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Materialien für den Unterricht 22 Naturwissenschaften sozial

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.<br />

B2<br />

••• , daß im Verlauf der zehn Tage lang<br />

andauern<strong>den</strong> Emission mehr als 2 x lUu,;<br />

Bq in die Umwelt freigesetzt wur<strong>den</strong>. Das<br />

sind 3-4 % des Reaktorkerninventars.<br />

Die Angaben schließen nicht die im Reaktor<br />

enthaltenen Edelgase ein (ca. 4 7c<br />

des Aktivitätsinventars ), von <strong>den</strong>en man<br />

annehmen muß, daß sie zu 100 o/c freigesetzt<br />

wur<strong>den</strong>. Von sowjetischer Seite wurde<br />

aus Messungen abgeschätzt. daß etwa<br />

0,3 bis 0,5 o/c des Kerninventars innerhalb<br />

des Anlagengeländes auf dem Bo<strong>den</strong> deponiert<br />

wur<strong>den</strong>, 1.5 bis 2 7r in einem Radius<br />

bis zu 20 km und weitere 1 bis 1,5 7c<br />

in Entfernungen über 20 km~ • • •<br />

In der Phase vom 27. April bis 1.<br />

Mai wur<strong>den</strong> Maßnahmen ergriffen, um<br />

<strong>den</strong> Brand des Graphitmoderators einzudämmen.<br />

einer Restkritikalität des zerstörten<br />

Kerns vorzubeugen, die Temperatur<br />

im Reaktor zu senken und die Freisetzung<br />

von Radionukli<strong>den</strong> sowie die Direktstrahlung<br />

zu mindern. •• •<br />

hatten diese Maßnahmen eine merkliche<br />

Reduktion der Radionuklidfreisetzung<br />

zur Folge. Aufgrund der Verringerung<br />

der Temperatur im Reaktor wurde auch<br />

der thermische Auftrieb geringer. Der<br />

Vertikaltransport der freigesetzten Radionuklide<br />

war nun auf maximal 200 Meter<br />

begrenzt. Es wird angenommen, daß in<br />

diesem Zeitraum praktisch alle Edelgase<br />

aus der Anlage freigesetzt wur<strong>den</strong>. Aufgrund<br />

einer Temperaturerhöhung im Reaktor<br />

stieg die Freisetzungsrate im Zeitraum<br />

2. bis 5. Mai erneut an und erreichte<br />

am zehnten Tag des Unfallablaufs wieder<br />

ca. 30 7c der Rate des ersten T&ges.<br />

Am 6. Mai endlich zeigten die Gegenmaßnahmen<br />

dauerhafte Wirkung: Die<br />

Freisetzungsrate sank um ca. zwei Zehnerpotenzen<br />

ab. Nach dem 7. Mai wur<strong>den</strong><br />

nur noch vergleichsweise geringe Freisetzungen<br />

beobachtet.<br />

Die Zusammensetzung der in die Umwelt<br />

freigesetzten Radionuklide änderte<br />

sich im Verlauf der zehntägigen Freisetzungsdauer.<br />

Am 26. April wur<strong>den</strong> nach<br />

sowjetischen Angaben neben <strong>den</strong> Edelgasen<br />

Krypton und Xenon bevorzugt Radionuklide<br />

der leicht flüchtigen Elemente,<br />

insbesondere Jod und Cäsium emittiert.<br />

Außerdem erfolgte die Freisetzung von<br />

fragmentiertem Kernbrennstoff. der z. T.<br />

aus groben AerosolteiIchen mit Durchmessern<br />

größer lU ~m bestand. Im Zeitraum<br />

27. April bis 1. Mai entsprach die<br />

Nuklidzusammensetzung der freigesetzten<br />

AerosolteiIchen im wesentlichen der Zusammen~etzung<br />

im Brennstoff. Ab dem 2.<br />

Mai waren im Nuklidspektrum wieder<br />

größere Anteile der leicht flüchtigen Nuklide<br />

Jod. Cäsium und Tellur enthalten.<br />

Die Größenverteilung der freigesetzten<br />

AerosolteiIchen war breit gestreut und<br />

44<br />

reichte von Durchmessern unter 1 ~m bis<br />

hin zu Partikeln von über 10 ~lm. Über<br />

die chemische Form der freigesetzten Nuklide<br />

ist wenig bekannt. Unsere eigenen<br />

Untersuchungen an Proben material aus<br />

dem Raum Kiew zeigen. daß die Kontamination<br />

überwiegend auf einzelne Aerosole<br />

hoher spezifischer Aktivität zurückzuführen<br />

war (sog. heiße Teilchen). Der<br />

Untergrund war praktisch aktivitätsfrei.<br />

...<br />

Die großräumige Verfrachtung<br />

der Kontamination<br />

Infolge des Graphitbrands im Reaktor<br />

erreichte die zehn Tage andauernde Radioaktivitätsfreisetzung<br />

alle Luftschichten<br />

bis zu Höhen oberhalb 1 (JOO Meter. Da<br />

sich im gleichen Zeitraum die Großwetterlage<br />

änderte. wurde die Kontamination<br />

in weite Teile Europas transportiert.<br />

. . .<br />

daß die unmittelbar nach dem<br />

Unfall freigesetzte Radioaktivität bereits<br />

am 27.128. April 1986 <strong>den</strong> skandinavischen<br />

Raum erreicht. Aufgrund einer<br />

Drehung des Windes am Unfallort im<br />

