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Scan (15 MB) - Deutscher Rat für Landespflege

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Professor Alwin Se i f e r t<br />

Neue Landschaft im Moseltal<br />

Der Ausbau der Mosel zu einer leistungsfähigen Schiffahrtsstraße<br />

war seit 1794 ein Zankapfel, der zwischen Frankreich<br />

und Deutschland, zwischen den 1.ndustrien an der Saar, an<br />

der Ruhr und in Lothringen hin und her geworfen wurde.<br />

Nach dem letzten Weltkrieg war zum erstenmal das Verhältnis<br />

der hier spielenden Kräfte so klar, daß in einem<br />

Staatsvertrag zwischen Frankreich, Luxemburg und der<br />

Deutschen Bundesrepublik der Ausbau der Mosel zur Großschiffahrtsstraße,<br />

„ Kanalisierung " genannt, für das <strong>15</strong>00-<br />

Tonnen-Schiff vereinbart wurde.<br />

Die Bezeichnung „ Kanalisierung" erinnerte sofort an lange<br />

starre Gerade, an betonierte Ufer, an die unerträgliche Öde<br />

etwa des Deutschen Mittellandkanals, so daß durch<br />

Deutschland geradezu ein Aufschrei des Entsetzens aller<br />

ging, die je das kleinräumige, vielgewundene und durchaus<br />

„liebliche" Moseltal gesehen hatten. Dank einem durchaus<br />

neuen Verhältnis der deutschen Wasserbauer zu ihrem<br />

Werk, bei dem auch der Begriff „ Landschaft" zu seinem<br />

Recht kommt, hat sich die schwere Angst heute schon als<br />

unbegründet erwiesen - kann die Mosel in längstens<br />

zwanzig Jahren zum schönsten deutschen Fluß geworden<br />

sein, wenn die Schaffung neuer Uferlandschaft, so wie sie<br />

in zahllosen Besprechungen, Begehungen, Entwürfen und<br />

Pflanzplänen vereinbart wurde, auch durchgeführt wird.<br />

1942 war von deutscher Seite ein Schiffahrtsweg von<br />

Koblenz bis Saarbrücken und bis Diedenhofen geplant<br />

worden. Es sollten die Saar von Saarbrücken bis zu ihrer<br />

Mündung in die Mosel und die obere Mosel zwischen<br />

Diedenhofen und Trier durch Staustufen „ kanalisiert", die<br />

Mosel selbst durch Ausbaggerung einer Fahrrinne „ reguliert"<br />

werden. Der Chef der Zivilverwaltung in Luxemburg<br />

trug mir auf, in einem Gutachten die Auswirkung dieser<br />

Baumaßnahmen auf die Mosellandschaft aufzuzeigen. Nach<br />

einer eingehenden Bereisung der drei Flußteile am 11„ 12.<br />

und 13. August 1942 mit dem Regierungsvizepräsidenten<br />

v,)n Koblenz und Vertretern aller zuständigen Behörden,<br />

C:ie für alle Belange einer natürlichen Flußlandschaft erstaunlich<br />

aufgeschlossen waren, konnte ich feststellen : die<br />

Schiffbarmachung von Mosel und Saar bedeutet ke ine<br />

Gefahr fü r das jetzige Landschaftsbild; bei liebevoller und<br />

sorgfältiger Du rcharbeitung kann dieses im Gegenteil dort,<br />

wo es schon stark verödet ist, zu wesentlich größerer<br />

Schönheit gebracht werden.<br />

Zu dieser Feststellung berechtigte der Erfolg. mit welchem<br />

schon seit 1938 Dipl.-Ing. Fritz Hautum als Bauleiter der<br />

Rhein-Main-Donau AG beim Ausbau des unteren Mains zur<br />

Großschiffahrtsstraße nach langem Ringen mit seinen Vorgesetzten<br />

zusammen mit seinem Freund Max Müller, einem<br />

Landschaftsanwalt bei den Reichsautobahnen, nach dem<br />

bei diesen gegebenen Vorbild ganz neue Uferlandschaften<br />

geschaffen hatte (sie sind seither zu einer vollkommenen<br />

Schönheit herangewachsen).<br />

Die Ufer der Mosel bestanden auf lange Strecken aus<br />

dickem schwarzem Schlick, der über Rossel und Saar von<br />

den Steinkohlenzechen in dem französischen Warndt heruntergelassen<br />

wird, dahinter a~ s Unkraut amerikanischer<br />

Herkunft bis hinauf zu den veröogenen Eisengeländern an<br />

der Uferstraße. Von dort ging oberhalb von schlechtbetonierten<br />

Stützmauern Rebstock an Rebstock bis in den<br />

Himmel hinauf. Die Schutzwaldstreifen am Rand der Hochflächen<br />

oberhalb der Weinberge waren weithin aus kurzsichtigstem<br />

Erwerbstreben abgeschlagen worden.<br />

Mit der einfachen Feststellung, daß das Moseltal schon<br />

auf ziemliche Längen hin zu einer nüchternen Weinbausteppe<br />

