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¨Ubungen zur Einführung in die Astronomie und Astrophysik

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Zentrum für <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong><br />

TU Berl<strong>in</strong><br />

Sekretariat PN 8-1<br />

Hardenbergstr. 36<br />

10623 Berl<strong>in</strong><br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />

<strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


Dieses Übungsskript darf nicht kommerziell weitergegeben oder anderweitig, ohne Angabe der<br />

Herkunft, an dritte weitergegeben werden.<br />

Copyright 2002<br />

Titelbild copyright by Uli Ste<strong>in</strong>


Inhaltsverzeichnis<br />

0 Allgeme<strong>in</strong>es 5<br />

0.1 Sche<strong>in</strong>kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

0.2 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

1 Beobachtungen am Teleskop 7<br />

1.1 Astronomische Koord<strong>in</strong>atensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

1.1.1 Horizontsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

1.1.2 Äquatorsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />

1.1.3 Bemerkungen zu W<strong>in</strong>kele<strong>in</strong>heiten . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

1.1.4 Koord<strong>in</strong>atenänderung durch Präzession . . . . . . . . . . . 11<br />

1.2 Astronomische Zeitsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />

1.2.1 Berechnung der Ortssternzeit . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

1.3 Nautisches Dreieck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />

1.4 Durchführung der Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />

1.5 Anhang: Sphärische Trigonometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />

2 Brennweitenbestimmung 21<br />

2.1 Gr<strong>und</strong>lagen — Theorie der Teleskope . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

2.1.1 Optische Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

2.2 Optische Geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

2.3 E<strong>in</strong>heiten von W<strong>in</strong>kel <strong>und</strong> Raumw<strong>in</strong>kel . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />

2.4 Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />

3 Bestimmung der Bahnelemente visueller Doppelsterne 27<br />

3.1 Allgeme<strong>in</strong>es . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

3.2 Gr<strong>und</strong>lagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

3.2.1 Mechanische Gr<strong>und</strong>lagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

3.2.2 Bahnelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

3.3 Die graphische Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />

3.4 Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

3.4.1 Bestimmung der Umlaufszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

3.4.2 Bestimmung der Massensumme des Systems . . . . . . . . 33<br />

4 Sternstromparallaxe 35<br />

4.1 E<strong>in</strong>leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />

4.2 Die Sternstromparallaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />

4.3 Vertexbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />

4.4 Genauigkeit der Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />

4.5 Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 3


Inhaltsverzeichnis<br />

5 Spektralklassifikation 43<br />

5.1 <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />

5.1.1 Spektralklassifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />

5.2 Gr<strong>und</strong>lagen: Was ist Strahlung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />

5.2.1 Schwarzkörperstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />

5.2.2 Elektromagnetische Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />

5.3 Klassifikationskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />

5.4 Durchführung der Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />

5.5 E<strong>in</strong>ige der wichtigsten L<strong>in</strong>ien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />

6 Entfernung <strong>und</strong> Alter offener Sternhaufen 51<br />

6.1 E<strong>in</strong>leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51<br />

6.2 Das Hertzsprung-Russell Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . 51<br />

6.2.1 Das Hauptreihenstadium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />

6.2.2 Das Riesenstadium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />

6.2.3 Weiße Zwerge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />

6.3 Beobachtungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />

6.3.1 Das Farben-Helligkeits-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . 54<br />

6.3.2 Der Farb<strong>in</strong>dex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54<br />

6.3.3 Das Farben-Farben-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . 54<br />

6.3.4 Die <strong>in</strong>terstellare Verfärbung . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />

6.4 Photometrische Entfernungsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . 55<br />

6.5 Altersbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56<br />

6.6 Durchführung der Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56<br />

6.7 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57<br />

6.7.1 Helligkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57<br />

6.7.2 Bemerkungen <strong>zur</strong> Fehlerrechnung . . . . . . . . . . . . . . 58<br />

4 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


0<br />

Allgeme<strong>in</strong>es<br />

Sche<strong>in</strong>kriterien 0.1<br />

Das Fach <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> kann als prüfbares Wahlpflichtfach im<br />

Vordiplom gewählt werden. Zur Prüfungsanmeldung muß beim Prüfungsamt e<strong>in</strong><br />

Übungssche<strong>in</strong> vorgelegt werden. Dieser wird ausgestellt, wenn <strong>die</strong> folgenden Lehrveranstaltungen<br />

nachweislich (<strong>und</strong> erfolgreich) besucht wurden:<br />

1. VL <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> I (2 SWS)<br />

2. VL <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> II (2 SWS)<br />

3. UE <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> (2 SWS)<br />

Der Besuch beider Vorlesungen ist durch E<strong>in</strong>trag im Stu<strong>die</strong>nbuch nachzuweisen.<br />

Die erfolgreiche Teilnahme an der Übung umfasst <strong>die</strong> Bearbeitung aller sechs <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong>sem Skript beschriebenen Aufgaben <strong>und</strong> <strong>die</strong> Abgabe jeweils e<strong>in</strong>es Protokolls<br />

zu jeder <strong>die</strong>ser Aufgaben. Die Bearbeitung der Übungsaufgaben erfolgt <strong>in</strong> Zweiergruppen,<br />

für <strong>die</strong> Bearbeitung jeder Aufgabe stehen zwei Übungsterm<strong>in</strong>e <strong>zur</strong><br />

Verfügung.<br />

Es besteht Anwesenheitspflicht für alle 12 Übungsterm<strong>in</strong>e!<br />

Der jeweils erste Term<strong>in</strong> zu jeder Aufgabe <strong>die</strong>nt der (theoretischen) <strong>E<strong>in</strong>führung</strong><br />

<strong>in</strong> das Thema der entsprechenden Aufgabe. Als Gr<strong>und</strong>lage hierzu ist vor <strong>die</strong>sem<br />

Term<strong>in</strong> der entsprechende Teil des Skriptes zu lesen! Den Übungsteilnehmern wird<br />

darüberh<strong>in</strong>aus dr<strong>in</strong>gend <strong>die</strong> Lektüre der zu jeder Aufgabe angegebenen Literatur<br />

empfohlen.<br />

Die Abgabe der Protokolle erfolgt jeweils spätestens am ersten Übungsterm<strong>in</strong> <strong>zur</strong><br />

Bearbeitung der folgenden Aufgabe.<br />

Zu jeder Übung s<strong>in</strong>d mitzubr<strong>in</strong>gen:<br />

Schreibmaterial, L<strong>in</strong>eal, Taschenrechner(!)<br />

Es wird dr<strong>in</strong>gend empfohlen, vor dem Besuch der Übung zum<strong>in</strong>dest <strong>die</strong> Vorlesung<br />

<strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> I zu hören.<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 5


0 Allgeme<strong>in</strong>es<br />

0.2<br />

Literatur<br />

1. H.H. Voigt: Abriß der <strong>Astronomie</strong>, BI Wissenschaftsverlag, Mannheim, 1980<br />

(3. Auflage)<br />

2. F. Becker: <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong>, BI Hochschultaschenbücher,<br />

Mannheim, 1966 (5. Auflage)<br />

3. F. Gondolatsch, G. Groschopf, O. Zimmermann: <strong>Astronomie</strong> I, II, Klett<br />

Stu<strong>die</strong>nbücher, Stuttgart, 1978 (1. Auflage)<br />

4. A. Unsöld, B. Baschek: Der neue Kosmos, Spr<strong>in</strong>ger-Verlag, Berl<strong>in</strong>, Heidelberg,<br />

New York, 1991 (5. Auflage)<br />

5. H. Scheffler, H. Elsässer: Physik der Sterne <strong>und</strong> der Sonne, BI Wissenschaftsverlag,<br />

Mannheim, 1990 (2. Auflage)<br />

6. H.Karttunen, P.Kröger, H.Oja, M.Poutanen, K.J.Donner (Hrsg.): <strong>Astronomie</strong><br />

— E<strong>in</strong>e <strong>E<strong>in</strong>führung</strong>, Spr<strong>in</strong>ger Verlag Berl<strong>in</strong> , Heidelberg 1990<br />

7. F.H. Shu The Physical Universe – An Introduction to Astronomy, University<br />

Science Books, Mill Valley, California<br />

8. A. Weigert <strong>und</strong> H.J. Wendker <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> – E<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong>kurs<br />

Physikverlag We<strong>in</strong>heim (2. Auflage)<br />

9. J. Krautter, E. Sedlmayr, K.Schaifers, G.Trav<strong>in</strong>g Meyers Handbuch Weltall,<br />

Meyers Lexikonverlag, Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich, 1994 (7.Auflage)<br />

10. versch. Autoren: Brockhaus, Mensch, Natur, Technik, F.A. Brockhaus GmbH,<br />

Leipzig, Mannheim, 1999<br />

6 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


1<br />

Beobachtungen am Teleskop<br />

Aufgabe:<br />

Material:<br />

Literatur:<br />

Aus den äquatorialen Koord<strong>in</strong>aten e<strong>in</strong>es Sterns werden mit Hilfe der Präzessionskorrektur<br />

<strong>die</strong> zum Zeitpunkt der Beobachtung gültigen Koord<strong>in</strong>aten e<strong>in</strong>iger<br />

Objekte (Sterne, Planeten, Mond,. . . ) im Horizontsystem bestimmt. Aus der<br />

Berechnung der augenblicklichen Sternzeit ergibt sich der St<strong>und</strong>enw<strong>in</strong>kel des<br />

Objekts. Die Berechnung der Höhe ergibt, ob das Objekt beobachtbar ist. Nach<br />

E<strong>in</strong>stellen der Koord<strong>in</strong>aten am Fernrohr sollte das Objekt im Sucher-Refraktor<br />

sichtbar se<strong>in</strong>.<br />

Catalogue of Bright Stars, Astronomical Almanac, Taschenrechner.<br />

[1] Kap. I<br />

[2] Kap. A, §§ 2, 5<br />

F. Becker, Gr<strong>und</strong>riß der sphärischen <strong>und</strong> praktischen <strong>Astronomie</strong>, Dümmler<br />

Verlag (1934), Kap. 1, 2A<br />

Astronomische Koord<strong>in</strong>atensysteme 1.1<br />

Koord<strong>in</strong>atensysteme <strong>die</strong>nen <strong>in</strong> der <strong>Astronomie</strong> <strong>zur</strong> Festlegung der Position von<br />

Gestirnen an der Himmelsphäre (<strong>die</strong> Entfernung spielt hier ke<strong>in</strong>e Rolle). Sie s<strong>in</strong>d<br />

jeweils durch e<strong>in</strong>e Gr<strong>und</strong>ebene <strong>und</strong> zwei Pole bestimmt <strong>und</strong> weisen damit verschiedene<br />

Großkreise (kürzeste Verb<strong>in</strong>dung auf der Kugeloberfläche) auf. Daraus<br />

ergeben sich jeweils zwei Koord<strong>in</strong>aten: der W<strong>in</strong>kelabstand a) von der zugehörigen<br />

Gr<strong>und</strong>ebene <strong>und</strong> b) von e<strong>in</strong>em festzulegenden Null-Längenkreis. Die Längenkreise<br />

werden auch Meridiane genannt. Für <strong>die</strong> Beobachtung s<strong>in</strong>d im wesentlichen<br />

drei verschiedene Koord<strong>in</strong>atensysteme von Bedeutung: das Horizontsystem, sowie<br />

das feste <strong>und</strong> das bewegliche Äquatorsystem.<br />

Horizontsystem 1.1.1<br />

Das Horizontsystem ist das natürliche System vom Standpunkt des Beobachters<br />

aus (siehe Abbildung 1.1). Die Gr<strong>und</strong>ebene ist durch den Horizont gegeben. Als<br />

Längenkreise <strong>die</strong>ses Systems gelten <strong>die</strong> Großkreise durch den Zenit (das ist der<br />

Punkt senkrecht über dem Beobachter). Damit ist <strong>die</strong> Sternposition festgelegt<br />

durch <strong>die</strong> Angabe von Höhe h oder Zenitdistanz z, wobei z = 90 ◦ − h (h von<br />

+90 ◦ bis −90 ◦ , z von 90 ◦ − 180 ◦ ) <strong>und</strong> Azimut A (von 0 − 360 ◦ ). Ausgezeichnete<br />

Punkte s<strong>in</strong>d:<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 7


1 Beobachtungen am Teleskop<br />

Abbildung 1.1: Horizontsystem; es steht G für Gestirn, B für Beobachter<br />

Zenit: h = +90 ◦ A beliebig<br />

Nadir: h = −90 ◦ A beliebig<br />

Südpunkt: h = 0 ◦ A = 0 ◦<br />

Dieses Koord<strong>in</strong>atensystem ist abhängig vom Standpunkt des Beobachters. Darüber<br />

h<strong>in</strong>aus ändern sich <strong>die</strong> Koord<strong>in</strong>aten von Himmelskörpern laufend durch deren<br />

sche<strong>in</strong>bare Bewegung – verursacht durch <strong>die</strong> Erddrehung.<br />

1.1.2<br />

Äquatorsystem<br />

Zenit<br />

Nordpol<br />

*<br />

Stern<br />

Süden<br />

90°- ϕ<br />

τ<br />

δ<br />

Äquator<br />

Meridian<br />

Abbildung 1.2: Festes Äquatorsystem<br />

8 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


1.1 Astronomische Koord<strong>in</strong>atensysteme<br />

Dieses Koord<strong>in</strong>atensystem stellt e<strong>in</strong>e Projektion des Erdnetzes vom Erdmittelpunkt<br />

aus an den Himmel dar. Dabei unterscheidet man zwischen e<strong>in</strong>em beweglichen<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>em festen Äquatorsystem. Dabei wird das bewegliche zum Katalogisieren<br />

<strong>und</strong> das (orts-)feste <strong>zur</strong> Beobachtung am Fernrohr gewählt. Die Gr<strong>und</strong>ebene<br />

wird bei beiden durch <strong>die</strong> Äquatorebene der Erde festgelegt (Himmelsäquator).<br />

Beim festen Äquatorsystem wird der Null-Längenkreis durch <strong>die</strong> Verb<strong>in</strong>dungsl<strong>in</strong>ie<br />

Pol-Zenit-Südpunkt beschrieben. Die Sternposition ist dann festgelegt durch <strong>die</strong><br />

Angabe der sog. Dekl<strong>in</strong>ation δ <strong>und</strong> des St<strong>und</strong>enw<strong>in</strong>kels τ (<strong>in</strong> der Literatur oft mit<br />

t bezeichnet):<br />

Dekl<strong>in</strong>ation δ: Höhe des Sterns über der Äquatorebene (gemessen <strong>in</strong> ◦ , ′ , ′′ ), Wertebereich<br />

−90 ◦ ≤ δ ≤ +90 ◦ .<br />

St<strong>und</strong>enw<strong>in</strong>kel τ: der W<strong>in</strong>kel zwischen dem St<strong>und</strong>enkreis oder Dekl<strong>in</strong>ationskreis<br />

e<strong>in</strong>es Gestirns <strong>und</strong> dem Meridian e<strong>in</strong>es Beobachtungsortes, d.h. τ durchläuft<br />

<strong>in</strong>folge der Erdrotation im Laufe e<strong>in</strong>es Tages alle Werte (nimmt zu analog<br />

<strong>zur</strong> Ortszeit), während δ unverändert bleibt. Wegen <strong>die</strong>ses Umlaufs wird<br />

τ meist nicht <strong>in</strong> Gradmaß, sondern im Zeitmaß <strong>in</strong> h, m, s gemessen (von<br />

0 − 24h). Ausgezeichnete Punkte s<strong>in</strong>d:<br />

Himmelsnordpol: τ beliebig δ = +90 ◦<br />

Himmelssüdpol: τ beliebig δ = −90 ◦<br />

Nordpol<br />

*<br />

Stern<br />

α<br />

δ<br />

Äquator<br />

Frühl<strong>in</strong>gspunkt<br />

Abbildung 1.3: Bewegliches Äquatorsystem<br />

Im beweglichen Äquatorsystem stellt der Himmelsäquator wie beim festen System<br />

<strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>ebene dar. Der St<strong>und</strong>enkreis durch den Frühl<strong>in</strong>gspunkt γ def<strong>in</strong>iert hier<br />

den Null-Längenkreis. Die Koord<strong>in</strong>aten e<strong>in</strong>es Sterns s<strong>in</strong>d durch Dekl<strong>in</strong>ation δ <strong>und</strong><br />

Rektaszension α gegeben:<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 9


1 Beobachtungen am Teleskop<br />

Dekl<strong>in</strong>ation δ: Höhe des Sterns über der Äquatorebene (gemessen <strong>in</strong> ◦ , ′ , ′′ ), Wertebereich<br />

−90 ◦ ≤ δ ≤ +90 ◦ .<br />

Rektaszension α: Bogenabstand vom Frühl<strong>in</strong>gspunkt γ zum Schnittpunkt des<br />

Großkreises durch Stern <strong>und</strong> Himmelspol mit dem Äquator (gemessen <strong>in</strong> h,<br />

m, s), Wertebereich 0 h ≤ α ≤ 24 h , Zählweise entgegen dem Uhrzeigers<strong>in</strong>n<br />

entlang des Äquators.<br />

Himmelspole: α beliebig δ = ±90 ◦<br />

Frühl<strong>in</strong>gspunkt γ: α = 0 h δ = 0 ◦ .<br />

Unter dem Frühl<strong>in</strong>gspunkt versteht man den Ort der Sonne zu Frühl<strong>in</strong>gsbeg<strong>in</strong>n,<br />

d.h. den Schnittpunkt der sche<strong>in</strong>baren Sonnenbahn mit dem Äquator.<br />

Den Zusammenhang zwischen dem festen <strong>und</strong> dem beweglichen Äquatorsystem<br />

ist durch <strong>die</strong> Sternzeit Θ gegeben, <strong>die</strong> den St<strong>und</strong>enw<strong>in</strong>kel des Frühl<strong>in</strong>gspunktes<br />

γ darstellt: Θ = τ γ . Allgeme<strong>in</strong> gilt für den St<strong>und</strong>enw<strong>in</strong>kel τ e<strong>in</strong>es Objektes mit<br />

der Rektaszension α bei e<strong>in</strong>er gegebenen Sternzeit Θ (siehe Abb. 1.4):<br />

τ = Θ − α.<br />

Abbildung 1.4:<br />

1.1.3<br />

Bemerkungen zu W<strong>in</strong>kele<strong>in</strong>heiten<br />

Unglücklicherweise hat es sich <strong>in</strong> der <strong>Astronomie</strong> e<strong>in</strong>gebürgert, verschiedene W<strong>in</strong>kel<br />

<strong>in</strong> verschieden E<strong>in</strong>heiten zu messen. Die üblichen Maße s<strong>in</strong>d:<br />

• Gradmaß: Der Vollkreis wird <strong>in</strong> 360 ◦ unterteilt,<br />

1 ◦ wird <strong>in</strong> 60 ′ (sprich: Bogenm<strong>in</strong>uten) unterteilt,<br />

1 ′ wird wiederum <strong>in</strong> 60 ′′ (sprich: Bogensek<strong>und</strong>en) unterteilt.<br />

Manche Taschenrechner unterstützen <strong>die</strong> Darstellung <strong>in</strong> Bogenm<strong>in</strong>uten/sek<strong>und</strong>en<br />

nicht. In <strong>die</strong>sem Fall muß man den W<strong>in</strong>kel <strong>in</strong> Dezimalgrad umwandeln:<br />

10 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


1.1 Astronomische Koord<strong>in</strong>atensysteme<br />

W<strong>in</strong>kel <strong>in</strong> Dezimalgrad = Grad + Bogenm<strong>in</strong>uten<br />

