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Atmosphärische Häuserschluchten <strong>in</strong> schummrigem<br />
Licht: E<strong>in</strong> im März 2012 veröffentlichter „Graphic <strong>Test</strong>“,<br />
sollte demonstrieren, was die Eng<strong>in</strong>e zu leisten vermag.<br />
Software für Stadt und Charaktere<br />
geschrieben und e<strong>in</strong>iges mehr. Im<br />
Anschluss folgen e<strong>in</strong> paar ulkige<br />
Videos aus dem Studio sowie e<strong>in</strong><br />
recht aufschlussreiches Q&A mit<br />
weiteren Studiogrößen. Doch auch<br />
diesmal: ke<strong>in</strong> Gameplay, sondern<br />
viel PR-Schaumschlägerei und coole<br />
Sprüche.<br />
die Macher zahlreiche gesellschaftliche<br />
Ämter mit unterschiedlichen<br />
Machtbefugnissen <strong>in</strong> Aussicht. Wer<br />
sich besonders raff<strong>in</strong>iert anstellt,<br />
hätte es gar zum „Pr<strong>in</strong>zen der<br />
Stadt“ br<strong>in</strong>gen können. In dieser<br />
mächtigsten aller Positionen hätte<br />
er dann zum Beispiel die Möglichkeit<br />
gehabt, sogenannte „Bloodhunts“<br />
auszurufen. Kurz gesagt e<strong>in</strong>en Appell<br />
an die Geme<strong>in</strong>schaft, verhasste<br />
Spieler zu liquidieren – natürlich nur,<br />
wenn diese mehrheitlich zustimmen.<br />
Und, richtig vermutet, dank Permadeath-Funktion<br />
wären getötete<br />
Charaktere tatsächlich vom Server<br />
gelöscht worden. Harter Tobak! Aber<br />
eben auch e<strong>in</strong> sehr probates Mittel,<br />
Machtspielchen aller Art und die <strong>in</strong><br />
diesem Genre so wichtige ständige<br />
soziale Interaktion voranzutreiben.<br />
Unglaublich viel Potenzial<br />
Anders formuliert: WoD war im<br />
Kern so angelegt, dass es se<strong>in</strong>e<br />
vollen Möglichkeiten erst entfaltet,<br />
wenn se<strong>in</strong>e Teilnehmer regelmäßig<br />
kommunizieren, <strong>in</strong>trigieren, Allianzen<br />
schmieden, ihre Widersacher<br />
öffentlich bloßstellen und dergleichen<br />
mehr. Wirft man nun noch<br />
das grandiose Artdesign, e<strong>in</strong>e coole<br />
Charakter-Animationstechnologie,<br />
die Möglichkeit, zwischen drei völlig<br />
verschiedenen Gameplay-Stilen<br />
wählen zu können sowie e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>gle-Server-Ansatz<br />
<strong>in</strong> die Waagschale,<br />
wird langsam klar, warum das Projekt<br />
so viel Potenzial besaß. Das größte<br />
Problem: Das Entwicklerteam, angeführt<br />
von Senior Producer Chris Mc-<br />
Donough, war nicht <strong>in</strong> der Lage, der<br />
Weltöffentlichkeit glaubhaft zu beweisen,<br />
dass all diese Komponenten<br />
s<strong>in</strong>nvoll <strong>in</strong>e<strong>in</strong>andergreifen. Vielmehr<br />
servierte man seit der offiziellen Ankündigung<br />
im August 2008 regelmäßig<br />
immer neue Informationshappen,<br />
die zwar stets den Blutdurst von Fans<br />
und Presse weckten, unterm Strich<br />
aber meist mehr Fragen aufwarfen<br />
als sie beantworten konnten.<br />
Beim Tim<strong>in</strong>g verschätzt? CCP Atlanta verwendete viel Zeit darauf, komfortable Entwickler-Tools zu schaffen.<br />
06 | 2014<br />
2010 etwa lanciert CCP den<br />
sogenannten Animatic-Trailer. Die<br />
Kamera zoomt durch New Yorker<br />
Häuserschluchten, vorbei an vermummten<br />
Gestalten und h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e Kathedrale. Dann die ersten<br />
schnellen Schnitte: Melancholische<br />
Viol<strong>in</strong>enklänge untermalen<br />
Bilder der Wollust und Begierde,<br />
zeigen sich labende Vampire an unterschiedlichsten<br />
Orten. Es folgen<br />
rasch verwischende Standbilder:<br />
Jemand hechtet durch e<strong>in</strong>en U-<br />
Bahn-Zug, spr<strong>in</strong>gt von e<strong>in</strong>em Wolkenkratzerdach<br />
zum nächsten, dann<br />
der Zoom auf e<strong>in</strong>e mit Blut getränkte<br />
