zigeunerwoche genannt,<br />
damals durfte man noch Zigeuner<br />
sagen. <strong>Die</strong> Schriftstellerin Mariella Mehr<br />
erzählte, wie sie aus ihrer Familie gerissen<br />
und in Kinderheime und psychiatrische<br />
Anstalten gesteckt wurde. Aktion<br />
«Kinder der Landstrasse». Geplant und<br />
durchgeführt von Pro Juventute.<br />
Kurz darauf sollten wir wieder deren<br />
Marken verkaufen. Ich weigerte mich.<br />
Und das Theater ging los. Strafaufgaben,<br />
Nachsitzen, Elterngespräche. Der Lehrer<br />
panisch, dass die ganze Klasse auf den<br />
Streikzug aufspringt. Ich verständnislos,<br />
warum ich diesen Job nicht aufgeben<br />
durfte. Ich wurde weder angestellt noch<br />
bezahlt, hatte also keinerlei Verpflichtungen<br />
und konnte ihn nicht mit meinem<br />
Gewissen vereinbaren. Lehrer Bärtschi<br />
redete von vergessen und verzeihen.<br />
Zu diesem Zeitpunkt war es erst 13 Jahre<br />
her. Das «Hilfswerk» Pro Juventute traumatisierte<br />
bis 1972 systematisch Familien.<br />
Wieso sollte ich das vergessen, während<br />
wir alle uns, ebenfalls laut Bärtschi, immer<br />
an die Gräuel des 2. Weltkrieges erinnern<br />
müssen, um aus der Geschichte zu<br />
lernen?<br />
Meine erste Berührung mit der Arbeitswelt<br />
endete mit unentschuldigten Absenzen<br />
in meinem Drittklässler-Zeugnis,<br />
obwohl der Verkauf in der Freizeit hätte<br />
stattfinden müssen (Logik war wirklich<br />
nicht Bärtschis Stärke) und mit unüberbrüc<strong>kb</strong>aren<br />
Differenzen zu Lehrern und<br />
anderen Autoritätspersonen. Das hält bis<br />
heute an. Und noch immer kaufe ich<br />
meine Briefmarken nur auf der Post.<br />
Stefanie Grob ist Autorin und Spokenword-Performerin.<br />
27<br />
context <strong>11</strong> – 20<strong>11</strong>