Materialsammlung - Theater Marburg
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Stufe 0<br />
Konfliktverständnis:<br />
Auf diesem Niveau besteht noch kein Verständnis für die unterschiedlichen Perspektiven der<br />
Beteiligten. Der Konflikt in der Geschichte wird gar nicht wahrgenommen. (Was ist das Problem in<br />
der Geschichte? Ich weiß nicht.) Das Kind kann zwischen unterschiedlichen<br />
Entscheidungsalternativen nicht abwägen. Es fasst lediglich eine Entscheidungsmöglichkeit ins<br />
Auge und beurteilt diese unter dem Aspekt der Befriedigung oder Nichtbefriedigung der<br />
Bedürfnisse der Handelnden. (Warum geht das Kind ins Kino / zu seiner Freundin? Weil es Spaß<br />
macht.) Die Perspektive der von der Entscheidung Betroffenen (der Freundin oder des neuen<br />
Kindes) bleibt unverstanden. (Wie fühlt sich die Freundin? Gut, sie spielt mit den Barbies.) Für das<br />
Kind stellt sich also auch kein moralisches Problem, aus seiner Sicht existiert keine Verpflichtung.<br />
Allgemeines Verständnis von Versprechen:<br />
Das Kind versteht noch nicht, dass mit einem Versprechen eine Verpflichtung verbunden ist. Die<br />
Einhaltung von Versprechen ist nicht verbindlich, sondern abhängig vom aktuellen Bedürfnis. (Muss<br />
man ein Versprechen halten? Nein/ich weiß nicht.)<br />
Allgemeines Verständnis von Beziehungen:<br />
Beziehungen werden definiert durch positiv erfahrene Handlungen (miteinander spielen, Dinge<br />
miteinander tun) und Belohnungen (Geschenke bekommen) sowie durch die Abwesenheit negativer<br />
Handlungen (nicht an den Haaren ziehen, streiten, prügeln).<br />
Stufe 1<br />
Konfliktverständnis:<br />
Auf diesem Niveau zeigt sich ein erstes Verständnis für die Perspektiven anderer. Die<br />
Unterscheidung von Perspektiven erfolgt im Hinblick auf unterschiedliche Bedürfnisse,<br />
Erwartungen und Interessen. Man selbst und die anderen werden nun als Personen erfahren, die<br />
einen Anspruch auf die Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse und Erwartungen haben. Werden solche<br />
Ansprüche verletzt, so wird das als Problem wahrgenommen: Man kann Menschen enttäuschen,<br />
verletzen und verärgern. (Das Kind in der Geschichte weiß nicht, ob es ins Kino oder zur Freundin<br />
gehen soll.) Es gibt also einen Unterschied zwischen dem, was man tun will, und dem, was man tun<br />
sollte.<br />
Allerdings orientiert sich das, was man tun sollte, einfach an einer Erwartung bzw. Gewohnheit (z.B.<br />
wir treffen uns jeden Samstag), nicht an einer Norm (z.B. ein Versprechen muss man halten).<br />
Entscheidungen werden als etwas verstanden, für das es Gründe gibt. Als Gründe kommen<br />
Bedürfnisse oder Erwartungen in Frage: Das Kind geht ins Kino, weil es so gern den Film sehen<br />
möchte; es geht zur Freundin, damit die Freundin nicht allein ist; es geht zur Freundin, weil sie<br />
sonst schimpft; es geht zur Freundin, weil es immer mit ihr spielt. Es werden also die Folgen des<br />
eigenen Handelns bedacht, soweit sie einen selbst und die Beteiligten betreffen. Auch<br />
Schuldgefühle deuten sich bereits an (das Kind fühlt sich schlecht, weil es nicht zur Freundin geht).<br />
Für das eigene Handeln entscheidend sind letztlich aber die Folgen für einen selbst (die eigenen<br />
Bedürfnisse), nicht die für andere.<br />
Weil damit aber wieder unerwünschte Konsequenzen für einen selbst verbunden sein können (z.B.<br />
zerbricht die Freundschaft), zeigen sich auf dieser Stufe erste Formen strategischen Verhaltens:<br />
Das Kind verschweigt etwas oder leugnet, eine Alternative gehabt zu haben, um die Folgen seines<br />
(egoistischen) Handelns abzuwenden. Allerdings gibt es auch erste Formen kommunikativen<br />
Verhaltens: Das Kind informiert die Freundin, dass es nicht kommen werde. Oder es schenkt ihr<br />
etwas als Wiedergutmachung.