60<br />

+ Bogensek<strong>und</strong>en<br />

3600<br />

.<br />

Bsp. : 13, 345 ◦ = 13 ◦ 20 ′ 42 ′′ = (13 + 20<br />

60 + 42<br />

3600 )◦<br />

Höhe h <strong>und</strong> Zenitdistanz z im Horizontsystem, sowie <strong>die</strong> Dekl<strong>in</strong>ation<br />

δ <strong>in</strong> den Äquatorsystemen werden im Gradmaß gemessen!<br />

• St<strong>und</strong>enmaß: Der Vollkreis wird <strong>in</strong> 24 h (St<strong>und</strong>en) unterteilt,<br />

1 h wird <strong>in</strong> 60 m (M<strong>in</strong>uten) unterteilt,<br />

1 m wird <strong>in</strong> 60 s (Sek<strong>und</strong>en) unterteilt.<br />

Die meisten Taschenrechner unterstützen <strong>die</strong>ses Format leider nicht. Deshalb<br />

bietet es sich an <strong>die</strong> Darstellung im St<strong>und</strong>enmaß (h,m,s) auch wieder<br />

<strong>in</strong> Dezimalgrad um<strong>zur</strong>echnen:<br />

W<strong>in</strong>kel <strong>in</strong> Dezimalgrad = 15*(St<strong>und</strong>en + M<strong>in</strong>uten + Sek<strong>und</strong>en ).<br />

60 3600<br />

Bsp. : 13, 345 ◦ = 15 ∗ (0 + 53<br />

60 + 22.8<br />

3600 )◦ = 0h53m22.8s<br />

Der Azimut A im Horizontsystem, sowie der St<strong>und</strong>enw<strong>in</strong>kel τ <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> Rektaszension α <strong>in</strong> den Äquatorsystemen werden im St<strong>und</strong>enmaß<br />

gemessen!<br />

Koord<strong>in</strong>atenänderung durch Präzession 1.1.4<br />

Die Anziehung des Erdellipsoids durch Sonne <strong>und</strong> Mond verursacht e<strong>in</strong>e Verlagerung<br />

der Rotationsachse der Erde <strong>und</strong> damit des Äquators, der <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>ebene<br />

unseres Koord<strong>in</strong>atensystems def<strong>in</strong>iert (Lunisolarpräzession). Weiterh<strong>in</strong> verändert<br />

der E<strong>in</strong>fluß der Planeten auf <strong>die</strong> Bahnbewegung der Erde <strong>die</strong> Lage der Ekliptik,<br />

<strong>die</strong> Hauptebene des Sonnensystems, wodurch sich der Frühl<strong>in</strong>gspunkt ebenfalls<br />

verschiebt (d.h. <strong>die</strong> Rektaszension e<strong>in</strong>es Objekts nimmt ständig zu). Unter den<br />

Bezeichnungen Präzession <strong>und</strong> Nutation faßt man alle Bewegungen der Erde<br />

zusammen, <strong>die</strong> <strong>die</strong>ser durch äußere Kräfte aufgezwungen werden. Diese Kräfte<br />

versuchen, <strong>die</strong> Rotationsachse der Erde auf<strong>zur</strong>ichten, <strong>die</strong> gegen <strong>die</strong> Ekliptik geneigt<br />

ist. Die Rotationsachse folgt, entsprechend dem Verhalten e<strong>in</strong>es sogenannten<br />

schweren Kreisels, <strong>die</strong>sem Drehmoment nicht, sondern bewegt sich auf e<strong>in</strong>er<br />

Kegelfläche um den Pol der Ekliptik. Diese Drehung im Uhrzeigers<strong>in</strong>n entlang<br />

der Kegelfläche wird als Präzessionsbewegung bezeichnet <strong>und</strong> dauert etwa 25800<br />

Jahre. Überlagerungen der Gravitationskräfte von Sonne <strong>und</strong> Mond verursachen<br />

Schwankungen <strong>die</strong>ser Drehbewegung mit e<strong>in</strong>er Periode von 19 Jahren, <strong>die</strong> man<br />

als Nutation bezeichnet.<br />

Die jährliche Bewegung des Frühl<strong>in</strong>gspunktes auf der Ekliptik beträgt<br />

∆γ = n s<strong>in</strong> ɛ 0 + m cos ɛ 0 ≈ 50 ′′ .<br />

Hierbei ist ɛ 0 <strong>die</strong> Schiefe der Ekliptik ,d.h. der W<strong>in</strong>kel zwischen Bahnebene <strong>und</strong><br />

Äquator, <strong>und</strong> n <strong>die</strong> Komponente der Bewegung des Frühl<strong>in</strong>gspunktes γ senkrecht<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 11


1 Beobachtungen am Teleskop<br />

zum Äquator, m <strong>die</strong> Komponente parallel zum Äquator. Die augenblicklichen<br />

Werte <strong>die</strong>ser Größen s<strong>in</strong>d:<br />

ɛ 0 = 23.5 ◦<br />

m = 46 ′′ /Jahr<br />

n = 20 ′′ /Jahr .<br />

Mit Hilfe von geometrischen Überlegungen kann man <strong>die</strong> Auswirkungen <strong>die</strong>ser<br />

Bewegung auf <strong>die</strong> Koord<strong>in</strong>aten α, δ e<strong>in</strong>es Objektes berechnen. Man erhält für <strong>die</strong><br />

jährlichen Koord<strong>in</strong>atenänderungen näherungsweise:<br />

∆α = m + n tan δ s<strong>in</strong> α (1.1)<br />

∆δ = n cos α . (1.2)<br />

1.2<br />

Astronomische Zeitsysteme<br />

Die örtliche Sonnenzeit ist durch den Meridiandurchgang der Sonne im Norden<br />

def<strong>in</strong>iert. Ihre E<strong>in</strong>heit ist der wahre Sonnentag. Er ist der Zeitraum zwischen<br />

zwei aufe<strong>in</strong>anderfolgenden Durchgängen der Sonne durch den Meridian im Norden<br />

(untere Kulm<strong>in</strong>ation). Da sich der wahre Sonnentag durch <strong>die</strong> veränderliche<br />

Bahngeschw<strong>in</strong>digkeit der Erde im Laufe e<strong>in</strong>es Jahres (s. Abb. 1.5) ständig ändert,<br />

hat man den mittleren Sonnentag e<strong>in</strong>geführt, dem man e<strong>in</strong>e fiktive sich im<br />

Jahresverlauf gleichmäßig auf dem Himmelsäquator bewegende Sonne zugr<strong>und</strong>e<br />

legt.<br />

Abbildung 1.5: Die Sonne wandert im Laufe e<strong>in</strong>es Jahres mit unterschiedlicher<br />

Geschw<strong>in</strong>digkeit am Himmel (am schnellsten im Perihel, am langsamsten<br />

im Aphel).<br />

Die Gr<strong>und</strong>lage astronomischer Zeitsysteme ist <strong>die</strong> Greenwich mean solar time<br />

(GMT) oder auch Weltzeit (Universal Time (UT)) für <strong>die</strong> geographische<br />

Länge λ G = 0 ◦<br />

Unter der Zonenzeit versteht man <strong>die</strong> E<strong>in</strong>heitszeit für <strong>die</strong> zwischen zwei Meridianen<br />

gelegenen Orte der Erdoberfläche, wobei für jede Zeitzone <strong>die</strong> mittlere<br />

Sonnenzeit ihres Mittelmeridians als Zonenzeit gilt. Die E<strong>in</strong>teilung ist so<br />

12 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


1.2 Astronomische Zeitsysteme<br />

gewählt, daß <strong>die</strong>se jeweils um volle St<strong>und</strong>en von der Weltzeit(Greenwich-Zeit)<br />

abweicht.<br />

Abbildung 1.6: Zeitzonen: . Auf der obigen Abbildung erkennt man <strong>die</strong> unterschiedlichen<br />

Zeitzonen der Welt.<br />

Abbildung 1.7: Unter Kulm<strong>in</strong>ation versteht man den Durchgang e<strong>in</strong>es Gestirns<br />

durch den Längenkreis oder Meridian des Beobachtungsortes.<br />

Man unterscheidet obere Kulm<strong>in</strong>ation (größte Höhe, d.h. τ = 0)<br />

<strong>und</strong> untere Kulm<strong>in</strong>ation (unter dem Horizont, mit Ausnahme der<br />

Zirkumpolarsterne, <strong>die</strong> hierbei ihren tiefsten Stand über dem Horizont<br />

erreichen; d.h. τ = 12h).<br />

Die Sternzeit ist e<strong>in</strong>e durch <strong>die</strong> Erdrotation bed<strong>in</strong>gte Zeite<strong>in</strong>teilung mit dem<br />

Sterntag als E<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> setzt sich additiv aus der Rektaszension <strong>und</strong> dem Stun-<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 13


1 Beobachtungen am Teleskop<br />

denw<strong>in</strong>kel e<strong>in</strong>es Gestirns zusammen (s.o.). E<strong>in</strong> Sterntag ist der Zeitraum zwischen<br />

zwei aufe<strong>in</strong>anderfolgenden Durchgängen des Frühl<strong>in</strong>gspunktes oder e<strong>in</strong> <strong>und</strong><br />

desselben Sterns durch den Meridian (obere Kulm<strong>in</strong>ation). Er umfaßt 23 h 56 m <strong>und</strong><br />

4, 091 s mittlere Sonnenzeit. D.h. der Sonnentag ist etwas länger als der Sterntag<br />

(s. Abb. 1.6), da sich <strong>die</strong> Sonne an der Himmelssphäre pro Tag etwa um 1 Grad<br />

(aufgr<strong>und</strong> der Bahnbewegung der Erde) <strong>in</strong> östlicher Richtung verschiebt.<br />

Erdbahn<br />

Erde<br />

<strong>zur</strong> Zeit t<br />

Sonne<br />

3 m s<br />

56, 555<br />

Erde<br />

h<br />

24 Sternzeit nach t<br />

Abbildung 1.8: Sternzeit: Aufgr<strong>und</strong> der Erdbewegung um <strong>die</strong> Sonne hat <strong>die</strong> Erde,<br />

wenn sie bzgl. des Fixsternhimmels wieder <strong>die</strong>selbe Position<br />

e<strong>in</strong>nimmt, nicht mehr <strong>die</strong>selbe Position <strong>zur</strong> Sonne, sondern muß<br />

sich erst noch um 3 m 56, 555 s weiterdrehen.<br />

1.2.1<br />

Berechnung der Ortssternzeit<br />

Die Ortssternzeit gibt <strong>die</strong> Sternzeit zu e<strong>in</strong>er bestimmten Sonnen– bzw. Zonenzeit<br />

an e<strong>in</strong>em bestimmten Ort an. Für <strong>die</strong> Berechnung seien <strong>die</strong> folgenden Bezeichnungen<br />

vere<strong>in</strong>bart:<br />

λ G , λ B geographische Länge <strong>in</strong> Greenwich <strong>und</strong> am Beobachtungsort.<br />

△T Zeitzonenunterschied zwischen den betrachteten Längen λ G (Greenwich)<br />

<strong>und</strong> λ B (Beobachtungsort).<br />

Θ(λ, t) Ortssternzeit <strong>zur</strong> Zonenzeit t an e<strong>in</strong>em Ort der geographischen<br />

Länge λ. Die E<strong>in</strong>heit ist 1 h Sternzeit.<br />

Weiterh<strong>in</strong> benötigen wir noch<br />

1 h Sonnenzeit = 1.00274 h Sternzeit (1.3)<br />

<strong>und</strong> Θ(λ G , 0 h UT ), deren Wert als Greenwich Mean Sidereal Time (GMST) für<br />

jeden Tag im Astronomical Almanac (oder Ahnert: Kalender für Sternfre<strong>und</strong>e)<br />

tabelliert ist.<br />

14 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


1.3 Nautisches Dreieck<br />

Die Ortssternzeit an e<strong>in</strong>em beliebigem Ort zu e<strong>in</strong>em beliebigem Zeitpunkt erhält<br />

man dann durch h<strong>in</strong>zufügen e<strong>in</strong>er Ortskorrektur λ[◦ ]<br />

B<br />

<strong>und</strong> e<strong>in</strong>er Zeitkorrektur (t +<br />

15 ◦<br />

△T ) · 1.00274:<br />

]<br />

Θ(λ B , t) = Θ(λ G , 0 h UT ) + λ[◦ B<br />

+ (t + △T ) · 1.00274 (1.4)<br />

15◦ Nautisches Dreieck 1.3<br />

Nordpol<br />

o<br />

90 -<br />

τ<br />

φ<br />

Zenit<br />

90°-<br />

δ<br />

Stern<br />

δ<br />

z<br />

Äquator<br />

τ<br />

Abbildung 1.9: Nautisches Dreieck<br />

Um <strong>die</strong>sen Abschnitt zu verstehen sollte man vorher den Abschnitt 1.5 über<br />

sphärische Trigonometrie lesen!<br />

Zur Koord<strong>in</strong>atentransformation vom Horizont- <strong>in</strong> das entsprechende Äquatorsystem,<br />

sowie für <strong>die</strong> Berechnung der Auf- <strong>und</strong> Untergangszeiten, etc. benutzt man<br />

das Nautische oder astronomische Dreieck (s. Abb. 1.9). Es wird gebildet aus<br />

den drei Punkten Himmelspol, Zenit <strong>und</strong> Objekt. Die Seiten mit den Längen<br />

(90 ◦ − δ), (90 ◦ − ϕ) <strong>und</strong> z (ϕ = geographische Breite = Polhöhe, z (= 90 ◦ − h) =<br />

Zenitdistanz), bilden e<strong>in</strong> sphärisches Dreieck. Der Seitenkos<strong>in</strong>ussatz ergibt dann:<br />

s<strong>in</strong> h = cos z = s<strong>in</strong> ϕ s<strong>in</strong> δ + cos ϕ cos δ cos τ . (1.5)<br />

Das ist e<strong>in</strong>e Beziehung zwischen den horizontbezogenen Größen h (bzw. z), ϕ <strong>und</strong><br />

den äquatorbezogenen Größen δ <strong>und</strong> τ. Wir können also bei gegebenen ϕ, δ, τ <strong>die</strong><br />

Höhe e<strong>in</strong>es Objektes berechnen oder umgekehrt den St<strong>und</strong>enw<strong>in</strong>kel zum Zeitpunkt<br />

des Auf- oder Unterganges des Objektes (h = 0).<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 15


1 Beobachtungen am Teleskop<br />

1.4<br />

Durchführung der Aufgaben<br />

Abbildung 1.10: Verlauf von S<strong>in</strong>us <strong>und</strong> Cos<strong>in</strong>us <strong>in</strong> den vier Quadranten<br />

1. Berechnung der Präzessionskorrekturen:<br />

Berechne <strong>die</strong> Präzessionskorrekturen im beweglichen Äquatorsystem für <strong>die</strong><br />

Rektaszension α <strong>und</strong> <strong>die</strong> Dekl<strong>in</strong>ation δ zum Zeitpunkt t der geplanten Beobachtung:<br />

∆α(t) = ( 46′′<br />

a + 20′′<br />

a tan δ s<strong>in</strong> α)(t − t Äq )<br />

∆δ(t) = ( 20′′<br />

a cos α)(t − t Äq )<br />

Dabei ist tÄq der Zeitpunkt des Äqu<strong>in</strong>oktikums für das <strong>die</strong> Koord<strong>in</strong>aten<br />

angegeben s<strong>in</strong>d. Beachte: Die Zeiten s<strong>in</strong>d hier <strong>in</strong> Jahren e<strong>in</strong>zusetzen, das<br />

Ergebnis liefert beide Präzessionskorrekturen <strong>in</strong> Bogensek<strong>und</strong>en, d.h. es muß<br />

noch <strong>in</strong> <strong>die</strong> entsprechende E<strong>in</strong>heit für <strong>die</strong> Dekl<strong>in</strong>ation/Rektaszension umgerechnet<br />

werden!<br />

Warum muß für <strong>die</strong> Objekte aus dem Sonnensystem ke<strong>in</strong>e Präzessionskorrektur<br />

berechnet werden?<br />

2. Berechnung der Ortssternzeit:<br />

Berechne <strong>die</strong> Ortssternzeit Θ(λ B , t) für den Physikneubau zum Zeitpunkt t<br />

der geplanten Beobachtung:<br />

]<br />

Θ(λ B , t) = Θ(λ G , 0 h UT ) + λ[◦ B<br />

+ (t + ∆T ) · 1.00274. (1.6)<br />

15◦ Hier s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Zeiten <strong>in</strong> St<strong>und</strong>en e<strong>in</strong>zusetzen! Die genaue geographische Lage<br />

des Physik-Neubaus ist: λ B = +13 ◦ 19 ′ 35 ′′ , ϕ B = +52 ◦ 30 ′ 46.8 ′′ .<br />

Der Zeitzonenunterschied beträgt △T = UT − MEZ = −1 h im W<strong>in</strong>ter<br />

<strong>und</strong> △T = UT − MESZ = −2 h im Sommer (MEZ: Mitteleuropäische Zeit,<br />

MESZ: Mitteleuropäische Sommerzeit).<br />

16 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


1.4 Durchführung der Aufgaben<br />

3. Berechnung der St<strong>und</strong>enw<strong>in</strong>kel:(festes Äquatorsystem)<br />

Berechne alle St<strong>und</strong>enw<strong>in</strong>kel τ = Θ(λ B , t) − α(t)!<br />

4. Berechnung der Koord<strong>in</strong>aten im Horizontsystem:<br />

Die Höhe e<strong>in</strong>es Objekts im Horizontsystem läßt mit Hilfe des nautischen<br />

Dreiecks bestimmen:<br />

s<strong>in</strong> h = s<strong>in</strong> ϕ s<strong>in</strong> δ + cos ϕ cos δ cos τ<br />

Zur Berechnung des Azimuts benötigt man <strong>die</strong> folgenden beiden Formeln<br />

(welchen F<strong>und</strong>amental-Formeln der sphärischen Trigonometrie entspr<strong>in</strong>gen<br />

sie?):<br />

cos ϕ s<strong>in</strong> δ − s<strong>in</strong> ϕ cos δ cos τ<br />

cos A = − ;<br />

cos h<br />

cos δ s<strong>in</strong> τ<br />

s<strong>in</strong> A = .<br />

cos h<br />

Der richtige Azimut-Wert erfüllt beide Gleichungen.<br />

Dabei tritt das Problem auf, daß <strong>die</strong> Wertebereiche der Arcus-S<strong>in</strong>us-Funktion<br />

[−90 ◦ , +90 ◦ ] bzw. der Arcus-Cos<strong>in</strong>us-Funktion [0 ◦ , 180 ◦ ] s<strong>in</strong>d, während der<br />

Azimut A von 0 ◦ bis 360 ◦ läuft. Um den tatsächlichen Azimut-Wert A zu<br />

bestimmen, berechnet man am besten zuerst nur <strong>die</strong> Werte von s<strong>in</strong> A <strong>und</strong><br />

cos A — d.h. man bildet zunächst nicht den Arcus-S<strong>in</strong>us/Cos<strong>in</strong>us — <strong>und</strong><br />

kann dann anhand des Vorzeichens von s<strong>in</strong> A <strong>und</strong> cos A den richtigen Quadranten<br />

von A bestimmen (s. Abb. 1.10). Danach kann man den Arcus-S<strong>in</strong>us<br />

bzw. den Arcus-Cos<strong>in</strong>us bilden <strong>und</strong> mit Hilfe von s<strong>in</strong> α = s<strong>in</strong>(180 ◦ − α) <strong>und</strong><br />

cos α = cos(−α) <strong>in</strong> den richtigen Quadranten “verschieben”.<br />