gemacht worden war, hatte ich mir natürlich in Trier<br />

keine Freunde gemacht.<br />

Trotzdem erinnerte sich Oberregierungsrat Dr. Wagner als<br />

Referent für Naturschutz bei der Regierung in Trier 1954<br />

dieses alten Gutachtens und bewirkte schließlich, daß mich<br />

das Ministerium für Unterricht und Kultus des Landes<br />

Rheinland-Pfalz mit der landschaftlichen Beratung der<br />

Naturschutzstellen in Trier und Koblenz und der den Ausbau<br />

der Mosel betreibenden Neubauämter betraute.<br />

Eine neue Bereisung der Mosel am 23. 7. 1957 zeigte auf,<br />

daß das Moseltal seit 1942 nicht schöner geworden war.<br />

Zwar war es schon 1941 unter Landschaftsschutz gelegt und<br />

damit erreicht worden, daß die Ortschaften ziemlich einheitlich<br />

wenigstens ihre grauen Schieferdächer behalten hatten<br />

und daß es gelungen war, wenn auch oft erst nach langen<br />

Prozessen, die gröbste Reklame aus der freien Landschaft<br />

zu beseitigen. Der Ersatz der Zugtiere durch Schlepper<br />

hatte bewirkt, daß noch mehr Uferwiesen nicht mehr bewirtschaftet<br />

wurden und zu wüsten Unkrautfluren geworden<br />

waren. Der größte Teil der an sich nur wenigen Bäume, die<br />

1942 noch am Ufer standen, war verschwunden. Immer noch<br />

ließen sich die Wasser- und Schiffahrtsämter in jedem<br />

Herbst von den Flußmeistern melden, daß nach uralten<br />

Vorschriften alles beseitigt sei, WCIS zu einem Baum hätte<br />

heranwachsen können.<br />

Es wurde klar, daß die romantische Begeisterung für die<br />

Mosel entweder aus Stunden gehobener Stimmung, also<br />

geminderter Urteilskraft stammen mußte, oder aus längst<br />

vergangener Zeit, als die Mosel noch ein natürlicher Fluß<br />

war. Seit 1838 d er Versuch gemacht wurde, die Mosel für<br />

das 600-Tonnen-Schiff auszubauen, regierte an ihren Ufern<br />

die Axt.<br />

Daß den Moselwinzern selbst an der Erneuerung oder<br />

wenigstens Erhaltung von „ Landschaft" nichts gelegen ist,<br />

beweist die Ausdehnung nüchternsten Weinbaus bis an den<br />

Fluß hinunter und an bisher bewaldete Hänge, seit es gelungen<br />

ist, ein Gesetz aus dem Dritten Reich zu Fall zu<br />

bringen, das zur Erhaltung der Weltgeltung des Moselweins<br />

dessen Anbau auf die dafür wirklich geeigneten Lagen<br />

beschränkte; beweist der Ersatz der Laubwälder an den<br />

Talhängen durch Nadelholzforste; beweist schließlich die<br />

von der Landwirtschaft verlangte und geförderte Freigabe<br />

der Bebauung f reier Landschaft durch (angebliche) Aussiedlerhöfe.<br />

Es wiederholt sich, wenn auch etwas kümmerlich,<br />

die Geschichte: der römische Oberstudiendirektor<br />

Ausonius berichtet in seinem Lobgedicht „Mosella", daß zu<br />

seiner Zeit die reichen Leute auf d en schönsten Punkten<br />

des Moseltals ihre Villen erbaut hatten.<br />

Die Mosel konnte nun nicht mehr durch Ausbaggerung einer<br />

genügend tiefen und breiten Fahrrinne schiffbar gemacht<br />

werden. Man mußte sie in Staustufen mit Wehren und<br />

Schleusen zerleg en. Dabei wurde nur eine von der Natur<br />

gegebene Eigenart der Mosel technisch vergrößerf: quer<br />

durch das Flußtal ziehen immer wieder Rippen härteren<br />

Gesteins, die natürliche Wehre bilden: über sie kann man<br />

bei Niederwasser den Fluß zu Fuß durchqueren. Zwischen<br />

diesen Furten liegen Still wasserfläcllen, Wooge genannt.<br />

Die Anhebung der Mosel durch die viel höheren technischen<br />

Wehre brachte landschaftliche und weinbauliche Gewinne.<br />

Zwar konntEiln die Hochwasserstände des Flusses nicht verändert<br />

werden, aber das zuzeiten mehr als nur niedrige<br />

Niederwasser würde es nicht mehr geben. Es würden also<br />

in Zukunft die schwarzschlammigen Ufer und das Unkrautland<br />

dahinter ständig überstaut sei n. Die Mosel würde irr1<br />

Mittel um 40 v. H. breiter werden und würde damit um<br />

ebensoviel mehr Sonnenenergie an die Rebhänge hinaufspiegeln.<br />

(An der klimatischen Nordgrenze des Weinbaus<br />

müssen die We inberge zu ihren Füßen Wasserflächen<br />

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