¨Ubungen zur Einführung in die Astronomie und Astrophysik
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Zentrum für <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong><br />
TU Berl<strong>in</strong><br />
Sekretariat PN 8-1<br />
Hardenbergstr. 36<br />
10623 Berl<strong>in</strong><br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />
<strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
Dieses Übungsskript darf nicht kommerziell weitergegeben oder anderweitig, ohne Angabe der<br />
Herkunft, an dritte weitergegeben werden.<br />
Copyright 2002<br />
Titelbild copyright by Uli Ste<strong>in</strong>
Inhaltsverzeichnis<br />
0 Allgeme<strong>in</strong>es 5<br />
0.1 Sche<strong>in</strong>kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />
0.2 Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />
1 Beobachtungen am Teleskop 7<br />
1.1 Astronomische Koord<strong>in</strong>atensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />
1.1.1 Horizontsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />
1.1.2 Äquatorsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8<br />
1.1.3 Bemerkungen zu W<strong>in</strong>kele<strong>in</strong>heiten . . . . . . . . . . . . . . 10<br />
1.1.4 Koord<strong>in</strong>atenänderung durch Präzession . . . . . . . . . . . 11<br />
1.2 Astronomische Zeitsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12<br />
1.2.1 Berechnung der Ortssternzeit . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />
1.3 Nautisches Dreieck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15<br />
1.4 Durchführung der Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16<br />
1.5 Anhang: Sphärische Trigonometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . 18<br />
2 Brennweitenbestimmung 21<br />
2.1 Gr<strong>und</strong>lagen — Theorie der Teleskope . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />
2.1.1 Optische Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />
2.2 Optische Geometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />
2.3 E<strong>in</strong>heiten von W<strong>in</strong>kel <strong>und</strong> Raumw<strong>in</strong>kel . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />
2.4 Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26<br />
3 Bestimmung der Bahnelemente visueller Doppelsterne 27<br />
3.1 Allgeme<strong>in</strong>es . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />
3.2 Gr<strong>und</strong>lagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
3.2.1 Mechanische Gr<strong>und</strong>lagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />
3.2.2 Bahnelemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
3.3 Die graphische Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30<br />
3.4 Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />
3.4.1 Bestimmung der Umlaufszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />
3.4.2 Bestimmung der Massensumme des Systems . . . . . . . . 33<br />
4 Sternstromparallaxe 35<br />
4.1 E<strong>in</strong>leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />
4.2 Die Sternstromparallaxe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35<br />
4.3 Vertexbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38<br />
4.4 Genauigkeit der Methode . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41<br />
4.5 Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 3
Inhaltsverzeichnis<br />
5 Spektralklassifikation 43<br />
5.1 <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />
5.1.1 Spektralklassifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43<br />
5.2 Gr<strong>und</strong>lagen: Was ist Strahlung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44<br />
5.2.1 Schwarzkörperstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45<br />
5.2.2 Elektromagnetische Strahlung . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />
5.3 Klassifikationskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47<br />
5.4 Durchführung der Aufgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49<br />
5.5 E<strong>in</strong>ige der wichtigsten L<strong>in</strong>ien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50<br />
6 Entfernung <strong>und</strong> Alter offener Sternhaufen 51<br />
6.1 E<strong>in</strong>leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51<br />
6.2 Das Hertzsprung-Russell Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . . 51<br />
6.2.1 Das Hauptreihenstadium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />
6.2.2 Das Riesenstadium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52<br />
6.2.3 Weiße Zwerge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />
6.3 Beobachtungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53<br />
6.3.1 Das Farben-Helligkeits-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . 54<br />
6.3.2 Der Farb<strong>in</strong>dex . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54<br />
6.3.3 Das Farben-Farben-Diagramm . . . . . . . . . . . . . . . . 54<br />
6.3.4 Die <strong>in</strong>terstellare Verfärbung . . . . . . . . . . . . . . . . . 55<br />
6.4 Photometrische Entfernungsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . 55<br />
6.5 Altersbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56<br />
6.6 Durchführung der Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56<br />
6.7 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57<br />
6.7.1 Helligkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57<br />
6.7.2 Bemerkungen <strong>zur</strong> Fehlerrechnung . . . . . . . . . . . . . . 58<br />
4 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
0<br />
Allgeme<strong>in</strong>es<br />
Sche<strong>in</strong>kriterien 0.1<br />
Das Fach <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> kann als prüfbares Wahlpflichtfach im<br />
Vordiplom gewählt werden. Zur Prüfungsanmeldung muß beim Prüfungsamt e<strong>in</strong><br />
Übungssche<strong>in</strong> vorgelegt werden. Dieser wird ausgestellt, wenn <strong>die</strong> folgenden Lehrveranstaltungen<br />
nachweislich (<strong>und</strong> erfolgreich) besucht wurden:<br />
1. VL <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> I (2 SWS)<br />
2. VL <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> II (2 SWS)<br />
3. UE <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> (2 SWS)<br />
Der Besuch beider Vorlesungen ist durch E<strong>in</strong>trag im Stu<strong>die</strong>nbuch nachzuweisen.<br />
Die erfolgreiche Teilnahme an der Übung umfasst <strong>die</strong> Bearbeitung aller sechs <strong>in</strong><br />
<strong>die</strong>sem Skript beschriebenen Aufgaben <strong>und</strong> <strong>die</strong> Abgabe jeweils e<strong>in</strong>es Protokolls<br />
zu jeder <strong>die</strong>ser Aufgaben. Die Bearbeitung der Übungsaufgaben erfolgt <strong>in</strong> Zweiergruppen,<br />
für <strong>die</strong> Bearbeitung jeder Aufgabe stehen zwei Übungsterm<strong>in</strong>e <strong>zur</strong><br />
Verfügung.<br />
Es besteht Anwesenheitspflicht für alle 12 Übungsterm<strong>in</strong>e!<br />
Der jeweils erste Term<strong>in</strong> zu jeder Aufgabe <strong>die</strong>nt der (theoretischen) <strong>E<strong>in</strong>führung</strong><br />
<strong>in</strong> das Thema der entsprechenden Aufgabe. Als Gr<strong>und</strong>lage hierzu ist vor <strong>die</strong>sem<br />
Term<strong>in</strong> der entsprechende Teil des Skriptes zu lesen! Den Übungsteilnehmern wird<br />
darüberh<strong>in</strong>aus dr<strong>in</strong>gend <strong>die</strong> Lektüre der zu jeder Aufgabe angegebenen Literatur<br />
empfohlen.<br />
Die Abgabe der Protokolle erfolgt jeweils spätestens am ersten Übungsterm<strong>in</strong> <strong>zur</strong><br />
Bearbeitung der folgenden Aufgabe.<br />
Zu jeder Übung s<strong>in</strong>d mitzubr<strong>in</strong>gen:<br />
Schreibmaterial, L<strong>in</strong>eal, Taschenrechner(!)<br />
Es wird dr<strong>in</strong>gend empfohlen, vor dem Besuch der Übung zum<strong>in</strong>dest <strong>die</strong> Vorlesung<br />
<strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> I zu hören.<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 5
0 Allgeme<strong>in</strong>es<br />
0.2<br />
Literatur<br />
1. H.H. Voigt: Abriß der <strong>Astronomie</strong>, BI Wissenschaftsverlag, Mannheim, 1980<br />
(3. Auflage)<br />
2. F. Becker: <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong>, BI Hochschultaschenbücher,<br />
Mannheim, 1966 (5. Auflage)<br />
3. F. Gondolatsch, G. Groschopf, O. Zimmermann: <strong>Astronomie</strong> I, II, Klett<br />
Stu<strong>die</strong>nbücher, Stuttgart, 1978 (1. Auflage)<br />
4. A. Unsöld, B. Baschek: Der neue Kosmos, Spr<strong>in</strong>ger-Verlag, Berl<strong>in</strong>, Heidelberg,<br />
New York, 1991 (5. Auflage)<br />
5. H. Scheffler, H. Elsässer: Physik der Sterne <strong>und</strong> der Sonne, BI Wissenschaftsverlag,<br />
Mannheim, 1990 (2. Auflage)<br />
6. H.Karttunen, P.Kröger, H.Oja, M.Poutanen, K.J.Donner (Hrsg.): <strong>Astronomie</strong><br />
— E<strong>in</strong>e <strong>E<strong>in</strong>führung</strong>, Spr<strong>in</strong>ger Verlag Berl<strong>in</strong> , Heidelberg 1990<br />
7. F.H. Shu The Physical Universe – An Introduction to Astronomy, University<br />
Science Books, Mill Valley, California<br />
8. A. Weigert <strong>und</strong> H.J. Wendker <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> – E<strong>in</strong> Gr<strong>und</strong>kurs<br />
Physikverlag We<strong>in</strong>heim (2. Auflage)<br />
9. J. Krautter, E. Sedlmayr, K.Schaifers, G.Trav<strong>in</strong>g Meyers Handbuch Weltall,<br />
Meyers Lexikonverlag, Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich, 1994 (7.Auflage)<br />
10. versch. Autoren: Brockhaus, Mensch, Natur, Technik, F.A. Brockhaus GmbH,<br />
Leipzig, Mannheim, 1999<br />
6 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
1<br />
Beobachtungen am Teleskop<br />
Aufgabe:<br />
Material:<br />
Literatur:<br />
Aus den äquatorialen Koord<strong>in</strong>aten e<strong>in</strong>es Sterns werden mit Hilfe der Präzessionskorrektur<br />
<strong>die</strong> zum Zeitpunkt der Beobachtung gültigen Koord<strong>in</strong>aten e<strong>in</strong>iger<br />
Objekte (Sterne, Planeten, Mond,. . . ) im Horizontsystem bestimmt. Aus der<br />
Berechnung der augenblicklichen Sternzeit ergibt sich der St<strong>und</strong>enw<strong>in</strong>kel des<br />
Objekts. Die Berechnung der Höhe ergibt, ob das Objekt beobachtbar ist. Nach<br />
E<strong>in</strong>stellen der Koord<strong>in</strong>aten am Fernrohr sollte das Objekt im Sucher-Refraktor<br />
sichtbar se<strong>in</strong>.<br />
Catalogue of Bright Stars, Astronomical Almanac, Taschenrechner.<br />
[1] Kap. I<br />
[2] Kap. A, §§ 2, 5<br />
F. Becker, Gr<strong>und</strong>riß der sphärischen <strong>und</strong> praktischen <strong>Astronomie</strong>, Dümmler<br />
Verlag (1934), Kap. 1, 2A<br />
Astronomische Koord<strong>in</strong>atensysteme 1.1<br />
Koord<strong>in</strong>atensysteme <strong>die</strong>nen <strong>in</strong> der <strong>Astronomie</strong> <strong>zur</strong> Festlegung der Position von<br />
Gestirnen an der Himmelsphäre (<strong>die</strong> Entfernung spielt hier ke<strong>in</strong>e Rolle). Sie s<strong>in</strong>d<br />
jeweils durch e<strong>in</strong>e Gr<strong>und</strong>ebene <strong>und</strong> zwei Pole bestimmt <strong>und</strong> weisen damit verschiedene<br />
Großkreise (kürzeste Verb<strong>in</strong>dung auf der Kugeloberfläche) auf. Daraus<br />
ergeben sich jeweils zwei Koord<strong>in</strong>aten: der W<strong>in</strong>kelabstand a) von der zugehörigen<br />
Gr<strong>und</strong>ebene <strong>und</strong> b) von e<strong>in</strong>em festzulegenden Null-Längenkreis. Die Längenkreise<br />
werden auch Meridiane genannt. Für <strong>die</strong> Beobachtung s<strong>in</strong>d im wesentlichen<br />
drei verschiedene Koord<strong>in</strong>atensysteme von Bedeutung: das Horizontsystem, sowie<br />
das feste <strong>und</strong> das bewegliche Äquatorsystem.<br />
Horizontsystem 1.1.1<br />
Das Horizontsystem ist das natürliche System vom Standpunkt des Beobachters<br />
aus (siehe Abbildung 1.1). Die Gr<strong>und</strong>ebene ist durch den Horizont gegeben. Als<br />
Längenkreise <strong>die</strong>ses Systems gelten <strong>die</strong> Großkreise durch den Zenit (das ist der<br />
Punkt senkrecht über dem Beobachter). Damit ist <strong>die</strong> Sternposition festgelegt<br />
durch <strong>die</strong> Angabe von Höhe h oder Zenitdistanz z, wobei z = 90 ◦ − h (h von<br />
+90 ◦ bis −90 ◦ , z von 90 ◦ − 180 ◦ ) <strong>und</strong> Azimut A (von 0 − 360 ◦ ). Ausgezeichnete<br />
Punkte s<strong>in</strong>d:<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 7
1 Beobachtungen am Teleskop<br />
Abbildung 1.1: Horizontsystem; es steht G für Gestirn, B für Beobachter<br />
Zenit: h = +90 ◦ A beliebig<br />
Nadir: h = −90 ◦ A beliebig<br />
Südpunkt: h = 0 ◦ A = 0 ◦<br />
Dieses Koord<strong>in</strong>atensystem ist abhängig vom Standpunkt des Beobachters. Darüber<br />
h<strong>in</strong>aus ändern sich <strong>die</strong> Koord<strong>in</strong>aten von Himmelskörpern laufend durch deren<br />
sche<strong>in</strong>bare Bewegung – verursacht durch <strong>die</strong> Erddrehung.<br />
1.1.2<br />
Äquatorsystem<br />
Zenit<br />
Nordpol<br />
*<br />
Stern<br />
Süden<br />
90°- ϕ<br />
τ<br />
δ<br />
Äquator<br />
Meridian<br />
Abbildung 1.2: Festes Äquatorsystem<br />
8 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
1.1 Astronomische Koord<strong>in</strong>atensysteme<br />
Dieses Koord<strong>in</strong>atensystem stellt e<strong>in</strong>e Projektion des Erdnetzes vom Erdmittelpunkt<br />
aus an den Himmel dar. Dabei unterscheidet man zwischen e<strong>in</strong>em beweglichen<br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong>em festen Äquatorsystem. Dabei wird das bewegliche zum Katalogisieren<br />
<strong>und</strong> das (orts-)feste <strong>zur</strong> Beobachtung am Fernrohr gewählt. Die Gr<strong>und</strong>ebene<br />
wird bei beiden durch <strong>die</strong> Äquatorebene der Erde festgelegt (Himmelsäquator).<br />
Beim festen Äquatorsystem wird der Null-Längenkreis durch <strong>die</strong> Verb<strong>in</strong>dungsl<strong>in</strong>ie<br />
Pol-Zenit-Südpunkt beschrieben. Die Sternposition ist dann festgelegt durch <strong>die</strong><br />
Angabe der sog. Dekl<strong>in</strong>ation δ <strong>und</strong> des St<strong>und</strong>enw<strong>in</strong>kels τ (<strong>in</strong> der Literatur oft mit<br />
t bezeichnet):<br />
Dekl<strong>in</strong>ation δ: Höhe des Sterns über der Äquatorebene (gemessen <strong>in</strong> ◦ , ′ , ′′ ), Wertebereich<br />
−90 ◦ ≤ δ ≤ +90 ◦ .<br />
St<strong>und</strong>enw<strong>in</strong>kel τ: der W<strong>in</strong>kel zwischen dem St<strong>und</strong>enkreis oder Dekl<strong>in</strong>ationskreis<br />
e<strong>in</strong>es Gestirns <strong>und</strong> dem Meridian e<strong>in</strong>es Beobachtungsortes, d.h. τ durchläuft<br />
<strong>in</strong>folge der Erdrotation im Laufe e<strong>in</strong>es Tages alle Werte (nimmt zu analog<br />
<strong>zur</strong> Ortszeit), während δ unverändert bleibt. Wegen <strong>die</strong>ses Umlaufs wird<br />
τ meist nicht <strong>in</strong> Gradmaß, sondern im Zeitmaß <strong>in</strong> h, m, s gemessen (von<br />
0 − 24h). Ausgezeichnete Punkte s<strong>in</strong>d:<br />
Himmelsnordpol: τ beliebig δ = +90 ◦<br />
Himmelssüdpol: τ beliebig δ = −90 ◦<br />
Nordpol<br />
*<br />
Stern<br />
α<br />
δ<br />
Äquator<br />
Frühl<strong>in</strong>gspunkt<br />
Abbildung 1.3: Bewegliches Äquatorsystem<br />
Im beweglichen Äquatorsystem stellt der Himmelsäquator wie beim festen System<br />
<strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>ebene dar. Der St<strong>und</strong>enkreis durch den Frühl<strong>in</strong>gspunkt γ def<strong>in</strong>iert hier<br />
den Null-Längenkreis. Die Koord<strong>in</strong>aten e<strong>in</strong>es Sterns s<strong>in</strong>d durch Dekl<strong>in</strong>ation δ <strong>und</strong><br />
Rektaszension α gegeben:<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 9
1 Beobachtungen am Teleskop<br />