5. Berechnung der Kulm<strong>in</strong>ationen:<br />

Berechne Höhe (s.o.) <strong>und</strong> Zeitpunkt (Zonenzeit) der oberen (τ = 0) <strong>und</strong><br />

unteren (τ = 12h) Kulm<strong>in</strong>ationen. Der Zeitpunkt t läßt sich durch umstellen<br />

von Gl. (1.6) berechnen:<br />

t h = τ + α − Θ(λ G, 0 h UT ) + λ[◦ ]<br />

B<br />

15 ◦<br />

1.00274<br />

− △T . (1.7)<br />

6. Berechnung der Auf- <strong>und</strong> Untergangszeiten:<br />

Berechne <strong>die</strong> Auf- <strong>und</strong> Untergangszeiten (Zonenzeit) aller Objekte. Durch<br />

umstellen von Gl. (1.5) mit h = 0 erhält man:<br />

cos τ 0 = − tan ϕ · tan δ<br />

Diese Gleichung hat 2 Lösungen für τ 0 , welche davon dem Aufgang <strong>und</strong><br />

welche dem Untergang entspricht, entscheidet man durch Vergleich mit den<br />

Kulm<strong>in</strong>ationen. Anschließend müssen <strong>die</strong> Sternzeiten noch mit Gl. 1.7 <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong> Ortszeit umgerechnet werden.<br />

7. Nachtbeobachtung am Fernrohr: freiwillig <strong>und</strong> wetterabhängig!<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 17


1 Beobachtungen am Teleskop<br />

1.5<br />

Anhang: Sphärische Trigonometrie<br />

Die sphärische Trigonometrie behandelt <strong>die</strong> Geometrie auf e<strong>in</strong>er Kugeloberfläche.<br />

Dabei gilt folgender Leitsatz:<br />

An der Stelle der Geraden, Elemente der Ebene, treten <strong>die</strong> Großkreise, Elemente<br />

der Sphäre.<br />

Def<strong>in</strong>ition: Großkreis<br />

S<strong>in</strong>d A <strong>und</strong> B Punkte auf der Sphäre mit dem Radius R, kurz S R genannt, dann<br />

erhält man den Großkreis durch A <strong>und</strong> B, <strong>in</strong>dem man <strong>die</strong> Ebene durch A,B <strong>und</strong><br />

dem Kugelmittelpunkt M <strong>in</strong> der Sphäre S R bildet.<br />

S R<br />

Abbildung 1.11: Großkreis<br />

M<br />

PSfrag replacements<br />

A<br />

B<br />

Def<strong>in</strong>ition: W<strong>in</strong>kelmessung <strong>und</strong> Längenmessung<br />

Schneiden sich zwei Großkreise <strong>in</strong> dem Punkt A, dann ist der W<strong>in</strong>kel zwischen<br />

ihnen gleich dem W<strong>in</strong>kel zwischen den Tangenten der Großkreise im Punkt A.<br />

In der sphärischen Trigonometrie werden alle W<strong>in</strong>kel <strong>und</strong> somit alle Längen im<br />

Bogenmaß gemessen.<br />

Bogenmaß:<br />

Zu e<strong>in</strong>em W<strong>in</strong>kel α ◦ gehört das Bogenmaß<br />

( α<br />

◦ )<br />

α = 2π<br />

360 ◦<br />

Dazu folgende Veranschaulichung:<br />

Dabei ist α gleich der Länge des Bogens auf dem E<strong>in</strong>heitskreis, der dem W<strong>in</strong>kel<br />

α ◦ entspricht.<br />

Sphärische Dreiecke<br />

Def<strong>in</strong>ition:<br />

E<strong>in</strong> sphärisches Dreieck wird durch drei Punkte A,B <strong>und</strong> C auf S R <strong>und</strong> den kürzesten<br />

Verb<strong>in</strong>dungsl<strong>in</strong>ien zwischen <strong>die</strong>sen Punkten gebildet. Die W<strong>in</strong>kel bezeichen<br />

18 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


1.5 Anhang: Sphärische Trigonometrie<br />

replacements<br />

α<br />

α ◦<br />

0 1<br />

Abbildung 1.12: Bogenmaß<br />

wir mit α, β <strong>und</strong> γ. Die Längen der Seiten seien a,b <strong>und</strong> c.<br />

A<br />

replacements<br />

c<br />

α<br />

b<br />

β<br />

γ<br />

B<br />

a<br />

C<br />

Abbildung 1.13: Sphärisches Dreieck<br />

Bemerkung:<br />

Die kürzeste Verb<strong>in</strong>dung zwischen zwei Punkten A <strong>und</strong> B auf S R erhält man, <strong>in</strong>dem<br />

man e<strong>in</strong>en Großkreis durch A <strong>und</strong> B betrachtet <strong>und</strong> den kürzeren der beiden<br />

Großkreisbögen wählt.<br />

Zyklische Vertauschung<br />

Alle weiteren Formeln bleiben richtig, wenn man zyklisch vertauscht:<br />

a → b → c → a, α → β → γ → α<br />

Konvention:<br />

Wir setzen<br />

a ∗ := a R , b ∗ := b R , c ∗ := c R .<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 19


1 Beobachtungen am Teleskop<br />

Dann gilt der S<strong>in</strong>ussatz:<br />

s<strong>in</strong> α<br />

s<strong>in</strong> β = s<strong>in</strong> a ∗<br />

s<strong>in</strong> b ∗<br />

,<br />

s<strong>in</strong> β<br />

s<strong>in</strong> γ = s<strong>in</strong> b ∗<br />

s<strong>in</strong> c ∗<br />

,<br />

s<strong>in</strong> γ<br />

s<strong>in</strong> α = s<strong>in</strong> c ∗<br />

s<strong>in</strong> a ∗<br />

.<br />

Weiterh<strong>in</strong> gelten der Seitenkos<strong>in</strong>ussatz:<br />

cos c ∗ = cos a ∗ cos b ∗ + s<strong>in</strong> a ∗ s<strong>in</strong> b ∗ cos γ<br />

cos b ∗ = cos c ∗ cos a ∗ + s<strong>in</strong> c ∗ s<strong>in</strong> a ∗ cos β<br />

cos a ∗ = cos b ∗ cos c ∗ + s<strong>in</strong> b ∗ s<strong>in</strong> c ∗ cos α<br />

der W<strong>in</strong>kelkos<strong>in</strong>ussatz:<br />

cos γ = cos α cos β + s<strong>in</strong> α s<strong>in</strong> β cos c ∗<br />

cos β = cos γ cos α + s<strong>in</strong> γ s<strong>in</strong> α cos b ∗<br />

cos α = cos β cos γ + s<strong>in</strong> β s<strong>in</strong> γ cos a ∗<br />

sowie der S<strong>in</strong>us-Kos<strong>in</strong>ussatz:<br />

cos β s<strong>in</strong> a ∗ = cos α s<strong>in</strong> b ∗ cos c ∗ + cos b ∗ s<strong>in</strong> c ∗<br />

cos γ s<strong>in</strong> b ∗ = cos β s<strong>in</strong> c ∗ cos a ∗ + cos c ∗ s<strong>in</strong> a ∗<br />

cos α s<strong>in</strong> c ∗ = cos γ s<strong>in</strong> a ∗ cos b ∗ + cos a ∗ s<strong>in</strong> b ∗<br />

20 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


Bestimmung der Brennweite e<strong>in</strong>es<br />

Teleskops aus Himmelsaufnahmen<br />

2<br />

Aufgabe:<br />

Material:<br />

Literatur:<br />

Auf e<strong>in</strong>er Himmelsaufnahme werden drei Sternpaare identifiziert, <strong>und</strong> ihre ungefähre<br />

Positionen <strong>und</strong> Helligkeiten auf dem Sternatlas (SAO) festgelegt. Bekannt<br />

s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Mittelpunktskoord<strong>in</strong>aten der Photoplatte. Danach sucht man<br />

<strong>die</strong> genauen Koord<strong>in</strong>aten im Sternkatalog (SAO) heraus. Aus den Koord<strong>in</strong>aten<br />

<strong>und</strong> den gemessenen Abständen auf der Photoplatte können der Abbildungsmaßstab,<br />

<strong>die</strong> W<strong>in</strong>keldimension des Plattenfeldes <strong>und</strong> <strong>die</strong> Brennweite des <strong>zur</strong><br />

Aufnahme benutzten Teleskops bestimmt werden. Außerdem ist <strong>die</strong> Anzahl<br />

der Photoplatten zu berechnen, <strong>die</strong> nötig ist, um <strong>die</strong> gesamte Himmelssphäre<br />

abzudecken. E<strong>in</strong>e kurze Fehlerbetrachtung schließt den Versuch ab.<br />

Abzug e<strong>in</strong>er Platte des ESO/POSS-Atlas, SAO-Katalog, SAO-Atlas, Taschenrechner.<br />

[1] Koord<strong>in</strong>atensysteme, S. 1ff; Brennweitenbestimmung, S. 119f<br />

[2] Koord<strong>in</strong>atensysteme, S. 22ff.<br />

Gr<strong>und</strong>lagen — Theorie der Teleskope 2.1<br />

Anfang des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts wurde <strong>in</strong> Holland das Fernrohr erf<strong>und</strong>en. Die ersten<br />

astronomischen Beobachtungen machte Galileo Galilei im Jahre 1609.<br />

Optische Instrumente 2.1.1<br />

Das Pr<strong>in</strong>zip der optischen Teleskope beruht auf dem Sammeln des Lichts von<br />

Objekten – bei Refraktoren durch L<strong>in</strong>sen, bei Reflektoren durch Spiegel.<br />

Dadurch wird<br />

• <strong>die</strong> Untersuchung sehr schwacher Strahlungsquellen möglich <strong>und</strong><br />

• <strong>die</strong> Auflösung erhöht, d.h. <strong>die</strong> optische Trennung engerer Objekte erleichtert.<br />

Damit konnte <strong>die</strong> Genauigkeit der Positionsmessung von Himmelskörpern erheblich<br />

gesteigert werden.<br />

Refraktoren<br />

Refraktoren oder L<strong>in</strong>senteleskope bestehen aus zwei L<strong>in</strong>sen:<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 21


2 Brennweitenbestimmung<br />

1. das Objektiv sammelt das e<strong>in</strong>fallende Licht <strong>in</strong> der Brennpunkt- oder Fokalebene<br />

2. das Okular vergrößert das im Brennpunkt entstandene Bild. Um das Bild<br />

<strong>in</strong> den Fokus zu bekommen, kann der Abstand von Okular <strong>und</strong> Fokalebene<br />

verändert werden, d.h. Brennpunkt von Okular <strong>und</strong> Objektiv müssen <strong>in</strong><br />

Übere<strong>in</strong>stimmung gebracht werden.<br />

Abbildung 2.1: Strahlengang <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Refraktor <strong>und</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Reflektor<br />

Reflektoren<br />

Reflektoren oder Spiegelteleskope besitzen als lichtsammelndes Element anstelle<br />

der Objektivl<strong>in</strong>se e<strong>in</strong>en meist parabolisch geschliffenen Spiegel, der am unteren<br />

Ende des Rohres (Tubus) sitzt <strong>und</strong> <strong>die</strong> e<strong>in</strong>fallenden Strahlen im Fokus bündelt.<br />

Wie beim Refraktor ergibt sich dabei e<strong>in</strong> reelles umgekehrtes Bild des Objekts,<br />

das mit e<strong>in</strong>em Okular betrachtet oder mit e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> der Fokalebene des Spiegels<br />

angebrachten Strahlungsempfänger (wie e<strong>in</strong>er photographischen Platte oder<br />

e<strong>in</strong>em Spektrometer) verarbeitet werden kann.<br />

22 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


2.2 Optische Geometrie<br />

Optische Geometrie 2.2<br />

Der Durchmesser D des Objektivs bzw. des Spiegels nennt man Apertur oder<br />

Öffnung des Teleskops. Das Verhältnis von Öffnung D <strong>zur</strong> Brennweite f<br />

D<br />

f =: F<br />

ist das Öffnungsverhältnis F <strong>und</strong> charakterisiert <strong>die</strong> Lichtstärke des Fernrohres:<br />

• ist das Öffnungsverhältnis groß, nahe 1, hat man e<strong>in</strong> lichtstarkes Teleskop,<br />

d.h. man kommt mit kurzen Belichtungszeiten aus,<br />

• ist das Öffnungsverhältnis kle<strong>in</strong> — das bedeutet <strong>die</strong> Brennweite muß viel<br />

größer als <strong>die</strong> Öffnung se<strong>in</strong> — s<strong>in</strong>d längere Belichtungszeiten nötig.<br />

Wenn das Objekt unter dem W<strong>in</strong>kel ω gesehen wird, entsteht e<strong>in</strong> Bild der Höhe l<br />

tan ω = l f<br />

Die Vergrößerung Ω ergibt sich aus dem Verhältnis der W<strong>in</strong>kelöffnungen<br />

Ω = ω′<br />

ω<br />

bzw. dem Verhältnis der Brennweiten f des Objektivs <strong>und</strong> f ′ des Okulars<br />

Ω = ω′<br />

ω = f f ′ .<br />

Abbildung 2.2: Verhältnis der W<strong>in</strong>kelöffnungen<br />

Die W<strong>in</strong>kelöffnung kann mit Hilfe des Cos<strong>in</strong>us–Satzes der sphärischen Trigonometrie<br />

(vergl. Abschnitt 1.5) auch aus den Sternkoord<strong>in</strong>aten berechnet werden.<br />

(s. Abb. 2.3)<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 23


2 Brennweitenbestimmung<br />

Nordpol<br />

α 2 - α1<br />

90°-δ 1<br />

90°-δ 2<br />

1<br />

*<br />

ω<br />

*<br />

2<br />

δ 1 δ 2<br />

α 2 - α 1<br />

Äquator<br />

Abbildung 2.3: W<strong>in</strong>kelöffnung ω zwischen den Sternen 1 <strong>und</strong> 2<br />

2.3<br />

E<strong>in</strong>heiten von W<strong>in</strong>kel <strong>und</strong> Raumw<strong>in</strong>kel<br />

E<strong>in</strong> Radiant (rad) ist der W<strong>in</strong>kel, dessen Kreisbogenlänge gleich dem Radius ist.<br />

Wenn r der Radius des Kreises ist <strong>und</strong> s <strong>die</strong> Bogenlänge, schließt der Bogen den<br />

W<strong>in</strong>kel α e<strong>in</strong>:<br />

α = s r .<br />

Da der Kreisumfang 2πr ist, gilt<br />

2π rad = 360 ◦ bzw. 1 rad = 180◦<br />

π .<br />

Abbildung 2.4: Steradiant <strong>und</strong> Raumw<strong>in</strong>kel<br />

In analoger Weise kann man den Steradianten – den Raumw<strong>in</strong>kel – def<strong>in</strong>ieren.<br />

Der Raumw<strong>in</strong>kel gibt e<strong>in</strong>e vom Kugelmittelpunkt gesehene Flächene<strong>in</strong>heit auf der<br />

Oberfläche e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>heitskugel an. E<strong>in</strong>e beliebige Fläche A auf e<strong>in</strong>er Kugel mit<br />

dem Radius r entspricht dem Raumw<strong>in</strong>kel ϕ<br />

ϕ = A r 2 .<br />

Die Kugeloberfläche ist 4πr 2 ; demnach beträgt der vollständige Raumw<strong>in</strong>kel 4π<br />

Steradianten.<br />

24 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


2.3 E<strong>in</strong>heiten von W<strong>in</strong>kel <strong>und</strong> Raumw<strong>in</strong>kel<br />

Der gemessene Abstand l zwischen zwei Objekten auf der Photoplatte entspricht<br />

e<strong>in</strong>em W<strong>in</strong>kelabstand ω. Das ergibt den Abbildungsmaßstab Γ:<br />

Γ = ω l<br />

(Wie ist <strong>die</strong> E<strong>in</strong>heit des Abbildungsmaßstabes?) Analog läßt sich <strong>die</strong> W<strong>in</strong>keldimension<br />

W zu e<strong>in</strong>er Fläche (hier: <strong>die</strong> rechteckige Fläche e<strong>in</strong>er Photoplatte<br />

h · b), <strong>in</strong> Beziehung setzen, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>er äquivalenten Fläche auf der Himmelskugel<br />

entspricht:<br />

W = Γ 2 · h · b.<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 25


2 Brennweitenbestimmung<br />

2.4<br />

Durchführung<br />

1. Markieren Sie den Himmelsausschnitt auf der Photoplatte auf e<strong>in</strong>er Kopie<br />

des SAO-Sternatlas. Dabei sollten Sie beachten, daß <strong>die</strong> Dimensionen unterschiedlich<br />

s<strong>in</strong>d. Als Hilfe ist auf der Photoplatte der Plattenmittelpunkt<br />

angegeben.<br />

Die Photoplatten s<strong>in</strong>d mit Farbfiltern aufgenommen, deshalb muß <strong>die</strong> Größenordnung<br />

der Helligkeiten auf der Photoplatte <strong>und</strong> im Sternatlas nicht exakt<br />

übere<strong>in</strong>stimmen!<br />

Nicht auf <strong>die</strong> Photoplatte zeichnen!!!<br />

2. Suchen Sie sich nun drei Sternenpaare auf der Photoplatte <strong>und</strong> identifizieren<br />

Sie <strong>die</strong>se im Sternatlas.<br />

Dabei sollten Sie darauf achten , daß <strong>die</strong> Sterne weder zu weit noch zu dicht<br />

beie<strong>in</strong>ander liegen. (warum?) Wählen Sie ke<strong>in</strong>e Galaxien, Doppelsterne <strong>und</strong><br />

Veränderliche sowie ke<strong>in</strong>e zu hellen Sterne, da sonst <strong>die</strong> Fehler zu groß<br />

werden.<br />

Sternpaare unbed<strong>in</strong>gt auf der Kopie des Sternatlas kennzeichnen!!!<br />

3. Messen Sie Abstände auf der Photoplatte <strong>und</strong> notieren Sie sie.<br />

4. Notieren Sie <strong>die</strong> ungefähren Koord<strong>in</strong>aten <strong>und</strong> visuellen Helligkeiten <strong>die</strong> Sie<br />

auf der Karte des Sternatlas abgelesen haben.<br />

F<strong>in</strong>den Sie <strong>die</strong> Sterne im Sternkatalog – d.h. <strong>in</strong>sbesondere im richtigen Band<br />

des selbigen – <strong>und</strong> notieren Sie <strong>die</strong> exakten Koord<strong>in</strong>aten <strong>und</strong> Helligkeiten.<br />

5. Berechnen Sie nun den Abbildungsmaßstab <strong>und</strong> mit Hilfe des W<strong>in</strong>kelabstandes<br />

ω (Tip: Cos<strong>in</strong>us-Satz für sphärische Dreiecke, s. 1.5) des jeweiligen Sternenpaares<br />

<strong>die</strong> Brennweite des Teleskops, das <strong>zur</strong> Aufnahme benutzt wurde.<br />

Berechnen Sie <strong>die</strong>se Werte für jedes Sternenpaar <strong>und</strong> bilden Sie dann den<br />

Mittelwert. Schätzen Sie den größtmöglichen Fehler für <strong>die</strong> Brennweite ab.<br />

