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60 armut regjo südniedersachsen regjo südniedersachsen armut 61<br />

Text: Sina Durchstecher Fotografie: Marco Bühl<br />

Es sind vermutlich die bekanntesten Gesichter der Stadt.<br />

Wer durch die Innenstadt läuft, trifft einige Charaktere<br />

immer wieder. Sie sitzen gewohnheitsmäßig an den<br />

immer gleichen Stellen, ziehen von Stammplatz zu Stammplatz<br />

oder sind als „Nomaden“ im Stadtgebiet unterwegs.<br />

Einige sind obdachlos. „Aber es sind die wenigsten“, erklärt<br />

Uwe Friebe, Leiter der Göttinger Straßensozialarbeit. Wer<br />

öffentlich mit seiner Armut umgeht, sich bettelnd in die<br />

Innenstadt setzt oder pfandflaschensammelnd seine Runden<br />

um den abendlichen Wilhelmsplatz dreht, tut das<br />

nicht freiwillig. „Manche sind für sich selbst unterwegs<br />

und machen das als eine Art Zubrot. Sie gehen betteln,<br />

um ihre finanzielle Situation aufzubessern“, erklärt Uwe<br />

Friebe. Es gibt aber auch die anderen, die „erwerbstätig<br />

betteln. Also nicht für ihre eigene Tasche, sondern für<br />

andere“. Es sind diese organisierten Bettlergruppen, mit<br />

denen sich viele der sozial Bedürftigen grundlos über einen<br />

Kamm geschoren sehen. Von der „Bettelmafia“, die gerne<br />

als Ausrede für ein hingenuscheltes „Ich gebe nichts!“ herhalten<br />

muss, sind sie weit entfernt. Dabei sind die „Organisierten“<br />

oft selbst bedürftig – auch wenn fraglich ist, inwiefern<br />

ihnen das Erbettelte selbst zugute kommt.<br />

Der offensichtlichen Armut auf der Straße stehen jene<br />

gegenüber, die ihre Bedürftigkeit zu verstecken versuchen.<br />

„Von 600 sozial Bedürftigen, die sich jährlich bei uns in<br />

der Straßensozialarbeit melden, geht der überwiegende<br />

Teil nicht betteln, sondern versucht seine Armut anders<br />

auf die Reihe zu bekommen“, beschreibt Uwe Friebe seine<br />

Erfahrungen. Einige üben Nebentätigkeiten aus, um ihr<br />

Einkommen aufzubessern. „Manches fällt dabei unter<br />

Schwarzarbeit, einige gehen dealen. Nicht gerade Schwerstkriminalität,<br />

aber legal ist das eben auch nicht.“ Wie leicht<br />

Bedürftigkeit mit Kriminalität assoziiert wird, dafür hat<br />

Ralf Reinke, Leiter des katholischen Mittagstisches in der<br />

Turmstraße, das prägnante Beispiel einer über 80-jährigen<br />

Helferin parat. „Da sie beim Mittagstisch hilft, wird sie<br />

immer wieder von ihren Bekannten gefragt, ob sie es denn<br />

nötig hätte, zu diesen, wörtlich, Verbrechern zu gehen.“<br />

Das Stigma sieht Ralf Reinke darin begründet, dass Außenstehende<br />

nur das öffentliche Bild der Straße kennen und<br />

wenig über die andere Seite der Bedürftigkeit wissen.<br />

Anlaufstellen für Bedürftige gibt es inzwischen in größerer<br />

Zahl. Die Göttinger Tafel ist die vielleicht bekannteste<br />

Einrichtung, etwa 1.400 Menschen beziehen hier regelmäßig<br />

Lebensmittel. Aber es sind eben nicht nur kostengünstige<br />

Nahrungsmittel, die benötigt werden. „Fast alle nutzen<br />

die Kleiderkammer und das Hausrats- und Möbellager,<br />

die vom Verein Förderer der Straßensozialarbeit betrieben<br />

werden“, erklärt Uwe Friebe. Jene Obdachlosen, denen<br />

es nicht möglich ist, ein eigenständiges Leben zu führen,<br />

suchen zum Teil Hilfe bei der Göttinger Heilsarmee. Darunter<br />

selbst „Personen, die studiert haben“, erklärt Esther

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