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Materialsammlung - Theater Marburg

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fragen&antworten<br />

Wie und warum hast du mit dem Schreiben angefangen? Ich habe mit Gedichten angefangen.<br />

Gereimte, überpoetische Gedichte über die Liebe und den Weltschmerz. Ich war vierzehn Jahre alt<br />

und hatte das Gefühl, die Welt würde sich auf mich herabsenken wie ein nasser Vorhang. Nichts<br />

klappte, meine Hormone spielten verrückt, keiner verstand mich und die Mädchen sahen weg, wenn<br />

ich in ihre Nähe kam. Nach den Gedichten kamen Kurzgeschichten, dann die ersten Erzählungen.<br />

Ich versuchte im Schreiben mein Denken zu sammeln, spiegelte alles, was ich las, kopierte es und<br />

war auf der Suche nach einer Freundin und Leuten, die mich verstanden.<br />

Als freier Schriftsteller arbeitest du ja bereits seit Anfang Zwanzig – hast du je einen anderen<br />

Beruf ausgeübt oder ausprobiert? Für mich gab es keine richtige Wahl, ich taumelte recht ziellos<br />

durch das Leben, mußte die 7. und 10. Klasse wiederholen und bin dann auch noch durch das Abitur<br />

gerasselt. Einen Plan, wie meine Zukunft aussehen sollte, hatte ich nie. Ich wußte nur, daß das<br />

Studieren nicht in Frage kam, denn Studieren war für mich eine Weiterführung der Schule, und die<br />

Schule habe ich gehaßt. Als ich dann mit 22 mein erstes Stipendium bekam, war ich plötzlich<br />

Schriftsteller. Ich stand etwas fassungslos da und konnte es nicht glauben. Es war das einzige, was<br />

ich wirklich liebte und konnte, es war das, wofür ich von einem Tag zum anderen anerkannt wurde.<br />

Es war und ist ein Traum.<br />

Verstehst du kroatisch? Und woher kommt der Name? Soweit ich es weiß, heißt Drvenkar so viel<br />

wie der Zar der Hölzer. Mein Vater ist Kroate, meine Mutter Serbin, jetzt leben sie in Kroatien, doch<br />

der Kontakt ist nicht sehr intensiv und so habe ich mein serbokroatisch verlernt. Ich verstehe es<br />

zwar, kann aber nicht schnell reagieren, die Worte fehlen. Ich denke, wenn ich mal ein paar Wochen<br />

in meiner Geburtsstadt verbringe, wird es garantiert wiederkommen.<br />

Ein Teil deiner Kindheit hast du in deinem ersten veröffentlichen Roman Niemand so stark wie<br />

wir und danch in den Büchern Im Regen stehen und Die Nacht, in der meine Schwester den<br />

Weihnachtsmann entführte beschrieben. Es sind Bücher voller Erinnerung und Mut für<br />

Jugendliche, würdest du das auch so sehen? Das Buch gibt den Jugendlichen zwar Mut, es zeigt<br />

ihnen aber auch die düsteren Seiten der Kindheit und Jugend - das Zerbrechen von<br />

Freundschaften, den Verrat von Liebe und das Mißtrauen, das man entwickelt und als Erwachsener<br />

nur schwer wieder abschütteln kann. Ich hatte nie vor über meine Kindheit zu schreiben, ich konnte<br />

mich nicht einmal richtig an sie erinnern. Als ich dann eine Erzählung anfing und über einen Urlaub<br />

in Serbien schrieb, gingen plötzlich Türen in meinem Kopf auf und die Vergangenheit rauschte aufs<br />

Papier herab und ließ zwei Bücher über meine Kindheit entstehen.<br />

Es fällt nicht leicht ehrlich mit sich selbst zu sein; deine Helden versuchen es und das berührt<br />

die Leser. Gleichzeitig aber bekommen deine Charaktere oft eine kritische Distanz zu sich<br />

selbst. Wie blickt man mit Humor auf ernste Sachen zurück? Der Zoran in meinen Erinnerungen<br />

ist nicht der Zoran, der diese Erinnerungen aufschreibt. Ich blicke zurück und sitze im Kopf dieses<br />

Jungen und lebe seine Gedanken. Deswegen fällt es leichter, die schmerzenden und peinlichen<br />

Erlebnisse zu erzählen, denn ich bin mit Abschließen des Buches frei von diesem jungen Zoran. Wir<br />

sind noch immer gute Freunde, ich betrachte gerne seine Geschichten und er freut sich, daß ich<br />

immer wieder über ihn erzählen. In den letzten Jahren ist eine Spur Humor dazugekommen, das<br />

Tragische ist abgelegt und ich kann den Witz und die bittere Ironie der Vergangenheit betrachten,<br />

ohne das es im Kopf schmerzt.<br />

Du bist in Berlin aufgewachsen zu einer Zeit als die meisten Migranten Jugoslawen und Türken<br />

waren. Das hat schon damals eine große Rolle im Geschehen und bei der Entwicklung der Stadt<br />

gespielt. Jetzt ist Berlin größer, mit neuen Einwanderern aus aller Welt. Wie wirkt sich das aus?<br />

Was merkst du heute auf deinen Wegen durch die Stadt? Was war anders in deiner Kindheit?<br />

Nach dem Fall der Mauer bin ich aus Berlin verschwunden, weil mir die Stadt zu voll wurde. Ich kam<br />

wieder, blieb für vier Jahre in Berlin und das war es dann gewesen. Mehr wollte ich von der Stadt

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