6. Berechnen Sie <strong>die</strong> W<strong>in</strong>keldimension der Photoplatte (dazu Länge <strong>und</strong> Breite<br />

messen) <strong>und</strong> <strong>die</strong> Plattenanzahl, <strong>die</strong> man benötigt, um <strong>die</strong> gesamte Himmelskugel<br />

abzubilden.<br />

1. Tip: wenn man Abbildungsmaßstab Γ <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>heit [ ]<br />

rad bestimmt,<br />

so hat Γ 2 <strong>die</strong> E<strong>in</strong>heit [ sterad<br />

cm 2<br />

beträgt NICHT 360 ◦ × 180 ◦ = 64800( ◦2 )!<br />

]<br />

, 2. Tip: Ne<strong>in</strong>, der vollständige Raumw<strong>in</strong>kel<br />

cm<br />

26 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


Bestimmung der Bahnelemente visueller<br />

Doppelsterne<br />

3<br />

Aufgabe: Aus den relativen Positionsdaten s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Bahnelemente <strong>und</strong> <strong>die</strong> Massen-<br />

Summe des Systems ξ UMa zu bestimmen.<br />

Material: Systemdaten von 1826–1963 (aus: He<strong>in</strong>tz, W.D., 1966, Astron. Nachr., 289,<br />

269), Taschenrechner, Polarkoord<strong>in</strong>atenpapier<br />

Literatur: [1] Kap. VIII, § 2<br />

[2] § 15<br />

[6] Kap. 12, S.291<br />

Allgeme<strong>in</strong>es 3.1<br />

E<strong>in</strong> Doppelsternsystem ist e<strong>in</strong> System von zwei Sternen, <strong>die</strong> sich unter der Wirkung<br />

ihrer gegenseitigen Anziehung <strong>in</strong> elliptischen Bahnen um ihren geme<strong>in</strong>samen<br />

Schwerpunkt bewegen. Bei visuellen Doppelsternen lassen sich <strong>die</strong> beiden<br />

Komponenten im Fernrohr getrennt auflösen. Die sphärische Distanz der beiden<br />

Komponenten, d.h. ihr an <strong>die</strong> Beobachtungssphäre projizierter Abstand zue<strong>in</strong>ander,<br />

beträgt bis zu mehreren Bogensek<strong>und</strong>en, so daß sie nur im Fernrohr getrennt<br />

ersche<strong>in</strong>en. Gemessen werden <strong>die</strong> W<strong>in</strong>keldistanz ϱ der Komponenten <strong>und</strong> der Positionsw<strong>in</strong>kel<br />

Θ, der W<strong>in</strong>kel zwischen der Verb<strong>in</strong>dungsl<strong>in</strong>ie der beiden Sterne <strong>und</strong><br />

der Nordrichtung (siehe Tabelle). Die zeitliche Änderung <strong>die</strong>ser Größen gibt also<br />

<strong>die</strong> Bewegung der beiden Komponenten relativ zue<strong>in</strong>ander an; dabei nennt man<br />

den Punkt ihrer größten Annäherung Periastron, den ihrer größten Entfernung<br />

zue<strong>in</strong>ander Apastron. Diese beobachtete Ellipse stellt <strong>die</strong> Projektion der wahren<br />

Bahn an <strong>die</strong> Sphäre dar. Die tatsächliche Bahn kann unter der Vorraussetzung,<br />

daß <strong>die</strong> Bewegung nach den Kepler’schen Gesetzen verläuft, rechnerisch oder<br />

wie <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Aufgabe graphisch aus der sche<strong>in</strong>baren Bahn ermittelt werden.<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 27


3 Bestimmung der Bahnelemente visueller Doppelsterne<br />

Abbildung 3.1: Sche<strong>in</strong>bare relative Bahn des visuellen Doppelsternsystems γ Virg<strong>in</strong>is<br />

3.2<br />

3.2.1<br />

Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Mechanische Gr<strong>und</strong>lagen<br />

Für e<strong>in</strong> Doppelsternsystem gilt das dritte Newton’sche Bewegungsgesetz: Wenn<br />

e<strong>in</strong> Körper (1) auf e<strong>in</strong>en anderen Körper (2) e<strong>in</strong>e Kraft F 12 ausübt, dann übt (2)<br />

auf (1) e<strong>in</strong>e Kraft F 21 aus, <strong>die</strong> dem Betrage nach der ersten entgegengesetzt gleich<br />

ist:<br />

Mit dem Gravitationsgesetz folgt:<br />

F 12 = −F 21 .<br />

F 12 = M 1<br />

¨⃗X1 = − M 1M 2 G ( ⃗ X 1 − ⃗ X 2 )<br />

| ⃗ X 1 − ⃗ X 2 | 3 (3.1)<br />

F 21 = M 2<br />

¨⃗X2 = − M 1M 2 G ( ⃗ X 2 − ⃗ X 1 )<br />

| ⃗ X 1 − ⃗ X 2 | 3 (3.2)<br />

28 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


3.2 Gr<strong>und</strong>lagen<br />

z<br />

M1<br />

X 1<br />

X<br />

Schwerpunkt<br />

Y<br />

M2<br />

X 2<br />

y<br />

x<br />

Abbildung 3.2: Ortsvektoren<br />

Mit den Schwerpunktskoord<strong>in</strong>aten ⃗ X <strong>und</strong> Abstandskoord<strong>in</strong>aten ⃗ Y (siehe Abbildung<br />

3.2)<br />

erhalten wir:<br />

⃗X = M 1 ⃗ X 1 + M 2<br />

⃗ X2<br />

M 1 + M 2<br />

⃗Y = ⃗ X 1 − ⃗ X 2<br />

¨⃗X = M 1<br />

¨⃗X 1 + M 2<br />

¨⃗X2<br />

<strong>und</strong> damit auch F 12 + F 21<br />

= 0<br />

M 1 + M 2 M 1 + M 2<br />

d.h. der Schwerpunkt bewegt sich gleichförmig <strong>und</strong> geradl<strong>in</strong>ig, <strong>und</strong>:<br />

¨⃗Y = −(M 1 + M 2 )G ⃗ Y<br />

Wir haben jetzt also aus den beiden Differentialgleichungen (3.1) <strong>und</strong> (3.2) e<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong>zige Differentialgleichung gemacht, <strong>die</strong>se kann nun gelöst werden. Die Rechnung<br />

kann aufgr<strong>und</strong> ihres Umfanges hier nicht ausgeführt werden, aber man erhält<br />

als Ergebnis <strong>die</strong> drei Keplerschen Gesetze:<br />

1. ⃗ Y (t) liegt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ebene <strong>und</strong> dort auf e<strong>in</strong>er Ellipse, deren e<strong>in</strong>er Brennpunkt<br />

sich bei ⃗ Y = 0 bef<strong>in</strong>det.<br />

2. ⃗ Y (t) überstreicht <strong>in</strong> gleichen Zeiten gleiche Flächen.<br />

3. Für <strong>die</strong> Umlaufszeit T <strong>und</strong> <strong>die</strong> große Halbachse der Ellipse a gilt:<br />

| ⃗ Y | 3<br />

(M 1 + M 2 )T 2<br />

a 3<br />

= const.<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 29


3 Bestimmung der Bahnelemente visueller Doppelsterne<br />

3.2.2<br />

Bahnelemente<br />

Die wahre Bahn wird durch folgende Elemente bestimmt:<br />

b<br />

F1 F2<br />

c M<br />

a<br />

Abbildung 3.3: Bild e<strong>in</strong>er Ellipse<br />

F 1 , F 2 Brennpunkte<br />

a w , b w große bzw. kle<strong>in</strong>e Halbachse der wahren Bahn<br />

c w l<strong>in</strong>eare Exzentrizität c = √ a 2 − b 2 √<br />

e numerische Exzentrizität e = c/a = 1 − b 2 /a 2<br />

T<br />

Umlaufzeit<br />

i<br />

Neigungs-(Inkl<strong>in</strong>ations)w<strong>in</strong>kel zwischen wahrer Bahn <strong>und</strong> der Projektion<br />

der beobachteten Bahn an <strong>die</strong> Himmelssphäre. Dabei gilt<br />

cos i = |⃗ b H |<br />

|⃗a K | = |⃗ b H |<br />

|⃗a H |<br />

Zu den Elementen der sche<strong>in</strong>baren, also beobachtbaren Bahn gehören:<br />

a s , b s Projektionen von a w , b w auf <strong>die</strong> Beobachtungsebene. Das s<strong>in</strong>d<br />

NICHT <strong>die</strong> große bzw. kle<strong>in</strong>e Halbachse der sche<strong>in</strong>baren Bahn!<br />

k<br />

Achsenverhältnis<br />

k = |⃗a w|<br />

| ⃗ b w | = 1<br />

√ =<br />

1 − c2 w<br />

a 2 w<br />

1<br />

√<br />

1 − c2 s<br />

a 2 s<br />

≠ |⃗a s|<br />

| ⃗ b s |<br />

(da ⃗a parallel zu ⃗c bei jeder Projektion ist).<br />

Durch <strong>die</strong> nachfolgenden Transformationen der beobachtbaren Bahnellipse über<br />

e<strong>in</strong>en Kreis bis h<strong>in</strong> <strong>zur</strong> Hilfsellipse treten folgende Größen auf:<br />

a H , b H<br />

a K<br />

große bzw. kle<strong>in</strong>e Halbachse der zu bestimmenden Hilfsellipse<br />

Radius des transformierten Kreises.<br />

3.3<br />

Die graphische Methode<br />

Um <strong>die</strong> wahre Bahn aus der beobachteten sche<strong>in</strong>baren Bahn zu ermitteln, konstruiert<br />

man mit Hilfe der folgenden l<strong>in</strong>earen Transformationen P , V <strong>und</strong> U e<strong>in</strong>e<br />

sogenannte Hilfsellipse (siehe Abb. 3.4):<br />

30 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


3.3 Die graphische Methode<br />

P stellt <strong>die</strong> Projektion aus der Bahnebene auf <strong>die</strong> Beobachtungsebene dar. Hierbei<br />

werden <strong>die</strong> Strecken a w auf a s , b w auf b s <strong>und</strong> c w auf c s abgebildet. Bei <strong>die</strong>ser Projektion<br />

werden alle W<strong>in</strong>kel verzerrt, aber parallele Strecken bleiben zue<strong>in</strong>ander<br />

parallel <strong>und</strong> Längenverhältnisse paralleler Strecken bleiben konstant. Diese Tatsache<br />

ermöglicht uns zunächst <strong>die</strong> Bestimmung von a s , b s <strong>und</strong> c s über folgenden<br />

Gedankengang:<br />

1. Der Mittelpunkt der wahren Ellipse wird auf den Mittelpunkt der sche<strong>in</strong>baren<br />

Bahn abgebildet.<br />

2. Der Brennpunkt der wahren Bahn <strong>in</strong> dem sich der e<strong>in</strong>e Stern bef<strong>in</strong>det,<br />

liegt im Ursprung des Koord<strong>in</strong>atensystems der sche<strong>in</strong>baren Bahn. Damit<br />

ist <strong>die</strong> Verb<strong>in</strong>dungsl<strong>in</strong>ie der Strecke Ursprung-Mittelpunkt der sche<strong>in</strong>baren<br />

Bahn <strong>die</strong> Projektion c s der l<strong>in</strong>earen Exzentrizität der wahren Bahn c w . Die<br />

Verlängerung <strong>die</strong>ser Strecke über den Mittelpunkt h<strong>in</strong>aus bis zum “Rand”<br />

der sche<strong>in</strong>baren Bahnellipse ist also gerade a s , <strong>die</strong> Projektion der der wahren<br />

großen Halbachse a w .<br />

3. Der W<strong>in</strong>kel zwischen den Projektionen b s <strong>und</strong> a s der wahren kle<strong>in</strong>en <strong>und</strong><br />

großen Halbachsen b w <strong>und</strong> a w wurde durch <strong>die</strong> Projektion P verzerrt, aber<br />

da <strong>die</strong> wahre kle<strong>in</strong>e Halbachse b w parallel ist zu der Tangente an <strong>die</strong> wahre<br />

Ellipse, an der Stelle, wo a w <strong>die</strong>se berührt, ist <strong>die</strong> Projektion b s parallel <strong>zur</strong><br />

der Tangente an <strong>die</strong> sche<strong>in</strong>bare Bahn an der Stelle wo a s <strong>die</strong>se berührt.<br />

Um jetzt aus den Elementen der sche<strong>in</strong>baren Bahn <strong>die</strong> Elemente der wahren Bahn<br />

erhalten be<strong>die</strong>nen wir uns folgender Hilfstransformation:<br />

Die Transformation V entspricht e<strong>in</strong>er Streckung der wahren Bahnellipse entlang<br />

der kle<strong>in</strong>en Halbachse b w um den Faktor k = a w /b w <strong>und</strong> bildet somit <strong>die</strong> wahre<br />

Ellipse auf e<strong>in</strong>en Kreis mit dem Radius a K = a w ab. Vektorkomponenten parallel<br />

zu a w bleiben hierbei unverändert, während Komponenten parallel zu b w um den<br />

Faktor k verlängert werden.<br />

Die Abbildung U transformiert nun <strong>die</strong> sche<strong>in</strong>bare Bahn auf das Bild, das <strong>die</strong>ser<br />

Kreis unter der Projektion P auf <strong>die</strong> Beobachtungsebene werfen würde. Sie entspricht<br />

also e<strong>in</strong>er Streckung der sche<strong>in</strong>baren Bahn parallel zu b s um den gleichen<br />

Faktor k. Man erhält e<strong>in</strong>e Hilfsellipse, deren große Halbachse a H genauso groß<br />

wie <strong>die</strong> große Halbachse der wahren Bahn a w ist, da <strong>die</strong>se Hilfsellipse ja genau<br />

der Projektion P e<strong>in</strong>es Kreises mit dem Radius a w <strong>in</strong> <strong>die</strong> Beobachtungsebene<br />

entspricht.<br />

Nachdem man <strong>die</strong> Vektoren a s , b s <strong>und</strong> c s ermittelt hat, läßt sich <strong>die</strong> Hilfsellipse<br />

durch U konstruieren:<br />

Ua s = P V P −1 a s = P V a w = P a w = a s<br />

Ub s = P V P −1 b s = P V b w = P kb w = kP b w = kb s<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 31


3 Bestimmung der Bahnelemente visueller Doppelsterne<br />

Abbildung 3.4: Darstellung der Transformationen P, V <strong>und</strong> P −1 . Es ist zu beachten,<br />

daß <strong>die</strong> Doppelsternbahn <strong>in</strong> der Papierebene <strong>in</strong> zwei verschiedenen<br />

Ebenen dargestellt wird: i) aus der Beobachterperspektive<br />

(sche<strong>in</strong>bare Bahn), ii) bei der orthogonalen Draufsicht (wahre<br />

Bahn).<br />

3.4<br />

Durchführung<br />

Zunächst werden alle Koord<strong>in</strong>aten, für <strong>die</strong> e<strong>in</strong> Gewicht ≥ 5 angegeben ist, aus der<br />

Tabelle auf Polarkoord<strong>in</strong>atenpapier übertragen (0.2 Bogensek<strong>und</strong>en entsprechen<br />

1cm) <strong>und</strong> samt Koord<strong>in</strong>atenkreuz auf Transparentpapier kopiert. Dabei bef<strong>in</strong>det<br />

sich <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e der beiden Komponenten im Koord<strong>in</strong>atenursprung. Durch Falten<br />

des Transparentpapiers längs der Achse der Ellipse läßt sich ihr Mittelpunkt (M)<br />

bestimmen. Die Strecke von M bis zum Brennpunkt liefert c s , <strong>die</strong> Projektion<br />

der l<strong>in</strong>earen Exzentrizität. Die Verlängerung <strong>die</strong>ser Strecke über M bis zum Ellipsenrand<br />

ergibt dann a s , <strong>die</strong> Projektion der wahren großen Halbachse a w auf<br />

<strong>die</strong> Beobachtungsebene. In den Schnittpunkt von a s mit der Ellipse wird e<strong>in</strong>e<br />

Tangente gelegt <strong>und</strong> durch den Mittelpunkt parallel verschoben, so daß man b s<br />

erhält (Strecke von M bis zum Schnittpunkt mit der Ellipse). Innerhalb der Ellipse<br />

werden ca. 20 Parallelen zu b s gezeichnet <strong>und</strong> um den berechneten Faktor<br />

32 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


3.4 Durchführung<br />

k verlängert. Durch <strong>die</strong> Endpunkte <strong>die</strong>ser Parallelen wird jetzt <strong>die</strong> Hilfsellipse<br />

gezeichnet. Nun lassen sich <strong>die</strong> neuen Halbachsen a H <strong>und</strong> b H bestimmen. Es gilt<br />

|⃗a H | = |⃗a K | = |⃗a w |.<br />

Fassen wir noch e<strong>in</strong>mal zusammen: aus der beobachtbaren, also sche<strong>in</strong>baren Bahn<br />

erhält man <strong>die</strong> Größen a s , b s <strong>und</strong> c s , aus denen das Achsenverhältnis k bestimmt<br />

wird. Mit Hilfe der Größe k läßt sich <strong>die</strong> Hilfsellipse konstruieren, <strong>die</strong> <strong>die</strong> große<br />

Halbachse der wahren Bahn a w sowie <strong>die</strong> Größe b H liefert. Daraus lassen sich<br />

schließlich <strong>die</strong> l<strong>in</strong>eare <strong>und</strong> numerische Exzentrizität, c w <strong>und</strong> e w sowie der Neigungsw<strong>in</strong>kel<br />

i zwischen wahrer <strong>und</strong> beobachtbarer Bahn berechnen.<br />

Bestimmung der Umlaufszeit 3.4.1<br />

Die Umlaufzeit T ermittelt man am besten mit Hilfe von e<strong>in</strong>igen Wertepaaren<br />

<strong>die</strong> annähernd gleiche Positionsw<strong>in</strong>kel haben.<br />

Bestimmung der Massensumme des Systems 3.4.2<br />

Die <strong>in</strong> der <strong>Astronomie</strong> übliche Längene<strong>in</strong>heit ist das parsec (pc). Sie entspricht<br />

der Entfernung, bei der der mittlere Erdbahnradius ( = 1.49598 · 10 13 cm =: 1<br />

AE (Astronomische E<strong>in</strong>heit)) unter e<strong>in</strong>em W<strong>in</strong>kel von 1 ′′ ersche<strong>in</strong>t.<br />

Folglich gilt:<br />

a w [AE] = d [AE] · a w [rad]<br />

=: d [pc] · a w [ ′′ ]<br />

Analog dazu lassen sich <strong>die</strong> anderen Parameter umrechnen.<br />

Der Abstand zu dem Doppelsternsystem ξUMa beträgt<br />

Für das Zweikörperproblem gilt immer:<br />

somit:<br />

d(ξUMa) = 8.0 pc.<br />

(M 1 + M 2 )T 2<br />

a 3<br />

= const.<br />

M 1 + M 2<br />

≃ M 1 + M 2 a<br />

= ( ) 3 T · ( ) −2 = (a[AE]) 3 · (T[yr]) −2 .<br />

M ⊙ M ⊙ + M Erde a Erde T Erde<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 33


3 Bestimmung der Bahnelemente visueller Doppelsterne<br />

34 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


Die Sternstromparallaxe am Beispiel der<br />

Hyaden<br />

4<br />

Aufgabe:<br />

Material:<br />

Aus den Koord<strong>in</strong>aten, den Eigenbewegungen <strong>und</strong> den Radialgeschw<strong>in</strong>digkeiten<br />

von 5 Hyaden-Sternen sollen der Konvergenzpunkt, <strong>die</strong> Haufengeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

<strong>und</strong> <strong>die</strong> Entfernung der Haufensterne bestimmt werden.<br />

