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In den ›Betrachtungen zum Menschen als theologisches Wesen‹ (1) zitiert Kurt Goldammer Paracelsus wie folgt: »Der Mensch legt den Eckstein nit, allein Gott. Das ist: so er ein Menschen brauchen will zu einem Ding, ...so die Zeit kommt, so nimmt ihn Gott und macht aus ihm, das er aus ihm machen will.« Könnte der Christ Paracelsus damit meinen, dass Gott in seiner Allwissenheit unter seinen Geschöpfen – ungeachtet von Rasse, Kulturkreis oder Weltanschauung – zu dem ihm rechten Zeitpunkt Menschenkinder findet und anstößt, Werke zu tun, deren Auswirkungen zunächst noch verborgen sind? Wenn dem so wäre, dann müsste in einem Menschen auch die Bereitschaft – bewusst oder unbewusst – vorhanden sein, »so die Zeit kommt«, von Gott die betreffende Aufgabe nicht nur zu akzeptieren, sondern auch nach besten Kräften zu lösen. Das o.a. Zitat rückte ins Bewusstsein, als bekannt wurde, dass Herr Professor Yuzo Okabe (Universität Tokio) nicht nur Schriften des Hohenheimers ins Japanische überträgt (2), sondern auch Studenten der Universität Tokio in das Werk des Paracelsus einführt. Während einer zweiten Begegnung mit Professor Okabe in Leipzig (Juli 2000) wurde ihm natürlich die Frage gestellt, welche Motive ihn bewegt haben, sich Paracelsus zuzuwenden und dessen Werk interessierten Landsleuten zugänglich zu machen. In einer e-mail (06.09.2000) teilte uns Professor Okabe seine Antwort auch schriftlich mit, die wir mit seiner Erlaubnis nachfolgend wiedergeben: »Was Paracelsus in Japan betrifft, so ist bei uns die Forschung über hermetische Traditionen (wie auch vielseitige christliche Traditionen im Abendland) natürlich sehr mangelhaft, obwohl zwei Biographien über Hohenheim vorliegen, eine von Professor Ohashi (medizingeschichtliches Seminar), eine von dem Germanisten Tanemura, der auch sehr gute Biographien über Hildegard von Bingen und die Rosenkreuzer geschrieben hat, und einige Paracelsus-Übersetzungen herausgegeben worden sind. Leider kenne ich neue Strömungen der Paracelsus-Forschung in Japan nicht. Trotzdem bin ich überzeugt, dass die ostasiatische Kultur und Naturanschauung zu den Paracelsus-Forschungen sicher beitragen kann, weil Paracelsus verborgene, geistige Naturkräfte viel näher erfahren hat als die Europäer heutzutage (wir bezeichnen sie oft scherzhaft als ›aufgeklärte, aber sehr exotische Bewohner in Fernwest‹), geistige Naturkräfte, die die Ostasiaten sehr intim empfinden und in denen sie in der Tat leben. Nicht nur das Konzept der Natur, sondern auch die Natur oder die Landschaft selbst (wir nennen sie normalerweise ›lebendige, kräftige, einerseits sehr anmutige, aber andererseits grausame‹ Natur) ist zwischen Ost und West sehr unterschiedlich. Wir leben auf dem Lavaland und kennen den festen Grundstein oder Eckstein nicht. Wir leben so, als ob wir zwischen Himmel und Erde schwebten. Bitte sehen Sie sich einmal Fotos von japanischen Teehäusern an, die aus Holz und Papier bestehen: Ihre hölzernen Pfeiler stehen nur auf kleinen Steinen, und ein Teehaus scheint so, als ob es nicht auf dem Erdboden aufgebaut wäre, sondern einige Zentimeter hoch schwebte. Wir glauben nicht an Gott als einzigen Gott, sondern an Götter. Wie dem einzigen Gott eine einzige Welt entspricht, entsprechen Götter verschiedenen Welten, und zwar nicht nur wirklichen Welten, sondern auch potentiellen Welten. Uns scheinen also die Geister z.B. in den vier Elementen, die Paracelsus phantasievoll dargestellt hat, nicht so ganz fremd, weil wir sie als eine Art von genius loci finden können.« In den Gesprächen mit Professor Okabe wurde in wachsender Erkenntnis deutlich, dass Menschen von einer Sendung überzeugt sein können, die sie zu entsprechendem Handeln drängt. Eben dieses Erleben veranlasst zum Nach-Denken; es hat etwas zu tun mit dem Auftrag des Menschen. Der Hohenheimer äußert sich im »drit capitel. De compositione humana« seiner »Astronomia Magna« wie folgt (3): »...der mensch sol on alle einred und aufzug sein ampt volbringen, darumb in got beschaffen hat und das nicht widerbellen oder verachten. dan wo wir im liecht der natur nit das volenden, das got 2 EDITORIAL