Dekl<strong>in</strong>ation δ: Höhe des Sterns über der Äquatorebene (gemessen <strong>in</strong> ◦ , ′ , ′′ ), Wertebereich<br />
−90 ◦ ≤ δ ≤ +90 ◦ .<br />
Rektaszension α: Bogenabstand vom Frühl<strong>in</strong>gspunkt γ zum Schnittpunkt des<br />
Großkreises durch Stern <strong>und</strong> Himmelspol mit dem Äquator (gemessen <strong>in</strong> h,<br />
m, s), Wertebereich 0 h ≤ α ≤ 24 h , Zählweise entgegen dem Uhrzeigers<strong>in</strong>n<br />
entlang des Äquators.<br />
Himmelspole: α beliebig δ = ±90 ◦<br />
Frühl<strong>in</strong>gspunkt γ: α = 0 h δ = 0 ◦ .<br />
Unter dem Frühl<strong>in</strong>gspunkt versteht man den Ort der Sonne zu Frühl<strong>in</strong>gsbeg<strong>in</strong>n,<br />
d.h. den Schnittpunkt der sche<strong>in</strong>baren Sonnenbahn mit dem Äquator.<br />
Den Zusammenhang zwischen dem festen <strong>und</strong> dem beweglichen Äquatorsystem<br />
ist durch <strong>die</strong> Sternzeit Θ gegeben, <strong>die</strong> den St<strong>und</strong>enw<strong>in</strong>kel des Frühl<strong>in</strong>gspunktes<br />
γ darstellt: Θ = τ γ . Allgeme<strong>in</strong> gilt für den St<strong>und</strong>enw<strong>in</strong>kel τ e<strong>in</strong>es Objektes mit<br />
der Rektaszension α bei e<strong>in</strong>er gegebenen Sternzeit Θ (siehe Abb. 1.4):<br />
τ = Θ − α.<br />
Abbildung 1.4:<br />
1.1.3<br />
Bemerkungen zu W<strong>in</strong>kele<strong>in</strong>heiten<br />
Unglücklicherweise hat es sich <strong>in</strong> der <strong>Astronomie</strong> e<strong>in</strong>gebürgert, verschiedene W<strong>in</strong>kel<br />
<strong>in</strong> verschieden E<strong>in</strong>heiten zu messen. Die üblichen Maße s<strong>in</strong>d:<br />
• Gradmaß: Der Vollkreis wird <strong>in</strong> 360 ◦ unterteilt,<br />
1 ◦ wird <strong>in</strong> 60 ′ (sprich: Bogenm<strong>in</strong>uten) unterteilt,<br />
1 ′ wird wiederum <strong>in</strong> 60 ′′ (sprich: Bogensek<strong>und</strong>en) unterteilt.<br />
Manche Taschenrechner unterstützen <strong>die</strong> Darstellung <strong>in</strong> Bogenm<strong>in</strong>uten/sek<strong>und</strong>en<br />
nicht. In <strong>die</strong>sem Fall muß man den W<strong>in</strong>kel <strong>in</strong> Dezimalgrad umwandeln:<br />
10 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
1.1 Astronomische Koord<strong>in</strong>atensysteme<br />
W<strong>in</strong>kel <strong>in</strong> Dezimalgrad = Grad + Bogenm<strong>in</strong>uten<br />
60<br />
+ Bogensek<strong>und</strong>en<br />
3600<br />
.<br />
Bsp. : 13, 345 ◦ = 13 ◦ 20 ′ 42 ′′ = (13 + 20<br />
60 + 42<br />
3600 )◦<br />
Höhe h <strong>und</strong> Zenitdistanz z im Horizontsystem, sowie <strong>die</strong> Dekl<strong>in</strong>ation<br />
δ <strong>in</strong> den Äquatorsystemen werden im Gradmaß gemessen!<br />
• St<strong>und</strong>enmaß: Der Vollkreis wird <strong>in</strong> 24 h (St<strong>und</strong>en) unterteilt,<br />
1 h wird <strong>in</strong> 60 m (M<strong>in</strong>uten) unterteilt,<br />
1 m wird <strong>in</strong> 60 s (Sek<strong>und</strong>en) unterteilt.<br />
Die meisten Taschenrechner unterstützen <strong>die</strong>ses Format leider nicht. Deshalb<br />
bietet es sich an <strong>die</strong> Darstellung im St<strong>und</strong>enmaß (h,m,s) auch wieder<br />
<strong>in</strong> Dezimalgrad um<strong>zur</strong>echnen:<br />
W<strong>in</strong>kel <strong>in</strong> Dezimalgrad = 15*(St<strong>und</strong>en + M<strong>in</strong>uten + Sek<strong>und</strong>en ).<br />
60 3600<br />
Bsp. : 13, 345 ◦ = 15 ∗ (0 + 53<br />
60 + 22.8<br />
3600 )◦ = 0h53m22.8s<br />
Der Azimut A im Horizontsystem, sowie der St<strong>und</strong>enw<strong>in</strong>kel τ <strong>und</strong><br />
<strong>die</strong> Rektaszension α <strong>in</strong> den Äquatorsystemen werden im St<strong>und</strong>enmaß<br />
gemessen!<br />
Koord<strong>in</strong>atenänderung durch Präzession 1.1.4<br />
Die Anziehung des Erdellipsoids durch Sonne <strong>und</strong> Mond verursacht e<strong>in</strong>e Verlagerung<br />
der Rotationsachse der Erde <strong>und</strong> damit des Äquators, der <strong>die</strong> Gr<strong>und</strong>ebene<br />
unseres Koord<strong>in</strong>atensystems def<strong>in</strong>iert (Lunisolarpräzession). Weiterh<strong>in</strong> verändert<br />
der E<strong>in</strong>fluß der Planeten auf <strong>die</strong> Bahnbewegung der Erde <strong>die</strong> Lage der Ekliptik,<br />
<strong>die</strong> Hauptebene des Sonnensystems, wodurch sich der Frühl<strong>in</strong>gspunkt ebenfalls<br />
verschiebt (d.h. <strong>die</strong> Rektaszension e<strong>in</strong>es Objekts nimmt ständig zu). Unter den<br />
Bezeichnungen Präzession <strong>und</strong> Nutation faßt man alle Bewegungen der Erde<br />
zusammen, <strong>die</strong> <strong>die</strong>ser durch äußere Kräfte aufgezwungen werden. Diese Kräfte<br />
versuchen, <strong>die</strong> Rotationsachse der Erde auf<strong>zur</strong>ichten, <strong>die</strong> gegen <strong>die</strong> Ekliptik geneigt<br />
ist. Die Rotationsachse folgt, entsprechend dem Verhalten e<strong>in</strong>es sogenannten<br />
schweren Kreisels, <strong>die</strong>sem Drehmoment nicht, sondern bewegt sich auf e<strong>in</strong>er<br />
Kegelfläche um den Pol der Ekliptik. Diese Drehung im Uhrzeigers<strong>in</strong>n entlang<br />
der Kegelfläche wird als Präzessionsbewegung bezeichnet <strong>und</strong> dauert etwa 25800<br />
Jahre. Überlagerungen der Gravitationskräfte von Sonne <strong>und</strong> Mond verursachen<br />
Schwankungen <strong>die</strong>ser Drehbewegung mit e<strong>in</strong>er Periode von 19 Jahren, <strong>die</strong> man<br />
als Nutation bezeichnet.<br />
Die jährliche Bewegung des Frühl<strong>in</strong>gspunktes auf der Ekliptik beträgt<br />
∆γ = n s<strong>in</strong> ɛ 0 + m cos ɛ 0 ≈ 50 ′′ .<br />
Hierbei ist ɛ 0 <strong>die</strong> Schiefe der Ekliptik ,d.h. der W<strong>in</strong>kel zwischen Bahnebene <strong>und</strong><br />
Äquator, <strong>und</strong> n <strong>die</strong> Komponente der Bewegung des Frühl<strong>in</strong>gspunktes γ senkrecht<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 11
1 Beobachtungen am Teleskop<br />
zum Äquator, m <strong>die</strong> Komponente parallel zum Äquator. Die augenblicklichen<br />
Werte <strong>die</strong>ser Größen s<strong>in</strong>d:<br />
ɛ 0 = 23.5 ◦<br />
m = 46 ′′ /Jahr<br />
n = 20 ′′ /Jahr .<br />
Mit Hilfe von geometrischen Überlegungen kann man <strong>die</strong> Auswirkungen <strong>die</strong>ser<br />
Bewegung auf <strong>die</strong> Koord<strong>in</strong>aten α, δ e<strong>in</strong>es Objektes berechnen. Man erhält für <strong>die</strong><br />
jährlichen Koord<strong>in</strong>atenänderungen näherungsweise:<br />
∆α = m + n tan δ s<strong>in</strong> α (1.1)<br />
∆δ = n cos α . (1.2)<br />
1.2<br />
Astronomische Zeitsysteme<br />
Die örtliche Sonnenzeit ist durch den Meridiandurchgang der Sonne im Norden<br />
def<strong>in</strong>iert. Ihre E<strong>in</strong>heit ist der wahre Sonnentag. Er ist der Zeitraum zwischen<br />
zwei aufe<strong>in</strong>anderfolgenden Durchgängen der Sonne durch den Meridian im Norden<br />
(untere Kulm<strong>in</strong>ation). Da sich der wahre Sonnentag durch <strong>die</strong> veränderliche<br />
Bahngeschw<strong>in</strong>digkeit der Erde im Laufe e<strong>in</strong>es Jahres (s. Abb. 1.5) ständig ändert,<br />
hat man den mittleren Sonnentag e<strong>in</strong>geführt, dem man e<strong>in</strong>e fiktive sich im<br />
Jahresverlauf gleichmäßig auf dem Himmelsäquator bewegende Sonne zugr<strong>und</strong>e<br />
legt.<br />
Abbildung 1.5: Die Sonne wandert im Laufe e<strong>in</strong>es Jahres mit unterschiedlicher<br />
Geschw<strong>in</strong>digkeit am Himmel (am schnellsten im Perihel, am langsamsten<br />
im Aphel).<br />
Die Gr<strong>und</strong>lage astronomischer Zeitsysteme ist <strong>die</strong> Greenwich mean solar time<br />
(GMT) oder auch Weltzeit (Universal Time (UT)) für <strong>die</strong> geographische<br />
Länge λ G = 0 ◦<br />
Unter der Zonenzeit versteht man <strong>die</strong> E<strong>in</strong>heitszeit für <strong>die</strong> zwischen zwei Meridianen<br />
gelegenen Orte der Erdoberfläche, wobei für jede Zeitzone <strong>die</strong> mittlere<br />
Sonnenzeit ihres Mittelmeridians als Zonenzeit gilt. Die E<strong>in</strong>teilung ist so<br />
12 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
1.2 Astronomische Zeitsysteme<br />
gewählt, daß <strong>die</strong>se jeweils um volle St<strong>und</strong>en von der Weltzeit(Greenwich-Zeit)<br />
abweicht.<br />
Abbildung 1.6: Zeitzonen: . Auf der obigen Abbildung erkennt man <strong>die</strong> unterschiedlichen<br />
Zeitzonen der Welt.<br />
Abbildung 1.7: Unter Kulm<strong>in</strong>ation versteht man den Durchgang e<strong>in</strong>es Gestirns<br />
durch den Längenkreis oder Meridian des Beobachtungsortes.<br />
Man unterscheidet obere Kulm<strong>in</strong>ation (größte Höhe, d.h. τ = 0)<br />
<strong>und</strong> untere Kulm<strong>in</strong>ation (unter dem Horizont, mit Ausnahme der<br />
Zirkumpolarsterne, <strong>die</strong> hierbei ihren tiefsten Stand über dem Horizont<br />
erreichen; d.h. τ = 12h).<br />
Die Sternzeit ist e<strong>in</strong>e durch <strong>die</strong> Erdrotation bed<strong>in</strong>gte Zeite<strong>in</strong>teilung mit dem<br />
Sterntag als E<strong>in</strong>heit <strong>und</strong> setzt sich additiv aus der Rektaszension <strong>und</strong> dem Stun-<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 13
1 Beobachtungen am Teleskop<br />
denw<strong>in</strong>kel e<strong>in</strong>es Gestirns zusammen (s.o.). E<strong>in</strong> Sterntag ist der Zeitraum zwischen<br />
zwei aufe<strong>in</strong>anderfolgenden Durchgängen des Frühl<strong>in</strong>gspunktes oder e<strong>in</strong> <strong>und</strong><br />
desselben Sterns durch den Meridian (obere Kulm<strong>in</strong>ation). Er umfaßt 23 h 56 m <strong>und</strong><br />
4, 091 s mittlere Sonnenzeit. D.h. der Sonnentag ist etwas länger als der Sterntag<br />
(s. Abb. 1.6), da sich <strong>die</strong> Sonne an der Himmelssphäre pro Tag etwa um 1 Grad<br />
(aufgr<strong>und</strong> der Bahnbewegung der Erde) <strong>in</strong> östlicher Richtung verschiebt.<br />
Erdbahn<br />
Erde<br />
<strong>zur</strong> Zeit t<br />
Sonne<br />
3 m s<br />
56, 555<br />
Erde<br />
h<br />
24 Sternzeit nach t<br />
Abbildung 1.8: Sternzeit: Aufgr<strong>und</strong> der Erdbewegung um <strong>die</strong> Sonne hat <strong>die</strong> Erde,<br />
wenn sie bzgl. des Fixsternhimmels wieder <strong>die</strong>selbe Position<br />
e<strong>in</strong>nimmt, nicht mehr <strong>die</strong>selbe Position <strong>zur</strong> Sonne, sondern muß<br />
sich erst noch um 3 m 56, 555 s weiterdrehen.<br />
1.2.1<br />
Berechnung der Ortssternzeit<br />
Die Ortssternzeit gibt <strong>die</strong> Sternzeit zu e<strong>in</strong>er bestimmten Sonnen– bzw. Zonenzeit<br />
an e<strong>in</strong>em bestimmten Ort an. Für <strong>die</strong> Berechnung seien <strong>die</strong> folgenden Bezeichnungen<br />
vere<strong>in</strong>bart:<br />
λ G , λ B geographische Länge <strong>in</strong> Greenwich <strong>und</strong> am Beobachtungsort.<br />
△T Zeitzonenunterschied zwischen den betrachteten Längen λ G (Greenwich)<br />
<strong>und</strong> λ B (Beobachtungsort).<br />
Θ(λ, t) Ortssternzeit <strong>zur</strong> Zonenzeit t an e<strong>in</strong>em Ort der geographischen<br />
Länge λ. Die E<strong>in</strong>heit ist 1 h Sternzeit.<br />
Weiterh<strong>in</strong> benötigen wir noch<br />
1 h Sonnenzeit = 1.00274 h Sternzeit (1.3)<br />
<strong>und</strong> Θ(λ G , 0 h UT ), deren Wert als Greenwich Mean Sidereal Time (GMST) für<br />
jeden Tag im Astronomical Almanac (oder Ahnert: Kalender für Sternfre<strong>und</strong>e)<br />
tabelliert ist.<br />
14 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
1.3 Nautisches Dreieck<br />
Die Ortssternzeit an e<strong>in</strong>em beliebigem Ort zu e<strong>in</strong>em beliebigem Zeitpunkt erhält<br />
man dann durch h<strong>in</strong>zufügen e<strong>in</strong>er Ortskorrektur λ[◦ ]<br />
B<br />
<strong>und</strong> e<strong>in</strong>er Zeitkorrektur (t +<br />
15 ◦<br />
△T ) · 1.00274:<br />
]<br />
Θ(λ B , t) = Θ(λ G , 0 h UT ) + λ[◦ B<br />
+ (t + △T ) · 1.00274 (1.4)<br />
15◦ Nautisches Dreieck 1.3<br />
Nordpol<br />
o<br />
90 -<br />
τ<br />
φ<br />
Zenit<br />
90°-<br />
δ<br />
Stern<br />
δ<br />
z<br />
Äquator<br />
τ<br />
Abbildung 1.9: Nautisches Dreieck<br />
Um <strong>die</strong>sen Abschnitt zu verstehen sollte man vorher den Abschnitt 1.5 über<br />
sphärische Trigonometrie lesen!<br />
Zur Koord<strong>in</strong>atentransformation vom Horizont- <strong>in</strong> das entsprechende Äquatorsystem,<br />
sowie für <strong>die</strong> Berechnung der Auf- <strong>und</strong> Untergangszeiten, etc. benutzt man<br />
das Nautische oder astronomische Dreieck (s. Abb. 1.9). Es wird gebildet aus<br />
den drei Punkten Himmelspol, Zenit <strong>und</strong> Objekt. Die Seiten mit den Längen<br />
(90 ◦ − δ), (90 ◦ − ϕ) <strong>und</strong> z (ϕ = geographische Breite = Polhöhe, z (= 90 ◦ − h) =<br />
Zenitdistanz), bilden e<strong>in</strong> sphärisches Dreieck. Der Seitenkos<strong>in</strong>ussatz ergibt dann:<br />
s<strong>in</strong> h = cos z = s<strong>in</strong> ϕ s<strong>in</strong> δ + cos ϕ cos δ cos τ . (1.5)<br />
Das ist e<strong>in</strong>e Beziehung zwischen den horizontbezogenen Größen h (bzw. z), ϕ <strong>und</strong><br />
den äquatorbezogenen Größen δ <strong>und</strong> τ. Wir können also bei gegebenen ϕ, δ, τ <strong>die</strong><br />
Höhe e<strong>in</strong>es Objektes berechnen oder umgekehrt den St<strong>und</strong>enw<strong>in</strong>kel zum Zeitpunkt<br />
des Auf- oder Unterganges des Objektes (h = 0).<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 15
1 Beobachtungen am Teleskop<br />
1.4<br />
Durchführung der Aufgaben<br />
Abbildung 1.10: Verlauf von S<strong>in</strong>us <strong>und</strong> Cos<strong>in</strong>us <strong>in</strong> den vier Quadranten<br />
1. Berechnung der Präzessionskorrekturen:<br />
Berechne <strong>die</strong> Präzessionskorrekturen im beweglichen Äquatorsystem für <strong>die</strong><br />
Rektaszension α <strong>und</strong> <strong>die</strong> Dekl<strong>in</strong>ation δ zum Zeitpunkt t der geplanten Beobachtung:<br />
∆α(t) = ( 46′′<br />
a + 20′′<br />
a tan δ s<strong>in</strong> α)(t − t Äq )<br />
∆δ(t) = ( 20′′<br />
a cos α)(t − t Äq )<br />
Dabei ist tÄq der Zeitpunkt des Äqu<strong>in</strong>oktikums für das <strong>die</strong> Koord<strong>in</strong>aten<br />
angegeben s<strong>in</strong>d. Beachte: Die Zeiten s<strong>in</strong>d hier <strong>in</strong> Jahren e<strong>in</strong>zusetzen, das<br />
Ergebnis liefert beide Präzessionskorrekturen <strong>in</strong> Bogensek<strong>und</strong>en, d.h. es muß<br />
noch <strong>in</strong> <strong>die</strong> entsprechende E<strong>in</strong>heit für <strong>die</strong> Dekl<strong>in</strong>ation/Rektaszension umgerechnet<br />
werden!<br />
Warum muß für <strong>die</strong> Objekte aus dem Sonnensystem ke<strong>in</strong>e Präzessionskorrektur<br />
berechnet werden?<br />
2. Berechnung der Ortssternzeit:<br />
Berechne <strong>die</strong> Ortssternzeit Θ(λ B , t) für den Physikneubau zum Zeitpunkt t<br />
der geplanten Beobachtung:<br />
]<br />
Θ(λ B , t) = Θ(λ G , 0 h UT ) + λ[◦ B<br />
+ (t + ∆T ) · 1.00274. (1.6)<br />
15◦ Hier s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Zeiten <strong>in</strong> St<strong>und</strong>en e<strong>in</strong>zusetzen! Die genaue geographische Lage<br />
des Physik-Neubaus ist: λ B = +13 ◦ 19 ′ 35 ′′ , ϕ B = +52 ◦ 30 ′ 46.8 ′′ .<br />
Der Zeitzonenunterschied beträgt △T = UT − MEZ = −1 h im W<strong>in</strong>ter<br />
<strong>und</strong> △T = UT − MESZ = −2 h im Sommer (MEZ: Mitteleuropäische Zeit,<br />
MESZ: Mitteleuropäische Sommerzeit).<br />
16 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
1.4 Durchführung der Aufgaben<br />
3. Berechnung der St<strong>und</strong>enw<strong>in</strong>kel:(festes Äquatorsystem)<br />
Berechne alle St<strong>und</strong>enw<strong>in</strong>kel τ = Θ(λ B , t) − α(t)!<br />
