Materialsammlung - Theater Marburg
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mir liegt die Gefahr und ich will wissen, was hinter der Grenze liegt. Ich will wissen, was der Tod<br />
verbirgt, was eine Liebe am Brennen hält und wie der Geschmack von Verrat ist. Ich will das Böse<br />
durchleuchten und es verstehen. Ich will eine Menge, und es gibt eine Menge, die man über das<br />
Schreiben herausfinden kann zu schreiben.<br />
Wie recherchierst du für deine Bücher und wie viel Zeit verbringst du damit? In letzter Zeit<br />
arbeite ich mit einem sehr guten Freund zusammen, der die Recherchen bei einem historischen<br />
Roman übernimmt. Recherchen liegen mir gar nicht. Ich schreibe über das, was ich weiß. Ein wenig<br />
fürchte ich mich davor, daß man merkt, daß ich recherchiert habe, deswegen hielt ich mich da<br />
bedeckt. Als aber Gregor Tessnow und ich uns an die Arbeit zu Wenn die Kugel zur Sonne wird<br />
machten, war Feierabend mit Nichtrecherchieren. Ich stürzte mich in die Recherche und wäre darin<br />
beinahe ertrunken. Seitdem nehme ich Recherche ernster und mache sie auch gerne allein. Die<br />
Recherceh findet oft direkt bei der Arbeit statt. Heute ist ja alles mit dem Internet möglich.<br />
Schnee, Eis und Kälte spielen immer wieder eine Rolle in deinen Büchern. Woher kommt das? Ich<br />
liebe die Kälte. Ich bin ein Winterkind und wurde im Morgengrauen aus dem Schnee heraus<br />
geboren. Es war der 19. Juli 1967 und der Schnee lag kniehhoch in meiner Geburtsstadt Krizevci,<br />
Kroatien. Für ungefähr zehn Minuten. Dann wurde ich geboren und der Schnee verschwand, als<br />
wäre er nie dagewesen. Niemand hat es verstanden.<br />
Worüber redest du gerne? Über alles, nur nicht über Politik und Computer und Autos und<br />
Zahntechnik, das Wetter und Fernsehen und Stars und Handys und die große Frage, was man alles<br />
im Leben falsch gemacht hat (und wie sehr man es bereut).<br />
Warum? Weil es nichts Langweiligeres gibt, als über Politik und Computer und Autos und<br />
Zahntechnik und das Wetter und Fernsehen und Stars und Handys und die große Frage, was man<br />
alles falsch gemacht hat (und wie sehr man es bereut), zu reden.<br />
Als Autor, so heißt es in einem Porträt (1000+1Buch Nr.1/02), probierst du gerne alles aus und<br />
läßt dich nicht festlegen auf ein Genre oder eine bestimmte Altersgruppe. Und tatsächlich gibt<br />
es von dir erfolgreiche und prämierte Literatur für Kinder, für Jugendliche und seit kurzem auch<br />
einen Titel, Du bist zu schnell, der sich bei Klett Cotta vor allem an Erwachsene richtet.<br />
Außerdem hast du zahlreiche Gedichte (Was geht, wenn du bleibst) und Kurzgeschichten und<br />
auch zwei <strong>Theater</strong>stücke geschrieben. Welche Erfahrungen hast du im Schreiben für so<br />
unterschiedliche Zielgruppen und im kreativen Prozess so unterschiedlicher Genres gemacht?<br />
Die Macke, alles auszuprobieren und sich nicht festnageln zu lassen, muß ich schon seit meiner<br />
Kindheit haben. Sie hat damals schon dazu geführt, daß ich jedes Phantasieland betreten konnte.<br />
Und was früher Spiel war, wurde zum Beruf und zum größten Teil auch zur Lebensphilosophie. Es<br />
geht ja nicht darum, sich hinzustellen und einen Markt zu bedienen. Da könnte ich auch Blumen<br />
verkaufen und mir den Hals wund schreien. Es geht eher darum zu schauen, was für Geschichten in<br />
einem lauern, was für Charaktere es zu entdecken gibt und wer von denen eine Stimme hat. Wenn<br />
du dich beim Schreiben auf alte und junge Erzählperspektiven einläßt, kommst du dir selbst in<br />
Etappen näher – in den jungen Charaktern entdeckst du die Vergangenheit und bewegst dich auf<br />
die Gegenwart zu und bist nervös, was sie dir bringt; in den älteren Charakteren entdeckst du die<br />
Gegenwart, fragst dich, wie du da hinkommst, wer du bist und was dich zu einem Teil der Zukunft<br />
macht. Das sind so ungefähr die tragischen Nebenwirkungen, die ich durchmache, weil ich mache,<br />
was ich mache.<br />
Über deine Sprache hast du wiederholt gesagt, dass du sie nicht bewusst einer Form von<br />
Jugendsprache annähern willst, sondern einfach eine eigene Sprache nutzt. Wenn du nicht eine<br />
spezifische Sprache für Kinder, Jugendliche oder Erwachsene entwickelst, paßt du dich im<br />
Aufbau deiner Geschichten einer Zielgruppe an? D.h. vereinfachst du bewusst das Geschehen<br />
für Kinder und wird es komplexer mit dem Alter deiner Leser? Da ich keine Zielgruppen sehe, fällt<br />
mir das nicht anpassen leicht. Ich sehe meine Charaktere und lasse sie ihre Sprache sprechen. Das