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Materialsammlung - Theater Marburg

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zu entgehen, die sich bei allzu großer Übereinstimmung einzustellen droht; andererseits aber um<br />

Anregungen durch andere Ansichten, Widerspruch, Korrekturen zu erhalten, die allein zur<br />

Erweiterung des eigenen Horizonts wie auch zur Bereicherung der Lebenserfahrung führen können.<br />

Dieser Aspekt steht bei den Erwachsenen noch stärker im Vordergrund. Stellvertretend sei<br />

Christine (34 Jahre) zitiert: „Ich würde nicht mal sagen, dass er oder sie unbedingt so sein<br />

muss wie ich. Ganz im Gegenteil, ich finde, er oder sie sollte auch gewisse Bereiche ergänzen,<br />

wo ich vielleicht unsicher bin. Zwei meiner Freundinnen, die leben ein vollkommen anderes<br />

Leben als ich. Und da finde ich eigentlich immer eher anregend, muss ich sagen, mich<br />

auch mal mit dem auseinander zu setzen, dass die eben ganz andere Ansichten, über Familie<br />

und Kinder und so was, haben. Von daher, glaube ich, muss so eine Freundschaft, um überhaupt<br />

vital zu sein, irgendwo auch so’n bisschen kontrastreich sein.“ In dieser Äußerung wird deutlich,<br />

dass Freunde auch Gegenpart sein können und sollen, weil dies eine produktive Spannung ergibt,<br />

die zur Erweiterung der Identität, zur Sicherung des Selbst führen kann. Gleichwohl wird an einer<br />

Übereinstimmung in Grundlagenfragen und Grundansichten festgehalten. In den Präferenzen für<br />

die Persönlichkeitsmerkmale der Freunde sind auch bereits Hinweise auf die Bedeutung enthalten,<br />

die Freundschaft für das Leben im Ganzen und die Entwicklung der Persönlichkeit im Besonderen<br />

hat. Solche Hinweise sind in den Äußerungen der befragten Personen vielfach eher verschlüsselt<br />

oder indirekt vorhanden, als dass sie explizit gemacht würden.<br />

Motive der Freundschaft<br />

Um die von den befragten Personen genannten Bedeutungen von Freundschaft zu ordnen,<br />

scheint es sinnvoll, vier Aspekte zu unterscheiden, die sich zwar in der Realität häufig überlagern;<br />

manche Freundschaften aber haben jeweils in einem dieser Aspekte ihre wesentliche<br />

Begründung: 1. ein pragmatisch-utilitaristischer Aspekt, 2. ein sozialer Aspekt, 3. ein personaler<br />

Aspekt und 4. ein emotionaler Aspekt. Diese Aspekte haben eine je unterschiedliche<br />

Gewichtung und je verschiedenartige Inhalte auf den jeweiligen Altersstufen.<br />

Pragmatisch-utilitaristische Gesichtspunkte sind für die jüngeren Kinder das wichtigste<br />

Motiv für eine Freundschaft. Alle Fünfjährigen und fast alle Sechsjährigen sagen, einen<br />

Freund brauche man zum Spielen. Von acht Jahren an wird der Freund auch als Helfer in<br />

schwierigen Situationen wichtig, zum Beispiel, wenn man von anderen bedroht oder verhauen<br />

wird, wenn man eine schwere Tasche tragen muss, wenn man seine Schularbeiten nicht bewältigt<br />

oder sonstwie in der Klemme steckt. Kinder nennen häufig körperliche Notlagen,<br />

Jugendliche und Erwachsene seelisch-moralische Problemsituationen, in denen sie vom<br />

Freund Beistand und Unterstützung erwarten. Dennoch finden sich manchmal auch noch bei<br />

Jugendlichen zum Beispiel ganz konkrete Motive pragmatisch-utilitaristischer Natur.<br />

Beim sozialen Aspekt geht es zunächst einmal um den Freund als Gesellschafter und Unterhalter<br />

und als Mittel gegen das Alleinsein. Vor allem die Sechsjährigen betonen: „Es ist so<br />

langweilig, allein zu sein oder allein zu spielen; deshalb brauche ich einen Freund.“ - Bei den<br />

Jugendlichen spielt dieser Gesichtspunkt ebenfalls eine große Rolle, sie äußern sich jedoch<br />

eher allgemein und pauschal: „Sonst ist man so allein und weiß nie, was man machen soll.“<br />

„Freunde braucht man einfach, damit man nicht allein durchs Leben gehen muss.“<br />

Alleinsein - das ist insbesondere im Jugendalter, eine existentielle Grunderfahrung. Im Alleinsein<br />

wird sowohl das eigene Einmalig-Sein als auch Einsamkeit erfahren. In der Polarität<br />

von Selbsterfahrung als Individuum und einer zukunftsgerichteten Gemeinsamkeit entfaltet sich<br />

nun die besondere Freundschaft im Jugendalter. - Bei den Erwachsenen sind es vor allem die<br />

Frauen, die auf dieses Einsamkeitsmotiv verweisen. Offenbar sind sie eher als Männer bereit, sich<br />

(und der Interviewerin) diese Gefühle einzugestehen. Ferner geht es beim sozialen Aspekt der<br />

Freundschaft darum, dass ein oder mehrere Freunde einen geschützten sozialen Nahraum bieten,<br />

der Sicherheit, Verlässlichkeit und Stabilität garantiert. Auf jeder Altersstufe wird dieser Nahraum<br />

anders konzipiert. Für die Fünf- und Sechsjährigen sind vor allem die äußeren Verhaltensweisen<br />

des Freundes wichtig: Der Freund soll vor allem „nett“ sein, in dem Sinne, dass er keine aggressiven

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