4. Berechnung der Koord<strong>in</strong>aten im Horizontsystem:<br />
Die Höhe e<strong>in</strong>es Objekts im Horizontsystem läßt mit Hilfe des nautischen<br />
Dreiecks bestimmen:<br />
s<strong>in</strong> h = s<strong>in</strong> ϕ s<strong>in</strong> δ + cos ϕ cos δ cos τ<br />
Zur Berechnung des Azimuts benötigt man <strong>die</strong> folgenden beiden Formeln<br />
(welchen F<strong>und</strong>amental-Formeln der sphärischen Trigonometrie entspr<strong>in</strong>gen<br />
sie?):<br />
cos ϕ s<strong>in</strong> δ − s<strong>in</strong> ϕ cos δ cos τ<br />
cos A = − ;<br />
cos h<br />
cos δ s<strong>in</strong> τ<br />
s<strong>in</strong> A = .<br />
cos h<br />
Der richtige Azimut-Wert erfüllt beide Gleichungen.<br />
Dabei tritt das Problem auf, daß <strong>die</strong> Wertebereiche der Arcus-S<strong>in</strong>us-Funktion<br />
[−90 ◦ , +90 ◦ ] bzw. der Arcus-Cos<strong>in</strong>us-Funktion [0 ◦ , 180 ◦ ] s<strong>in</strong>d, während der<br />
Azimut A von 0 ◦ bis 360 ◦ läuft. Um den tatsächlichen Azimut-Wert A zu<br />
bestimmen, berechnet man am besten zuerst nur <strong>die</strong> Werte von s<strong>in</strong> A <strong>und</strong><br />
cos A — d.h. man bildet zunächst nicht den Arcus-S<strong>in</strong>us/Cos<strong>in</strong>us — <strong>und</strong><br />
kann dann anhand des Vorzeichens von s<strong>in</strong> A <strong>und</strong> cos A den richtigen Quadranten<br />
von A bestimmen (s. Abb. 1.10). Danach kann man den Arcus-S<strong>in</strong>us<br />
bzw. den Arcus-Cos<strong>in</strong>us bilden <strong>und</strong> mit Hilfe von s<strong>in</strong> α = s<strong>in</strong>(180 ◦ − α) <strong>und</strong><br />
cos α = cos(−α) <strong>in</strong> den richtigen Quadranten “verschieben”.<br />
5. Berechnung der Kulm<strong>in</strong>ationen:<br />
Berechne Höhe (s.o.) <strong>und</strong> Zeitpunkt (Zonenzeit) der oberen (τ = 0) <strong>und</strong><br />
unteren (τ = 12h) Kulm<strong>in</strong>ationen. Der Zeitpunkt t läßt sich durch umstellen<br />
von Gl. (1.6) berechnen:<br />
t h = τ + α − Θ(λ G, 0 h UT ) + λ[◦ ]<br />
B<br />
15 ◦<br />
1.00274<br />
− △T . (1.7)<br />
6. Berechnung der Auf- <strong>und</strong> Untergangszeiten:<br />
Berechne <strong>die</strong> Auf- <strong>und</strong> Untergangszeiten (Zonenzeit) aller Objekte. Durch<br />
umstellen von Gl. (1.5) mit h = 0 erhält man:<br />
cos τ 0 = − tan ϕ · tan δ<br />
Diese Gleichung hat 2 Lösungen für τ 0 , welche davon dem Aufgang <strong>und</strong><br />
welche dem Untergang entspricht, entscheidet man durch Vergleich mit den<br />
Kulm<strong>in</strong>ationen. Anschließend müssen <strong>die</strong> Sternzeiten noch mit Gl. 1.7 <strong>in</strong><br />
<strong>die</strong> Ortszeit umgerechnet werden.<br />
7. Nachtbeobachtung am Fernrohr: freiwillig <strong>und</strong> wetterabhängig!<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 17
1 Beobachtungen am Teleskop<br />
1.5<br />
Anhang: Sphärische Trigonometrie<br />
Die sphärische Trigonometrie behandelt <strong>die</strong> Geometrie auf e<strong>in</strong>er Kugeloberfläche.<br />
Dabei gilt folgender Leitsatz:<br />
An der Stelle der Geraden, Elemente der Ebene, treten <strong>die</strong> Großkreise, Elemente<br />
der Sphäre.<br />
Def<strong>in</strong>ition: Großkreis<br />
S<strong>in</strong>d A <strong>und</strong> B Punkte auf der Sphäre mit dem Radius R, kurz S R genannt, dann<br />
erhält man den Großkreis durch A <strong>und</strong> B, <strong>in</strong>dem man <strong>die</strong> Ebene durch A,B <strong>und</strong><br />
dem Kugelmittelpunkt M <strong>in</strong> der Sphäre S R bildet.<br />
S R<br />
Abbildung 1.11: Großkreis<br />
M<br />
PSfrag replacements<br />
A<br />
B<br />
Def<strong>in</strong>ition: W<strong>in</strong>kelmessung <strong>und</strong> Längenmessung<br />
Schneiden sich zwei Großkreise <strong>in</strong> dem Punkt A, dann ist der W<strong>in</strong>kel zwischen<br />
ihnen gleich dem W<strong>in</strong>kel zwischen den Tangenten der Großkreise im Punkt A.<br />
In der sphärischen Trigonometrie werden alle W<strong>in</strong>kel <strong>und</strong> somit alle Längen im<br />
Bogenmaß gemessen.<br />
Bogenmaß:<br />
Zu e<strong>in</strong>em W<strong>in</strong>kel α ◦ gehört das Bogenmaß<br />
( α<br />
◦ )<br />
α = 2π<br />
360 ◦<br />
Dazu folgende Veranschaulichung:<br />
Dabei ist α gleich der Länge des Bogens auf dem E<strong>in</strong>heitskreis, der dem W<strong>in</strong>kel<br />
α ◦ entspricht.<br />
Sphärische Dreiecke<br />
Def<strong>in</strong>ition:<br />
E<strong>in</strong> sphärisches Dreieck wird durch drei Punkte A,B <strong>und</strong> C auf S R <strong>und</strong> den kürzesten<br />
Verb<strong>in</strong>dungsl<strong>in</strong>ien zwischen <strong>die</strong>sen Punkten gebildet. Die W<strong>in</strong>kel bezeichen<br />
18 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
1.5 Anhang: Sphärische Trigonometrie<br />
replacements<br />
α<br />
α ◦<br />
0 1<br />
Abbildung 1.12: Bogenmaß<br />
wir mit α, β <strong>und</strong> γ. Die Längen der Seiten seien a,b <strong>und</strong> c.<br />
A<br />
replacements<br />
c<br />
α<br />
b<br />
β<br />
γ<br />
B<br />
a<br />
C<br />
Abbildung 1.13: Sphärisches Dreieck<br />
Bemerkung:<br />
Die kürzeste Verb<strong>in</strong>dung zwischen zwei Punkten A <strong>und</strong> B auf S R erhält man, <strong>in</strong>dem<br />
man e<strong>in</strong>en Großkreis durch A <strong>und</strong> B betrachtet <strong>und</strong> den kürzeren der beiden<br />
Großkreisbögen wählt.<br />
Zyklische Vertauschung<br />
Alle weiteren Formeln bleiben richtig, wenn man zyklisch vertauscht:<br />
a → b → c → a, α → β → γ → α<br />
Konvention:<br />
Wir setzen<br />
a ∗ := a R , b ∗ := b R , c ∗ := c R .<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 19
1 Beobachtungen am Teleskop<br />
Dann gilt der S<strong>in</strong>ussatz:<br />
s<strong>in</strong> α<br />
s<strong>in</strong> β = s<strong>in</strong> a ∗<br />
s<strong>in</strong> b ∗<br />
,<br />
s<strong>in</strong> β<br />
s<strong>in</strong> γ = s<strong>in</strong> b ∗<br />
s<strong>in</strong> c ∗<br />
,<br />
s<strong>in</strong> γ<br />
s<strong>in</strong> α = s<strong>in</strong> c ∗<br />
s<strong>in</strong> a ∗<br />
.<br />
Weiterh<strong>in</strong> gelten der Seitenkos<strong>in</strong>ussatz:<br />
cos c ∗ = cos a ∗ cos b ∗ + s<strong>in</strong> a ∗ s<strong>in</strong> b ∗ cos γ<br />
cos b ∗ = cos c ∗ cos a ∗ + s<strong>in</strong> c ∗ s<strong>in</strong> a ∗ cos β<br />
cos a ∗ = cos b ∗ cos c ∗ + s<strong>in</strong> b ∗ s<strong>in</strong> c ∗ cos α<br />
der W<strong>in</strong>kelkos<strong>in</strong>ussatz:<br />
cos γ = cos α cos β + s<strong>in</strong> α s<strong>in</strong> β cos c ∗<br />
cos β = cos γ cos α + s<strong>in</strong> γ s<strong>in</strong> α cos b ∗<br />
cos α = cos β cos γ + s<strong>in</strong> β s<strong>in</strong> γ cos a ∗<br />
sowie der S<strong>in</strong>us-Kos<strong>in</strong>ussatz:<br />
cos β s<strong>in</strong> a ∗ = cos α s<strong>in</strong> b ∗ cos c ∗ + cos b ∗ s<strong>in</strong> c ∗<br />
cos γ s<strong>in</strong> b ∗ = cos β s<strong>in</strong> c ∗ cos a ∗ + cos c ∗ s<strong>in</strong> a ∗<br />
cos α s<strong>in</strong> c ∗ = cos γ s<strong>in</strong> a ∗ cos b ∗ + cos a ∗ s<strong>in</strong> b ∗<br />
20 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
Bestimmung der Brennweite e<strong>in</strong>es<br />
Teleskops aus Himmelsaufnahmen<br />
2<br />
Aufgabe:<br />
Material:<br />
Literatur:<br />
Auf e<strong>in</strong>er Himmelsaufnahme werden drei Sternpaare identifiziert, <strong>und</strong> ihre ungefähre<br />
Positionen <strong>und</strong> Helligkeiten auf dem Sternatlas (SAO) festgelegt. Bekannt<br />
s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Mittelpunktskoord<strong>in</strong>aten der Photoplatte. Danach sucht man<br />
<strong>die</strong> genauen Koord<strong>in</strong>aten im Sternkatalog (SAO) heraus. Aus den Koord<strong>in</strong>aten<br />
<strong>und</strong> den gemessenen Abständen auf der Photoplatte können der Abbildungsmaßstab,<br />
<strong>die</strong> W<strong>in</strong>keldimension des Plattenfeldes <strong>und</strong> <strong>die</strong> Brennweite des <strong>zur</strong><br />
Aufnahme benutzten Teleskops bestimmt werden. Außerdem ist <strong>die</strong> Anzahl<br />
der Photoplatten zu berechnen, <strong>die</strong> nötig ist, um <strong>die</strong> gesamte Himmelssphäre<br />
abzudecken. E<strong>in</strong>e kurze Fehlerbetrachtung schließt den Versuch ab.<br />
Abzug e<strong>in</strong>er Platte des ESO/POSS-Atlas, SAO-Katalog, SAO-Atlas, Taschenrechner.<br />
[1] Koord<strong>in</strong>atensysteme, S. 1ff; Brennweitenbestimmung, S. 119f<br />
[2] Koord<strong>in</strong>atensysteme, S. 22ff.<br />
Gr<strong>und</strong>lagen — Theorie der Teleskope 2.1<br />
Anfang des 17. Jahrh<strong>und</strong>erts wurde <strong>in</strong> Holland das Fernrohr erf<strong>und</strong>en. Die ersten<br />
astronomischen Beobachtungen machte Galileo Galilei im Jahre 1609.<br />
Optische Instrumente 2.1.1<br />
Das Pr<strong>in</strong>zip der optischen Teleskope beruht auf dem Sammeln des Lichts von<br />
Objekten – bei Refraktoren durch L<strong>in</strong>sen, bei Reflektoren durch Spiegel.<br />
Dadurch wird<br />
• <strong>die</strong> Untersuchung sehr schwacher Strahlungsquellen möglich <strong>und</strong><br />
• <strong>die</strong> Auflösung erhöht, d.h. <strong>die</strong> optische Trennung engerer Objekte erleichtert.<br />
Damit konnte <strong>die</strong> Genauigkeit der Positionsmessung von Himmelskörpern erheblich<br />
gesteigert werden.<br />
Refraktoren<br />
Refraktoren oder L<strong>in</strong>senteleskope bestehen aus zwei L<strong>in</strong>sen:<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 21
2 Brennweitenbestimmung<br />
1. das Objektiv sammelt das e<strong>in</strong>fallende Licht <strong>in</strong> der Brennpunkt- oder Fokalebene<br />
2. das Okular vergrößert das im Brennpunkt entstandene Bild. Um das Bild<br />
<strong>in</strong> den Fokus zu bekommen, kann der Abstand von Okular <strong>und</strong> Fokalebene<br />
verändert werden, d.h. Brennpunkt von Okular <strong>und</strong> Objektiv müssen <strong>in</strong><br />
Übere<strong>in</strong>stimmung gebracht werden.<br />
Abbildung 2.1: Strahlengang <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Refraktor <strong>und</strong> <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Reflektor<br />
Reflektoren<br />
Reflektoren oder Spiegelteleskope besitzen als lichtsammelndes Element anstelle<br />
der Objektivl<strong>in</strong>se e<strong>in</strong>en meist parabolisch geschliffenen Spiegel, der am unteren<br />
Ende des Rohres (Tubus) sitzt <strong>und</strong> <strong>die</strong> e<strong>in</strong>fallenden Strahlen im Fokus bündelt.<br />
Wie beim Refraktor ergibt sich dabei e<strong>in</strong> reelles umgekehrtes Bild des Objekts,<br />
das mit e<strong>in</strong>em Okular betrachtet oder mit e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> der Fokalebene des Spiegels<br />
angebrachten Strahlungsempfänger (wie e<strong>in</strong>er photographischen Platte oder<br />
e<strong>in</strong>em Spektrometer) verarbeitet werden kann.<br />
22 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
2.2 Optische Geometrie<br />
Optische Geometrie 2.2<br />
Der Durchmesser D des Objektivs bzw. des Spiegels nennt man Apertur oder<br />
Öffnung des Teleskops. Das Verhältnis von Öffnung D <strong>zur</strong> Brennweite f<br />
D<br />
f =: F<br />
ist das Öffnungsverhältnis F <strong>und</strong> charakterisiert <strong>die</strong> Lichtstärke des Fernrohres:<br />
• ist das Öffnungsverhältnis groß, nahe 1, hat man e<strong>in</strong> lichtstarkes Teleskop,<br />
d.h. man kommt mit kurzen Belichtungszeiten aus,<br />
• ist das Öffnungsverhältnis kle<strong>in</strong> — das bedeutet <strong>die</strong> Brennweite muß viel<br />
größer als <strong>die</strong> Öffnung se<strong>in</strong> — s<strong>in</strong>d längere Belichtungszeiten nötig.<br />
Wenn das Objekt unter dem W<strong>in</strong>kel ω gesehen wird, entsteht e<strong>in</strong> Bild der Höhe l<br />
tan ω = l f<br />
Die Vergrößerung Ω ergibt sich aus dem Verhältnis der W<strong>in</strong>kelöffnungen<br />
Ω = ω′<br />
ω<br />
bzw. dem Verhältnis der Brennweiten f des Objektivs <strong>und</strong> f ′ des Okulars<br />
Ω = ω′<br />
ω = f f ′ .<br />
Abbildung 2.2: Verhältnis der W<strong>in</strong>kelöffnungen<br />
Die W<strong>in</strong>kelöffnung kann mit Hilfe des Cos<strong>in</strong>us–Satzes der sphärischen Trigonometrie<br />
(vergl. Abschnitt 1.5) auch aus den Sternkoord<strong>in</strong>aten berechnet werden.<br />
(s. Abb. 2.3)<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 23
2 Brennweitenbestimmung<br />
Nordpol<br />
α 2 - α1<br />
90°-δ 1<br />
90°-δ 2<br />
1<br />
*<br />
ω<br />
*<br />
2<br />
δ 1 δ 2<br />
α 2 - α 1<br />
Äquator<br />
Abbildung 2.3: W<strong>in</strong>kelöffnung ω zwischen den Sternen 1 <strong>und</strong> 2<br />
2.3<br />
E<strong>in</strong>heiten von W<strong>in</strong>kel <strong>und</strong> Raumw<strong>in</strong>kel<br />
E<strong>in</strong> Radiant (rad) ist der W<strong>in</strong>kel, dessen Kreisbogenlänge gleich dem Radius ist.<br />
Wenn r der Radius des Kreises ist <strong>und</strong> s <strong>die</strong> Bogenlänge, schließt der Bogen den<br />
W<strong>in</strong>kel α e<strong>in</strong>:<br />
α = s r .<br />
Da der Kreisumfang 2πr ist, gilt<br />
2π rad = 360 ◦ bzw. 1 rad = 180◦<br />
π .<br />
Abbildung 2.4: Steradiant <strong>und</strong> Raumw<strong>in</strong>kel<br />
In analoger Weise kann man den Steradianten – den Raumw<strong>in</strong>kel – def<strong>in</strong>ieren.<br />
Der Raumw<strong>in</strong>kel gibt e<strong>in</strong>e vom Kugelmittelpunkt gesehene Flächene<strong>in</strong>heit auf der<br />
Oberfläche e<strong>in</strong>er E<strong>in</strong>heitskugel an. E<strong>in</strong>e beliebige Fläche A auf e<strong>in</strong>er Kugel mit<br />
dem Radius r entspricht dem Raumw<strong>in</strong>kel ϕ<br />
ϕ = A r 2 .<br />
Die Kugeloberfläche ist 4πr 2 ; demnach beträgt der vollständige Raumw<strong>in</strong>kel 4π<br />
Steradianten.<br />
24 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
2.3 E<strong>in</strong>heiten von W<strong>in</strong>kel <strong>und</strong> Raumw<strong>in</strong>kel<br />
Der gemessene Abstand l zwischen zwei Objekten auf der Photoplatte entspricht<br />
e<strong>in</strong>em W<strong>in</strong>kelabstand ω. Das ergibt den Abbildungsmaßstab Γ:<br />
Γ = ω l<br />
(Wie ist <strong>die</strong> E<strong>in</strong>heit des Abbildungsmaßstabes?) Analog läßt sich <strong>die</strong> W<strong>in</strong>keldimension<br />
W zu e<strong>in</strong>er Fläche (hier: <strong>die</strong> rechteckige Fläche e<strong>in</strong>er Photoplatte<br />
h · b), <strong>in</strong> Beziehung setzen, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>er äquivalenten Fläche auf der Himmelskugel<br />
entspricht:<br />
W = Γ 2 · h · b.<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 25
2 Brennweitenbestimmung<br />
2.4<br />
Durchführung<br />
1. Markieren Sie den Himmelsausschnitt auf der Photoplatte auf e<strong>in</strong>er Kopie<br />
des SAO-Sternatlas. Dabei sollten Sie beachten, daß <strong>die</strong> Dimensionen unterschiedlich<br />
s<strong>in</strong>d. Als Hilfe ist auf der Photoplatte der Plattenmittelpunkt<br />
angegeben.<br />
Die Photoplatten s<strong>in</strong>d mit Farbfiltern aufgenommen, deshalb muß <strong>die</strong> Größenordnung<br />
der Helligkeiten auf der Photoplatte <strong>und</strong> im Sternatlas nicht exakt<br />
übere<strong>in</strong>stimmen!<br />
Nicht auf <strong>die</strong> Photoplatte zeichnen!!!<br />
2. Suchen Sie sich nun drei Sternenpaare auf der Photoplatte <strong>und</strong> identifizieren<br />
Sie <strong>die</strong>se im Sternatlas.<br />
Dabei sollten Sie darauf achten , daß <strong>die</strong> Sterne weder zu weit noch zu dicht<br />
beie<strong>in</strong>ander liegen. (warum?) Wählen Sie ke<strong>in</strong>e Galaxien, Doppelsterne <strong>und</strong><br />
Veränderliche sowie ke<strong>in</strong>e zu hellen Sterne, da sonst <strong>die</strong> Fehler zu groß<br />
werden.<br />
