Zwei Dorfstudien aus Westschlesien - Familie Spiegel in Radeberg
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jeden Dorfanteil e<strong>in</strong> eigenes Schöffenbuch geführt. Beispielsweise unterstanden <strong>in</strong> Langhe<strong>in</strong>ersdorf<br />
die 3 Bauern des Poppschützer Anteils dem Dorfgericht von Oberpoppschütz,<br />
und ihre Kaufbriefe wurden daher auch <strong>in</strong> die Poppschützer Schöffenbücher e<strong>in</strong>getragen.<br />
Die Flurkarte zeigt, daß Langhe<strong>in</strong>ersdorf e<strong>in</strong> Waldhufendorf ist. Die ganze Dorfflur<br />
ist, <strong>aus</strong>gehend von der von Westen nach Osten verlaufenden Dorfstraße, senkrecht dazu<br />
<strong>in</strong> schmale handtuchartige Streifen zerlegt. In der Regel hatte jedes Gehöft se<strong>in</strong>en Acker<br />
h<strong>in</strong>ten her<strong>aus</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em langen Streifen bis zur Großenborauer oder Hartauer Grenze.<br />
Das Waldhufendorf ist e<strong>in</strong>e planmäßige Rodungssiedlung des Spätmittelalters und kommt<br />
<strong>in</strong> Schlesien vor allem <strong>in</strong> Nordwestschlesien (nördlich Sagan-Sprottau) und im Vorland der<br />
Sudeten (z.B. südlich der L<strong>in</strong>ie Bunzlau-Haynau) vor 5 . H<strong>in</strong>sichtlich se<strong>in</strong>er Dorfoder<br />
Wohnform ist Langhe<strong>in</strong>ersdorf e<strong>in</strong> lockeres Reihendorf mit der stattlichen Länge von<br />
6 km.<br />
Die Keimzelle dieses langen Dorfes liegt am Ostende zwischen dem Niedervorwerk<br />
und dem Kirchvorwerk. Hier war vor der deutschen Kolonisation e<strong>in</strong>e slawische<br />
Siedlung, ähnlich den nördlich gelegenen Siedlungen von Scheibau und Kuhnau. Für<br />
diesen ältesten Dorfteil wurde noch um 1700 die Bezeichnung "polnisches Dorf" verwandt,<br />
die schon zu Beg<strong>in</strong>n des 14. Jahrhunderts (um 1305) urkundlich gesichert ist.<br />
Die alte, im Jahre 1856 abgebrannte katholische Kirche und die zugehörige Pfarrwidmut<br />
nebst der Schreiberei (Ackerland des früheren katholischen Schulmeisters, Küsters,<br />
Gerichts- und Kirchenschreibers) liegen daher auch nicht <strong>in</strong> der Mitte des Dorfes, sondern<br />
mehr am Ostrande. Die deutschen Bauern rodeten nun ihre Hufenstreifen <strong>in</strong> den Wald<br />
h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> und vergrößerten das Dorf nach Westen auf den ursprünglichen Grenzwald zu.<br />
An der Grenze der Geme<strong>in</strong>den Rückersdorf und Wittgendorf gegen Hartau-Langhe<strong>in</strong>ersdorf<br />
verliefen die alten Dreigräben. Bei Langhe<strong>in</strong>ersdorf liefert der Name "Neudorf"<br />
für den westlichen Dorfteil noch die Bestätigung dafür, daß dieser Teil als letzter <strong>aus</strong> dem<br />
Walde her<strong>aus</strong>gerodet wurde.<br />
E<strong>in</strong> Kennzeichen jedes Waldhufendorfes s<strong>in</strong>d die Viehwege. Das s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Regel<br />
30 bis 50 Meter breite Ackerstreifen, die die Form der benachbarten Hufenstreifen<br />
wiederholen. Auf ihnen wurde das Vieh zur Weide auf die H<strong>in</strong>ter- und Mittelfelder<br />
getrieben. Bei der Dreifelderwirtschaft blieb immer e<strong>in</strong>es der drei Felder als "Brache"<br />
liegen und wurde als Hutung für die Schaf- und R<strong>in</strong>derherden genutzt.<br />
In Langhe<strong>in</strong>ersdorf gab es auf jeder Dorfseite 4 solcher Viehwege. Im Westen fällt der<br />
erste Viehweg (mundartlich: "Viebig, Viebj") im wesentlichen mit der Durchgangsstraße<br />
Sprottau-Hartau-Freystadt zusammen. Der nächste Viehweg liegt östlich der<br />
Bauerngüter Nr. 32 und 10. Diese schmalen Ackerstreifen wurden <strong>in</strong> den meisten Dörfern<br />
der Kirche überlassen. Blieben sie <strong>in</strong> grundherrlichem Besitz, so wurden sie öfters<br />
vom Grundherrn an Bauern verkauft. Diesen Vorgang haben wir <strong>in</strong> Langhe<strong>in</strong>ersdorf<br />
beim zweiten Viehweg. Daher erklären sich die schmalen Ackerstreifen "zu 31" und<br />
"zu 10". Der dritte Viehweg liegt im nördlichen Teil zwischen Gut Nr. 17 und dem<br />
Warkotschvorwerk. Im Kaufbrief des Gutes Nr. 17 vom 22.2.1693 heißt es, daß dieser<br />
Viehweg von Nicklas-Gut (Nr. 17) und Mart<strong>in</strong> Viebigs Gut (das Gut ist bald darauf zum<br />
5<br />
Karten über die Verbreitung der Waldhufendörfer <strong>in</strong> Schlesien siehe W. Bernard, Das Waldhufendorf (Breslau 1931); Herbert<br />
Schienger, Formen ländlicher Siedlungen <strong>in</strong> Schlesien (Breslau 1930). — Wolfgang Ebert (Ländliche Siedlungsformen im<br />
deutschen Osten, <strong>in</strong>: Blätter f. deutsche Landesgesch. 83. Jg., 1936) unterscheidet doppelseitige oder e<strong>in</strong>seitige Reihendörfer<br />
mit Waldhufenfluren. Im Kreise Sprottau haben wir meist doppelseitige Reihendörfer (wie z.B. Langh.). "Dieses<br />
Zusammenkl<strong>in</strong>gen von lockerer Ortsform und bestimmter Flurgliederung ist das Hauptmerkmal für das Reihendorf" (W. Ebert,<br />
S. 26). — "Die Waldhufendörfer s<strong>in</strong>d als die höchstentwickelte Dorfform der mittelalterlichen Bauernsiedlung im Waldlande<br />
anzusehen, wurde sie doch e<strong>in</strong>erseits dem Geme<strong>in</strong>schaftspr<strong>in</strong>zip (Dreifelderwirtschaft) der Dorfbauernschaft, andererseits aber<br />
auch dem deutschen Hang zur <strong>in</strong>dividuellen Freiheit gerecht." Auch <strong>in</strong> der Ebene s<strong>in</strong>d "die Waldhufendörfer zur<br />
vorherrschenden Dorfform geworden, und zwar im Gebiet von Naumburg a.B.-Sagan-Sprottau, im Fr<strong>aus</strong>tädter Ländchen ...<br />
u.a.O. Kennzeichnend für die Waldhufendorflandschaften ist die Tatsache, daß <strong>in</strong> ihrer Sozial- und Wirtschaftsstruktur das<br />
ostdeutsche Rittergut nicht jene beherrschende Rolle gespielt hat wie <strong>in</strong> den Altsiedellandschaften" (Herbert Schlenger,<br />
Schlesiens deutsche Kulturlandschaften, o.J., S. 7).<br />
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