Badewanne samt e<strong>in</strong>er nackten Frau<br />
dar<strong>in</strong> – als Appetithappen für Fans<br />
sicherlich gut gemacht. Doch echtes<br />
Gameplay? Oder zum<strong>in</strong>dest etwas,<br />
das danach aussieht? Pustekuchen!<br />
Im Oktober 2011 folgt e<strong>in</strong>e erste<br />
Hiobsbotschaft: CCP wird die WoD-<br />
Belegschaft reduzieren und Entwicklerkapazitäten<br />
auf Eve Onl<strong>in</strong>e<br />
umleiten. E<strong>in</strong>en Veröffentlichungsterm<strong>in</strong><br />
will man nicht herausrücken.<br />
Immerh<strong>in</strong>, e<strong>in</strong> Jahr später e<strong>in</strong> Hoffnungsschimmer<br />
im Rahmen des<br />
jährlich stattf<strong>in</strong>denden Eve-Fanfests<br />
<strong>in</strong> Reykjavik. Während e<strong>in</strong>er knapp<br />
41-m<strong>in</strong>ütigen Präsentation erläutert<br />
Chris McDonough haarkle<strong>in</strong>, woran<br />
se<strong>in</strong> noch knapp 55-köpfiges Team<br />
bisher gearbeitet hat. E<strong>in</strong>e elegant<br />
gestaltete Powerpo<strong>in</strong>t-Präsentation<br />
zeigt e<strong>in</strong>e Liste mit unzähligen Aktivitäten:<br />
Office e<strong>in</strong>gerichtet, hochkarätiges<br />
Team zusammengestellt,<br />
Entwickler-Tools erstellt, Gameplay<br />
designt, Prototypen gebaut, Movement-<br />
und Build<strong>in</strong>g-Tech entworfen,<br />
Sandbox gebaut, Render<strong>in</strong>g-<br />
Viel Augenwischerei<br />
E<strong>in</strong> weiteres Jahr verstreicht, dann<br />
endlich die verme<strong>in</strong>tliche Erlösung:<br />
Abermals auf dem Fanfest serviert<br />
CCP – nach umfangreicher<br />
Video-Präsentation der zugegebenermaßen<br />
sehr bee<strong>in</strong>druckenden<br />
Entwickler-Tools – e<strong>in</strong>e erste Gameplay-Sequenz.<br />
Die Menge jubelt.<br />
Leider sickert schnell durch, dass<br />
die Szene optisch geschönt war,<br />
nicht live vorgespielt wurde und<br />
überhaupt nur e<strong>in</strong>e Art „So könnte<br />
es aussehen“-Demo se<strong>in</strong> sollte. Die<br />
abschließend angesetzte Frage-und-<br />
Antwort-Runde fördert zwar weitere<br />
spannende Spielideen zutage, h<strong>in</strong>terlässt<br />
aber ebenfalls e<strong>in</strong>en faden<br />
Beigeschmack, zentrale Punkte des<br />
Gameplay-Aufbaus s<strong>in</strong>d weiterh<strong>in</strong><br />
nicht klar abgesteckt.<br />
Das Ende und das Warum<br />
Knapp zehn Monate später der<br />
Schock: WoD wird e<strong>in</strong>gestellt. Konkrete<br />
Gründe? Will CCP auch auf<br />
Nachfrage nicht nennen. Am wahrsche<strong>in</strong>lichsten<br />
ist jedoch e<strong>in</strong> Mix<br />
verschiedenster Negativfaktoren,<br />
allen voran der bereits 2012 von<br />
McDonough erwähnte, deutlich unterschätze<br />
Aufwand, überhaupt erst<br />
mal e<strong>in</strong> technologisches Grundgerüst<br />
zu schaffen. Klar, man konnte e<strong>in</strong>ige<br />
Komponenten von Eve übernehmen,<br />
aber eben nur e<strong>in</strong>ige. Bedenkt man<br />
nun, wie früh und wie vollmundig der<br />
Titel angekündigt wurde, entstand<br />
e<strong>in</strong>e Erwartungshaltung, der das immer<br />
weiter zusammengeschrumpfte<br />
Team irgendwann e<strong>in</strong>fach nicht mehr<br />
gerecht werden konnte. Und so bleiben<br />
am Ende vor allem Wehmut,<br />
Kopfschütteln – und e<strong>in</strong> bisschen<br />
Hoffnung. Ersteres, weil die Lizenz<br />
e<strong>in</strong>fach zu fruchtbar ist, um sie unbeackert<br />
liegen zu lassen. Letzteres,<br />
weil viele Fans offenbar immer noch<br />
fest an World of Darkness glauben<br />
und nun e<strong>in</strong>fach selbst das Ruder<br />
<strong>in</strong> die Hand nehmen, um CCP doch<br />
noch umzustimmen. Aktuell mit zahlreichen<br />
Unterschriftenaktionen auf<br />
change.org. Nun denn, worauf wartet<br />
ihr noch?<br />
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