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14 professorengespräch regjo südniedersachsen<br />

regjo südniedersachsen Professorengespräch 15<br />

Der blinde Fleck des Kulturkritizismus<br />

Im 17. Professorengespräch sprechen der Germanist Albert Busch und der Sprachwissenschaftler Michael Job über die Veränderung<br />

des Deutschen, die Normalität des Sprachwandels und die Frage, was denn überhaupt eine „gute“ Sprache ausmacht.<br />

Wir danken dem Theater im OP für die Bereitstellung der Bühne.<br />

Gesprächsleitung: Sven Grünewald Fotografie: Marco Bühl<br />

Wie vielfältig und lebendig ist das Deutsche<br />

weltweit?<br />

Busch: Ausgesprochen vielfältig und ausgesprochen<br />

lebendig. Im Dialektbereich<br />

haben wir so etwas wie eine interne Mehrsprachigkeit.<br />

Wir haben daneben weitere<br />

Bereiche, in denen verschieden gesprochen<br />

und geschrieben wird: Fachsprache,<br />

Berufssprache, Jugendsprache, wir haben<br />

Sprachimporte und eine Diskussion über<br />

Sprache. Es gibt weltweit großes Interesse<br />

an der Deutschen Sprache. Die Gesellschaft<br />

für deutsche Sprache hat überall Zweigstellen,<br />

in denen Sprachangebote gemacht<br />

werden: sechs in Afrika, sieben in den<br />

USA, elf in Asien, 33 in Europa und eine<br />

am Polarkreis.<br />

Job: Bei den Goethe-Instituten hat man<br />

inzwischen allerdings das Problem, dass<br />

einige schon vor der Schließung stehen,<br />

weil es keine Förderung mehr gibt. Gleichwohl<br />

ist die Nachfrage ungebrochen. Das<br />

hat sicher damit zu tun, dass der Wirtschaftsraum<br />

Deutschland attraktiv ist,<br />

gerade für Studierende aus dem ostasiatischen<br />

Raum. Man kann sich über das große<br />

Interesse ein wenig wundern, weil das Englische<br />

der Konkurrent par excellence ist, der<br />

auf lange Sicht wohl auch gewinnen wird.<br />

Busch: Sagen die einen. In <strong>20</strong>0, 300 Jahren,<br />

das sagen viele Wirtschaftstheoretiker,<br />

werden China und Indien die großen<br />

Wirtschaftsakteure sein. Das wird sicher<br />

große Auswirkungen haben und kann zu<br />

einer Ablösung der lingua franca Englisch<br />

führen.<br />

Im Feuilleton herrscht immer wieder eine<br />

große Aufregung über „Denglisch“ oder<br />

auch „Neudeutsch“. Können Sie das<br />

nachvollziehen?<br />

Busch: Dahinter steht eine sprachpuristische<br />

Haltung, die sagt, dieser Einfluss<br />

dürfe nicht sein. Das ist aber nur eine kleine<br />

Gruppe mit klarer Altersorientierung über<br />

60 und aus bestimmten Berufsgruppen,<br />

speziell dem Bildungsbereich. Ein großer<br />

Teil der Leute fühlt sich aber wohl damit,<br />

sonst wäre es nicht so verbreitet. Es gibt<br />

besonders zwei Einfallstore für das Englische:<br />

Werbung und Technologie. Wenn<br />

eine Technologie kommt, dann bringt sie<br />

ihre Sprache mit. Und in der Werbung finde<br />

ich den Kulturkritizismus besonders niedlich,<br />

denn es gibt keinen Bereich, der besser<br />

reflektiert ist als Werbung. Man kann<br />

dort nur sagen: Wenn englisch formuliert<br />

wird, dann, weil es besonders gut funktioniert,<br />

weil es sexy ist, weil es Modernität<br />

verspricht. Das wird oft nicht bedacht<br />

bei kulturkritischen Fragen. Solche Entlehnungsschübe<br />

haben wir immer gehabt,<br />

aus dem Lateinischen, dem Französischen –<br />

aus jeder lingua franca bleibt etwas hängen.<br />

Und das Interessante an der deutschen Sprache<br />

ist, dass sie sehr stark integriert. Wir<br />

haben mit Wörtern wie Keller und Fenster<br />

heute genauso wenig ein Problem wie mit<br />

dem Friseur oder dem Büro. So wird das<br />

auch mit dem Englischen sein.<br />

Job: Gerade in der Computertechnik wurde<br />

zu Anfang der Versuch gemacht, alles einzudeutschen:<br />

Bildschirm, Rechner, Festplatte.<br />

Aber wahrscheinlich setzen sich die<br />

englischen Begriffe da bei uns durch. Das<br />

ist jedoch nicht weiter schlimm. Denn oft<br />

wird vergessen, dass weder die Orthografie<br />

noch der Wortschatz noch die Grammatik<br />

die Sprache ist, sondern alles zusammen.<br />

Wenn man Nachrichten aus den 50er oder<br />

auch 80er Jahren hört, dann klingen die<br />

Sprecher anders. Woran liegt das?<br />

Job: Die sind seinerzeit regelrecht geschult<br />

worden und haben eine Standardsprache<br />

gelernt, gerade in der Aussprache. Das wird<br />

heute nicht mehr gemacht, die Aussprache<br />

fremdländischer Namen und Ortsna-

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