Koord<strong>in</strong>aten, Eigenbewegungen <strong>und</strong> Radialgeschw<strong>in</strong>digkeiten von 5 Hyaden-<br />

Sternen; zitiert nach:<br />

H.Schwan, 1990, Astronomy and Astrophysics, 228, 69.<br />

E<strong>in</strong>leitung 4.1<br />

In <strong>die</strong>ser Aufgabe widmen wir uns e<strong>in</strong>er der vielen Methoden, Entfernungen zu<br />

bestimmen, der Sternstromparallaxe. Diese Methode ermöglicht <strong>die</strong> Entfernungsbestimmung<br />

von jungen Sternhaufen. Sie wird am Beispiel der Hyaden vorgeführt.<br />

Die Hyaden s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Sternhaufen, d.h., e<strong>in</strong>e Ansammlung vieler Sterne, <strong>die</strong> alle<br />

<strong>zur</strong> gleichen Zeit aus e<strong>in</strong>er Wolke <strong>in</strong>terstellarer Materie entstanden s<strong>in</strong>d. Von<br />

den Hyaden s<strong>in</strong>d mittlerweile 350 Mitglieder bekannt. Da <strong>die</strong> Hyaden relativ nah<br />

s<strong>in</strong>d, kann man ihre Eigenbewegungen gut messen. Außerdem kann man ihre<br />

Entfernung durch mehrere vone<strong>in</strong>ander unabhängige Methoden bestimmen, so<br />

daß man z.B. <strong>die</strong> photometrischen Parallaxen, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e sehr große Reichweite<br />

haben, an ihnen eichen kann.<br />

Für <strong>die</strong> Sternstromparallaxe s<strong>in</strong>d sie vor allem deshalb gut geeignet, weil es sich<br />

um e<strong>in</strong>en sehr jungen Sternhaufen handelt, so daß sich <strong>die</strong> Sterne alle noch mit<br />

der gleichen Geschw<strong>in</strong>digkeit <strong>in</strong> <strong>die</strong>selbe Richtung bewegen.<br />

Die Sternstromparallaxe 4.2<br />

Wir betrachten zunächst <strong>die</strong> sche<strong>in</strong>bare Bahn e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Sterns an der Himmelskugel.<br />

Obwohl sich <strong>die</strong> Sterne der Milchstraße sich im Wesentlichen um deren Zentrum<br />

bewegen, beobachtet man bei allen e<strong>in</strong>e Eigenbewegung µ (s. Abb 4.1). µ ist<br />

<strong>die</strong> Projektion der Tangentialgeschw<strong>in</strong>digkeit an <strong>die</strong> Himmelskugel. Mit Hilfe der<br />

Eigenbewegung <strong>und</strong> der Tangentialgeschw<strong>in</strong>digkeit kann man <strong>die</strong> Entfernung be-<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 35


4 Sternstromparallaxe<br />

rechnen:<br />

r = v tan<br />

µ<br />

(4.1)<br />

v r<br />

Stern<br />

λ<br />

v<br />

r<br />

v tan<br />

Richtung Vertex<br />

Beobachter<br />

λ<br />

µ<br />

Abbildung 4.1: Eigenbewegung e<strong>in</strong>es Sterns<br />

Die Eigenbewegung läßt sich i.a. gut beobachten. Dazu betrachtet man e<strong>in</strong>mal<br />

<strong>die</strong> Änderung µ δ der Dekl<strong>in</strong>ation <strong>und</strong> <strong>die</strong> Änderung µ α der Rektaszension. µ α<br />

beschreibt dabei <strong>die</strong> Änderung entlang des Äquators, (bei δ = 0). Die Änderung<br />

entlang des Breitenkreises, der durch den Stern verläuft, ist dann µ α cos δ<br />

(siehe Abb. 4.2). Da <strong>die</strong> Änderungen so kle<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d, kann man sich µ α cos δ <strong>und</strong><br />

Nordpol<br />

µ<br />

µ δ<br />

S µ α cos δ<br />

θ obs<br />

δ<br />

µ α<br />

Äquator<br />

Abbildung 4.2: Bestimmung der Eigenbewegung des Sterns S<br />

µ δ tangential an <strong>die</strong> Himmelskugel denken, so daß sich der Satz des Pythagoras<br />

anwenden läßt:<br />

µ =<br />

√<br />

(µ α cos δ) 2 + µ 2 δ (4.2)<br />

Die Tangentialgeschw<strong>in</strong>digkeit dagegen ist nicht ohne weiteres beobachtbar. Da<br />

aber <strong>die</strong> Radialgeschw<strong>in</strong>digkeit mit Hilfe des Doppler-Effekts leicht zu bestimmen<br />

36 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


4.2 Die Sternstromparallaxe<br />

ist, kann man mit ihr <strong>und</strong> mit dem W<strong>in</strong>kel zwischen ihr <strong>und</strong> der Gesamtgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

<strong>die</strong> Tangentialgeschw<strong>in</strong>digkeit berechnen:<br />

v tan = v r · tan λ<br />

Gl.(4.1)<br />

=⇒ r = vr·tan λ<br />

µ<br />

Gl.(4.2)<br />

=⇒ r =<br />

√<br />

v r·tan λ<br />

(µ α cos δ) 2 +µ 2 δ<br />

⇐⇒ r[pc] =<br />

4.738·<br />

v r[km/s]·tan λ<br />

√(µ α[ ′′ /a] cos δ) 2 +µ 2 δ· (4.3)<br />

In Gleichung (4.3) werden <strong>die</strong> <strong>in</strong> der <strong>Astronomie</strong> üblichen E<strong>in</strong>heiten verwendet,<br />

deshalb ersche<strong>in</strong>t der Umrechnungsfaktor 4,738.<br />

Bis hierher haben wir das Problem nur von der unbekannten Tangentialgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />

v tan auf den unbekannten W<strong>in</strong>kel λ verlagert. Der W<strong>in</strong>kel λ ist für e<strong>in</strong>en<br />

E<strong>in</strong>zelstern nicht bestimmbar, da wir nur <strong>die</strong> Projektion der Geschw<strong>in</strong>digkeit an<br />

<strong>die</strong> Himmelskugel sehen, also <strong>die</strong> Richtung von v nicht kennen.<br />

Für <strong>die</strong> Sterne e<strong>in</strong>es Sternhaufens lassen sich λ <strong>und</strong> damit v tan sehr wohl bestimmen,<br />

weil wir e<strong>in</strong>e zusätzliche Information über <strong>die</strong> Richtung der Geschw<strong>in</strong>digkeit<br />

haben:<br />

E<strong>in</strong> Sternhaufen ist e<strong>in</strong>e Ansammlung vieler Sterne, <strong>die</strong> alle <strong>zur</strong> gleichen Zeit aus<br />

e<strong>in</strong>er Materiewolke entstanden s<strong>in</strong>d. Nimmt man an, daß der Sternhaufen, den<br />

man beobachtet, noch e<strong>in</strong>e Weile bestehen bleibt, kann man davon ausgehen, daß<br />

sich <strong>die</strong> Sterne alle <strong>in</strong> <strong>die</strong> gleiche Richtung bewegen <strong>und</strong> <strong>die</strong>selbe Geschw<strong>in</strong>digkeit<br />

haben. E<strong>in</strong>en Sternhaufen mit e<strong>in</strong>er solchen charakteristischen Bewegung nennt<br />

man Sternstrom (siehe Abb. 4.3).<br />

Da <strong>die</strong> Bewegung der Sterne an <strong>die</strong> Himmelskugel, also auf e<strong>in</strong>e zweidimensionale<br />

Fläche projiziert wird, sche<strong>in</strong>t ihre Bewegung auf e<strong>in</strong>en festen Punkt gerichtet,<br />

den sog. Vertex. Ähnliches kennt man von Eisenbahnschienen, <strong>die</strong> sich <strong>in</strong> der Ferne<br />

zu schneiden sche<strong>in</strong>en, obwohl sie immer parallel verlaufen. Man mache sich klar,<br />

daß jede beliebig große Strecke–sogar <strong>die</strong> Verb<strong>in</strong>dungsl<strong>in</strong>ie zwischen zwei Sternen<br />

e<strong>in</strong>es Sternhaufens– <strong>in</strong> “unendlich” großer Entfernung auf e<strong>in</strong>en Punkt zusammenschrumpft.<br />

Verlängert man also <strong>die</strong> parallelen Geschw<strong>in</strong>digkeitsvektoren der<br />

E<strong>in</strong>zelsterne e<strong>in</strong>es Sternhaufens <strong>in</strong> <strong>die</strong> Unendlichkeit, so laufen <strong>die</strong> Projektionen<br />

<strong>die</strong>ser gedachten Geraden an der Himmelskugel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Punkt, dem Vertex zusammen.<br />

Der entscheidende Punkt bei der Sternstromparallaxe ist nun folgende<br />

Überlegung: E<strong>in</strong>e Gerade, <strong>die</strong> parallel <strong>zur</strong> Haufengeschw<strong>in</strong>digkeit durch den Beobachter<br />

auf der Erde gelegt wird, läuft natürlich auf denselben Punkt an der<br />

Himmelskugel zu (wirklich!). Damit ist aber der oben gesuchte W<strong>in</strong>kel λ für jeden<br />

Stern, genau der W<strong>in</strong>kelabstand des Sterns vom Vertex an der Himmelskugel.<br />

Wenn man also <strong>die</strong> Koord<strong>in</strong>aten (A,D) des Vertex kennt, läßt sich der W<strong>in</strong>kel λ<br />

für jeden Stern e<strong>in</strong>fach mit Hilfe des Cos<strong>in</strong>us-Satzes berechnen:<br />

cos λ = s<strong>in</strong> δ · s<strong>in</strong> D + cos δ cos D cos(A − α) (4.4)<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 37


4 Sternstromparallaxe<br />

Abbildung 4.3: Sternstrom<br />

wobei (α, δ) <strong>die</strong> Koord<strong>in</strong>aten e<strong>in</strong>es Sterns des Sternhaufens s<strong>in</strong>d.<br />

Die Koord<strong>in</strong>aten (A,D) des Vertex lassen sich aus den beobachteten Sternpositionen<br />

<strong>und</strong> Eigenbewegungen berechnen.<br />

Bestimmt man auf <strong>die</strong>se Weise nun λ, so kann man mit Hilfe von Gleichung (4.3)<br />

<strong>die</strong> Entfernung e<strong>in</strong>es Sterns berechnen.<br />

Im nächsten Kapitel wird nun hergeleitet, wie <strong>die</strong> Vertex-Koord<strong>in</strong>aten berechnet<br />

werden können.<br />

4.3<br />

Vertexbestimmung<br />

Wir betrachten jetzt zunächst wieder e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zelnen Stern. Im letzten Kapitel<br />

hatten wir dessen Geschw<strong>in</strong>digkeit V lediglich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e radiale <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e tangentiale<br />

Komponente zerlegt. Jetzt wollen wir <strong>die</strong> Komponenten bezüglich des folgenden,<br />

begleitenden Dreibe<strong>in</strong>s darstellen:<br />

⃗α 0 = − s<strong>in</strong> α ⃗x 0 + cos α ⃗y 0 (4.5)<br />

⃗ δ<br />

0<br />

= − s<strong>in</strong> δ cos α ⃗x 0 − s<strong>in</strong> δ s<strong>in</strong> α ⃗y 0 + cos δ ⃗z 0 (4.6)<br />

⃗r 0 = + cos δ cos α ⃗x 0 + cos δ s<strong>in</strong> α ⃗y 0 + s<strong>in</strong> δ ⃗z 0 (4.7)<br />

sowie bezüglich e<strong>in</strong>es weiteren festen Koord<strong>in</strong>atensystems Σ, das se<strong>in</strong>en Ursprung<br />

<strong>in</strong> der Sonne hat <strong>und</strong> für dessen Achsen gilt:<br />

38 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


4.3 Vertexbestimmung<br />

x-Achse: zeigt <strong>in</strong> Richtung (α, δ)=(0 h ,0 ◦ )<br />

y-Achse: zeigt <strong>in</strong> Richtung (α, δ)=(6 h ,0 ◦ )<br />

z-Achse: zeigt zum Nordpol<br />

Abbildung 4.4: Koord<strong>in</strong>atensystem Σ <strong>und</strong> begleitendes Dreibe<strong>in</strong><br />

Die Komponenten von V bezüglich Σ s<strong>in</strong>d:<br />

V x = V cos D cos A (4.8)<br />

V y = V cos D s<strong>in</strong> A (4.9)<br />

V z = V s<strong>in</strong> D (4.10)<br />

Damit folgt dann für <strong>die</strong> Komponenten bezüglich des begleitenden Dreibe<strong>in</strong>s:<br />

V α = ⃗ V · ⃗α 0 = −V x s<strong>in</strong> α + V y cos α (4.11)<br />

V δ = ⃗ V · ⃗δ 0 = −V x s<strong>in</strong> δ cos α − V y s<strong>in</strong> δ s<strong>in</strong> α + V z cos δ (4.12)<br />

V r = ⃗ V · ⃗r 0 = +V x cos δ cos α + V y cos δ s<strong>in</strong> α + V z s<strong>in</strong> δ (4.13)<br />

Aus den Gleichungen (4.8)–(4.10) ist ersichtlich, daß es reicht, V x /V z <strong>und</strong> V y /V z<br />

zu kennen, um A <strong>und</strong> D zu berechnen. Das soll im Folgenden hergeleitet werden.<br />

Für V α <strong>und</strong> V δ gilt:<br />

V α = r · µ α cos δ (4.14)<br />

V δ = r · µ δ (4.15)<br />

wobei r <strong>die</strong> Entfernung des Sterns ist.<br />

Setzt man nun <strong>die</strong> Gleichungen (4.14) <strong>und</strong> (4.15) <strong>in</strong> (4.11) <strong>und</strong> (4.12) e<strong>in</strong> <strong>und</strong><br />

divi<strong>die</strong>rt <strong>die</strong>se durch e<strong>in</strong>ander, so erhält man:<br />

V α<br />

V δ<br />

=<br />

−V x s<strong>in</strong> α + V y cos α<br />

−V x s<strong>in</strong> δ cos α − V y s<strong>in</strong> δ s<strong>in</strong> α + V z cos δ = µ α cos δ<br />

µ δ<br />

⇔<br />

− V x<br />

V z<br />

· s<strong>in</strong> α · µ δ + V y<br />

V z<br />

· cos α · µ δ<br />

= − V x<br />

V z<br />

· s<strong>in</strong> δ cos α · µ α cos δ − V y<br />

V z<br />

· s<strong>in</strong> δ s<strong>in</strong> α · µ α cos δ + µ α cos 2 δ<br />

(4.16)<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 39


4 Sternstromparallaxe<br />

Mit folgenden Abkürzungen kann man <strong>die</strong>se Gleichung auf e<strong>in</strong>e recht übersichtliche<br />

Form br<strong>in</strong>gen. Mit<br />

gilt dann:<br />

ξ := V x<br />

V z<br />

(= cos A<br />

tan D ) (4.17)<br />

η := V y<br />

(= s<strong>in</strong> A<br />

V z tan D ) (4.18)<br />

a := µ α s<strong>in</strong> δ cos δ cos α − µ δ s<strong>in</strong> α<br />

b := µ α s<strong>in</strong> δ cos δ s<strong>in</strong> α + µ δ cos α<br />

c := µ α cos 2 δ<br />

(4.19)<br />

=⇒ a ξ + b η − c = 0 (4.20)<br />

a, b, c s<strong>in</strong>d bekannt, ξ <strong>und</strong> η werden gesucht. Wir haben aber mit Gleichung<br />

(4.20) leider nur e<strong>in</strong>e Gleichung für zwei Unbekannte, <strong>die</strong> aber für jeden Stern<br />

e<strong>in</strong>zeln gilt.<br />

Hier nutzen wir nun <strong>die</strong> Tatsache, daß wir viele Sterne <strong>zur</strong> Verfügung haben <strong>und</strong><br />

gehen mit der statistischen Methode der kle<strong>in</strong>sten Quadrate an <strong>die</strong>ses Problem<br />

heran:<br />

Bisher s<strong>in</strong>d wir davon ausgegangen, daß sich alle Mitglieder des Sternhaufens<br />

mit der gleichen Geschw<strong>in</strong>digkeit <strong>in</strong> <strong>die</strong>selbe Richtung bewegen–nur dann treffen<br />

sich <strong>die</strong> Projektionen aller sche<strong>in</strong>baren Bahnen tatsächlich im Vertex (A,D). In<br />

der Realität werden aber zufällig verteilte Abweichungen festzustellen se<strong>in</strong>. Das<br />

bedeutet nichts weiter, als daß <strong>die</strong> rechte Seite von Gleichung (4.20):<br />

q := aξ + bη − c im allgeme<strong>in</strong>en ungleich Null se<strong>in</strong> wird.<br />

Die wahrsche<strong>in</strong>lichsten Werte von ξ <strong>und</strong> η erhält man, <strong>in</strong>dem man <strong>die</strong> Summe Q<br />

der quadratischen Abweichungen q i<br />

n∑<br />

Q = qi 2 (4.21)<br />

m<strong>in</strong>imiert. Es muß dann gelten:<br />

∂Q<br />

∂ξ<br />

i=1<br />

= 0 <strong>und</strong><br />

∂Q<br />

∂η = 0 (4.22)<br />

Die Differentiation von (4.22) führt auf folgende Bed<strong>in</strong>gungsgleichungen:<br />

[aa] ξ + [ab] η = [ac]<br />

[ba] ξ + [bb] η = [bc] (4.23)<br />

wobei <strong>die</strong> eckigen Klammern jeweils für <strong>die</strong> Summen stehen:<br />

n∑<br />

[xy] := x i y i<br />

i=1<br />

40 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


4.4 Genauigkeit der Methode<br />

Das Gleichungssystem (4.23) hat <strong>die</strong> Lösung:<br />

η =<br />

ξ =<br />

[bc] −<br />

[ab]·[ac]<br />

[aa]<br />

[bb] − [ab]2<br />

[aa]<br />

[ac] − [ab] · η<br />

[aa]<br />

(4.24)<br />

(4.25)<br />

Mit den Gleichungen (4.8), (4.9) <strong>und</strong> (4.10) lassen sich dann A <strong>und</strong> D berechnen.<br />

Genauigkeit der Methode 4.4<br />

Um <strong>die</strong> Entfernung bestimmen zu können, haben wir <strong>die</strong> Annahme gemacht, daß<br />

sich alle Sterne des Sternhaufens mit der gleichen Geschw<strong>in</strong>digkeit <strong>in</strong> <strong>die</strong>selbe<br />

Richtung bewegen. Die Frage ist nun, ob <strong>die</strong>se Annahme gerechtfertigt ist. Wir<br />

s<strong>in</strong>d hier <strong>in</strong> der glücklichen Lage, das überprüfen zu können: Es gibt hier e<strong>in</strong>en<br />

W<strong>in</strong>kel θ, den man e<strong>in</strong>mal mit <strong>die</strong>ser Annahme berechnen kann <strong>und</strong> andererseits<br />

direkt aus den Beobachtungsdaten erhält: der W<strong>in</strong>kel zwischen den L<strong>in</strong>ien Stern-<br />

Nordpol <strong>und</strong> Stern Vertex. In Abbildung 4.2 ist der W<strong>in</strong>kel θ obs , den man aus den<br />

Beobachtungsdaten erhält, bereits e<strong>in</strong>gezeichnet. Er ergibt sich damit aus:<br />

cos θ obs = µ δ<br />

µ<br />

(4.26)<br />

Für den zu berechnenden W<strong>in</strong>kel θ calc sieht <strong>die</strong> Situation folgendermaßen aus:<br />

