20 MB - RegJo
20 MB - RegJo
20 MB - RegJo
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
62 armut regjo südniedersachsen regjo südniedersachsen armut 63<br />
Gulde, Leiterin der Einrichtung. „Unter den Notübernachtern sind<br />
viele junge Menschen, von 18 an. Viele haben keine Schulausbildung.<br />
Fast alle haben ein Alkoholproblem. Drogen sind auch ein<br />
Thema. Manche sind fast Jahrzehnte auf der Straße gewesen.“ Man<br />
sieht den Menschen ihre Armut nicht unbedingt an. „Die zahlenmäßig<br />
meisten, die in die Straßensozialarbeit kommen, sind im<br />
Durchschnitt 25, laufen in H&M-Klamotten herum – und sind<br />
reichlich bemüht, nicht aufzufallen“, erklärt Uwe Friebe und fügt<br />
hinzu: „Allen gemeinsam ist, dass sie an oder unter der Armutsgrenze<br />
leben.“ Lebensmittel, Kleidung – oft ist es aber auch einfach<br />
„nur“ die Sehnsucht nach Gemeinschaft, welche Menschen<br />
in die Teestube der Straßensozialarbeit bringt.<br />
Die Möglichkeit, Menschen zu treffen, miteinander zu sitzen<br />
und zu reden, ist auch ein wichtiger Aspekt des Mittagstisches<br />
der katholischen St. Michael Gemeinde. 1990 wurde der Mittagstisch<br />
von Jesuitenpater Heribert Graab gegründet. Die Gäste<br />
dort sind eine heterogene Gruppe. „Unter den Besuchern sind<br />
unauffällige Leute, Rentner, Personen mit psychischen Problemen,<br />
ausländische Bettler“, beschreibt Ralf Reinke. Und natürlich<br />
auch jene, die man von der Straße kennt. Das stereotype Bild<br />
des bedürftigen Bettlers wird jedoch der Vielfalt an Hilfesuchenden<br />
nicht gerecht. Dass die Anzahl der Besucher über die Jahre<br />
konstant geblieben ist und früher wie heute in der Woche ungefähr<br />
50 Personen und am Wochenende 60 bis 80 kämen, zeigt,<br />
dass die soziale Bedürftigkeit nicht abgenommen hat.<br />
Um Aussagen über das Ausmaß an Armut zu treffen, wird<br />
gemäß EU-Definition die Höhe der „relativen Einkommensarmut“<br />
ermittelt: Wer weniger als 60% des durchschnittlichen, bedarfsgewichteten<br />
Nettoeinkommens in Deutschland verdient, gilt<br />
als armutsnah oder armutsgefährdet. Für den südniedersächsischen<br />
Raum – Goslar, Osterode, Northeim, Göttingen – stellt der<br />
„Bericht zur regionalen Armutsentwicklung in Deutschland“ des<br />
Paritätischen Wohlfahrtsverbandes von <strong>20</strong>12 fest: Seit <strong>20</strong>08 ist die<br />
Armutsgefährdungsquote um 1,4% gestiegen – auf <strong>20</strong>,1% im Jahr<br />
<strong>20</strong>11; niedersachsenweit sind es 15,7%. Gegenläufig dazu ist die<br />
Entwicklung der Quote der Hartz IV-Bezieher – diese sinkt und<br />
sie liegt weit unter der Armutsgefährdungsquote. „Ein deutlicher<br />
Fingerzeig“, so der Paritätische, auf die deutliche Zunahme von<br />
prekären Beschäftigungsverhältnissen und die Ausweitung des<br />
Niedriglohnsektors. Armut wächst.<br />
Musik oder Bettelbecher – in Göttingen sind insbesondere viele Rumänen (siehe auch vorhergehende Seite) unterwegs und bitten um Unterstützung.<br />
Mag auch der Organisationsgrad von Bettelbanden hoch sein, sagt das nichts über die Bedürftigkeit der Bettelnden aus.<br />
Marcus mit Hund Flocke<br />
an seinem Stammplatz im<br />
Durchgang vom Wochenmarkt<br />
zur Kurzen Straße.