Sternpaare unbed<strong>in</strong>gt auf der Kopie des Sternatlas kennzeichnen!!!<br />
3. Messen Sie Abstände auf der Photoplatte <strong>und</strong> notieren Sie sie.<br />
4. Notieren Sie <strong>die</strong> ungefähren Koord<strong>in</strong>aten <strong>und</strong> visuellen Helligkeiten <strong>die</strong> Sie<br />
auf der Karte des Sternatlas abgelesen haben.<br />
F<strong>in</strong>den Sie <strong>die</strong> Sterne im Sternkatalog – d.h. <strong>in</strong>sbesondere im richtigen Band<br />
des selbigen – <strong>und</strong> notieren Sie <strong>die</strong> exakten Koord<strong>in</strong>aten <strong>und</strong> Helligkeiten.<br />
5. Berechnen Sie nun den Abbildungsmaßstab <strong>und</strong> mit Hilfe des W<strong>in</strong>kelabstandes<br />
ω (Tip: Cos<strong>in</strong>us-Satz für sphärische Dreiecke, s. 1.5) des jeweiligen Sternenpaares<br />
<strong>die</strong> Brennweite des Teleskops, das <strong>zur</strong> Aufnahme benutzt wurde.<br />
Berechnen Sie <strong>die</strong>se Werte für jedes Sternenpaar <strong>und</strong> bilden Sie dann den<br />
Mittelwert. Schätzen Sie den größtmöglichen Fehler für <strong>die</strong> Brennweite ab.<br />
6. Berechnen Sie <strong>die</strong> W<strong>in</strong>keldimension der Photoplatte (dazu Länge <strong>und</strong> Breite<br />
messen) <strong>und</strong> <strong>die</strong> Plattenanzahl, <strong>die</strong> man benötigt, um <strong>die</strong> gesamte Himmelskugel<br />
abzubilden.<br />
1. Tip: wenn man Abbildungsmaßstab Γ <strong>in</strong> der E<strong>in</strong>heit [ ]<br />
rad bestimmt,<br />
so hat Γ 2 <strong>die</strong> E<strong>in</strong>heit [ sterad<br />
cm 2<br />
beträgt NICHT 360 ◦ × 180 ◦ = 64800( ◦2 )!<br />
]<br />
, 2. Tip: Ne<strong>in</strong>, der vollständige Raumw<strong>in</strong>kel<br />
cm<br />
26 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
Bestimmung der Bahnelemente visueller<br />
Doppelsterne<br />
3<br />
Aufgabe: Aus den relativen Positionsdaten s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Bahnelemente <strong>und</strong> <strong>die</strong> Massen-<br />
Summe des Systems ξ UMa zu bestimmen.<br />
Material: Systemdaten von 1826–1963 (aus: He<strong>in</strong>tz, W.D., 1966, Astron. Nachr., 289,<br />
269), Taschenrechner, Polarkoord<strong>in</strong>atenpapier<br />
Literatur: [1] Kap. VIII, § 2<br />
[2] § 15<br />
[6] Kap. 12, S.291<br />
Allgeme<strong>in</strong>es 3.1<br />
E<strong>in</strong> Doppelsternsystem ist e<strong>in</strong> System von zwei Sternen, <strong>die</strong> sich unter der Wirkung<br />
ihrer gegenseitigen Anziehung <strong>in</strong> elliptischen Bahnen um ihren geme<strong>in</strong>samen<br />
Schwerpunkt bewegen. Bei visuellen Doppelsternen lassen sich <strong>die</strong> beiden<br />
Komponenten im Fernrohr getrennt auflösen. Die sphärische Distanz der beiden<br />
Komponenten, d.h. ihr an <strong>die</strong> Beobachtungssphäre projizierter Abstand zue<strong>in</strong>ander,<br />
beträgt bis zu mehreren Bogensek<strong>und</strong>en, so daß sie nur im Fernrohr getrennt<br />
ersche<strong>in</strong>en. Gemessen werden <strong>die</strong> W<strong>in</strong>keldistanz ϱ der Komponenten <strong>und</strong> der Positionsw<strong>in</strong>kel<br />
Θ, der W<strong>in</strong>kel zwischen der Verb<strong>in</strong>dungsl<strong>in</strong>ie der beiden Sterne <strong>und</strong><br />
der Nordrichtung (siehe Tabelle). Die zeitliche Änderung <strong>die</strong>ser Größen gibt also<br />
<strong>die</strong> Bewegung der beiden Komponenten relativ zue<strong>in</strong>ander an; dabei nennt man<br />
den Punkt ihrer größten Annäherung Periastron, den ihrer größten Entfernung<br />
zue<strong>in</strong>ander Apastron. Diese beobachtete Ellipse stellt <strong>die</strong> Projektion der wahren<br />
Bahn an <strong>die</strong> Sphäre dar. Die tatsächliche Bahn kann unter der Vorraussetzung,<br />
daß <strong>die</strong> Bewegung nach den Kepler’schen Gesetzen verläuft, rechnerisch oder<br />
wie <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Aufgabe graphisch aus der sche<strong>in</strong>baren Bahn ermittelt werden.<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 27
3 Bestimmung der Bahnelemente visueller Doppelsterne<br />
Abbildung 3.1: Sche<strong>in</strong>bare relative Bahn des visuellen Doppelsternsystems γ Virg<strong>in</strong>is<br />
3.2<br />
3.2.1<br />
Gr<strong>und</strong>lagen<br />
Mechanische Gr<strong>und</strong>lagen<br />
Für e<strong>in</strong> Doppelsternsystem gilt das dritte Newton’sche Bewegungsgesetz: Wenn<br />
e<strong>in</strong> Körper (1) auf e<strong>in</strong>en anderen Körper (2) e<strong>in</strong>e Kraft F 12 ausübt, dann übt (2)<br />
auf (1) e<strong>in</strong>e Kraft F 21 aus, <strong>die</strong> dem Betrage nach der ersten entgegengesetzt gleich<br />
ist:<br />
Mit dem Gravitationsgesetz folgt:<br />
F 12 = −F 21 .<br />
F 12 = M 1<br />
¨⃗X1 = − M 1M 2 G ( ⃗ X 1 − ⃗ X 2 )<br />
| ⃗ X 1 − ⃗ X 2 | 3 (3.1)<br />
F 21 = M 2<br />
¨⃗X2 = − M 1M 2 G ( ⃗ X 2 − ⃗ X 1 )<br />
| ⃗ X 1 − ⃗ X 2 | 3 (3.2)<br />
28 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
3.2 Gr<strong>und</strong>lagen<br />
z<br />
M1<br />
X 1<br />
X<br />
Schwerpunkt<br />
Y<br />
M2<br />
X 2<br />
y<br />
x<br />
Abbildung 3.2: Ortsvektoren<br />
Mit den Schwerpunktskoord<strong>in</strong>aten ⃗ X <strong>und</strong> Abstandskoord<strong>in</strong>aten ⃗ Y (siehe Abbildung<br />
3.2)<br />
erhalten wir:<br />
⃗X = M 1 ⃗ X 1 + M 2<br />
⃗ X2<br />
M 1 + M 2<br />
⃗Y = ⃗ X 1 − ⃗ X 2<br />
¨⃗X = M 1<br />
¨⃗X 1 + M 2<br />
¨⃗X2<br />
<strong>und</strong> damit auch F 12 + F 21<br />
= 0<br />
M 1 + M 2 M 1 + M 2<br />
d.h. der Schwerpunkt bewegt sich gleichförmig <strong>und</strong> geradl<strong>in</strong>ig, <strong>und</strong>:<br />
¨⃗Y = −(M 1 + M 2 )G ⃗ Y<br />
Wir haben jetzt also aus den beiden Differentialgleichungen (3.1) <strong>und</strong> (3.2) e<strong>in</strong>e<br />
e<strong>in</strong>zige Differentialgleichung gemacht, <strong>die</strong>se kann nun gelöst werden. Die Rechnung<br />
kann aufgr<strong>und</strong> ihres Umfanges hier nicht ausgeführt werden, aber man erhält<br />
als Ergebnis <strong>die</strong> drei Keplerschen Gesetze:<br />
1. ⃗ Y (t) liegt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ebene <strong>und</strong> dort auf e<strong>in</strong>er Ellipse, deren e<strong>in</strong>er Brennpunkt<br />
sich bei ⃗ Y = 0 bef<strong>in</strong>det.<br />
2. ⃗ Y (t) überstreicht <strong>in</strong> gleichen Zeiten gleiche Flächen.<br />
3. Für <strong>die</strong> Umlaufszeit T <strong>und</strong> <strong>die</strong> große Halbachse der Ellipse a gilt:<br />
| ⃗ Y | 3<br />
(M 1 + M 2 )T 2<br />
a 3<br />
= const.<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 29
3 Bestimmung der Bahnelemente visueller Doppelsterne<br />
3.2.2<br />
Bahnelemente<br />
Die wahre Bahn wird durch folgende Elemente bestimmt:<br />
b<br />
F1 F2<br />
c M<br />
a<br />
Abbildung 3.3: Bild e<strong>in</strong>er Ellipse<br />
F 1 , F 2 Brennpunkte<br />
a w , b w große bzw. kle<strong>in</strong>e Halbachse der wahren Bahn<br />
c w l<strong>in</strong>eare Exzentrizität c = √ a 2 − b 2 √<br />
e numerische Exzentrizität e = c/a = 1 − b 2 /a 2<br />
T<br />
Umlaufzeit<br />
i<br />
Neigungs-(Inkl<strong>in</strong>ations)w<strong>in</strong>kel zwischen wahrer Bahn <strong>und</strong> der Projektion<br />
der beobachteten Bahn an <strong>die</strong> Himmelssphäre. Dabei gilt<br />
cos i = |⃗ b H |<br />
|⃗a K | = |⃗ b H |<br />
|⃗a H |<br />
Zu den Elementen der sche<strong>in</strong>baren, also beobachtbaren Bahn gehören:<br />
a s , b s Projektionen von a w , b w auf <strong>die</strong> Beobachtungsebene. Das s<strong>in</strong>d<br />
NICHT <strong>die</strong> große bzw. kle<strong>in</strong>e Halbachse der sche<strong>in</strong>baren Bahn!<br />
k<br />
Achsenverhältnis<br />
k = |⃗a w|<br />
| ⃗ b w | = 1<br />
√ =<br />
1 − c2 w<br />
a 2 w<br />
1<br />
√<br />
1 − c2 s<br />
a 2 s<br />
≠ |⃗a s|<br />
| ⃗ b s |<br />
(da ⃗a parallel zu ⃗c bei jeder Projektion ist).<br />
Durch <strong>die</strong> nachfolgenden Transformationen der beobachtbaren Bahnellipse über<br />
e<strong>in</strong>en Kreis bis h<strong>in</strong> <strong>zur</strong> Hilfsellipse treten folgende Größen auf:<br />
a H , b H<br />
a K<br />
große bzw. kle<strong>in</strong>e Halbachse der zu bestimmenden Hilfsellipse<br />
Radius des transformierten Kreises.<br />
3.3<br />
Die graphische Methode<br />
Um <strong>die</strong> wahre Bahn aus der beobachteten sche<strong>in</strong>baren Bahn zu ermitteln, konstruiert<br />
man mit Hilfe der folgenden l<strong>in</strong>earen Transformationen P , V <strong>und</strong> U e<strong>in</strong>e<br />
sogenannte Hilfsellipse (siehe Abb. 3.4):<br />
30 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
3.3 Die graphische Methode<br />
P stellt <strong>die</strong> Projektion aus der Bahnebene auf <strong>die</strong> Beobachtungsebene dar. Hierbei<br />
werden <strong>die</strong> Strecken a w auf a s , b w auf b s <strong>und</strong> c w auf c s abgebildet. Bei <strong>die</strong>ser Projektion<br />
werden alle W<strong>in</strong>kel verzerrt, aber parallele Strecken bleiben zue<strong>in</strong>ander<br />
parallel <strong>und</strong> Längenverhältnisse paralleler Strecken bleiben konstant. Diese Tatsache<br />
ermöglicht uns zunächst <strong>die</strong> Bestimmung von a s , b s <strong>und</strong> c s über folgenden<br />
Gedankengang:<br />
1. Der Mittelpunkt der wahren Ellipse wird auf den Mittelpunkt der sche<strong>in</strong>baren<br />
Bahn abgebildet.<br />
2. Der Brennpunkt der wahren Bahn <strong>in</strong> dem sich der e<strong>in</strong>e Stern bef<strong>in</strong>det,<br />
liegt im Ursprung des Koord<strong>in</strong>atensystems der sche<strong>in</strong>baren Bahn. Damit<br />
ist <strong>die</strong> Verb<strong>in</strong>dungsl<strong>in</strong>ie der Strecke Ursprung-Mittelpunkt der sche<strong>in</strong>baren<br />
Bahn <strong>die</strong> Projektion c s der l<strong>in</strong>earen Exzentrizität der wahren Bahn c w . Die<br />
Verlängerung <strong>die</strong>ser Strecke über den Mittelpunkt h<strong>in</strong>aus bis zum “Rand”<br />
der sche<strong>in</strong>baren Bahnellipse ist also gerade a s , <strong>die</strong> Projektion der der wahren<br />
großen Halbachse a w .<br />
3. Der W<strong>in</strong>kel zwischen den Projektionen b s <strong>und</strong> a s der wahren kle<strong>in</strong>en <strong>und</strong><br />
großen Halbachsen b w <strong>und</strong> a w wurde durch <strong>die</strong> Projektion P verzerrt, aber<br />
da <strong>die</strong> wahre kle<strong>in</strong>e Halbachse b w parallel ist zu der Tangente an <strong>die</strong> wahre<br />
Ellipse, an der Stelle, wo a w <strong>die</strong>se berührt, ist <strong>die</strong> Projektion b s parallel <strong>zur</strong><br />
der Tangente an <strong>die</strong> sche<strong>in</strong>bare Bahn an der Stelle wo a s <strong>die</strong>se berührt.<br />
Um jetzt aus den Elementen der sche<strong>in</strong>baren Bahn <strong>die</strong> Elemente der wahren Bahn<br />
erhalten be<strong>die</strong>nen wir uns folgender Hilfstransformation:<br />
Die Transformation V entspricht e<strong>in</strong>er Streckung der wahren Bahnellipse entlang<br />
der kle<strong>in</strong>en Halbachse b w um den Faktor k = a w /b w <strong>und</strong> bildet somit <strong>die</strong> wahre<br />
Ellipse auf e<strong>in</strong>en Kreis mit dem Radius a K = a w ab. Vektorkomponenten parallel<br />
zu a w bleiben hierbei unverändert, während Komponenten parallel zu b w um den<br />
Faktor k verlängert werden.<br />
Die Abbildung U transformiert nun <strong>die</strong> sche<strong>in</strong>bare Bahn auf das Bild, das <strong>die</strong>ser<br />
Kreis unter der Projektion P auf <strong>die</strong> Beobachtungsebene werfen würde. Sie entspricht<br />
also e<strong>in</strong>er Streckung der sche<strong>in</strong>baren Bahn parallel zu b s um den gleichen<br />
Faktor k. Man erhält e<strong>in</strong>e Hilfsellipse, deren große Halbachse a H genauso groß<br />
wie <strong>die</strong> große Halbachse der wahren Bahn a w ist, da <strong>die</strong>se Hilfsellipse ja genau<br />
der Projektion P e<strong>in</strong>es Kreises mit dem Radius a w <strong>in</strong> <strong>die</strong> Beobachtungsebene<br />
entspricht.<br />
Nachdem man <strong>die</strong> Vektoren a s , b s <strong>und</strong> c s ermittelt hat, läßt sich <strong>die</strong> Hilfsellipse<br />
durch U konstruieren:<br />
Ua s = P V P −1 a s = P V a w = P a w = a s<br />
Ub s = P V P −1 b s = P V b w = P kb w = kP b w = kb s<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 31
3 Bestimmung der Bahnelemente visueller Doppelsterne<br />
Abbildung 3.4: Darstellung der Transformationen P, V <strong>und</strong> P −1 . Es ist zu beachten,<br />
daß <strong>die</strong> Doppelsternbahn <strong>in</strong> der Papierebene <strong>in</strong> zwei verschiedenen<br />
Ebenen dargestellt wird: i) aus der Beobachterperspektive<br />
(sche<strong>in</strong>bare Bahn), ii) bei der orthogonalen Draufsicht (wahre<br />
Bahn).<br />
3.4<br />
Durchführung<br />
Zunächst werden alle Koord<strong>in</strong>aten, für <strong>die</strong> e<strong>in</strong> Gewicht ≥ 5 angegeben ist, aus der<br />
Tabelle auf Polarkoord<strong>in</strong>atenpapier übertragen (0.2 Bogensek<strong>und</strong>en entsprechen<br />
1cm) <strong>und</strong> samt Koord<strong>in</strong>atenkreuz auf Transparentpapier kopiert. Dabei bef<strong>in</strong>det<br />
sich <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e der beiden Komponenten im Koord<strong>in</strong>atenursprung. Durch Falten<br />
des Transparentpapiers längs der Achse der Ellipse läßt sich ihr Mittelpunkt (M)<br />
bestimmen. Die Strecke von M bis zum Brennpunkt liefert c s , <strong>die</strong> Projektion<br />
der l<strong>in</strong>earen Exzentrizität. Die Verlängerung <strong>die</strong>ser Strecke über M bis zum Ellipsenrand<br />
ergibt dann a s , <strong>die</strong> Projektion der wahren großen Halbachse a w auf<br />
<strong>die</strong> Beobachtungsebene. In den Schnittpunkt von a s mit der Ellipse wird e<strong>in</strong>e<br />
Tangente gelegt <strong>und</strong> durch den Mittelpunkt parallel verschoben, so daß man b s<br />
erhält (Strecke von M bis zum Schnittpunkt mit der Ellipse). Innerhalb der Ellipse<br />
werden ca. 20 Parallelen zu b s gezeichnet <strong>und</strong> um den berechneten Faktor<br />
32 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
3.4 Durchführung<br />
k verlängert. Durch <strong>die</strong> Endpunkte <strong>die</strong>ser Parallelen wird jetzt <strong>die</strong> Hilfsellipse<br />
gezeichnet. Nun lassen sich <strong>die</strong> neuen Halbachsen a H <strong>und</strong> b H bestimmen. Es gilt<br />
|⃗a H | = |⃗a K | = |⃗a w |.<br />
Fassen wir noch e<strong>in</strong>mal zusammen: aus der beobachtbaren, also sche<strong>in</strong>baren Bahn<br />
erhält man <strong>die</strong> Größen a s , b s <strong>und</strong> c s , aus denen das Achsenverhältnis k bestimmt<br />
wird. Mit Hilfe der Größe k läßt sich <strong>die</strong> Hilfsellipse konstruieren, <strong>die</strong> <strong>die</strong> große<br />
Halbachse der wahren Bahn a w sowie <strong>die</strong> Größe b H liefert. Daraus lassen sich<br />
schließlich <strong>die</strong> l<strong>in</strong>eare <strong>und</strong> numerische Exzentrizität, c w <strong>und</strong> e w sowie der Neigungsw<strong>in</strong>kel<br />
i zwischen wahrer <strong>und</strong> beobachtbarer Bahn berechnen.<br />
Bestimmung der Umlaufszeit 3.4.1<br />
Die Umlaufzeit T ermittelt man am besten mit Hilfe von e<strong>in</strong>igen Wertepaaren<br />
<strong>die</strong> annähernd gleiche Positionsw<strong>in</strong>kel haben.<br />
Bestimmung der Massensumme des Systems 3.4.2<br />
Die <strong>in</strong> der <strong>Astronomie</strong> übliche Längene<strong>in</strong>heit ist das parsec (pc). Sie entspricht<br />
der Entfernung, bei der der mittlere Erdbahnradius ( = 1.49598 · 10 13 cm =: 1<br />
AE (Astronomische E<strong>in</strong>heit)) unter e<strong>in</strong>em W<strong>in</strong>kel von 1 ′′ ersche<strong>in</strong>t.<br />