Wendet man den Cos<strong>in</strong>us-Satz für 90 ◦ − D an, so erhält man:<br />

Nordpol<br />

A- α<br />

90°-D<br />

90°-δ<br />

Vertex(A,D)<br />

Beobachter<br />

λ<br />

Stern<br />

(α,δ)<br />

λ<br />

θ calc<br />

Abbildung 4.5: Berechnung von θ calc<br />

cos θ calc =<br />

s<strong>in</strong> D − cos λ · s<strong>in</strong> δ<br />

s<strong>in</strong> λ · cos δ<br />

(4.27)<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 41


4 Sternstromparallaxe<br />

Nr. α δ µ α cos δ µ δ v r<br />

[h m s] [ ◦ , ′ ] [0.001 ′′ /yr] [0.001 ′′ /yr] [km/s]<br />

1 3 50 18 17 10 148.5 -29.8 35.0<br />

2 4 12 56 15 16 117.4 -24.5 36.9<br />

3 4 26 02 12 56 107.4 -15.6 33.4<br />

4 4 36 25 15 49 86.4 -18.1 36.9<br />

5 4 48 27 18 45 84.3 -34.5 38.5<br />

Tabelle 4.1: Koord<strong>in</strong>aten, Eigenbewegungen <strong>und</strong> Radialgeschw<strong>in</strong>digkeiten e<strong>in</strong>iger<br />

Hyadensterne<br />

Durchführung 4.5<br />

Meßungenauigkeit der Eigenbewegungen: 0.002 ′′ /yr<br />

[aa] = 11954.04 [ab] = 5270.80 [ac] = 31159.64<br />

[ba] = [ab] [bb] = 2684.98 [bc] = 17162.18<br />

1. Berechne <strong>die</strong> Vertex-Koord<strong>in</strong>aten mit Hilfe der Gleichungen (4.24), (4.25),<br />

(4.17) <strong>und</strong> (4.18)! Man beachte dabei, daß A e<strong>in</strong>en Wert zwischen 0 ◦ <strong>und</strong><br />

360 ◦ annehmen kann, während der Wertebereich der Arcus-Tangens-Funktion<br />

von −90 ◦ bis +90 ◦ läuft. Wie läßt sich <strong>die</strong> Doppeldeutigkeit des Ergebnisses<br />

<strong>in</strong>terpretieren? Wie entscheidet man, welches der korrekte Wert ist?<br />

2. Berechnen Sie damit <strong>und</strong> mit Gleichung (4.4) <strong>die</strong> λ[ ◦ ]-Werte für jeden der<br />

<strong>in</strong> der Tabelle aufgeführten Sterne!<br />

3. Berechne nun mit Hilfe der Gleichungen (4.1) bis (4.3) v tan [km/s], v[km/s],<br />

µ[0, 001 ′′ /a] <strong>und</strong> r[pc] für jeden Stern!<br />

4. Überprüfen Sie nun, <strong>die</strong> Genauigkeit der Methode, <strong>in</strong> dem Sie mit den<br />

Gleichungen (4.26) <strong>und</strong> (4.27) θ obs , θ calc sowie △θ =| θ obs −θ calc | berechnen.<br />

Werten Sie Ihr Ergebnis ausführlich aus!!!<br />

5. Berechne den Mittelwert, <strong>die</strong> Standardabweichung, sowie <strong>die</strong> absoluten <strong>und</strong><br />

relativen Fehler von v <strong>und</strong> r. Werte <strong>die</strong>ses Ergebnis ausführlich aus!!!<br />

Es gilt:<br />

1<br />

n∑<br />

Mittelwert: ¯x = x i ,<br />

n<br />

i=1<br />

Standardabweichung: σ x = √ 1 n∑<br />

(x i − ¯x)<br />

n − 1<br />

,<br />

i=1<br />

absoluter Fehler: ∆x i = x i − ¯x,<br />

relativer Fehler =<br />

∆x i<br />

¯x<br />

42 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


Klassifikation von Sternspektren aus<br />

Objektivprismenaufnahmen<br />

5<br />

Aufgabe: Grobe Klassifikation von Sternspektren nach Harvard. Aus den Aufnahmen sollen<br />

durch Vergleich mit dem Bonner Spektralatlas <strong>die</strong> Spektraltypen möglichst<br />

genau bestimmt werden. Für jeden Stern soll e<strong>in</strong>e kurze Beschreibung der<br />

auffälligsten Klassifikationsmerkmale gegeben werden.<br />

Material: Objektivprismenaufnahmen von 4 Sternen, mit e<strong>in</strong>er ursprünglichen Dispersion<br />

von etwa 100Å/mm. Vergleichsaufnahmen aus dem Bonner Spektralatlas I <strong>und</strong><br />

dem Atlas of Representative Stellar Spectra.<br />

Literatur: [1] Kap. IV, § 2; Kap. V, §§ 1, 2<br />

[4] Kap. 4, <strong>in</strong>sbes. 4.5<br />

[5] Kap. I, § 2; Kap. IV, § 1; Kap. V, § 2<br />

[6] Kap. 5<br />

<strong>E<strong>in</strong>führung</strong> 5.1<br />

Spektralklassifikationen 5.1.1<br />

Um <strong>die</strong> Vielzahl von beobachtbaren Sternen zuordnen zu können, klassifiziert<br />

man sie nach ihren Spektren. Als Spektralklassifikation bezeichnet man dabei <strong>die</strong><br />

E<strong>in</strong>ordnung der Sternspektren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er oder mehreren Dimensionen, <strong>die</strong> bestimmten<br />

Zustandsgrößen der Sterne entsprechen. Diese s<strong>in</strong>d:<br />

Temperatur, Druck <strong>und</strong> chemische Zusammensetzung.<br />

Je nachdem wieviele Zustandsgrößen man berücksichtigt, spricht man von e<strong>in</strong>bzw.<br />

mehrdimensionalen Spektren. Die Anordnung erfolgt <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Aufgabe phänomenologisch<br />

nach dem Aussehen des L<strong>in</strong>ienspektrums.<br />

• Die bekannteste Klassifikation ist <strong>die</strong> von Harvard, niedergelegt im Henry-<br />

Draper-Katalog. 225 300 Sterne s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem System klassifiziert <strong>und</strong> weitere<br />

133 000 Sterne bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> späteren Erweiterungen <strong>die</strong>ses Kataloges.<br />

Der Henry-Draper-Katalog benutzt als Gr<strong>und</strong>lage für <strong>die</strong> Spektralklassifikation<br />

Objektivprismenspektren. Dies s<strong>in</strong>d Aufnahmen mit mittleren<br />

Teleskopen, d.h. mit e<strong>in</strong>er Objektivöffnung von 40–60cm Durchmesser, vor<br />

deren Objektivl<strong>in</strong>se sich e<strong>in</strong> Prisma bef<strong>in</strong>det, das für jeden Stern auf der<br />

Aufnahme e<strong>in</strong> Spektrum produziert. Objektivprismenspektren werden vorzugsweise<br />

mit Schmidt-Teleskopen aufgenommen, weil <strong>die</strong> optische Abbil-<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 43


5 Spektralklassifikation<br />

dung entlang des gesamten erzeugten Spektrums im Fokus bleibt, was sonst<br />

nicht der Fall ist. Der Nachteil der Harvardklassifikation ist, daß sie von<br />

e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>heitlichen chemischen Zusammensetzung ausgeht <strong>und</strong> auch ke<strong>in</strong>e<br />

Unterschiede <strong>in</strong> der Leuchtkraft (Druck) macht. Sie ist als e<strong>in</strong>dimensionale<br />

Klassifikation im Wesentlichen nur e<strong>in</strong>e Charakterisierung der Temperatur<br />

(Ionisations- <strong>und</strong> Besetzungstemperatur) <strong>in</strong> der Sternatmosphäre.<br />

Abbildung 5.1: Strahlengang durch e<strong>in</strong> Prisma<br />

• Für e<strong>in</strong>e genauere, hier zweidimensionale Klassifikation hat man auch <strong>die</strong><br />

Leuchtkraft des Sterns zu betrachten, da zwei Sterne gleicher effektiver Temperatur<br />

(siehe auch Schwarzkörperstrahlung) sehr unterschiedliche Leuchtkräfte<br />

besitzen können.Diesen zweiten Parameter führt das Yerkes- oder<br />

Morgan-Keenan-System (MK-System) e<strong>in</strong>. Es ist <strong>die</strong> sog. Leuchtkraftklasse<br />

welche im wesentlichen e<strong>in</strong> Maß für den Elektronendruck <strong>in</strong> der Sternatmosphäre<br />

darstellt.<br />

• Drei- <strong>und</strong> mehrdimensionale Systeme berücksichtigen auch noch <strong>die</strong> evtl.<br />

unterschiedliche chemische Zusammensetzung der Sterne.<br />

Harvard <strong>und</strong> MK s<strong>in</strong>d heute <strong>die</strong> gebräuchlichsten Systeme. MK hat bereits über<br />

10.000 klassifizierte Sterne.<br />

5.2<br />

Gr<strong>und</strong>lagen: Was ist Strahlung?<br />

Strahlung nennt man <strong>die</strong> räumliche Ausbreitung von Energie <strong>in</strong> Form von Wellen<br />

oder Teilchen. Zur Wellenstrahlung gehören u.a. <strong>die</strong> elektromagnetische (z.B.<br />

sichtbares Licht, Radiowellen, Röntgenstahlung) <strong>und</strong> <strong>die</strong> akustische Strahlung<br />

(Schallwellen). Zur Teilchenstrahlung zählt beispielsweise <strong>die</strong> radioaktive α- <strong>und</strong><br />

β-Strahlung.<br />

Elektromagnetische Strahlung setzt sich aus zeitlich <strong>und</strong> räumlich periodisch veränderlichen<br />

elektrischen <strong>und</strong> magnetischen Feldern zusammen, <strong>die</strong> senkrecht zue<strong>in</strong>ander<br />

schw<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> sich mit Lichtgeschw<strong>in</strong>digkeit durch den Raum ausbreiten.<br />

44 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


5.2 Gr<strong>und</strong>lagen: Was ist Strahlung?<br />

Bei den Sternen ist man besonders an dem Zusammenhang zwischen se<strong>in</strong>er Oberflächentemperatur<br />

<strong>und</strong> der von ihm <strong>in</strong> den verschiedenen Bereichen des elektromagnetischen<br />

Spektrums ausgestrahlten Energie <strong>in</strong>teressiert.<br />

Schwarzkörperstrahlung 5.2.1<br />

Heiße Körper senden aufgr<strong>und</strong> ihrer Temperatur elektromagnetische Strahlung<br />

aus. Bei Temperaturen unter e<strong>in</strong>igen 100K handelt es sich bei der emittierten<br />

Strahlung überwiegend um <strong>in</strong>frarotes Licht oder sogenannte Wärmestrahlung.<br />

Schwarzkörperstrahlung ist völlig unabhängig von der chemischen Zusammensetzung<br />

des Körpers, sie hängt nur von se<strong>in</strong>er Oberflächentemperatur ab <strong>und</strong><br />

ist <strong>in</strong>tensitätsmäßig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Weise über alle Wellenlängenbereiche<br />

verteilt (kont<strong>in</strong>uierliches Spektrum – siehe auch Abb. 5.2: Plancksche Strahlungskurve).<br />

Die über alle Frequenzen ausgestrahlte Gesamtenergie ist nach dem<br />

Stefan-Boltzmann-Gesetz proportional zu T 4 . Vergleicht man <strong>die</strong> zu verschiedenen<br />

Oberflächentemperaturen gehörenden spektralen Intensitätskurven heißer<br />

Körper mite<strong>in</strong>ander, so stellt man fest, daß das Intensitätsmaximum der Strahlung<br />

bei um so kürzeren Wellenlängen liegt, je höher <strong>die</strong> Temperatur (Wiensches<br />

Verschiebungsgesetz).<br />

Unter der Effektivtemperatur e<strong>in</strong>es Sterns versteht man <strong>die</strong> Temperatur, <strong>die</strong> e<strong>in</strong><br />

Schwarzer Körper hätte, wenn er <strong>die</strong> gleiche Gesamtenergie (pro cm 2 ) wie der<br />

Stern ausstrahlen würde.<br />

Abbildung 5.2: Planck’ sche Strahlungsverteilung<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 45


5 Spektralklassifikation<br />

Abbildung 5.3: Entstehung von a) Emissions- <strong>und</strong> b) Absorptionsl<strong>in</strong>ien<br />

5.2.2<br />

Elektromagnetische Strahlung<br />

Wie entsteht e<strong>in</strong> Spektrum?<br />

Elektromagnetische Strahlung wird emittiert oder absorbiert, wenn Elektronen <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em Atom bzw. Molekül von e<strong>in</strong>em Energieniveau <strong>in</strong> e<strong>in</strong> anderes übergehen. Die<br />

dabei auftretende Energiedifferenz ∆E entspricht e<strong>in</strong>er bestimmten Frequenz,<br />

∆E = h · ν<br />

<strong>die</strong> <strong>in</strong> dem zugehörigen Spektrum zu e<strong>in</strong>er Spektrall<strong>in</strong>ie Anlaß gibt. Jedes Element<br />

bzw. Molekül erzeugt e<strong>in</strong> charakteristisches L<strong>in</strong>ienspektrum. E<strong>in</strong>e gesetzmäßige<br />

Folge von L<strong>in</strong>ien bezeichnet man als Serie. Am Bekanntesten s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Absorptionsl<strong>in</strong>ien<br />

der Balmerserie des angeregten Wasserstoffs, sie spielen <strong>in</strong> der Spektralklassifikation<br />

e<strong>in</strong>e bedeutende Rolle.<br />

Entstehung der L<strong>in</strong>ien<br />

E<strong>in</strong> heißes Gas produziert bei niedrigem Druck e<strong>in</strong> Emissionsspektrum, das aus<br />

diskreten L<strong>in</strong>ien charakteristischer Energien bzw. Wellenlängen (siehe oben) besteht.<br />

Wird das Gas abgekühlt <strong>und</strong> von weißem Licht durchlaufen, das alle Wellenlängen<br />

enthält, so s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> dem kont<strong>in</strong>uierlichen Spektrum der Lichtquelle dunkle<br />

Absorptionsl<strong>in</strong>ien derselben Wellenlänge zu sehen.<br />

Bei niedrigen Temperaturen bef<strong>in</strong>den sich <strong>die</strong> meisten Atome bzw. Elektronen <strong>in</strong><br />

ihrem tiefsten Energiezustand, dem Gr<strong>und</strong>zustand. Höhere Energieniveaus s<strong>in</strong>d<br />

angeregte Zustände. Der Übergang von e<strong>in</strong>em niedrigeren <strong>in</strong> e<strong>in</strong> höheres Energieniveau<br />

wird Anregung genannt. Die Aufnahme von Energie entspricht der Absorption<br />

e<strong>in</strong>es Photons <strong>und</strong> gibt im kont<strong>in</strong>uierlichen Spektrum Anlaß zu e<strong>in</strong>er<br />

46 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


5.3 Klassifikationskriterien<br />

dunklen diskreten L<strong>in</strong>ie. Kehrt das durch hohe Energien angeregte Elektron auf<br />

e<strong>in</strong> tieferes Energieniveau <strong>zur</strong>ück, spricht man von Emission. Verläßt das Elektron<br />

durch Zufuhr von ausreichender Energie den Atomverband, so spricht man<br />

von e<strong>in</strong>em geb<strong>und</strong>en-freien Übergang, auch Ionisation genannt. Der umgekehrte<br />

Prozeß, bei dem e<strong>in</strong> Atom e<strong>in</strong> freies Elektron e<strong>in</strong>fängt, ist <strong>die</strong> Rekomb<strong>in</strong>ation<br />

oder der frei-geb<strong>und</strong>ene Übergang. Wird e<strong>in</strong> freies Elektron an e<strong>in</strong>em Kern oder<br />

Ion gestreut, ohne e<strong>in</strong>gefangen zu werden, so kann <strong>die</strong> elektromagnetische Wechselwirkung<br />

<strong>die</strong> k<strong>in</strong>etische Energie des Elektrons ändern <strong>und</strong> frei-freie Strahlung<br />

erzeugen.<br />

Abbildung 5.4: L<strong>in</strong>ien- Übergänge<br />

Die genaue Form e<strong>in</strong>er Spektrall<strong>in</strong>ie bezeichnet man als L<strong>in</strong>ienprofil. Die wahre<br />

L<strong>in</strong>ienkontur gibt <strong>die</strong> Eigenschaften der Sternatmosphäre wieder, das beobachtete<br />

Profil h<strong>in</strong>gegen wird auch durch das Meß<strong>in</strong>strument verbreitert. Die Gesamtabsorption<br />

<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er L<strong>in</strong>ie, <strong>die</strong> im allgeme<strong>in</strong>en über deren Äquivalentbreite<br />

ausgedrückt wird, ist gegenüber Beobachtungseffekten weniger empf<strong>in</strong>dlich. Die<br />

Äquivalentbreite ist <strong>die</strong> Breite e<strong>in</strong>er absolut dunklen, rechteckigen L<strong>in</strong>ie, <strong>die</strong> derselben<br />

Gesamtabsorption entspricht wie <strong>die</strong> der beobachteten L<strong>in</strong>ie. In Abb. 5.6<br />

s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Äquivalentbreiten e<strong>in</strong>iger der für <strong>die</strong> verschiedenen Spektralklassen wichtigen<br />

Spektrall<strong>in</strong>ien aufgetragen.<br />

Klassifikationskriterien 5.3<br />

Klassifikationskriterien s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Stärken bestimmter L<strong>in</strong>ien (z.B. <strong>die</strong> Wasserstoffl<strong>in</strong>ien<br />

der Balmerserie), <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Folge verschiedener Spektraltypen h<strong>in</strong>durch<br />

variieren, wie es das Schema unten zeigt. Für <strong>die</strong> e<strong>in</strong>deutige Zuordnung e<strong>in</strong>es<br />

Sternspektrums reicht <strong>die</strong> Beurteilung der Balmerserie des Wasserstoffs jedoch<br />

nicht aus, da es B- <strong>und</strong> F-Sterne mit gleichstarken Wasserstoffl<strong>in</strong>ien gibt. Dazu<br />

zieht man u.a. <strong>die</strong> relative Stärke der H- <strong>und</strong> K-L<strong>in</strong>ien des ionisierten Calciums<br />

heran, sowie <strong>die</strong> des G-Bandes (CH 2 - Moleküll<strong>in</strong>ienserie).<br />

Die nun folgenden Typen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> sich noch e<strong>in</strong>mal dezimal unterteilt<br />

(z.B. B0-B9 etc.).<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 47


5 Spektralklassifikation<br />

Typ O: Bläuliche Sterne, Atmosphärentemperatur 20 000 − 30 000 K. Das Spektrum<br />

enthält aufgr<strong>und</strong> der hohen Temperatur L<strong>in</strong>ien von mehrfach ionisierten<br />

Atomen wie He II, C III, N III, O III, Si V. He I ist erkennbar, <strong>die</strong><br />

H I-L<strong>in</strong>ien s<strong>in</strong>d schwach. Mit abnehmender Temperatur nimmt <strong>die</strong> Intensität<br />

von He II ab, während <strong>die</strong> von He I zunimmt.<br />

Hilfreich <strong>zur</strong> genauen Klassifikation s<strong>in</strong>d das Verhältnis von He II(λ4541)<br />

zu He I(λ4471) sowie <strong>die</strong> Stärken der L<strong>in</strong>ien H γ (λ4340), Si IV (λ4089), C<br />