durch uns haben wil, es muß ein rechnung darumb gegeben werden am jüngsten tag... also hat got den menschen beschaffen, das seine unsichtbaren werk durch das sichtbar geschehen sollen, das ist, durch den menschen. darumb beschicht solches durch das sichtbar, das dan die person des menschen ist, durch welche götliche werk offenbar werden, das dan gottes wil ist.« Dem ist nichts hinzuzufügen, es sei denn, man ordnet die Forderungen des Hohenheimers seiner Ethik (Lehre vom sittlichen Wollen und Handeln des Menschen!) zu und hält sie sich als Spiegel vor: Was ist mein »ampt«, für das ich Rechenschaft abzulegen habe vor Gott? Die Deutsche Bombastus-Gesellschaft begeht in diesen Tagen ihr zehnjähriges Bestehen. Dieses Jubiläum ist uns Anlass zu großer Freude und Dankbarkeit. Dass die Deutsche Bombastus-Gesellschaft nach so kurzer Zeit einen geachteten und eben ihren Platz neben den Schwestergesellschaften gefunden hat, ist neben vielen sachlichen vor allem sehr bereichernden persönlichen Kontakten zu den Präsidenten wie Vorstandsmitgliedern der Internationalen und Schweizerischen Paracelsus-Gesellschaft zu danken. Wir danken in ehrendem Gedenken den verstorbenen Gründungsmitgliedern für ihren rastlosen Einsatz in der so schwierigen Anfangszeit: Herr OMR Dr. med.Wolfgang Klinger, erster Vorsitzender der Deutschen Bombastus-Gesellschaft (gest. 2000), Frau Ursula Gulde, erste stellvertretende Vorsitzende (gest. 1999) sowie Herrn Prof.em.Dr.-Ing. Gottfried Heinicke, Mitbegründer (gest. 1993). Wir danken dem Urania-Vortragszentrum Dresden und seinem Geschäftsführer, Herrn Dipl.-Ing. Karl-Heinz Kloppisch, für eine hervorragende Zusammenarbeit bei Vortragsveranstaltungen sowie Exkursionen. Nicht minder herzlich danken wir der Oberlausitzischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Görlitz und ihrem bisherigen Präsidenten, Herrn Prof.Dr.phil habil.Ernst-Heinz Lemper, für ein anregendes Miteinander, für die Vertiefung der Erkenntnisse in den Beziehungen zwischen Jakob Böhme und Paracelsus sowie für die Öffnung von Wegen in den niederschlesischen Kulturkreis. Mit besonderer Herzlichkeit jedoch danken wir allen unseren Mitgliedern, ob in unserem Vaterland oder im Ausland, für ihre Treue, für ihr Interesse an unseren Veranstaltungen und für die Spenden, die unserer Arbeit bisher eine sichere materielle Basis schufen. Am 24. März 2001 wurde des zehnjährigen Bestehens der Deutschen Bombastus- Gesellschaft im Deutschen Hygiene-Museum zu Dresden mit einer festlichen Jahreshauptversammlung gedacht. Wir gehen, gestützt auf das Vertrauen unserer Mitglieder und auf das harmonische Verhältnis mit unseren Schwestergesellschaften, in froher Zuversicht an die Lösung der vor uns liegenden Aufgaben, denn: »...der mensch sol on alle einred und aufzug sein ampt volbringen, darumb in got beschaffen hat« (Paracelsus, XII/59) Vorstand und Verwaltungsrat der Deutschen Bombastus-Gesellschaft (1) PARACELSUS: Vom Licht der Natur und des Geistes Eine Auswahl Hrg. Kurt Goldammer Philipp Reclam jun. Stuttgart 1984 S.154 (2) »Manuskripte –Thesen – Informationen« Heft 15 – 1/2000 S. 27 Hrg. Deutsche Bombastus-Gesellschaft (3) PARACELSUS: Sämtliche Werke Hrg. Karl Sudhoff XII/59 3
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