Folglich gilt:<br />
a w [AE] = d [AE] · a w [rad]<br />
=: d [pc] · a w [ ′′ ]<br />
Analog dazu lassen sich <strong>die</strong> anderen Parameter umrechnen.<br />
Der Abstand zu dem Doppelsternsystem ξUMa beträgt<br />
Für das Zweikörperproblem gilt immer:<br />
somit:<br />
d(ξUMa) = 8.0 pc.<br />
(M 1 + M 2 )T 2<br />
a 3<br />
= const.<br />
M 1 + M 2<br />
≃ M 1 + M 2 a<br />
= ( ) 3 T · ( ) −2 = (a[AE]) 3 · (T[yr]) −2 .<br />
M ⊙ M ⊙ + M Erde a Erde T Erde<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 33
3 Bestimmung der Bahnelemente visueller Doppelsterne<br />
34 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
Die Sternstromparallaxe am Beispiel der<br />
Hyaden<br />
4<br />
Aufgabe:<br />
Material:<br />
Aus den Koord<strong>in</strong>aten, den Eigenbewegungen <strong>und</strong> den Radialgeschw<strong>in</strong>digkeiten<br />
von 5 Hyaden-Sternen sollen der Konvergenzpunkt, <strong>die</strong> Haufengeschw<strong>in</strong>digkeit<br />
<strong>und</strong> <strong>die</strong> Entfernung der Haufensterne bestimmt werden.<br />
Koord<strong>in</strong>aten, Eigenbewegungen <strong>und</strong> Radialgeschw<strong>in</strong>digkeiten von 5 Hyaden-<br />
Sternen; zitiert nach:<br />
H.Schwan, 1990, Astronomy and Astrophysics, 228, 69.<br />
E<strong>in</strong>leitung 4.1<br />
In <strong>die</strong>ser Aufgabe widmen wir uns e<strong>in</strong>er der vielen Methoden, Entfernungen zu<br />
bestimmen, der Sternstromparallaxe. Diese Methode ermöglicht <strong>die</strong> Entfernungsbestimmung<br />
von jungen Sternhaufen. Sie wird am Beispiel der Hyaden vorgeführt.<br />
Die Hyaden s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong> Sternhaufen, d.h., e<strong>in</strong>e Ansammlung vieler Sterne, <strong>die</strong> alle<br />
<strong>zur</strong> gleichen Zeit aus e<strong>in</strong>er Wolke <strong>in</strong>terstellarer Materie entstanden s<strong>in</strong>d. Von<br />
den Hyaden s<strong>in</strong>d mittlerweile 350 Mitglieder bekannt. Da <strong>die</strong> Hyaden relativ nah<br />
s<strong>in</strong>d, kann man ihre Eigenbewegungen gut messen. Außerdem kann man ihre<br />
Entfernung durch mehrere vone<strong>in</strong>ander unabhängige Methoden bestimmen, so<br />
daß man z.B. <strong>die</strong> photometrischen Parallaxen, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e sehr große Reichweite<br />
haben, an ihnen eichen kann.<br />
Für <strong>die</strong> Sternstromparallaxe s<strong>in</strong>d sie vor allem deshalb gut geeignet, weil es sich<br />
um e<strong>in</strong>en sehr jungen Sternhaufen handelt, so daß sich <strong>die</strong> Sterne alle noch mit<br />
der gleichen Geschw<strong>in</strong>digkeit <strong>in</strong> <strong>die</strong>selbe Richtung bewegen.<br />
Die Sternstromparallaxe 4.2<br />
Wir betrachten zunächst <strong>die</strong> sche<strong>in</strong>bare Bahn e<strong>in</strong>es e<strong>in</strong>zelnen Sterns an der Himmelskugel.<br />
Obwohl sich <strong>die</strong> Sterne der Milchstraße sich im Wesentlichen um deren Zentrum<br />
bewegen, beobachtet man bei allen e<strong>in</strong>e Eigenbewegung µ (s. Abb 4.1). µ ist<br />
<strong>die</strong> Projektion der Tangentialgeschw<strong>in</strong>digkeit an <strong>die</strong> Himmelskugel. Mit Hilfe der<br />
Eigenbewegung <strong>und</strong> der Tangentialgeschw<strong>in</strong>digkeit kann man <strong>die</strong> Entfernung be-<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 35
4 Sternstromparallaxe<br />
rechnen:<br />
r = v tan<br />
µ<br />
(4.1)<br />
v r<br />
Stern<br />
λ<br />
v<br />
r<br />
v tan<br />
Richtung Vertex<br />
Beobachter<br />
λ<br />
µ<br />
Abbildung 4.1: Eigenbewegung e<strong>in</strong>es Sterns<br />
Die Eigenbewegung läßt sich i.a. gut beobachten. Dazu betrachtet man e<strong>in</strong>mal<br />
<strong>die</strong> Änderung µ δ der Dekl<strong>in</strong>ation <strong>und</strong> <strong>die</strong> Änderung µ α der Rektaszension. µ α<br />
beschreibt dabei <strong>die</strong> Änderung entlang des Äquators, (bei δ = 0). Die Änderung<br />
entlang des Breitenkreises, der durch den Stern verläuft, ist dann µ α cos δ<br />
(siehe Abb. 4.2). Da <strong>die</strong> Änderungen so kle<strong>in</strong> s<strong>in</strong>d, kann man sich µ α cos δ <strong>und</strong><br />
Nordpol<br />
µ<br />
µ δ<br />
S µ α cos δ<br />
θ obs<br />
δ<br />
µ α<br />
Äquator<br />
Abbildung 4.2: Bestimmung der Eigenbewegung des Sterns S<br />
µ δ tangential an <strong>die</strong> Himmelskugel denken, so daß sich der Satz des Pythagoras<br />
anwenden läßt:<br />
µ =<br />
√<br />
(µ α cos δ) 2 + µ 2 δ (4.2)<br />
Die Tangentialgeschw<strong>in</strong>digkeit dagegen ist nicht ohne weiteres beobachtbar. Da<br />
aber <strong>die</strong> Radialgeschw<strong>in</strong>digkeit mit Hilfe des Doppler-Effekts leicht zu bestimmen<br />
36 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
4.2 Die Sternstromparallaxe<br />
ist, kann man mit ihr <strong>und</strong> mit dem W<strong>in</strong>kel zwischen ihr <strong>und</strong> der Gesamtgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />
<strong>die</strong> Tangentialgeschw<strong>in</strong>digkeit berechnen:<br />
v tan = v r · tan λ<br />
Gl.(4.1)<br />
=⇒ r = vr·tan λ<br />
µ<br />
Gl.(4.2)<br />
=⇒ r =<br />
√<br />
v r·tan λ<br />
(µ α cos δ) 2 +µ 2 δ<br />
⇐⇒ r[pc] =<br />
4.738·<br />
v r[km/s]·tan λ<br />
√(µ α[ ′′ /a] cos δ) 2 +µ 2 δ· (4.3)<br />
In Gleichung (4.3) werden <strong>die</strong> <strong>in</strong> der <strong>Astronomie</strong> üblichen E<strong>in</strong>heiten verwendet,<br />
deshalb ersche<strong>in</strong>t der Umrechnungsfaktor 4,738.<br />
Bis hierher haben wir das Problem nur von der unbekannten Tangentialgeschw<strong>in</strong>digkeit<br />
v tan auf den unbekannten W<strong>in</strong>kel λ verlagert. Der W<strong>in</strong>kel λ ist für e<strong>in</strong>en<br />
E<strong>in</strong>zelstern nicht bestimmbar, da wir nur <strong>die</strong> Projektion der Geschw<strong>in</strong>digkeit an<br />
<strong>die</strong> Himmelskugel sehen, also <strong>die</strong> Richtung von v nicht kennen.<br />
Für <strong>die</strong> Sterne e<strong>in</strong>es Sternhaufens lassen sich λ <strong>und</strong> damit v tan sehr wohl bestimmen,<br />
weil wir e<strong>in</strong>e zusätzliche Information über <strong>die</strong> Richtung der Geschw<strong>in</strong>digkeit<br />
haben:<br />
E<strong>in</strong> Sternhaufen ist e<strong>in</strong>e Ansammlung vieler Sterne, <strong>die</strong> alle <strong>zur</strong> gleichen Zeit aus<br />
e<strong>in</strong>er Materiewolke entstanden s<strong>in</strong>d. Nimmt man an, daß der Sternhaufen, den<br />
man beobachtet, noch e<strong>in</strong>e Weile bestehen bleibt, kann man davon ausgehen, daß<br />
sich <strong>die</strong> Sterne alle <strong>in</strong> <strong>die</strong> gleiche Richtung bewegen <strong>und</strong> <strong>die</strong>selbe Geschw<strong>in</strong>digkeit<br />
haben. E<strong>in</strong>en Sternhaufen mit e<strong>in</strong>er solchen charakteristischen Bewegung nennt<br />
man Sternstrom (siehe Abb. 4.3).<br />
Da <strong>die</strong> Bewegung der Sterne an <strong>die</strong> Himmelskugel, also auf e<strong>in</strong>e zweidimensionale<br />
Fläche projiziert wird, sche<strong>in</strong>t ihre Bewegung auf e<strong>in</strong>en festen Punkt gerichtet,<br />
den sog. Vertex. Ähnliches kennt man von Eisenbahnschienen, <strong>die</strong> sich <strong>in</strong> der Ferne<br />
zu schneiden sche<strong>in</strong>en, obwohl sie immer parallel verlaufen. Man mache sich klar,<br />
daß jede beliebig große Strecke–sogar <strong>die</strong> Verb<strong>in</strong>dungsl<strong>in</strong>ie zwischen zwei Sternen<br />
e<strong>in</strong>es Sternhaufens– <strong>in</strong> “unendlich” großer Entfernung auf e<strong>in</strong>en Punkt zusammenschrumpft.<br />
Verlängert man also <strong>die</strong> parallelen Geschw<strong>in</strong>digkeitsvektoren der<br />
E<strong>in</strong>zelsterne e<strong>in</strong>es Sternhaufens <strong>in</strong> <strong>die</strong> Unendlichkeit, so laufen <strong>die</strong> Projektionen<br />
<strong>die</strong>ser gedachten Geraden an der Himmelskugel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Punkt, dem Vertex zusammen.<br />
Der entscheidende Punkt bei der Sternstromparallaxe ist nun folgende<br />
Überlegung: E<strong>in</strong>e Gerade, <strong>die</strong> parallel <strong>zur</strong> Haufengeschw<strong>in</strong>digkeit durch den Beobachter<br />
auf der Erde gelegt wird, läuft natürlich auf denselben Punkt an der<br />
Himmelskugel zu (wirklich!). Damit ist aber der oben gesuchte W<strong>in</strong>kel λ für jeden<br />
Stern, genau der W<strong>in</strong>kelabstand des Sterns vom Vertex an der Himmelskugel.<br />
Wenn man also <strong>die</strong> Koord<strong>in</strong>aten (A,D) des Vertex kennt, läßt sich der W<strong>in</strong>kel λ<br />
für jeden Stern e<strong>in</strong>fach mit Hilfe des Cos<strong>in</strong>us-Satzes berechnen:<br />
cos λ = s<strong>in</strong> δ · s<strong>in</strong> D + cos δ cos D cos(A − α) (4.4)<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 37
4 Sternstromparallaxe<br />
Abbildung 4.3: Sternstrom<br />
wobei (α, δ) <strong>die</strong> Koord<strong>in</strong>aten e<strong>in</strong>es Sterns des Sternhaufens s<strong>in</strong>d.<br />
Die Koord<strong>in</strong>aten (A,D) des Vertex lassen sich aus den beobachteten Sternpositionen<br />
<strong>und</strong> Eigenbewegungen berechnen.<br />
Bestimmt man auf <strong>die</strong>se Weise nun λ, so kann man mit Hilfe von Gleichung (4.3)<br />
<strong>die</strong> Entfernung e<strong>in</strong>es Sterns berechnen.<br />
Im nächsten Kapitel wird nun hergeleitet, wie <strong>die</strong> Vertex-Koord<strong>in</strong>aten berechnet<br />
werden können.<br />
4.3<br />
Vertexbestimmung<br />
Wir betrachten jetzt zunächst wieder e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zelnen Stern. Im letzten Kapitel<br />
hatten wir dessen Geschw<strong>in</strong>digkeit V lediglich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e radiale <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e tangentiale<br />
Komponente zerlegt. Jetzt wollen wir <strong>die</strong> Komponenten bezüglich des folgenden,<br />
begleitenden Dreibe<strong>in</strong>s darstellen:<br />
⃗α 0 = − s<strong>in</strong> α ⃗x 0 + cos α ⃗y 0 (4.5)<br />
⃗ δ<br />
0<br />
= − s<strong>in</strong> δ cos α ⃗x 0 − s<strong>in</strong> δ s<strong>in</strong> α ⃗y 0 + cos δ ⃗z 0 (4.6)<br />
⃗r 0 = + cos δ cos α ⃗x 0 + cos δ s<strong>in</strong> α ⃗y 0 + s<strong>in</strong> δ ⃗z 0 (4.7)<br />
sowie bezüglich e<strong>in</strong>es weiteren festen Koord<strong>in</strong>atensystems Σ, das se<strong>in</strong>en Ursprung<br />
<strong>in</strong> der Sonne hat <strong>und</strong> für dessen Achsen gilt:<br />
38 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
4.3 Vertexbestimmung<br />
x-Achse: zeigt <strong>in</strong> Richtung (α, δ)=(0 h ,0 ◦ )<br />
y-Achse: zeigt <strong>in</strong> Richtung (α, δ)=(6 h ,0 ◦ )<br />
z-Achse: zeigt zum Nordpol<br />
Abbildung 4.4: Koord<strong>in</strong>atensystem Σ <strong>und</strong> begleitendes Dreibe<strong>in</strong><br />
Die Komponenten von V bezüglich Σ s<strong>in</strong>d:<br />
V x = V cos D cos A (4.8)<br />
V y = V cos D s<strong>in</strong> A (4.9)<br />
V z = V s<strong>in</strong> D (4.10)<br />
Damit folgt dann für <strong>die</strong> Komponenten bezüglich des begleitenden Dreibe<strong>in</strong>s:<br />
V α = ⃗ V · ⃗α 0 = −V x s<strong>in</strong> α + V y cos α (4.11)<br />
V δ = ⃗ V · ⃗δ 0 = −V x s<strong>in</strong> δ cos α − V y s<strong>in</strong> δ s<strong>in</strong> α + V z cos δ (4.12)<br />
V r = ⃗ V · ⃗r 0 = +V x cos δ cos α + V y cos δ s<strong>in</strong> α + V z s<strong>in</strong> δ (4.13)<br />
Aus den Gleichungen (4.8)–(4.10) ist ersichtlich, daß es reicht, V x /V z <strong>und</strong> V y /V z<br />
zu kennen, um A <strong>und</strong> D zu berechnen. Das soll im Folgenden hergeleitet werden.<br />
Für V α <strong>und</strong> V δ gilt:<br />
V α = r · µ α cos δ (4.14)<br />
V δ = r · µ δ (4.15)<br />
wobei r <strong>die</strong> Entfernung des Sterns ist.<br />
Setzt man nun <strong>die</strong> Gleichungen (4.14) <strong>und</strong> (4.15) <strong>in</strong> (4.11) <strong>und</strong> (4.12) e<strong>in</strong> <strong>und</strong><br />
divi<strong>die</strong>rt <strong>die</strong>se durch e<strong>in</strong>ander, so erhält man:<br />
V α<br />
V δ<br />
=<br />
−V x s<strong>in</strong> α + V y cos α<br />
−V x s<strong>in</strong> δ cos α − V y s<strong>in</strong> δ s<strong>in</strong> α + V z cos δ = µ α cos δ<br />
µ δ<br />
⇔<br />
− V x<br />
V z<br />
· s<strong>in</strong> α · µ δ + V y<br />
V z<br />
· cos α · µ δ<br />
= − V x<br />
V z<br />
· s<strong>in</strong> δ cos α · µ α cos δ − V y<br />
V z<br />
· s<strong>in</strong> δ s<strong>in</strong> α · µ α cos δ + µ α cos 2 δ<br />
(4.16)<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 39
4 Sternstromparallaxe<br />
Mit folgenden Abkürzungen kann man <strong>die</strong>se Gleichung auf e<strong>in</strong>e recht übersichtliche<br />
Form br<strong>in</strong>gen. Mit<br />
gilt dann:<br />
ξ := V x<br />
V z<br />
(= cos A<br />
tan D ) (4.17)<br />
η := V y<br />
(= s<strong>in</strong> A<br />
V z tan D ) (4.18)<br />
a := µ α s<strong>in</strong> δ cos δ cos α − µ δ s<strong>in</strong> α<br />
b := µ α s<strong>in</strong> δ cos δ s<strong>in</strong> α + µ δ cos α<br />
c := µ α cos 2 δ<br />
(4.19)<br />
=⇒ a ξ + b η − c = 0 (4.20)<br />
a, b, c s<strong>in</strong>d bekannt, ξ <strong>und</strong> η werden gesucht. Wir haben aber mit Gleichung<br />
(4.20) leider nur e<strong>in</strong>e Gleichung für zwei Unbekannte, <strong>die</strong> aber für jeden Stern<br />
e<strong>in</strong>zeln gilt.<br />
Hier nutzen wir nun <strong>die</strong> Tatsache, daß wir viele Sterne <strong>zur</strong> Verfügung haben <strong>und</strong><br />
gehen mit der statistischen Methode der kle<strong>in</strong>sten Quadrate an <strong>die</strong>ses Problem<br />
heran:<br />
Bisher s<strong>in</strong>d wir davon ausgegangen, daß sich alle Mitglieder des Sternhaufens<br />
mit der gleichen Geschw<strong>in</strong>digkeit <strong>in</strong> <strong>die</strong>selbe Richtung bewegen–nur dann treffen<br />
sich <strong>die</strong> Projektionen aller sche<strong>in</strong>baren Bahnen tatsächlich im Vertex (A,D). In<br />
der Realität werden aber zufällig verteilte Abweichungen festzustellen se<strong>in</strong>. Das<br />
bedeutet nichts weiter, als daß <strong>die</strong> rechte Seite von Gleichung (4.20):<br />
q := aξ + bη − c im allgeme<strong>in</strong>en ungleich Null se<strong>in</strong> wird.<br />
Die wahrsche<strong>in</strong>lichsten Werte von ξ <strong>und</strong> η erhält man, <strong>in</strong>dem man <strong>die</strong> Summe Q<br />
der quadratischen Abweichungen q i<br />
n∑<br />
Q = qi 2 (4.21)<br />
m<strong>in</strong>imiert. Es muß dann gelten:<br />
∂Q<br />
∂ξ<br />
i=1<br />
= 0 <strong>und</strong><br />
∂Q<br />
∂η = 0 (4.22)<br />
Die Differentiation von (4.22) führt auf folgende Bed<strong>in</strong>gungsgleichungen:<br />
[aa] ξ + [ab] η = [ac]<br />
[ba] ξ + [bb] η = [bc] (4.23)<br />
wobei <strong>die</strong> eckigen Klammern jeweils für <strong>die</strong> Summen stehen:<br />
n∑<br />
[xy] := x i y i<br />
i=1<br />
40 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
4.4 Genauigkeit der Methode<br />
Das Gleichungssystem (4.23) hat <strong>die</strong> Lösung:<br />
η =<br />
ξ =<br />
[bc] −<br />
[ab]·[ac]<br />
[aa]<br />
[bb] − [ab]2<br />
[aa]<br />
[ac] − [ab] · η<br />
[aa]<br />
(4.24)<br />
(4.25)<br />
Mit den Gleichungen (4.8), (4.9) <strong>und</strong> (4.10) lassen sich dann A <strong>und</strong> D berechnen.<br />
Genauigkeit der Methode 4.4<br />
Um <strong>die</strong> Entfernung bestimmen zu können, haben wir <strong>die</strong> Annahme gemacht, daß<br />
sich alle Sterne des Sternhaufens mit der gleichen Geschw<strong>in</strong>digkeit <strong>in</strong> <strong>die</strong>selbe<br />
Richtung bewegen. Die Frage ist nun, ob <strong>die</strong>se Annahme gerechtfertigt ist. Wir<br />