III (λ4068,λ4647,λ4651)<br />

Typ B: Bläulich-weiße Sterne, Atmosphärentemperatur etwa 15 000 K. Die He II-<br />

L<strong>in</strong>ien s<strong>in</strong>d verschw<strong>und</strong>en. Die He I-L<strong>in</strong>ien s<strong>in</strong>d am stärksten bei B2, werden<br />

dann schwächer <strong>und</strong> verschw<strong>in</strong>den bei B9. Die H I-L<strong>in</strong>ien werden stärker,<br />

O II-, Si II- <strong>und</strong> Mg II-L<strong>in</strong>ien s<strong>in</strong>d sichtbar. Zur genauen Klassifikation helfen:<br />

B0-B2: Verhältnis Si III (λ4552)/Si IV (λ4089)<br />

B3-B4: Si II (λ4128-30)/He I (λ4121)<br />

B5-B8: Si II (λ4128-30)/He I (λ4144)<br />

B8-B9: Mg II (λ4481)/He I (λ4471)<br />

Typ A: Weiße Sterne, Atmosphärentemperatur etwa 9000 K. Die H I-L<strong>in</strong>ien s<strong>in</strong>d<br />

bei A0 sehr stark <strong>und</strong> bestimmen das gesamte Spektrum. Die K-L<strong>in</strong>ie des<br />

Ca II ersche<strong>in</strong>t ab A2, He I ist nicht länger sichtbar. Zur Fe<strong>in</strong>unterscheidung:<br />

A0-A7: Mg II (λ4481)/Fe I (λ4385)<br />

A5-A7: Mg II (λ4481)/Fe I (λ4416)<br />

A3-F0: Ca I (λ4227)/Mg II(λ4481) <strong>und</strong> Fe I (λ4045)/He I(λ4471)<br />

Typ F: Gelblich-weiße Sterne, Atmosphärentemperatur etwa 7000 K. Die Stärke<br />

der H I-L<strong>in</strong>ien nimmt ab, <strong>die</strong> der H- <strong>und</strong> K- L<strong>in</strong>ien des Ca II nehmen zu.<br />

Metall<strong>in</strong>ien wie Fe I, Fe II, Cr II <strong>und</strong> Ti II werden klar erkennbar. Fe<strong>in</strong>unterscheidung<br />

durch:<br />

Fe II (λ4045)/H δ (λ4101), Mn I (λ4030-34)/Si II (λ4128-32), Ca I λ(4226)/H γ (λ4340),<br />

Ca I (λ4226)/Mg II (λ4481)<br />

Typ G: Gelbliche Sterne wie <strong>die</strong> Sonne, Atmosphärentemperatur etwa 5500 K.<br />

Die H I-L<strong>in</strong>ien werden immer schwächer, <strong>die</strong> H- <strong>und</strong> K-L<strong>in</strong>ien s<strong>in</strong>d sehr<br />

stark, am stärksten bei G0. Zahlreiche Metall<strong>in</strong>ien. Die G-Bande ist deutlich<br />

sichtbar. In Riesensternen sieht man CN-L<strong>in</strong>ien. Fe<strong>in</strong>unterscheidung<br />

durch:<br />

G0-G4: Fe I (λ4045)/H δ (λ4101), Fe I (λ4143)/H δ (λ4101), Fe I (λ4381)/H γ (λ4340),<br />

Fe I (λ4921)/H β (λ4861)<br />

ab G5: Ca I (λ4226)/H δ (λ4101), Cr I (λ4254)/Fe I (λ4250)<br />

Typ K: Orange-gelbliche Sterne, Atmosphärentemperatur etwa 4000 K. das Spek-<br />

48 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


5.4 Durchführung der Aufgabe<br />

trum wird von Metall<strong>in</strong>ien bestimmt, <strong>die</strong> H I-L<strong>in</strong>ien s<strong>in</strong>d unwesentlich. Die<br />

Ca I-L<strong>in</strong>ie ist deutlich erkennbar. Starke H- <strong>und</strong> K-L<strong>in</strong>ien <strong>und</strong> G-Bande.<br />

TiO-Banden ersche<strong>in</strong>en ab K5. Fe<strong>in</strong>unterscheidung durch:<br />

Cr I (λ4254)/Fe I (λ4260), Ti I (λ3999)/Fe I (λ4005), Fe I (λ4144)/H δ (λ4101),<br />

Ca I (λ4226)/Fe I (λ4250)<br />

Typ M: Rötliche Sterne, Atmosphärentemperatur etwa 3000 K. Die TiO-Banden<br />

werden stärker. Ca I ist sehr stark. Viele L<strong>in</strong>ien neutraler Metalle. Das G-<br />

Band ist sichtbar, ebenso zahlreiche Moleküll<strong>in</strong>ien. Zur Fe<strong>in</strong>unterscheidung:<br />

Intensitäten von TiO-Banden bei λλ4953,5167,7054,7126<br />

ab M2: TiO-Banden bei λλ4584,4761,5448,6158<br />

ab M3: TiO-Banden bei λ4761 gesättigt, ab M4: CaOH-Band bei λ5500-<br />

5560<br />

Abbildung 5.5: Klassifikationsschema<br />

Durchführung der Aufgabe 5.4<br />

Ordnen Sie <strong>die</strong> Sternspektren mit Hilfe des groben Klassifikationsschemas, der differenzierteren<br />

Klassifikationskriterien <strong>und</strong> den Aufnahmen aus den beiden Spektralatlanten<br />

durch Vergleich e<strong>in</strong>em Spektraltypen zu. Begründen Sie Ihre Zuordnung,<br />

<strong>in</strong>dem Sie das jeweilige Spektrum beschreiben!<br />

Vorsicht: Bei e<strong>in</strong>er Wellenlänge können durchaus mehrere verschiedene L<strong>in</strong>ien<br />

liegen!<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 49


5 Spektralklassifikation<br />

E<strong>in</strong>ige der wichtigsten L<strong>in</strong>ien 5.5<br />

Element L<strong>in</strong>ie Wellenlänge λ/[Å]<br />

Wasserstoff Hβ 4861<br />

Hγ 4340<br />

Hδ 4101<br />

Hε 3970<br />

Helium HeI 5047<br />

5015<br />

4913<br />

4713<br />

4471<br />

HeII 4859<br />

4686<br />

4541<br />

Kalzium I 4226<br />

Kalzium II H 3968<br />

K 3933<br />

G-Band 4307<br />

Abbildung 5.6: Äquivalentbreiten für verschiedene Spektralklassen<br />

50 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


Entfernung <strong>und</strong> Alter offener Sternhaufen<br />

6<br />

Aufgabe: Bestimmung von Entfernung <strong>und</strong> Alter offener Sternhaufen aus den beobachteten<br />

Farben-Helligkeits- <strong>und</strong> Farben-Farben-Diagrammen (FHD, FFD). Dabei<br />

werden <strong>die</strong> Standardhauptreihen im FHD <strong>und</strong> FFD graphisch mit den beobachteten<br />

<strong>und</strong> bereits aufgetragenen Diagrammen von Sternhaufen verglichen.<br />

Aus den ermittelten Nullpunktsdifferenzen läßt sich auf <strong>die</strong> Entfernung, das<br />

Alter <strong>und</strong> <strong>die</strong> Verfärbung durch <strong>in</strong>terstellare Materie schließen.<br />

Material: Je e<strong>in</strong> FHD <strong>und</strong> FFD von sechs offenen Sternhaufen, e<strong>in</strong> FHD e<strong>in</strong>es Kugelsternhaufens,<br />

Tabellen der Standardhauptreihe im FHD <strong>und</strong> FFD, durchsichtiges<br />

Millimeterpapier, Taschenrechner<br />

Literatur: [1] Kap. IV, § 1; Kap. VIII, § 9<br />

[4] Kap. 4.4, 5.4<br />

[5] Kap. I, § 2; Kap. VI, § 3<br />

E<strong>in</strong>leitung 6.1<br />

Offene (= galaktische) Sternhaufen werden <strong>in</strong> großer Zahl <strong>in</strong> der Scheibenebene<br />

der Galaxis <strong>und</strong> naher Galaxien gef<strong>und</strong>en. Der wohl größte Wert für <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong><br />

besteht <strong>in</strong> der Tatsache, daß <strong>die</strong> Sterne e<strong>in</strong>es Sternhaufens e<strong>in</strong>e Gruppe von<br />

gleichweit entfernten, gleichalten, jedoch unterschiedlich weit entwickelten Sternen<br />

darstellen. Gel<strong>in</strong>gt es, das Alter von Sternhaufen zu bestimmen, so können<br />

ihre Hertzsprung-Russell Diagramme (HRD) als Test der Theorien der Sternentwicklung<br />

<strong>die</strong>nen.<br />

Galaktische Sternhaufen zeigen e<strong>in</strong>e deutliche Konzentration zum galaktischen<br />

Äquator <strong>und</strong> stehen <strong>in</strong> anderen Galaxien wie M31 entlang der Spiralarme. Gel<strong>in</strong>gt<br />

<strong>die</strong> Bestimmung der Distanz offener Haufen, so können sie <strong>zur</strong> Untersuchung der<br />

Spiralstruktur der Milchstraße <strong>die</strong>nen.<br />

Das Hertzsprung-Russell Diagramm 6.2<br />

Im Hertzsprung-Russell-Diagramm (HRD) wird <strong>die</strong> absolute Helligkeit von Sternen<br />

gegen ihre Spektralklasse aufgetragen. Äquivalent dazu ist e<strong>in</strong> Diagramm<br />

der Leuchtkraft der Sterne <strong>in</strong> Beziehung zu ihrer Oberflächentemperatur. Anhand<br />

des HRD läßt sich <strong>die</strong> Sternentwicklung gut betrachten. Die meisten Sterne<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 51


6 Entfernung <strong>und</strong> Alter offener Sternhaufen<br />

Abbildung 6.1: Hertzsprung-Russell-Diagramm<br />

liegen hier auf e<strong>in</strong>em Band, Hauptreihe genannt, das sich diagonal durch das<br />

Diagramm zieht. Die Sonne z.B. ist e<strong>in</strong> typischer Hauptreihenstern. E<strong>in</strong>e zweite<br />

auffällige Häufung rechts oben stellen <strong>die</strong> sehr großen kühlen Sterne dar, <strong>die</strong> Rote<br />

Riesen genannt werden. In der l<strong>in</strong>ken unteren Ecke des Diagramms gruppieren<br />

sich <strong>die</strong> kompakten Weißen Zwerge.<br />

6.2.1<br />

6.2.2<br />

Das Hauptreihenstadium<br />

Das Hauptreihenstadium ist der Entwicklungsstand, <strong>in</strong> dem das Wasserstoffbrennen<br />

<strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige Energiequelle des Sterns darstellt. Hier bef<strong>in</strong>det sich der Stern <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em stabilen hydrostatischen Gleichgewicht <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Aufbau ändert sich nur <strong>in</strong>folge<br />

der allmählichen Änderung se<strong>in</strong>er chemischen Zusammensetzung durch <strong>die</strong><br />

Kernreaktionen, d.h. das Hauptreihenstadium ist <strong>die</strong> längste Phase <strong>in</strong> der Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>es Sterns. Für e<strong>in</strong>en Stern mit Sonnenmasse dauert <strong>die</strong>se Phase etwa<br />

10 Milliarden Jahre. Massereichere Objekte auf der oberen Hauptreihe entwickeln<br />

sich schneller, da sie wesentlich mehr Energie abstrahlen. Die Lebensdauer auf der<br />

Hauptreihe für e<strong>in</strong>en Stern mit etwa 15 Sonnenmassen beträgt nur 10 Millionen<br />

Jahre. Die massereichsten Objekte, <strong>die</strong> bis jetzt beobachtet wurden, haben etwa<br />

70 Sonnenmassen. Masseärmere Sterne auf der unteren Hauptreihe haben e<strong>in</strong>e<br />

Lebensdauer bis zu 70 Milliarden Jahren. Objekte mit weniger als 0.08 Sonnenmassen<br />

(sog. Braune Zwerge) werden niemals heiß genug für e<strong>in</strong>e Zündung des<br />

Wasserstoffbrennens.<br />

Das Riesenstadium<br />

Wenn sich der Wasserstoffvorrat im Zentrum se<strong>in</strong>em Ende nähert, beg<strong>in</strong>nt der<br />

Stern von der Hauptreihe abzuwandern. Der Stern gelangt dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Zu-<br />

52 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


6.3 Beobachtungsmethoden<br />

stand, <strong>in</strong> dem der Kern sich unter se<strong>in</strong>er Gravitation zusammenzieht <strong>und</strong> sich<br />

weiter aufheizt, so daß der restliche Wasserstoff <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Schale um den Heliumkern<br />

zündet <strong>und</strong> <strong>die</strong> äußeren Bereiche des Sterns expan<strong>die</strong>ren. Beim Übergang<br />

bewegt sich der Stern im HRD leicht aufwärts, se<strong>in</strong>e Helligkeit nimmt zu <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> Oberflächentemperatur s<strong>in</strong>kt. Die Dichte des Heliumkerns nimmt bei <strong>die</strong>sem<br />

Prozeß zu, was zu e<strong>in</strong>er Expansion der Hülle des Sterns führt, d.h. der Stern bewegt<br />

sich im HRD fast horizontal nach rechts <strong>und</strong> wird zum Roten Riesen. Bei<br />

E<strong>in</strong>setzen des Heliumbrennens erhöht sich <strong>die</strong> Temperatur sprunghaft, was zu<br />

e<strong>in</strong>er Beschleunigung der Fusionsrate führt. Liegt e<strong>in</strong> massereicher Stern vor, so<br />

vollzieht sich das Heliumbrennen gleichmäßig, während bei massearmen Sternen<br />

sich das zunächst entartete Gas im Kern schließlich schlagartig ausdehnt, dabei<br />

entsteht e<strong>in</strong> Helium-Blitz, auch Heliumflash genannt, dessen Energie von den<br />

äußeren Schichten absorbiert wird. Mit <strong>die</strong>sem Heliumflash setzt hier dann das<br />

Heliumbrennen e<strong>in</strong>, das Zentrum des Sterns expan<strong>die</strong>rt, <strong>die</strong> äußeren Schichten<br />

kontrahieren. Außerdem nimmt <strong>die</strong> Leuchtkraft des Sterns ab.<br />

Weiße Zwerge 6.2.3<br />

Nachdem das Helium zu Kohlenstoff verschmolzen ist, zieht sich der Kern erneut<br />

zusammen <strong>und</strong> heizt sich weiter auf. Im Gegensatz zu massereichen Sternen steigt<br />

<strong>die</strong> Zentraltemperatur bei massearmen Objekten nicht weit genug an, um das<br />

Kohlenstoffbrennen <strong>in</strong> Gang zu setzen. Das verbleibende Helium jedoch brennt <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>neren Schale <strong>und</strong> der restliche Wassertstoff <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er äußeren Schale weiter.<br />

E<strong>in</strong>e solche Schalenkonfiguration ist <strong>in</strong>stabil <strong>und</strong> kann dazu führen, daß <strong>die</strong> Hülle<br />

<strong>in</strong> den Raum z.B. als planetarischer Nebel abgestoßen wird. Der Stern bleibt dann<br />

als Weißer Zwerg <strong>zur</strong>ück.<br />

Beobachtungsmethoden 6.3<br />

Die meisten Sternhaufen haben e<strong>in</strong>e zu ger<strong>in</strong>ge sche<strong>in</strong>bare Helligkeit, als daß<br />

man mit Hilfe von Spektrographen brauchbare HRDs erarbeiten könnte. Wegen<br />

der erheblich größeren Reichweite photometrischer Methoden benutzt man deshalb<br />

meist <strong>die</strong> äquivalenten Farben-Helligkeits-Diagramme (FHD) Jeder Stern<br />

im Haufengebiet wird <strong>in</strong> mehreren Filterbändern (=Farben) beobachtet, nach<br />

Möglichkeit mit e<strong>in</strong>em lichtelektrischen Photometer. Die verschiedenen Farbbereiche<br />

werden durch Filter-Empfängerkomb<strong>in</strong>ationen (Multiplier, Photoplatten)<br />

realisiert. Das gebräuchlichste ist das Dreifarben(UBV)-System von Johnson <strong>und</strong><br />

Morgan. Die mit U, B <strong>und</strong> V bezeichneten photoelektrischen Größenklassen werden<br />

<strong>in</strong> drei breiten Wellenlängenbereichen (deshalb auch Breitbandsystem) gemessen,<br />

deren Zentralwellenlängen bei<br />

U ltraviolett 3650Å<br />

B lau 4400Å<br />

V isuell 5500Å(d.h. gelb-grün)<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 53


6 Entfernung <strong>und</strong> Alter offener Sternhaufen<br />

liegen. Die angegebenen Filter messen weitgehend <strong>die</strong> Kont<strong>in</strong>uumsstrahlung der<br />

Sterne, <strong>die</strong> Farbe U mißt den Balmersprung der Wasserstoffl<strong>in</strong>ienkante mit.<br />

Im uvby-System, e<strong>in</strong>em Vierfarben-System nach Strömgren werden schmalere<br />

Wellenlängenbereiche (daher Schmalbandsystem) benutzt (uvby = ultraviolett,<br />

violett, blau <strong>und</strong> gelb — von engl. yellow).<br />

Noch differenzierter ist das Stebb<strong>in</strong>s-Whitford-Sechsfarben-System, bei dem mit<br />

sechs verschiedenen Farbfiltern erhaltene Helligkeiten (U,V,B,G,R,I = ultraviolett,<br />

violett, blau, grün, rot, <strong>in</strong>frarot) zusammengestellt werden.<br />

Nach der erfolgten Auswertung der Messungen muß berücksichtigt werden, daß<br />

nicht alle Sterne im Gebiet des offenen Haufens auch wirklich zum Haufen gehören;<br />

man muß mit auf den Haufen projizierten Vorder- <strong>und</strong> H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>sternen rechnen,<br />

<strong>die</strong> es zu elim<strong>in</strong>ieren gilt. Das geschieht am Besten durch e<strong>in</strong>e astrometrische<br />

Bestimmung der Eigenbewegung der Sterne.<br />

6.3.1<br />

6.3.2<br />

Das Farben-Helligkeits-Diagramm<br />

E<strong>in</strong> Farben-Helligkeits-Diagramm (FHD) ist e<strong>in</strong>e dem HR-Diagramm gleichwertige<br />

Darstellung, <strong>in</strong> der für e<strong>in</strong>e Gruppe von Sternen (wie hier <strong>zur</strong> Untersuchung<br />

von Sternhaufen) deren sche<strong>in</strong>bare Helligkeit gegen den Farb<strong>in</strong>dex aufgetragen<br />

wird.<br />

Der Farb<strong>in</strong>dex<br />

Unter dem Farb<strong>in</strong>dex versteht man den Unterschied <strong>in</strong> den Helligkeiten e<strong>in</strong>es<br />

Sterns, der <strong>in</strong> verschiedenen Wellenlängenbereichen e<strong>in</strong>es elektromagnetischen<br />

Spektrums gemessen wird. Dieser <strong>die</strong>nt als Maß für <strong>die</strong> Farbe bzw. Licht e<strong>in</strong>es<br />

Sterns.<br />

Die verschiedenen Wellenlängenbereiche werden durch optische Filter (ultraviolett,<br />

blau <strong>und</strong> visuell) isoliert, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Lichtmenge, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Filter tritt, wird<br />