Verlauf des 27. April von nördlicher auf<br />

westliche Richtung gelangt dann etwa ab<br />

dem 29. April eine .. radioaktive Wolke"<br />

nach Österreich und ab dem 30. April in<br />

die Nordschweiz und nach Süddeutschland,<br />

von wo sie sich innerhalb weniger<br />

Tage in nördlicher und nordwestlicher<br />

Richtung über Deutschland und Frankreich<br />

hinweg ausbreitet. Im weiteren Verlauf<br />

wird dann am 2. Mai Großbritannien<br />

erreicht. Eine weitere \V'inddrehung am<br />

Unfallort um etwa 180 oe führt an'; 28.<br />

April zu einem Abtransport der freigesetzten<br />

Radionuklide in östlich von<br />

Tschernobyl gelegene sowjetischen Landesteile.<br />

Ab dem 29. April (vormittags)<br />

herrscht eine über mehrere Tage andauernde<br />

südliche Strömung vor. die ab dem<br />

2. bzw. 3. Mai die Türkei bzw. Griechenland<br />

erreicht. •••<br />

Die Immissionssituation in der<br />

Bundesrepublik Deutschland<br />

...<br />

Während der Anstieg der<br />

Aktivitätskonzentration der Luft in Bo<strong>den</strong>nähe<br />

in <strong>den</strong> östlichen Teilen der Bundesrepublik<br />

und in Westberlin erstmals<br />

am 29. April beobachtet wurde • • ;urde<br />

die radioaktive Wolke auf der ca. 3000 m<br />

hohen Zugspitze aufgrund der in diesen<br />

Höhen größeren Transportgeschwindig-.<br />

keiten bereits am 28. April beobachtet.<br />

...<br />

Die im Bayerischen Wald gelegene Station<br />

Brotjacklriegel zeigt am 30. April die<br />

absolut höchsten Tagesmittelwerte von<br />

nahezu 20 Bq/m~ für j-131 bz\\'. 9 Bq/m-'<br />

für Cs- Ln. An <strong>den</strong> weiter \\"estlich und<br />

nördlich gelegenen Stationen liegen die<br />

Absolutwerte deutlich niedriger. Sie treten<br />

auch erst etwa ein bis zwei Tage später<br />

atff. Generell ist eine stetige Abnahme<br />

der Absolutwerte nach Westen und Nordwesten<br />

hin zu beobachten. Die niedrigsten<br />

Werte wur<strong>den</strong> in Westerland auf Sylt<br />

registriert. Eine Ausnahme von diesem<br />

generellen Verhalten bildet z. B. die ca.<br />

1200 m hoch gelegene Station auf dem<br />

Schauinsland. die aufgrund der Vertikalverteilung<br />

der Kontamination am 1. Mai<br />

deutlich höhere Werte zeigt als benachbarte<br />

Talstationen, z. B. Freiburg.<br />

. . .<br />

Diskussion der Immissionsmessungen<br />

Ende April/Anfang Mai 19H6 waren nur<br />

wenig verläßliche Informationen über die<br />

oben beschriebenen innerbetrieblichen<br />

Abläufe und die Emissionscharakteristik<br />

des Reaktors in Tschernobyl verfügbar.<br />

Vieles mußte indirekt erschlossen wer<strong>den</strong>.<br />

Wichtige Hinweise ließen sich jedoch<br />

aus der aus <strong>den</strong> Messungen bekannten<br />

Nuklidzusammensetzung der Luft ableiten:<br />

So folgte aus der Beobachtung.<br />

daß das Aktivierungsprodukt Cs-134 im<br />

Nuklidgemisch enthalten war und daß da~<br />

Cs-134/Cs-137-Verhältnis bei etwa 0.5 lag:<br />

unmittelbar. daß die beobachtete Kontamination<br />

nicht durch einen Kernwaffentest<br />

verursacht wor<strong>den</strong> sein konnte, sondern<br />

daß es sich um einen Unfall in einem<br />

Kernreaktor mit einer Betriebsdauer von<br />

mehr als einem Jahr gehandelt haben<br />

mußte. Aus dem gemessenen 1-131/1-133-<br />

Verhältnis konnte man abschätzen, daß<br />

dieser Reaktor am späten Nachmittag des<br />

26. April heruntergefahren wor<strong>den</strong> war.<br />

Der z. B. in Finnland [13] am 28. April<br />

beobachtete zeitliche Verlauf der Verhältnisse<br />

der Aktivitätskonzentration von Radionukli<strong>den</strong><br />

leicht und schwer flüchtiger<br />

chemischer Elemente (z. B. Jod und Zirkon)<br />

ließ sich nur unter der Annahme<br />

verstehen. daß sich die Freisetzungsrate<br />

dieser Radionuklide aufgrund von Temperaturänderungen<br />

im Reaktor änderte.<br />

Aus der Existenz von Radionukli<strong>den</strong> bestimmter<br />

schwerflüchtiger Elemente, der<br />

isotopischen Zusammensetzung und der<br />

Form .. heißer'· Teilchen mußte man<br />

schließlich auf Temperaturen im Reaktor<br />

von über 2000 °C schließen [14]. Das Auf-·<br />

treten heißer Teilchen. die nur Radionuklide<br />

der Elemente Cäsium. Barium, Ruthen<br />

und Zirkon/Cer enthielten [91. konn-

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