s<strong>in</strong>d hier <strong>in</strong> der glücklichen Lage, das überprüfen zu können: Es gibt hier e<strong>in</strong>en<br />
W<strong>in</strong>kel θ, den man e<strong>in</strong>mal mit <strong>die</strong>ser Annahme berechnen kann <strong>und</strong> andererseits<br />
direkt aus den Beobachtungsdaten erhält: der W<strong>in</strong>kel zwischen den L<strong>in</strong>ien Stern-<br />
Nordpol <strong>und</strong> Stern Vertex. In Abbildung 4.2 ist der W<strong>in</strong>kel θ obs , den man aus den<br />
Beobachtungsdaten erhält, bereits e<strong>in</strong>gezeichnet. Er ergibt sich damit aus:<br />
cos θ obs = µ δ<br />
µ<br />
(4.26)<br />
Für den zu berechnenden W<strong>in</strong>kel θ calc sieht <strong>die</strong> Situation folgendermaßen aus:<br />
Wendet man den Cos<strong>in</strong>us-Satz für 90 ◦ − D an, so erhält man:<br />
Nordpol<br />
A- α<br />
90°-D<br />
90°-δ<br />
Vertex(A,D)<br />
Beobachter<br />
λ<br />
Stern<br />
(α,δ)<br />
λ<br />
θ calc<br />
Abbildung 4.5: Berechnung von θ calc<br />
cos θ calc =<br />
s<strong>in</strong> D − cos λ · s<strong>in</strong> δ<br />
s<strong>in</strong> λ · cos δ<br />
(4.27)<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 41
4 Sternstromparallaxe<br />
Nr. α δ µ α cos δ µ δ v r<br />
[h m s] [ ◦ , ′ ] [0.001 ′′ /yr] [0.001 ′′ /yr] [km/s]<br />
1 3 50 18 17 10 148.5 -29.8 35.0<br />
2 4 12 56 15 16 117.4 -24.5 36.9<br />
3 4 26 02 12 56 107.4 -15.6 33.4<br />
4 4 36 25 15 49 86.4 -18.1 36.9<br />
5 4 48 27 18 45 84.3 -34.5 38.5<br />
Tabelle 4.1: Koord<strong>in</strong>aten, Eigenbewegungen <strong>und</strong> Radialgeschw<strong>in</strong>digkeiten e<strong>in</strong>iger<br />
Hyadensterne<br />
Durchführung 4.5<br />
Meßungenauigkeit der Eigenbewegungen: 0.002 ′′ /yr<br />
[aa] = 11954.04 [ab] = 5270.80 [ac] = 31159.64<br />
[ba] = [ab] [bb] = 2684.98 [bc] = 17162.18<br />
1. Berechne <strong>die</strong> Vertex-Koord<strong>in</strong>aten mit Hilfe der Gleichungen (4.24), (4.25),<br />
(4.17) <strong>und</strong> (4.18)! Man beachte dabei, daß A e<strong>in</strong>en Wert zwischen 0 ◦ <strong>und</strong><br />
360 ◦ annehmen kann, während der Wertebereich der Arcus-Tangens-Funktion<br />
von −90 ◦ bis +90 ◦ läuft. Wie läßt sich <strong>die</strong> Doppeldeutigkeit des Ergebnisses<br />
<strong>in</strong>terpretieren? Wie entscheidet man, welches der korrekte Wert ist?<br />
2. Berechnen Sie damit <strong>und</strong> mit Gleichung (4.4) <strong>die</strong> λ[ ◦ ]-Werte für jeden der<br />
<strong>in</strong> der Tabelle aufgeführten Sterne!<br />
3. Berechne nun mit Hilfe der Gleichungen (4.1) bis (4.3) v tan [km/s], v[km/s],<br />
µ[0, 001 ′′ /a] <strong>und</strong> r[pc] für jeden Stern!<br />
4. Überprüfen Sie nun, <strong>die</strong> Genauigkeit der Methode, <strong>in</strong> dem Sie mit den<br />
Gleichungen (4.26) <strong>und</strong> (4.27) θ obs , θ calc sowie △θ =| θ obs −θ calc | berechnen.<br />
Werten Sie Ihr Ergebnis ausführlich aus!!!<br />
5. Berechne den Mittelwert, <strong>die</strong> Standardabweichung, sowie <strong>die</strong> absoluten <strong>und</strong><br />
relativen Fehler von v <strong>und</strong> r. Werte <strong>die</strong>ses Ergebnis ausführlich aus!!!<br />
Es gilt:<br />
1<br />
n∑<br />
Mittelwert: ¯x = x i ,<br />
n<br />
i=1<br />
Standardabweichung: σ x = √ 1 n∑<br />
(x i − ¯x)<br />
n − 1<br />
,<br />
i=1<br />
absoluter Fehler: ∆x i = x i − ¯x,<br />
relativer Fehler =<br />
∆x i<br />
¯x<br />
42 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
Klassifikation von Sternspektren aus<br />
Objektivprismenaufnahmen<br />
5<br />
Aufgabe: Grobe Klassifikation von Sternspektren nach Harvard. Aus den Aufnahmen sollen<br />
durch Vergleich mit dem Bonner Spektralatlas <strong>die</strong> Spektraltypen möglichst<br />
genau bestimmt werden. Für jeden Stern soll e<strong>in</strong>e kurze Beschreibung der<br />
auffälligsten Klassifikationsmerkmale gegeben werden.<br />
Material: Objektivprismenaufnahmen von 4 Sternen, mit e<strong>in</strong>er ursprünglichen Dispersion<br />
von etwa 100Å/mm. Vergleichsaufnahmen aus dem Bonner Spektralatlas I <strong>und</strong><br />
dem Atlas of Representative Stellar Spectra.<br />
Literatur: [1] Kap. IV, § 2; Kap. V, §§ 1, 2<br />
[4] Kap. 4, <strong>in</strong>sbes. 4.5<br />
[5] Kap. I, § 2; Kap. IV, § 1; Kap. V, § 2<br />
[6] Kap. 5<br />
<strong>E<strong>in</strong>führung</strong> 5.1<br />
Spektralklassifikationen 5.1.1<br />
Um <strong>die</strong> Vielzahl von beobachtbaren Sternen zuordnen zu können, klassifiziert<br />
man sie nach ihren Spektren. Als Spektralklassifikation bezeichnet man dabei <strong>die</strong><br />
E<strong>in</strong>ordnung der Sternspektren <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er oder mehreren Dimensionen, <strong>die</strong> bestimmten<br />
Zustandsgrößen der Sterne entsprechen. Diese s<strong>in</strong>d:<br />
Temperatur, Druck <strong>und</strong> chemische Zusammensetzung.<br />
Je nachdem wieviele Zustandsgrößen man berücksichtigt, spricht man von e<strong>in</strong>bzw.<br />
mehrdimensionalen Spektren. Die Anordnung erfolgt <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Aufgabe phänomenologisch<br />
nach dem Aussehen des L<strong>in</strong>ienspektrums.<br />
• Die bekannteste Klassifikation ist <strong>die</strong> von Harvard, niedergelegt im Henry-<br />
Draper-Katalog. 225 300 Sterne s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem System klassifiziert <strong>und</strong> weitere<br />
133 000 Sterne bef<strong>in</strong>den sich <strong>in</strong> späteren Erweiterungen <strong>die</strong>ses Kataloges.<br />
Der Henry-Draper-Katalog benutzt als Gr<strong>und</strong>lage für <strong>die</strong> Spektralklassifikation<br />
Objektivprismenspektren. Dies s<strong>in</strong>d Aufnahmen mit mittleren<br />
Teleskopen, d.h. mit e<strong>in</strong>er Objektivöffnung von 40–60cm Durchmesser, vor<br />
deren Objektivl<strong>in</strong>se sich e<strong>in</strong> Prisma bef<strong>in</strong>det, das für jeden Stern auf der<br />
Aufnahme e<strong>in</strong> Spektrum produziert. Objektivprismenspektren werden vorzugsweise<br />
mit Schmidt-Teleskopen aufgenommen, weil <strong>die</strong> optische Abbil-<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 43
5 Spektralklassifikation<br />
dung entlang des gesamten erzeugten Spektrums im Fokus bleibt, was sonst<br />
nicht der Fall ist. Der Nachteil der Harvardklassifikation ist, daß sie von<br />
e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>heitlichen chemischen Zusammensetzung ausgeht <strong>und</strong> auch ke<strong>in</strong>e<br />
Unterschiede <strong>in</strong> der Leuchtkraft (Druck) macht. Sie ist als e<strong>in</strong>dimensionale<br />
Klassifikation im Wesentlichen nur e<strong>in</strong>e Charakterisierung der Temperatur<br />
(Ionisations- <strong>und</strong> Besetzungstemperatur) <strong>in</strong> der Sternatmosphäre.<br />
Abbildung 5.1: Strahlengang durch e<strong>in</strong> Prisma<br />
• Für e<strong>in</strong>e genauere, hier zweidimensionale Klassifikation hat man auch <strong>die</strong><br />
Leuchtkraft des Sterns zu betrachten, da zwei Sterne gleicher effektiver Temperatur<br />
(siehe auch Schwarzkörperstrahlung) sehr unterschiedliche Leuchtkräfte<br />
besitzen können.Diesen zweiten Parameter führt das Yerkes- oder<br />
Morgan-Keenan-System (MK-System) e<strong>in</strong>. Es ist <strong>die</strong> sog. Leuchtkraftklasse<br />
welche im wesentlichen e<strong>in</strong> Maß für den Elektronendruck <strong>in</strong> der Sternatmosphäre<br />
darstellt.<br />
• Drei- <strong>und</strong> mehrdimensionale Systeme berücksichtigen auch noch <strong>die</strong> evtl.<br />
unterschiedliche chemische Zusammensetzung der Sterne.<br />
Harvard <strong>und</strong> MK s<strong>in</strong>d heute <strong>die</strong> gebräuchlichsten Systeme. MK hat bereits über<br />
10.000 klassifizierte Sterne.<br />
5.2<br />
Gr<strong>und</strong>lagen: Was ist Strahlung?<br />
Strahlung nennt man <strong>die</strong> räumliche Ausbreitung von Energie <strong>in</strong> Form von Wellen<br />
oder Teilchen. Zur Wellenstrahlung gehören u.a. <strong>die</strong> elektromagnetische (z.B.<br />
sichtbares Licht, Radiowellen, Röntgenstahlung) <strong>und</strong> <strong>die</strong> akustische Strahlung<br />
(Schallwellen). Zur Teilchenstrahlung zählt beispielsweise <strong>die</strong> radioaktive α- <strong>und</strong><br />
β-Strahlung.<br />
Elektromagnetische Strahlung setzt sich aus zeitlich <strong>und</strong> räumlich periodisch veränderlichen<br />
elektrischen <strong>und</strong> magnetischen Feldern zusammen, <strong>die</strong> senkrecht zue<strong>in</strong>ander<br />
schw<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> sich mit Lichtgeschw<strong>in</strong>digkeit durch den Raum ausbreiten.<br />
44 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
5.2 Gr<strong>und</strong>lagen: Was ist Strahlung?<br />
Bei den Sternen ist man besonders an dem Zusammenhang zwischen se<strong>in</strong>er Oberflächentemperatur<br />
<strong>und</strong> der von ihm <strong>in</strong> den verschiedenen Bereichen des elektromagnetischen<br />
Spektrums ausgestrahlten Energie <strong>in</strong>teressiert.<br />
Schwarzkörperstrahlung 5.2.1<br />
Heiße Körper senden aufgr<strong>und</strong> ihrer Temperatur elektromagnetische Strahlung<br />
aus. Bei Temperaturen unter e<strong>in</strong>igen 100K handelt es sich bei der emittierten<br />
Strahlung überwiegend um <strong>in</strong>frarotes Licht oder sogenannte Wärmestrahlung.<br />
Schwarzkörperstrahlung ist völlig unabhängig von der chemischen Zusammensetzung<br />
des Körpers, sie hängt nur von se<strong>in</strong>er Oberflächentemperatur ab <strong>und</strong><br />
ist <strong>in</strong>tensitätsmäßig <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er bestimmten Weise über alle Wellenlängenbereiche<br />
verteilt (kont<strong>in</strong>uierliches Spektrum – siehe auch Abb. 5.2: Plancksche Strahlungskurve).<br />
Die über alle Frequenzen ausgestrahlte Gesamtenergie ist nach dem<br />
Stefan-Boltzmann-Gesetz proportional zu T 4 . Vergleicht man <strong>die</strong> zu verschiedenen<br />
Oberflächentemperaturen gehörenden spektralen Intensitätskurven heißer<br />
Körper mite<strong>in</strong>ander, so stellt man fest, daß das Intensitätsmaximum der Strahlung<br />
bei um so kürzeren Wellenlängen liegt, je höher <strong>die</strong> Temperatur (Wiensches<br />
Verschiebungsgesetz).<br />
Unter der Effektivtemperatur e<strong>in</strong>es Sterns versteht man <strong>die</strong> Temperatur, <strong>die</strong> e<strong>in</strong><br />
Schwarzer Körper hätte, wenn er <strong>die</strong> gleiche Gesamtenergie (pro cm 2 ) wie der<br />
Stern ausstrahlen würde.<br />
Abbildung 5.2: Planck’ sche Strahlungsverteilung<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 45
5 Spektralklassifikation<br />
Abbildung 5.3: Entstehung von a) Emissions- <strong>und</strong> b) Absorptionsl<strong>in</strong>ien<br />
5.2.2<br />
Elektromagnetische Strahlung<br />
Wie entsteht e<strong>in</strong> Spektrum?<br />
Elektromagnetische Strahlung wird emittiert oder absorbiert, wenn Elektronen <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em Atom bzw. Molekül von e<strong>in</strong>em Energieniveau <strong>in</strong> e<strong>in</strong> anderes übergehen. Die<br />
dabei auftretende Energiedifferenz ∆E entspricht e<strong>in</strong>er bestimmten Frequenz,<br />
∆E = h · ν<br />
<strong>die</strong> <strong>in</strong> dem zugehörigen Spektrum zu e<strong>in</strong>er Spektrall<strong>in</strong>ie Anlaß gibt. Jedes Element<br />
bzw. Molekül erzeugt e<strong>in</strong> charakteristisches L<strong>in</strong>ienspektrum. E<strong>in</strong>e gesetzmäßige<br />
Folge von L<strong>in</strong>ien bezeichnet man als Serie. Am Bekanntesten s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Absorptionsl<strong>in</strong>ien<br />
der Balmerserie des angeregten Wasserstoffs, sie spielen <strong>in</strong> der Spektralklassifikation<br />
e<strong>in</strong>e bedeutende Rolle.<br />
Entstehung der L<strong>in</strong>ien<br />
E<strong>in</strong> heißes Gas produziert bei niedrigem Druck e<strong>in</strong> Emissionsspektrum, das aus<br />
diskreten L<strong>in</strong>ien charakteristischer Energien bzw. Wellenlängen (siehe oben) besteht.<br />
Wird das Gas abgekühlt <strong>und</strong> von weißem Licht durchlaufen, das alle Wellenlängen<br />
enthält, so s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> dem kont<strong>in</strong>uierlichen Spektrum der Lichtquelle dunkle<br />
Absorptionsl<strong>in</strong>ien derselben Wellenlänge zu sehen.<br />
Bei niedrigen Temperaturen bef<strong>in</strong>den sich <strong>die</strong> meisten Atome bzw. Elektronen <strong>in</strong><br />
ihrem tiefsten Energiezustand, dem Gr<strong>und</strong>zustand. Höhere Energieniveaus s<strong>in</strong>d<br />
angeregte Zustände. Der Übergang von e<strong>in</strong>em niedrigeren <strong>in</strong> e<strong>in</strong> höheres Energieniveau<br />
wird Anregung genannt. Die Aufnahme von Energie entspricht der Absorption<br />
e<strong>in</strong>es Photons <strong>und</strong> gibt im kont<strong>in</strong>uierlichen Spektrum Anlaß zu e<strong>in</strong>er<br />
46 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
5.3 Klassifikationskriterien<br />
dunklen diskreten L<strong>in</strong>ie. Kehrt das durch hohe Energien angeregte Elektron auf<br />
e<strong>in</strong> tieferes Energieniveau <strong>zur</strong>ück, spricht man von Emission. Verläßt das Elektron<br />
durch Zufuhr von ausreichender Energie den Atomverband, so spricht man<br />
von e<strong>in</strong>em geb<strong>und</strong>en-freien Übergang, auch Ionisation genannt. Der umgekehrte<br />
Prozeß, bei dem e<strong>in</strong> Atom e<strong>in</strong> freies Elektron e<strong>in</strong>fängt, ist <strong>die</strong> Rekomb<strong>in</strong>ation<br />
oder der frei-geb<strong>und</strong>ene Übergang. Wird e<strong>in</strong> freies Elektron an e<strong>in</strong>em Kern oder<br />
Ion gestreut, ohne e<strong>in</strong>gefangen zu werden, so kann <strong>die</strong> elektromagnetische Wechselwirkung<br />
<strong>die</strong> k<strong>in</strong>etische Energie des Elektrons ändern <strong>und</strong> frei-freie Strahlung<br />
erzeugen.<br />
Abbildung 5.4: L<strong>in</strong>ien- Übergänge<br />
Die genaue Form e<strong>in</strong>er Spektrall<strong>in</strong>ie bezeichnet man als L<strong>in</strong>ienprofil. Die wahre<br />
L<strong>in</strong>ienkontur gibt <strong>die</strong> Eigenschaften der Sternatmosphäre wieder, das beobachtete<br />
Profil h<strong>in</strong>gegen wird auch durch das Meß<strong>in</strong>strument verbreitert. Die Gesamtabsorption<br />
<strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er L<strong>in</strong>ie, <strong>die</strong> im allgeme<strong>in</strong>en über deren Äquivalentbreite<br />
ausgedrückt wird, ist gegenüber Beobachtungseffekten weniger empf<strong>in</strong>dlich. Die<br />
Äquivalentbreite ist <strong>die</strong> Breite e<strong>in</strong>er absolut dunklen, rechteckigen L<strong>in</strong>ie, <strong>die</strong> derselben<br />
Gesamtabsorption entspricht wie <strong>die</strong> der beobachteten L<strong>in</strong>ie. In Abb. 5.6<br />
s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Äquivalentbreiten e<strong>in</strong>iger der für <strong>die</strong> verschiedenen Spektralklassen wichtigen<br />
Spektrall<strong>in</strong>ien aufgetragen.<br />
Klassifikationskriterien 5.3<br />
Klassifikationskriterien s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Stärken bestimmter L<strong>in</strong>ien (z.B. <strong>die</strong> Wasserstoffl<strong>in</strong>ien<br />
der Balmerserie), <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Folge verschiedener Spektraltypen h<strong>in</strong>durch<br />
variieren, wie es das Schema unten zeigt. Für <strong>die</strong> e<strong>in</strong>deutige Zuordnung e<strong>in</strong>es<br />
Sternspektrums reicht <strong>die</strong> Beurteilung der Balmerserie des Wasserstoffs jedoch<br />