<strong>in</strong> Größenklassen m ausgedrückt. Der Farb<strong>in</strong>dex ist dann def<strong>in</strong>iert als <strong>die</strong> Differenz<br />

der Helligkeiten im kurzwelligen, d.h. im ultravioletten (U) <strong>und</strong> blauen (B)<br />

<strong>und</strong> im langwelligeren visuellen (V) Bereich:<br />

m B − m V =: B − V bzw. m U − m B =: U − B.<br />

Im Pr<strong>in</strong>zip spiegelt der Farb<strong>in</strong>dex <strong>die</strong> Atmosphärentemperatur der Sterne wider.<br />

Die blauesten Sterne (O-Sterne) s<strong>in</strong>d heißer als 30.000 K, weiße A-Sterne haben<br />

e<strong>in</strong>e Temperatur von etwa 10.000 K. Die rötesten Sterne (M-Sterne) s<strong>in</strong>d mit ca.<br />

3000 K vergleichsweise kühl. Die noch kühleren Sterne emittieren im sichtbaren<br />

Bereich so wenig Licht, daß man sie am besten im Infraroten beobachtet.<br />

6.3.3<br />

Das Farben-Farben-Diagramm<br />

Hier wird der Farb<strong>in</strong>dex aus ultraviolettem <strong>und</strong> blauem Licht (U −B) mit dem aus<br />

blauem <strong>und</strong> visuellem Licht (B − V ) mite<strong>in</strong>ander verglichen bzw. gegene<strong>in</strong>ander<br />

54 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


6.4 Photometrische Entfernungsbestimmung<br />

aufgetragen. Die Lage des Sterns <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Diagramm gibt Aufschluß über se<strong>in</strong>e<br />

• chemische Zusammensetzung<br />

• Temperatur <strong>und</strong><br />

• <strong>in</strong>terstellare Verfärbung.<br />

Die <strong>in</strong>terstellare Verfärbung 6.3.4<br />

Der Farb<strong>in</strong>dex des Sternlichts kann auf dem Weg durch den <strong>in</strong>terstellaren Raum<br />

verändert werden: blaues Licht wird durch <strong>in</strong>terstellare Materie (ISM) wie Staub<br />

<strong>und</strong> Gas gestreut bzw. absorbiert, während rotes Licht relativ ungeh<strong>in</strong>dert <strong>die</strong><br />

ISM durchquert. Auf <strong>die</strong>se Weise sche<strong>in</strong>t das Sternenlicht gerötet zu se<strong>in</strong>. Diese<br />

durch <strong>die</strong> <strong>in</strong>terstellare Absorption verursachte Änderung des Farb<strong>in</strong>dex, wird<br />

<strong>in</strong>terstellare Ext<strong>in</strong>ktion E oder <strong>in</strong>terstellare Verfärbung genannt. Die Verfärbung<br />

e<strong>in</strong>es Sterns wird def<strong>in</strong>iert durch<br />

E B−V = (B − V ) − (B − V ) 0<br />

= A B − A V (6.1)<br />

<strong>und</strong> entsprechend für E U−B . Dabei ist (B −V ) <strong>die</strong> gemessene Farbe <strong>und</strong> (B −V ) 0<br />

<strong>die</strong> wahre Eigenfarbe des Sterns Der Quotient aus der Absorption im visuellen A V<br />

<strong>und</strong> der selektiven Absorption E B−V kann <strong>in</strong> weiten Bereichen der Milchstraße<br />

als konstant angenommen werden:<br />

R V :=<br />

A V<br />

E B−V<br />

= 3.2 ± 0.2 (6.2)<br />

In e<strong>in</strong>igen Gebieten <strong>in</strong>terstellarer Materie gilt <strong>die</strong>s jedoch nicht, der Wert von R V<br />

kann bis zu R V = 7 steigen. Der l<strong>in</strong>eare Verfärbungsweg im FFD ist gegeben<br />

durch:<br />

E U−B = 0.72E B−V + 0.05E 2 B−V ≃ 0.72E B−V (6.3)<br />

Da E B−V im allgeme<strong>in</strong>en deutlich kle<strong>in</strong>er als 0 m .75 ist, kann im Rahmen lichtelektrischer<br />

Genauigkeit von ±0 m .01 auf das quadratische Glied verzichtet werden.<br />

Photometrische Entfernungsbestimmung 6.4<br />

Das FHD e<strong>in</strong>es Sternhaufens unterscheidet sich von e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> absoluten Größen<br />

M V (absolute Helligkeit) <strong>und</strong> (B − V ) 0 geeichten FHD im Wesentlichen durch e<strong>in</strong>e<br />

Nullpunktsdifferenz der Helligkeitsskala, dem sogenannten Entfernungsmodul<br />

V − M V . Unter Berücksichtigung der <strong>in</strong>terstellaren Absorption ist der Entfernungsmodul<br />

mit der Entfernung r des Sterns verknüpft durch:<br />

V − M V − A V = 5 m log(r[pc]) − 5 m (6.4)<br />

Dies ist nichts anderes als der Energieerhaltungssatz (Gesetz der Abnahme der<br />

Helligkeit mit r −2 ) mit Berücksichtigung der <strong>in</strong>terstellaren Absorption.<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 55


6 Entfernung <strong>und</strong> Alter offener Sternhaufen<br />

6.5<br />

Altersbestimmung<br />

Die Theorie der Sternentwicklung hat Entwicklungswege im HRD bestimmt, <strong>die</strong><br />

bei beg<strong>in</strong>nender Erschöpfung des Wasserstoffvorrates im Zentrum e<strong>in</strong>es Sterns<br />

se<strong>in</strong> Abwandern von der Hauptreihe postulieren. Der Zeitpunkt des Abwanderns<br />

von der Hauptreihe läßt sich auf Gr<strong>und</strong> <strong>die</strong>ser Rechnungen <strong>in</strong> Abhängigkeit von<br />

M V angeben. Beobachtet man also im FHD Sterne, <strong>die</strong> gerade von der Hauptreihe<br />

abzuwandern beg<strong>in</strong>nen – im sogenannten Abknickpunkt oder turn-off-po<strong>in</strong>t – so<br />

läßt sich das Alter <strong>die</strong>ser Sterne <strong>und</strong> somit das Alter des ganzen Haufens angeben.<br />

6.6<br />

Durchführung der Aufgaben<br />

1. Tragen Sie <strong>die</strong> Daten der Standardhauptreihe im FHD (Tabelle 6.3) <strong>und</strong><br />

FFD (Tabelle 6.1 <strong>und</strong> 6.2) auf durchsichtigem Millimeterpapier im folgenden<br />

Maßstab auf:<br />

(∆(U − B) 0 = 1 m ˆ= 5cm, ∆(B − V ) 0 = 1 m ˆ= 5cm, ∆M V = 1 m ˆ= 2cm).<br />

2. Bestimmen Sie mit <strong>die</strong>sen Standardhauptreihen <strong>die</strong> Werte für<br />

a) E B−V , E U−B <strong>und</strong> A V , <strong>in</strong>dem <strong>die</strong> Standardhauptreihe im jeweiligen<br />

FFD solange verschoben wird, bis sie mit der gemessenen Hauptreihe<br />

des Haufens <strong>zur</strong> Deckung kommt. Dabei ist durch den l<strong>in</strong>earen<br />

Verfärbungsweg (Gl. 6.3) e<strong>in</strong>e Vorzugsrichtung für <strong>die</strong> Verschiebung<br />

im FFD gegeben. Die Nullpunktsdifferenzen ergeben E B−V <strong>und</strong> E U−B<br />

<strong>und</strong> mit Gl.(6.2) auch A V . Warum ist für den Kugelhaufen M3 ke<strong>in</strong><br />

FFD gegeben? (Tip: Man beachte <strong>die</strong> galaktische Breite.)<br />

b) <strong>die</strong> Entfernung r. Schiebt man daher unter Berücksichtigung der oben<br />

ermittelten Verfärbung E B−V e<strong>in</strong>e Standardhauptreihe auf das FHD<br />

des Haufens, so läßt sich aus der Nullpunktsdifferenz der y-Achse<br />

(=Entfernungsmodul) unter Berücksichtigung von A V <strong>die</strong> Entfernung<br />

r berechnen (siehe Gl. 6.4).<br />

c) das Alter der Haufen mit Hilfe des Abknickpunktes <strong>und</strong> der Tabelle<br />

6.4. Die Festlegung des Abknickpunktes erfolgt mittels der größten<br />

auf der Hauptreihe noch vertretenen Helligkeit M V <strong>und</strong> der kle<strong>in</strong>sten<br />

auf der Hauptreihe noch bef<strong>in</strong>dlichen Farbe (B −V ) 0 entsprechend der<br />

beigefügten Tabelle 6.3 <strong>und</strong> tragen Sie <strong>die</strong>se <strong>in</strong> <strong>die</strong> Ergebnistabelle e<strong>in</strong>.<br />

d) Freiwillig Bestimmen Sie <strong>die</strong> relativen Fehler der berechneten Entfernungen<br />

(s. Anhang)!<br />

56 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


6.7 Anhang<br />

Anhang 6.7<br />

Helligkeiten 6.7.1<br />

Die Helligkeit e<strong>in</strong>es Sterns ist e<strong>in</strong> Maß für den Strahlungsstrom, also <strong>die</strong> auf e<strong>in</strong>e<br />

E<strong>in</strong>heitsfläche pro Zeite<strong>in</strong>heit auftreffende Energie.<br />

Die E<strong>in</strong>heit ist e<strong>in</strong> magnitudo (griech.: Größenklasse, Mehrzahl: magnitud<strong>in</strong>es,<br />

Abkürzung: mag oder m), sie ist historisch bed<strong>in</strong>gt, wie fast alles <strong>in</strong> der <strong>Astronomie</strong>:<br />

Se<strong>in</strong>erzeit haben <strong>die</strong> Griechen <strong>die</strong> Sterne nach dem logarithmischen Helligkeitsempf<strong>in</strong>den<br />

des Auges <strong>in</strong> Größenklassen e<strong>in</strong>geteilt. Dazu haben sie e<strong>in</strong> paar<br />

Sterne festgelegt <strong>und</strong> den Rest dann durch Vergleich abgeschätzt. Heutzutage<br />

orientiert man sich weiterh<strong>in</strong> an den alten Festlegungen, aber für <strong>die</strong> restlichen<br />

Sterne mißt man den Strahlungsstrom S im Verhältnis zu e<strong>in</strong>em anderen Stern.<br />

Damit gilt dann für <strong>die</strong> Helligkeitsdifferenz zweier Sterne:<br />

m 1 − m 2 = −2, 5 m · log S 1 − 2, 5 m · log S 2<br />

= −2, 5 m · log S 1<br />

S 2<br />

(6.5)<br />

Der Faktor 2,5 kommt durch <strong>die</strong> Eichung zustande. Wichtig ist vor allem, daß<br />

<strong>die</strong> Größenklassen ”<br />

rückwärts“ zählen, d.h., e<strong>in</strong> hellerer Stern hat e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>ere<br />

Größenklasse. Negative Werte s<strong>in</strong>d ebenfalls zugelassen.<br />

Früher hatte man nur das Auge als ”<br />

Meßgerät“ <strong>zur</strong> Verfügung. Heute kann man <strong>in</strong><br />

verschiedenen Frequenzbereichen messen, so daß es notwendig wird verschiedene<br />

Bezeichnungen e<strong>in</strong>zuführen:<br />

visuelle Helligkeit m v : umfaßt den Spektralbereich des Lichts mit der spektralen<br />

Empf<strong>in</strong>dlichkeit des Auges<br />

bolometrische Helligkeit m bol : umfaßt den gesamten Spektralbereich mit konstanter<br />

Empf<strong>in</strong>dlichkeit <strong>und</strong> ist damit e<strong>in</strong> Maß für <strong>die</strong> Gesamtstrahlung des<br />

Sternes<br />

photographische Helligkeit m pg : umfaßt den Spektralbereich des Lichts mit der<br />

spektralen Empf<strong>in</strong>dlichkeit der Photoplatte<br />

photovisuelle Helligkeit m pv : umfaßt den Spektralbereich des Lichts mit der<br />

spektralen Empf<strong>in</strong>dlichkeit der Photoplatte, angestrebter Idealfall: m pv =<br />

m v<br />

Nach dem Abstandsgesetz (m ∼ r −2 ) ist <strong>die</strong> Helligkeit auch e<strong>in</strong> Maß für <strong>die</strong><br />

Entfernung des Sternes. Um aber e<strong>in</strong> entfernungunabhängiges Maß für <strong>die</strong> ausgesandte<br />

Strahlung des Sternes zu haben, führt man noch <strong>die</strong> absolute Helligkeit<br />

M v e<strong>in</strong>, <strong>die</strong> angibt, welche Helligkeit der Stern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Entfernung von 10pc hätte.<br />

Der E<strong>in</strong>deutigkeit wegen nennt man das, was wir bisher nur ”<br />

Helligkeit“ genannt<br />

haben, sche<strong>in</strong>bare Helligkeit.<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 57


6 Entfernung <strong>und</strong> Alter offener Sternhaufen<br />

Bemerkungen <strong>zur</strong> Fehlerrechnung 6.7.2<br />

Sei <strong>die</strong> zu bestimmende Größe f e<strong>in</strong>e (bekannte) Funktion der fehlerbehafteten<br />

Meßgrößen x i , (i = 1, . . . , n). Dann folgt nach dem Fehlerfortpflanzungsgesetz<br />

für den resultierenden Fehler des Wertes von f:<br />

⎧<br />

( ) ⎫ n∑ ⎨ 2<br />

∂f<br />

⎬<br />

∆f = √<br />

(∆x<br />

⎩<br />

i ) 2<br />

i=1<br />

∂x i ⎭<br />

wobei <strong>die</strong> ∆x i <strong>die</strong> Fehler der Meßgrößen x i s<strong>in</strong>d.<br />

Hier: Die Haufen-Entfernung r wird nach Gleichung (6.4) aus den Meßgrößen<br />

(V − M V ) <strong>und</strong> A V bestimmt, wobei A V nach Gleichung (6.2) als A V = R · E B−V<br />

gegeben ist. Der (absolute) Fehler der Entfernung r ist also:<br />

∆r =<br />

√ (<br />

∂r<br />

∂(V − M V )<br />

) 2 ( ) 2 (<br />

(∆(V − M V )) 2 ∂r<br />

+ (∆(R)) 2 +<br />

∂(R)<br />

∂r<br />

∂(E B−V )<br />

) 2<br />

(∆(E B−V )) 2<br />

woraus sich der (s<strong>in</strong>nvollerweise anzugebende) relative Fehler der Entfernungsbestimmung<br />

zu ∆r/r ergibt.<br />

H<strong>in</strong>weis: es gilt<br />

10 x x·ln 10<br />

= e<br />

Spektraltyp B − V U − B<br />

O5 -0.32 -1.15<br />

O6 -0.32 -1.14<br />

O7 -0.32 -1.14<br />

O8 -0.31 -1.13<br />

O9 -0.31 -1.12<br />

O9.5 -0.30 -1.10<br />

B0 -0.30 -1.08<br />

B0.5 -0.28 -1.01<br />

B1 -0.26 -0.93<br />

B2 -0.24 -0.86<br />

B3 -0.20 -0.71<br />

B5 -0.16 -0.56<br />

B6 -0.14 -0.49<br />

B7 -0.12 -0.42<br />

B8 -0.09 -0.30<br />

B9 -0.06 -0.19<br />

B9.5 -0.03 -0.10<br />

A0 -0.00 -0.00<br />

Tabelle 6.1: Eigenfarben der Hauptreihensterne<br />

58 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


6.7 Anhang<br />

Spektraltyp B − V U − B<br />

B0 V -0.32 -1.13<br />

B1 V -0.28 -1.00<br />

B2 V -0.24 -0.86<br />

B3 V -0.20 -0.71<br />

B5 V -0.16 -0.56<br />

B7 V -0.13 -0.47<br />

B8 V -0.09 -0.29<br />

B9 V -0.05 -0.16<br />

A0 V 0.00 0.00<br />

A1 V +0.05 +0.05<br />

A3 V +0.09 +0.07<br />

A5 V +0.15 +0.09<br />

A7 V +0.19 +0.08<br />

F0 V +0.30 +0.02<br />

F2 V +0.37 +0.00<br />

F5 V +0.44 +0.00<br />

F6 V +0.47 -0.02<br />

F8 V +0.53 +0.02<br />

G0 V +0.60 +0.06<br />

G2 V +0.64 +0.16<br />

G5 V +0.68 +0.21<br />

G8 V +0.70 +0.24<br />

K0 V +0.82 +0.48<br />

K1 V +0.86 +0.54<br />

K3 V +1.01 +0.89<br />

K5 V +1.18 +1.12<br />

K7 V +1.37 +1.26<br />

M1 V +1.48 +1.21<br />

M3 V +1.49 +1.10<br />

M5 V +1.69 +1.24<br />

Tabelle 6.2: Eigenfarben der Hauptreihensterne<br />

Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 59


6 Entfernung <strong>und</strong> Alter offener Sternhaufen<br />

B − V M V<br />

-0.25 -2.10<br />

-0.20 -1.10<br />

-0.15 -0.30<br />

-0.10 +0.50<br />

-0.05 +1.10<br />

0.00 +1.50<br />

+0.05 +1.74<br />

+0.10 +2.00<br />

+0.20 +2.45<br />

+0.30 +2.95<br />

+0.40 +3.56<br />

+0.50 +4.23<br />

+0.60 +4.79<br />

+0.70 +5.38<br />

+0.80 +5.88<br />

+0.90 +6.32<br />

+1.00 +6.78<br />

+1.10 +7.20<br />

+1.20 +7.66<br />

+1.30 +8.11<br />

Tabelle 6.3: Farben-Helligkeits-Diagramm der Standard-Hauptreihe.<br />

Log(Alter) Anzahl der (B − V ) 0 rms<br />

Intervall Haufen Streuung<br />

≤ 6.25 4 -0.32 0.04<br />

6.25 – 6.75 12 -0.27 0.05<br />

6.75 – 7.25 36 -0.24 0.05<br />

7.25 – 7.75 60 -0.19 0.06<br />

7.75 – 8.1 39 -0.13 0.06<br />

8.1 – 8.3 18 -0.08 0.05<br />

8.3 – 8.5 26 -0.02 0.06<br />

8.5 – 8.7 10 +0.02 0.10<br />

8.7 – 8.9 11 +0.12 0.06<br />

8.9 – 9.1 9 +0.20 0.12<br />

9.1 – 9.3 6 +0.31 0.08<br />

9.3 – 9.5 3 +0.38 0.05<br />

9.5 – 9.7 9 +0.42 0.09<br />

9.7 < 2 +0.58 0.03<br />

Tabelle 6.4: Abknickpunkte <strong>in</strong> den FHD offener Sternhaufen, (B−V ) 0 -Werte <strong>und</strong><br />

zugehörige Altersangaben.<br />

60 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>


Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 61<br />

Haufen l ′′ [ ◦ ] b ′′ [ ◦ ] E B−V E U−B A V V − M V V − M V − A V r[pc] (B − V ) 0 Alter [a]<br />

NGC 188 122.8 +22.5<br />

NGC 457 a 126.6 -4.4<br />

NGC 2264 203.0 +2.2<br />

NGC 2516 273.9 -16.9<br />

M 45 166.6 -23.5<br />

M 3 b 42.2 +78.7<br />

a freiwillig<br />

b Kugelsternhaufen; vergleiche vor allem Alter <strong>und</strong> Entfernung<br />

Tabelle 6.5: Tabelle für <strong>die</strong> Werte der zu untersuchenden Objekte.<br />

6.7 Anhang

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