Jugendhilfe Band 07 - Wirkungsorientierte Jugendhilfe
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Gerade in dieser Phase des Hilfeverlaufs – wenn<br />
ein Fall erst zum Fall wird – werden die Weichen dafür<br />
gestellt, ob und wie lange die Kinder und Jugendlichen<br />
im formalen Hilfesystem erzieherischer Hilfen<br />
verbleiben.<br />
Die Anforderungen an das Finanzierungssystem<br />
sind, dass es die Erreichung der sozialpädagogischen<br />
Ziele unterstützt, die wirtschaftlichen Interessen des<br />
Trägers darauf richtet, Anreize für die Zielerreichung<br />
bietet und evt. Sanktionen bei Nichterreichung des<br />
Ziels bereit hält.<br />
Um darauf hinzuwirken gibt es unterschiedliche<br />
Ansatzpunkte, die sich nur teilweise auf den Bereich<br />
der Hilfen zur Erziehung übertragen lassen und deren<br />
Steuerungsdynamiken differenziert zu bewerten<br />
sind.<br />
4.3.1 Unmittelbar finanzielle Anreizsysteme<br />
Mit „unmittelbar wirkenden finanziellen Anreizen“<br />
sind Finanzierungssysteme gemeint, die die finanzielle<br />
Vergütung, bzw. einzelne Vergütungsbestandteile<br />
direkt an den Erfolg der erbrachten Leistung koppeln.<br />
Erfolg oder Misserfolg hat also unmittelbaren Einfluss<br />
auf die geleistete Vergütung an den Anbieter der<br />
Dienstleistung.<br />
●● Typus Zahlung bei Zielerreichung<br />
Die Varianten unterscheiden sich zunächst darin, wie<br />
hoch der Vergütungsbestandteil ist, der erfolgsorientiert<br />
ausgezahlt wird.<br />
In Deutschland werden solche Ansätze im sozialen<br />
Dienstleistungssektor vereinzelt im Bereich der<br />
Vermittlung von Arbeitslosen praktiziert.<br />
Beispiel: Zahlung im Erfolgsfall<br />
Ein Anbieter (als eingetragener Verein) bietet ein<br />
intensives Vermittlungscoaching für arbeitslose Personen<br />
an, die meist von der Arbeitsagentur, der ARGE,<br />
oder dem Sozialamt an den Verein verwiesen werden.<br />
Der Anbieter wird nur im Erfolgsfall bezahlt. Für<br />
in den ersten Arbeitsmarkt vermittelte Teilnehmer erhält<br />
der Anbieter eine Erfolgsprovision, für die Vermittlung<br />
in eine Stelle mit einem Einkommen, das geringer<br />
als die Höhe der laufenden Sozialleistungen ist,<br />
erhält der Anbieter eine geringere Erfolgsprovision.<br />
Interessant ist das Detail, das die Erfolgsprovision<br />
in zwei Raten ausgezahlt wird, erstens nach Arbeitsaufnahme<br />
und zweitens nach sechs Monaten in Arbeit.<br />
Hier wird also auch die Nachhaltigkeit der Vermittlung<br />
finanziert.<br />
Einschätzung:<br />
Für den Bereich der Hilfen zur Erziehung in Deutschland<br />
eignet sich dieser Ansatz nicht, weil die gesamte<br />
Vergütung auf den Erfolg im Einzelfall ausgerichtet<br />
ist.<br />
Ob die Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt gelungen<br />
ist oder nicht, ist einfach festzustellen. Im Bereich<br />
der Hilfen zur Erziehung eignet sich hingegen<br />
nur die aggregierte Ebene zur Ergebnissteuerung.<br />
Eine „Einzelfallabrechnung“ nach Erfolg ist im Bereich<br />
erzieherischer Hilfen viel zu aufwendig. Davon<br />
abgesehen wäre ein solcher Ansatz mit immens hohen<br />
Transaktionskosten verbunden.<br />
Eine Orientierung an den gemessenen Erfolgen von<br />
Erziehungshilfen lässt sich nur dann umsetzen, wenn<br />
die aggregierte Ebene fokussiert wird.<br />
Im Einzelfall lässt sich ein Abbruch auf Grund von<br />
externen Faktoren erklären. Auf aggregierter Ebene<br />
lässt sich aber beispielsweise eine Abbruchquote von<br />
50 Prozent nicht mehr nur durch externe Faktoren erklären,<br />
insbesondere wenn in einer anderen Einrichtung<br />
nur 10 Prozent der Maßnahmen abgebrochen<br />
werden. Optimierungsbedarfe der Arbeitsweise des<br />
Anbieters oder auch der Ausgestaltung des Hilfesetting<br />
wären hier offensichtlich.<br />
Da im Bereich der Hilfen zur Erziehung nicht von<br />
einer Erfolgsquote von 100 Prozent für eine Zielgruppe<br />
auszugehen ist, muss ein realistischer Zielwert gefunden<br />
werden.<br />
Bisher liegen auf Grund der fehlenden Transparenz<br />
im Hinblick auf Wirkung und Ressourceneffizienz<br />
kaum Erfahrungswerte darüber vor, welcher Grad an<br />
Zielerreichung realistisch ist. Diese Erfahrungswerte<br />
können in ersten Durchläufen gesammelt werden.<br />
Es muss daher strukturell abgesichert sein, dass<br />
ein Anbieter nicht finanziell untergeht, weil die Zielsetzungen<br />
in den „Testläufen“ zu hoch gegriffen waren.<br />
Kohlmeyer – Ausgestaltung wirkungsorientierter Anreizsysteme | 37