nicht aus, da es B- <strong>und</strong> F-Sterne mit gleichstarken Wasserstoffl<strong>in</strong>ien gibt. Dazu<br />
zieht man u.a. <strong>die</strong> relative Stärke der H- <strong>und</strong> K-L<strong>in</strong>ien des ionisierten Calciums<br />
heran, sowie <strong>die</strong> des G-Bandes (CH 2 - Moleküll<strong>in</strong>ienserie).<br />
Die nun folgenden Typen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> sich noch e<strong>in</strong>mal dezimal unterteilt<br />
(z.B. B0-B9 etc.).<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 47
5 Spektralklassifikation<br />
Typ O: Bläuliche Sterne, Atmosphärentemperatur 20 000 − 30 000 K. Das Spektrum<br />
enthält aufgr<strong>und</strong> der hohen Temperatur L<strong>in</strong>ien von mehrfach ionisierten<br />
Atomen wie He II, C III, N III, O III, Si V. He I ist erkennbar, <strong>die</strong><br />
H I-L<strong>in</strong>ien s<strong>in</strong>d schwach. Mit abnehmender Temperatur nimmt <strong>die</strong> Intensität<br />
von He II ab, während <strong>die</strong> von He I zunimmt.<br />
Hilfreich <strong>zur</strong> genauen Klassifikation s<strong>in</strong>d das Verhältnis von He II(λ4541)<br />
zu He I(λ4471) sowie <strong>die</strong> Stärken der L<strong>in</strong>ien H γ (λ4340), Si IV (λ4089), C<br />
III (λ4068,λ4647,λ4651)<br />
Typ B: Bläulich-weiße Sterne, Atmosphärentemperatur etwa 15 000 K. Die He II-<br />
L<strong>in</strong>ien s<strong>in</strong>d verschw<strong>und</strong>en. Die He I-L<strong>in</strong>ien s<strong>in</strong>d am stärksten bei B2, werden<br />
dann schwächer <strong>und</strong> verschw<strong>in</strong>den bei B9. Die H I-L<strong>in</strong>ien werden stärker,<br />
O II-, Si II- <strong>und</strong> Mg II-L<strong>in</strong>ien s<strong>in</strong>d sichtbar. Zur genauen Klassifikation helfen:<br />
B0-B2: Verhältnis Si III (λ4552)/Si IV (λ4089)<br />
B3-B4: Si II (λ4128-30)/He I (λ4121)<br />
B5-B8: Si II (λ4128-30)/He I (λ4144)<br />
B8-B9: Mg II (λ4481)/He I (λ4471)<br />
Typ A: Weiße Sterne, Atmosphärentemperatur etwa 9000 K. Die H I-L<strong>in</strong>ien s<strong>in</strong>d<br />
bei A0 sehr stark <strong>und</strong> bestimmen das gesamte Spektrum. Die K-L<strong>in</strong>ie des<br />
Ca II ersche<strong>in</strong>t ab A2, He I ist nicht länger sichtbar. Zur Fe<strong>in</strong>unterscheidung:<br />
A0-A7: Mg II (λ4481)/Fe I (λ4385)<br />
A5-A7: Mg II (λ4481)/Fe I (λ4416)<br />
A3-F0: Ca I (λ4227)/Mg II(λ4481) <strong>und</strong> Fe I (λ4045)/He I(λ4471)<br />
Typ F: Gelblich-weiße Sterne, Atmosphärentemperatur etwa 7000 K. Die Stärke<br />
der H I-L<strong>in</strong>ien nimmt ab, <strong>die</strong> der H- <strong>und</strong> K- L<strong>in</strong>ien des Ca II nehmen zu.<br />
Metall<strong>in</strong>ien wie Fe I, Fe II, Cr II <strong>und</strong> Ti II werden klar erkennbar. Fe<strong>in</strong>unterscheidung<br />
durch:<br />
Fe II (λ4045)/H δ (λ4101), Mn I (λ4030-34)/Si II (λ4128-32), Ca I λ(4226)/H γ (λ4340),<br />
Ca I (λ4226)/Mg II (λ4481)<br />
Typ G: Gelbliche Sterne wie <strong>die</strong> Sonne, Atmosphärentemperatur etwa 5500 K.<br />
Die H I-L<strong>in</strong>ien werden immer schwächer, <strong>die</strong> H- <strong>und</strong> K-L<strong>in</strong>ien s<strong>in</strong>d sehr<br />
stark, am stärksten bei G0. Zahlreiche Metall<strong>in</strong>ien. Die G-Bande ist deutlich<br />
sichtbar. In Riesensternen sieht man CN-L<strong>in</strong>ien. Fe<strong>in</strong>unterscheidung<br />
durch:<br />
G0-G4: Fe I (λ4045)/H δ (λ4101), Fe I (λ4143)/H δ (λ4101), Fe I (λ4381)/H γ (λ4340),<br />
Fe I (λ4921)/H β (λ4861)<br />
ab G5: Ca I (λ4226)/H δ (λ4101), Cr I (λ4254)/Fe I (λ4250)<br />
Typ K: Orange-gelbliche Sterne, Atmosphärentemperatur etwa 4000 K. das Spek-<br />
48 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
5.4 Durchführung der Aufgabe<br />
trum wird von Metall<strong>in</strong>ien bestimmt, <strong>die</strong> H I-L<strong>in</strong>ien s<strong>in</strong>d unwesentlich. Die<br />
Ca I-L<strong>in</strong>ie ist deutlich erkennbar. Starke H- <strong>und</strong> K-L<strong>in</strong>ien <strong>und</strong> G-Bande.<br />
TiO-Banden ersche<strong>in</strong>en ab K5. Fe<strong>in</strong>unterscheidung durch:<br />
Cr I (λ4254)/Fe I (λ4260), Ti I (λ3999)/Fe I (λ4005), Fe I (λ4144)/H δ (λ4101),<br />
Ca I (λ4226)/Fe I (λ4250)<br />
Typ M: Rötliche Sterne, Atmosphärentemperatur etwa 3000 K. Die TiO-Banden<br />
werden stärker. Ca I ist sehr stark. Viele L<strong>in</strong>ien neutraler Metalle. Das G-<br />
Band ist sichtbar, ebenso zahlreiche Moleküll<strong>in</strong>ien. Zur Fe<strong>in</strong>unterscheidung:<br />
Intensitäten von TiO-Banden bei λλ4953,5167,7054,7126<br />
ab M2: TiO-Banden bei λλ4584,4761,5448,6158<br />
ab M3: TiO-Banden bei λ4761 gesättigt, ab M4: CaOH-Band bei λ5500-<br />
5560<br />
Abbildung 5.5: Klassifikationsschema<br />
Durchführung der Aufgabe 5.4<br />
Ordnen Sie <strong>die</strong> Sternspektren mit Hilfe des groben Klassifikationsschemas, der differenzierteren<br />
Klassifikationskriterien <strong>und</strong> den Aufnahmen aus den beiden Spektralatlanten<br />
durch Vergleich e<strong>in</strong>em Spektraltypen zu. Begründen Sie Ihre Zuordnung,<br />
<strong>in</strong>dem Sie das jeweilige Spektrum beschreiben!<br />
Vorsicht: Bei e<strong>in</strong>er Wellenlänge können durchaus mehrere verschiedene L<strong>in</strong>ien<br />
liegen!<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 49
5 Spektralklassifikation<br />
E<strong>in</strong>ige der wichtigsten L<strong>in</strong>ien 5.5<br />
Element L<strong>in</strong>ie Wellenlänge λ/[Å]<br />
Wasserstoff Hβ 4861<br />
Hγ 4340<br />
Hδ 4101<br />
Hε 3970<br />
Helium HeI 5047<br />
5015<br />
4913<br />
4713<br />
4471<br />
HeII 4859<br />
4686<br />
4541<br />
Kalzium I 4226<br />
Kalzium II H 3968<br />
K 3933<br />
G-Band 4307<br />
Abbildung 5.6: Äquivalentbreiten für verschiedene Spektralklassen<br />
50 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
Entfernung <strong>und</strong> Alter offener Sternhaufen<br />
6<br />
Aufgabe: Bestimmung von Entfernung <strong>und</strong> Alter offener Sternhaufen aus den beobachteten<br />
Farben-Helligkeits- <strong>und</strong> Farben-Farben-Diagrammen (FHD, FFD). Dabei<br />
werden <strong>die</strong> Standardhauptreihen im FHD <strong>und</strong> FFD graphisch mit den beobachteten<br />
<strong>und</strong> bereits aufgetragenen Diagrammen von Sternhaufen verglichen.<br />
Aus den ermittelten Nullpunktsdifferenzen läßt sich auf <strong>die</strong> Entfernung, das<br />
Alter <strong>und</strong> <strong>die</strong> Verfärbung durch <strong>in</strong>terstellare Materie schließen.<br />
Material: Je e<strong>in</strong> FHD <strong>und</strong> FFD von sechs offenen Sternhaufen, e<strong>in</strong> FHD e<strong>in</strong>es Kugelsternhaufens,<br />
Tabellen der Standardhauptreihe im FHD <strong>und</strong> FFD, durchsichtiges<br />
Millimeterpapier, Taschenrechner<br />
Literatur: [1] Kap. IV, § 1; Kap. VIII, § 9<br />
[4] Kap. 4.4, 5.4<br />
[5] Kap. I, § 2; Kap. VI, § 3<br />
E<strong>in</strong>leitung 6.1<br />
Offene (= galaktische) Sternhaufen werden <strong>in</strong> großer Zahl <strong>in</strong> der Scheibenebene<br />
der Galaxis <strong>und</strong> naher Galaxien gef<strong>und</strong>en. Der wohl größte Wert für <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong><br />
besteht <strong>in</strong> der Tatsache, daß <strong>die</strong> Sterne e<strong>in</strong>es Sternhaufens e<strong>in</strong>e Gruppe von<br />
gleichweit entfernten, gleichalten, jedoch unterschiedlich weit entwickelten Sternen<br />
darstellen. Gel<strong>in</strong>gt es, das Alter von Sternhaufen zu bestimmen, so können<br />
ihre Hertzsprung-Russell Diagramme (HRD) als Test der Theorien der Sternentwicklung<br />
<strong>die</strong>nen.<br />
Galaktische Sternhaufen zeigen e<strong>in</strong>e deutliche Konzentration zum galaktischen<br />
Äquator <strong>und</strong> stehen <strong>in</strong> anderen Galaxien wie M31 entlang der Spiralarme. Gel<strong>in</strong>gt<br />
<strong>die</strong> Bestimmung der Distanz offener Haufen, so können sie <strong>zur</strong> Untersuchung der<br />
Spiralstruktur der Milchstraße <strong>die</strong>nen.<br />
Das Hertzsprung-Russell Diagramm 6.2<br />
Im Hertzsprung-Russell-Diagramm (HRD) wird <strong>die</strong> absolute Helligkeit von Sternen<br />
gegen ihre Spektralklasse aufgetragen. Äquivalent dazu ist e<strong>in</strong> Diagramm<br />
der Leuchtkraft der Sterne <strong>in</strong> Beziehung zu ihrer Oberflächentemperatur. Anhand<br />
des HRD läßt sich <strong>die</strong> Sternentwicklung gut betrachten. Die meisten Sterne<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 51
6 Entfernung <strong>und</strong> Alter offener Sternhaufen<br />
Abbildung 6.1: Hertzsprung-Russell-Diagramm<br />
liegen hier auf e<strong>in</strong>em Band, Hauptreihe genannt, das sich diagonal durch das<br />
Diagramm zieht. Die Sonne z.B. ist e<strong>in</strong> typischer Hauptreihenstern. E<strong>in</strong>e zweite<br />
auffällige Häufung rechts oben stellen <strong>die</strong> sehr großen kühlen Sterne dar, <strong>die</strong> Rote<br />
Riesen genannt werden. In der l<strong>in</strong>ken unteren Ecke des Diagramms gruppieren<br />
sich <strong>die</strong> kompakten Weißen Zwerge.<br />
6.2.1<br />
6.2.2<br />
Das Hauptreihenstadium<br />
Das Hauptreihenstadium ist der Entwicklungsstand, <strong>in</strong> dem das Wasserstoffbrennen<br />
<strong>die</strong> e<strong>in</strong>zige Energiequelle des Sterns darstellt. Hier bef<strong>in</strong>det sich der Stern <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em stabilen hydrostatischen Gleichgewicht <strong>und</strong> se<strong>in</strong> Aufbau ändert sich nur <strong>in</strong>folge<br />
der allmählichen Änderung se<strong>in</strong>er chemischen Zusammensetzung durch <strong>die</strong><br />
Kernreaktionen, d.h. das Hauptreihenstadium ist <strong>die</strong> längste Phase <strong>in</strong> der Entwicklung<br />
e<strong>in</strong>es Sterns. Für e<strong>in</strong>en Stern mit Sonnenmasse dauert <strong>die</strong>se Phase etwa<br />
10 Milliarden Jahre. Massereichere Objekte auf der oberen Hauptreihe entwickeln<br />
sich schneller, da sie wesentlich mehr Energie abstrahlen. Die Lebensdauer auf der<br />
Hauptreihe für e<strong>in</strong>en Stern mit etwa 15 Sonnenmassen beträgt nur 10 Millionen<br />
Jahre. Die massereichsten Objekte, <strong>die</strong> bis jetzt beobachtet wurden, haben etwa<br />
70 Sonnenmassen. Masseärmere Sterne auf der unteren Hauptreihe haben e<strong>in</strong>e<br />
Lebensdauer bis zu 70 Milliarden Jahren. Objekte mit weniger als 0.08 Sonnenmassen<br />
(sog. Braune Zwerge) werden niemals heiß genug für e<strong>in</strong>e Zündung des<br />
Wasserstoffbrennens.<br />
Das Riesenstadium<br />
Wenn sich der Wasserstoffvorrat im Zentrum se<strong>in</strong>em Ende nähert, beg<strong>in</strong>nt der<br />
Stern von der Hauptreihe abzuwandern. Der Stern gelangt dann <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en Zu-<br />
52 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
6.3 Beobachtungsmethoden<br />
stand, <strong>in</strong> dem der Kern sich unter se<strong>in</strong>er Gravitation zusammenzieht <strong>und</strong> sich<br />
weiter aufheizt, so daß der restliche Wasserstoff <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Schale um den Heliumkern<br />
zündet <strong>und</strong> <strong>die</strong> äußeren Bereiche des Sterns expan<strong>die</strong>ren. Beim Übergang<br />
bewegt sich der Stern im HRD leicht aufwärts, se<strong>in</strong>e Helligkeit nimmt zu <strong>und</strong><br />
<strong>die</strong> Oberflächentemperatur s<strong>in</strong>kt. Die Dichte des Heliumkerns nimmt bei <strong>die</strong>sem<br />
Prozeß zu, was zu e<strong>in</strong>er Expansion der Hülle des Sterns führt, d.h. der Stern bewegt<br />
sich im HRD fast horizontal nach rechts <strong>und</strong> wird zum Roten Riesen. Bei<br />
E<strong>in</strong>setzen des Heliumbrennens erhöht sich <strong>die</strong> Temperatur sprunghaft, was zu<br />
e<strong>in</strong>er Beschleunigung der Fusionsrate führt. Liegt e<strong>in</strong> massereicher Stern vor, so<br />
vollzieht sich das Heliumbrennen gleichmäßig, während bei massearmen Sternen<br />
sich das zunächst entartete Gas im Kern schließlich schlagartig ausdehnt, dabei<br />
entsteht e<strong>in</strong> Helium-Blitz, auch Heliumflash genannt, dessen Energie von den<br />
äußeren Schichten absorbiert wird. Mit <strong>die</strong>sem Heliumflash setzt hier dann das<br />
Heliumbrennen e<strong>in</strong>, das Zentrum des Sterns expan<strong>die</strong>rt, <strong>die</strong> äußeren Schichten<br />
kontrahieren. Außerdem nimmt <strong>die</strong> Leuchtkraft des Sterns ab.<br />
Weiße Zwerge 6.2.3<br />
Nachdem das Helium zu Kohlenstoff verschmolzen ist, zieht sich der Kern erneut<br />
zusammen <strong>und</strong> heizt sich weiter auf. Im Gegensatz zu massereichen Sternen steigt<br />
<strong>die</strong> Zentraltemperatur bei massearmen Objekten nicht weit genug an, um das<br />
Kohlenstoffbrennen <strong>in</strong> Gang zu setzen. Das verbleibende Helium jedoch brennt <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>er <strong>in</strong>neren Schale <strong>und</strong> der restliche Wassertstoff <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er äußeren Schale weiter.<br />
E<strong>in</strong>e solche Schalenkonfiguration ist <strong>in</strong>stabil <strong>und</strong> kann dazu führen, daß <strong>die</strong> Hülle<br />
<strong>in</strong> den Raum z.B. als planetarischer Nebel abgestoßen wird. Der Stern bleibt dann<br />
als Weißer Zwerg <strong>zur</strong>ück.<br />
Beobachtungsmethoden 6.3<br />
Die meisten Sternhaufen haben e<strong>in</strong>e zu ger<strong>in</strong>ge sche<strong>in</strong>bare Helligkeit, als daß<br />
man mit Hilfe von Spektrographen brauchbare HRDs erarbeiten könnte. Wegen<br />
der erheblich größeren Reichweite photometrischer Methoden benutzt man deshalb<br />
meist <strong>die</strong> äquivalenten Farben-Helligkeits-Diagramme (FHD) Jeder Stern<br />
im Haufengebiet wird <strong>in</strong> mehreren Filterbändern (=Farben) beobachtet, nach<br />
Möglichkeit mit e<strong>in</strong>em lichtelektrischen Photometer. Die verschiedenen Farbbereiche<br />
werden durch Filter-Empfängerkomb<strong>in</strong>ationen (Multiplier, Photoplatten)<br />
realisiert. Das gebräuchlichste ist das Dreifarben(UBV)-System von Johnson <strong>und</strong><br />
Morgan. Die mit U, B <strong>und</strong> V bezeichneten photoelektrischen Größenklassen werden<br />
<strong>in</strong> drei breiten Wellenlängenbereichen (deshalb auch Breitbandsystem) gemessen,<br />
deren Zentralwellenlängen bei<br />
U ltraviolett 3650Å<br />
B lau 4400Å<br />
V isuell 5500Å(d.h. gelb-grün)<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 53
6 Entfernung <strong>und</strong> Alter offener Sternhaufen<br />
liegen. Die angegebenen Filter messen weitgehend <strong>die</strong> Kont<strong>in</strong>uumsstrahlung der<br />
Sterne, <strong>die</strong> Farbe U mißt den Balmersprung der Wasserstoffl<strong>in</strong>ienkante mit.<br />
Im uvby-System, e<strong>in</strong>em Vierfarben-System nach Strömgren werden schmalere<br />
Wellenlängenbereiche (daher Schmalbandsystem) benutzt (uvby = ultraviolett,<br />
violett, blau <strong>und</strong> gelb — von engl. yellow).<br />
Noch differenzierter ist das Stebb<strong>in</strong>s-Whitford-Sechsfarben-System, bei dem mit<br />
sechs verschiedenen Farbfiltern erhaltene Helligkeiten (U,V,B,G,R,I = ultraviolett,<br />
violett, blau, grün, rot, <strong>in</strong>frarot) zusammengestellt werden.<br />
Nach der erfolgten Auswertung der Messungen muß berücksichtigt werden, daß<br />
nicht alle Sterne im Gebiet des offenen Haufens auch wirklich zum Haufen gehören;<br />
man muß mit auf den Haufen projizierten Vorder- <strong>und</strong> H<strong>in</strong>tergr<strong>und</strong>sternen rechnen,<br />
<strong>die</strong> es zu elim<strong>in</strong>ieren gilt. Das geschieht am Besten durch e<strong>in</strong>e astrometrische<br />
Bestimmung der Eigenbewegung der Sterne.<br />
6.3.1<br />
6.3.2<br />
Das Farben-Helligkeits-Diagramm<br />
E<strong>in</strong> Farben-Helligkeits-Diagramm (FHD) ist e<strong>in</strong>e dem HR-Diagramm gleichwertige<br />
Darstellung, <strong>in</strong> der für e<strong>in</strong>e Gruppe von Sternen (wie hier <strong>zur</strong> Untersuchung<br />
von Sternhaufen) deren sche<strong>in</strong>bare Helligkeit gegen den Farb<strong>in</strong>dex aufgetragen<br />
wird.<br />
Der Farb<strong>in</strong>dex<br />
Unter dem Farb<strong>in</strong>dex versteht man den Unterschied <strong>in</strong> den Helligkeiten e<strong>in</strong>es<br />
Sterns, der <strong>in</strong> verschiedenen Wellenlängenbereichen e<strong>in</strong>es elektromagnetischen<br />
Spektrums gemessen wird. Dieser <strong>die</strong>nt als Maß für <strong>die</strong> Farbe bzw. Licht e<strong>in</strong>es<br />
Sterns.<br />
Die verschiedenen Wellenlängenbereiche werden durch optische Filter (ultraviolett,<br />
blau <strong>und</strong> visuell) isoliert, <strong>und</strong> <strong>die</strong> Lichtmenge, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong> Filter tritt, wird<br />
<strong>in</strong> Größenklassen m ausgedrückt. Der Farb<strong>in</strong>dex ist dann def<strong>in</strong>iert als <strong>die</strong> Differenz<br />
der Helligkeiten im kurzwelligen, d.h. im ultravioletten (U) <strong>und</strong> blauen (B)<br />
<strong>und</strong> im langwelligeren visuellen (V) Bereich:<br />
m B − m V =: B − V bzw. m U − m B =: U − B.<br />
Im Pr<strong>in</strong>zip spiegelt der Farb<strong>in</strong>dex <strong>die</strong> Atmosphärentemperatur der Sterne wider.<br />
Die blauesten Sterne (O-Sterne) s<strong>in</strong>d heißer als 30.000 K, weiße A-Sterne haben<br />
e<strong>in</strong>e Temperatur von etwa 10.000 K. Die rötesten Sterne (M-Sterne) s<strong>in</strong>d mit ca.<br />
3000 K vergleichsweise kühl. Die noch kühleren Sterne emittieren im sichtbaren<br />
Bereich so wenig Licht, daß man sie am besten im Infraroten beobachtet.<br />
6.3.3<br />
Das Farben-Farben-Diagramm<br />
Hier wird der Farb<strong>in</strong>dex aus ultraviolettem <strong>und</strong> blauem Licht (U −B) mit dem aus<br />
blauem <strong>und</strong> visuellem Licht (B − V ) mite<strong>in</strong>ander verglichen bzw. gegene<strong>in</strong>ander<br />
54 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
6.4 Photometrische Entfernungsbestimmung<br />
aufgetragen. Die Lage des Sterns <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem Diagramm gibt Aufschluß über se<strong>in</strong>e<br />
• chemische Zusammensetzung<br />
• Temperatur <strong>und</strong><br />
• <strong>in</strong>terstellare Verfärbung.<br />
Die <strong>in</strong>terstellare Verfärbung 6.3.4<br />
Der Farb<strong>in</strong>dex des Sternlichts kann auf dem Weg durch den <strong>in</strong>terstellaren Raum<br />
verändert werden: blaues Licht wird durch <strong>in</strong>terstellare Materie (ISM) wie Staub<br />
<strong>und</strong> Gas gestreut bzw. absorbiert, während rotes Licht relativ ungeh<strong>in</strong>dert <strong>die</strong><br />
ISM durchquert. Auf <strong>die</strong>se Weise sche<strong>in</strong>t das Sternenlicht gerötet zu se<strong>in</strong>. Diese<br />
durch <strong>die</strong> <strong>in</strong>terstellare Absorption verursachte Änderung des Farb<strong>in</strong>dex, wird<br />
<strong>in</strong>terstellare Ext<strong>in</strong>ktion E oder <strong>in</strong>terstellare Verfärbung genannt. Die Verfärbung<br />
e<strong>in</strong>es Sterns wird def<strong>in</strong>iert durch<br />
E B−V = (B − V ) − (B − V ) 0<br />
= A B − A V (6.1)<br />
<strong>und</strong> entsprechend für E U−B . Dabei ist (B −V ) <strong>die</strong> gemessene Farbe <strong>und</strong> (B −V ) 0<br />
<strong>die</strong> wahre Eigenfarbe des Sterns Der Quotient aus der Absorption im visuellen A V<br />
<strong>und</strong> der selektiven Absorption E B−V kann <strong>in</strong> weiten Bereichen der Milchstraße<br />
als konstant angenommen werden:<br />
R V :=<br />
A V<br />
E B−V<br />
= 3.2 ± 0.2 (6.2)<br />
In e<strong>in</strong>igen Gebieten <strong>in</strong>terstellarer Materie gilt <strong>die</strong>s jedoch nicht, der Wert von R V<br />
kann bis zu R V = 7 steigen. Der l<strong>in</strong>eare Verfärbungsweg im FFD ist gegeben<br />
durch:<br />
E U−B = 0.72E B−V + 0.05E 2 B−V ≃ 0.72E B−V (6.3)<br />
Da E B−V im allgeme<strong>in</strong>en deutlich kle<strong>in</strong>er als 0 m .75 ist, kann im Rahmen lichtelektrischer<br />
Genauigkeit von ±0 m .01 auf das quadratische Glied verzichtet werden.<br />
Photometrische Entfernungsbestimmung 6.4<br />
Das FHD e<strong>in</strong>es Sternhaufens unterscheidet sich von e<strong>in</strong>em <strong>in</strong> absoluten Größen<br />
M V (absolute Helligkeit) <strong>und</strong> (B − V ) 0 geeichten FHD im Wesentlichen durch e<strong>in</strong>e<br />
Nullpunktsdifferenz der Helligkeitsskala, dem sogenannten Entfernungsmodul<br />
V − M V . Unter Berücksichtigung der <strong>in</strong>terstellaren Absorption ist der Entfernungsmodul<br />
mit der Entfernung r des Sterns verknüpft durch:<br />
V − M V − A V = 5 m log(r[pc]) − 5 m (6.4)<br />
Dies ist nichts anderes als der Energieerhaltungssatz (Gesetz der Abnahme der<br />
Helligkeit mit r −2 ) mit Berücksichtigung der <strong>in</strong>terstellaren Absorption.<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 55
6 Entfernung <strong>und</strong> Alter offener Sternhaufen<br />
6.5<br />
Altersbestimmung<br />
Die Theorie der Sternentwicklung hat Entwicklungswege im HRD bestimmt, <strong>die</strong><br />
bei beg<strong>in</strong>nender Erschöpfung des Wasserstoffvorrates im Zentrum e<strong>in</strong>es Sterns<br />
se<strong>in</strong> Abwandern von der Hauptreihe postulieren. Der Zeitpunkt des Abwanderns<br />
von der Hauptreihe läßt sich auf Gr<strong>und</strong> <strong>die</strong>ser Rechnungen <strong>in</strong> Abhängigkeit von<br />
M V angeben. Beobachtet man also im FHD Sterne, <strong>die</strong> gerade von der Hauptreihe<br />
abzuwandern beg<strong>in</strong>nen – im sogenannten Abknickpunkt oder turn-off-po<strong>in</strong>t – so<br />
läßt sich das Alter <strong>die</strong>ser Sterne <strong>und</strong> somit das Alter des ganzen Haufens angeben.<br />
6.6<br />
Durchführung der Aufgaben<br />
1. Tragen Sie <strong>die</strong> Daten der Standardhauptreihe im FHD (Tabelle 6.3) <strong>und</strong><br />
FFD (Tabelle 6.1 <strong>und</strong> 6.2) auf durchsichtigem Millimeterpapier im folgenden<br />
Maßstab auf:<br />
(∆(U − B) 0 = 1 m ˆ= 5cm, ∆(B − V ) 0 = 1 m ˆ= 5cm, ∆M V = 1 m ˆ= 2cm).<br />
2. Bestimmen Sie mit <strong>die</strong>sen Standardhauptreihen <strong>die</strong> Werte für<br />
a) E B−V , E U−B <strong>und</strong> A V , <strong>in</strong>dem <strong>die</strong> Standardhauptreihe im jeweiligen<br />
FFD solange verschoben wird, bis sie mit der gemessenen Hauptreihe<br />
des Haufens <strong>zur</strong> Deckung kommt. Dabei ist durch den l<strong>in</strong>earen<br />
Verfärbungsweg (Gl. 6.3) e<strong>in</strong>e Vorzugsrichtung für <strong>die</strong> Verschiebung<br />
im FFD gegeben. Die Nullpunktsdifferenzen ergeben E B−V <strong>und</strong> E U−B<br />
<strong>und</strong> mit Gl.(6.2) auch A V . Warum ist für den Kugelhaufen M3 ke<strong>in</strong><br />
FFD gegeben? (Tip: Man beachte <strong>die</strong> galaktische Breite.)<br />
b) <strong>die</strong> Entfernung r. Schiebt man daher unter Berücksichtigung der oben<br />
ermittelten Verfärbung E B−V e<strong>in</strong>e Standardhauptreihe auf das FHD<br />
des Haufens, so läßt sich aus der Nullpunktsdifferenz der y-Achse<br />
(=Entfernungsmodul) unter Berücksichtigung von A V <strong>die</strong> Entfernung<br />
r berechnen (siehe Gl. 6.4).<br />
c) das Alter der Haufen mit Hilfe des Abknickpunktes <strong>und</strong> der Tabelle<br />
6.4. Die Festlegung des Abknickpunktes erfolgt mittels der größten<br />
auf der Hauptreihe noch vertretenen Helligkeit M V <strong>und</strong> der kle<strong>in</strong>sten<br />
auf der Hauptreihe noch bef<strong>in</strong>dlichen Farbe (B −V ) 0 entsprechend der<br />
beigefügten Tabelle 6.3 <strong>und</strong> tragen Sie <strong>die</strong>se <strong>in</strong> <strong>die</strong> Ergebnistabelle e<strong>in</strong>.<br />
d) Freiwillig Bestimmen Sie <strong>die</strong> relativen Fehler der berechneten Entfernungen<br />
(s. Anhang)!<br />
56 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
6.7 Anhang<br />
Anhang 6.7<br />
Helligkeiten 6.7.1<br />
Die Helligkeit e<strong>in</strong>es Sterns ist e<strong>in</strong> Maß für den Strahlungsstrom, also <strong>die</strong> auf e<strong>in</strong>e<br />
E<strong>in</strong>heitsfläche pro Zeite<strong>in</strong>heit auftreffende Energie.<br />
Die E<strong>in</strong>heit ist e<strong>in</strong> magnitudo (griech.: Größenklasse, Mehrzahl: magnitud<strong>in</strong>es,<br />
Abkürzung: mag oder m), sie ist historisch bed<strong>in</strong>gt, wie fast alles <strong>in</strong> der <strong>Astronomie</strong>:<br />
Se<strong>in</strong>erzeit haben <strong>die</strong> Griechen <strong>die</strong> Sterne nach dem logarithmischen Helligkeitsempf<strong>in</strong>den<br />
des Auges <strong>in</strong> Größenklassen e<strong>in</strong>geteilt. Dazu haben sie e<strong>in</strong> paar<br />
Sterne festgelegt <strong>und</strong> den Rest dann durch Vergleich abgeschätzt. Heutzutage<br />
orientiert man sich weiterh<strong>in</strong> an den alten Festlegungen, aber für <strong>die</strong> restlichen<br />
Sterne mißt man den Strahlungsstrom S im Verhältnis zu e<strong>in</strong>em anderen Stern.<br />
Damit gilt dann für <strong>die</strong> Helligkeitsdifferenz zweier Sterne:<br />
m 1 − m 2 = −2, 5 m · log S 1 − 2, 5 m · log S 2<br />
= −2, 5 m · log S 1<br />
S 2<br />
(6.5)<br />
Der Faktor 2,5 kommt durch <strong>die</strong> Eichung zustande. Wichtig ist vor allem, daß<br />
<strong>die</strong> Größenklassen ”<br />
rückwärts“ zählen, d.h., e<strong>in</strong> hellerer Stern hat e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>ere<br />
Größenklasse. Negative Werte s<strong>in</strong>d ebenfalls zugelassen.<br />
Früher hatte man nur das Auge als ”<br />
Meßgerät“ <strong>zur</strong> Verfügung. Heute kann man <strong>in</strong><br />
verschiedenen Frequenzbereichen messen, so daß es notwendig wird verschiedene<br />
Bezeichnungen e<strong>in</strong>zuführen:<br />
visuelle Helligkeit m v : umfaßt den Spektralbereich des Lichts mit der spektralen<br />
Empf<strong>in</strong>dlichkeit des Auges<br />
bolometrische Helligkeit m bol : umfaßt den gesamten Spektralbereich mit konstanter<br />
Empf<strong>in</strong>dlichkeit <strong>und</strong> ist damit e<strong>in</strong> Maß für <strong>die</strong> Gesamtstrahlung des<br />
Sternes<br />
photographische Helligkeit m pg : umfaßt den Spektralbereich des Lichts mit der<br />
spektralen Empf<strong>in</strong>dlichkeit der Photoplatte<br />
photovisuelle Helligkeit m pv : umfaßt den Spektralbereich des Lichts mit der<br />
spektralen Empf<strong>in</strong>dlichkeit der Photoplatte, angestrebter Idealfall: m pv =<br />
m v<br />
Nach dem Abstandsgesetz (m ∼ r −2 ) ist <strong>die</strong> Helligkeit auch e<strong>in</strong> Maß für <strong>die</strong><br />
Entfernung des Sternes. Um aber e<strong>in</strong> entfernungunabhängiges Maß für <strong>die</strong> ausgesandte<br />
Strahlung des Sternes zu haben, führt man noch <strong>die</strong> absolute Helligkeit<br />
M v e<strong>in</strong>, <strong>die</strong> angibt, welche Helligkeit der Stern <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Entfernung von 10pc hätte.<br />
Der E<strong>in</strong>deutigkeit wegen nennt man das, was wir bisher nur ”<br />
Helligkeit“ genannt<br />
haben, sche<strong>in</strong>bare Helligkeit.<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 57
6 Entfernung <strong>und</strong> Alter offener Sternhaufen<br />
Bemerkungen <strong>zur</strong> Fehlerrechnung 6.7.2<br />
Sei <strong>die</strong> zu bestimmende Größe f e<strong>in</strong>e (bekannte) Funktion der fehlerbehafteten<br />
Meßgrößen x i , (i = 1, . . . , n). Dann folgt nach dem Fehlerfortpflanzungsgesetz<br />
für den resultierenden Fehler des Wertes von f:<br />
⎧<br />
( ) ⎫ n∑ ⎨ 2<br />
∂f<br />
⎬<br />
∆f = √<br />
(∆x<br />
⎩<br />
i ) 2<br />
i=1<br />
∂x i ⎭<br />
wobei <strong>die</strong> ∆x i <strong>die</strong> Fehler der Meßgrößen x i s<strong>in</strong>d.<br />
Hier: Die Haufen-Entfernung r wird nach Gleichung (6.4) aus den Meßgrößen<br />
(V − M V ) <strong>und</strong> A V bestimmt, wobei A V nach Gleichung (6.2) als A V = R · E B−V<br />
gegeben ist. Der (absolute) Fehler der Entfernung r ist also:<br />
∆r =<br />
√ (<br />
∂r<br />
∂(V − M V )<br />
) 2 ( ) 2 (<br />
(∆(V − M V )) 2 ∂r<br />
+ (∆(R)) 2 +<br />
∂(R)<br />
∂r<br />
∂(E B−V )<br />
) 2<br />
(∆(E B−V )) 2<br />
woraus sich der (s<strong>in</strong>nvollerweise anzugebende) relative Fehler der Entfernungsbestimmung<br />
zu ∆r/r ergibt.<br />
H<strong>in</strong>weis: es gilt<br />
10 x x·ln 10<br />
= e<br />
Spektraltyp B − V U − B<br />
O5 -0.32 -1.15<br />
O6 -0.32 -1.14<br />
O7 -0.32 -1.14<br />
O8 -0.31 -1.13<br />
O9 -0.31 -1.12<br />
O9.5 -0.30 -1.10<br />
B0 -0.30 -1.08<br />
B0.5 -0.28 -1.01<br />
B1 -0.26 -0.93<br />
B2 -0.24 -0.86<br />
B3 -0.20 -0.71<br />
B5 -0.16 -0.56<br />
B6 -0.14 -0.49<br />
B7 -0.12 -0.42<br />
B8 -0.09 -0.30<br />
B9 -0.06 -0.19<br />
B9.5 -0.03 -0.10<br />
A0 -0.00 -0.00<br />
Tabelle 6.1: Eigenfarben der Hauptreihensterne<br />
58 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
6.7 Anhang<br />
Spektraltyp B − V U − B<br />
B0 V -0.32 -1.13<br />
B1 V -0.28 -1.00<br />
B2 V -0.24 -0.86<br />
B3 V -0.20 -0.71<br />
B5 V -0.16 -0.56<br />
B7 V -0.13 -0.47<br />
B8 V -0.09 -0.29<br />
B9 V -0.05 -0.16<br />
A0 V 0.00 0.00<br />
A1 V +0.05 +0.05<br />
A3 V +0.09 +0.07<br />
A5 V +0.15 +0.09<br />
A7 V +0.19 +0.08<br />
F0 V +0.30 +0.02<br />
F2 V +0.37 +0.00<br />
F5 V +0.44 +0.00<br />
F6 V +0.47 -0.02<br />
F8 V +0.53 +0.02<br />
G0 V +0.60 +0.06<br />
G2 V +0.64 +0.16<br />
G5 V +0.68 +0.21<br />
G8 V +0.70 +0.24<br />
K0 V +0.82 +0.48<br />
K1 V +0.86 +0.54<br />
K3 V +1.01 +0.89<br />
K5 V +1.18 +1.12<br />
K7 V +1.37 +1.26<br />
M1 V +1.48 +1.21<br />
M3 V +1.49 +1.10<br />
M5 V +1.69 +1.24<br />
Tabelle 6.2: Eigenfarben der Hauptreihensterne<br />
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 59
6 Entfernung <strong>und</strong> Alter offener Sternhaufen<br />
B − V M V<br />
-0.25 -2.10<br />
-0.20 -1.10<br />
-0.15 -0.30<br />
-0.10 +0.50<br />
-0.05 +1.10<br />
0.00 +1.50<br />
+0.05 +1.74<br />
+0.10 +2.00<br />
+0.20 +2.45<br />
+0.30 +2.95<br />
+0.40 +3.56<br />
+0.50 +4.23<br />
+0.60 +4.79<br />
+0.70 +5.38<br />
+0.80 +5.88<br />
+0.90 +6.32<br />
+1.00 +6.78<br />
+1.10 +7.20<br />
+1.20 +7.66<br />
+1.30 +8.11<br />
Tabelle 6.3: Farben-Helligkeits-Diagramm der Standard-Hauptreihe.<br />
Log(Alter) Anzahl der (B − V ) 0 rms<br />
Intervall Haufen Streuung<br />
≤ 6.25 4 -0.32 0.04<br />
6.25 – 6.75 12 -0.27 0.05<br />
6.75 – 7.25 36 -0.24 0.05<br />
7.25 – 7.75 60 -0.19 0.06<br />
7.75 – 8.1 39 -0.13 0.06<br />
8.1 – 8.3 18 -0.08 0.05<br />
8.3 – 8.5 26 -0.02 0.06<br />
8.5 – 8.7 10 +0.02 0.10<br />
8.7 – 8.9 11 +0.12 0.06<br />
8.9 – 9.1 9 +0.20 0.12<br />
9.1 – 9.3 6 +0.31 0.08<br />
9.3 – 9.5 3 +0.38 0.05<br />
9.5 – 9.7 9 +0.42 0.09<br />
9.7 < 2 +0.58 0.03<br />
Tabelle 6.4: Abknickpunkte <strong>in</strong> den FHD offener Sternhaufen, (B−V ) 0 -Werte <strong>und</strong><br />
zugehörige Altersangaben.<br />
60 Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong>
Übungen <strong>zur</strong> <strong>E<strong>in</strong>führung</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Astronomie</strong> <strong>und</strong> <strong>Astrophysik</strong> 61<br />
Haufen l ′′ [ ◦ ] b ′′ [ ◦ ] E B−V E U−B A V V − M V V − M V − A V r[pc] (B − V ) 0 Alter [a]<br />
NGC 188 122.8 +22.5<br />
NGC 457 a 126.6 -4.4<br />
NGC 2264 203.0 +2.2<br />
NGC 2516 273.9 -16.9<br />
M 45 166.6 -23.5<br />
M 3 b 42.2 +78.7<br />
a freiwillig<br />
b Kugelsternhaufen; vergleiche vor allem Alter <strong>und</strong> Entfernung<br />
Tabelle 6.5: Tabelle für <strong>die</strong> Werte der zu untersuchenden Objekte.<br />
6.7 Anhang