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Materialien für den Unterricht 22 Naturwissenschaften sozial

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69 es<br />

5. Sicherheit und Ausstieg als übernationales Problem - zur EG-Politik<br />

Aus: ZEIT vom 6.6.1986, S.19<br />

Mit Atomstrom in die Zukunft<br />

Die Brusseler Kommission läßt sich von der Tschernobyl-Debatte nicht beeindrucke~<br />

und duldet kritiklos Verstöße gegen europäische Verträge / Von Thomas Hanke<br />

N<br />

achdem die Mitgliedsstaaten der Europäischen<br />

Gemeinschaft mehrere Wochen lang<br />

demonstriert haben. daß sie zur raschen<br />

Reaktion auf einen nuklearen Katastrophenfall<br />

nicht in der Lage sind, beginnt in Briissel nun eine<br />

neue Phase der Tschernobyl-Bewältigung: .'~ ~<br />

So will der in der EG für <strong>den</strong> Umweltschutz<br />

zuständige Kommissar Clinton Davis eine Forderung<br />

durchsetzen, daß für Atomkraftwerke verbindlic.be<br />

Sicherheitsstandards festgelegt wer<strong>den</strong>.<br />

Für vlek Regierungen ist das ein rotes Tuch.<br />

Zwar so~ man in einer Gemeinschaft. die seit 29<br />

jahren iiJxr einen detaillierten Vertrag zur friedliche.n<br />

~umang ~er Kernenergie verfügt, solche gememsamen<br />

Bestimmungen für eine Selbstverständlichkeit<br />

halten. Doch dies ist nicht so, und nicht<br />

umsonst gibt es heute in der EG unter anderem<br />

dreißig Atomkraftwerke, die nach Ansicht des europäischm<br />

Umweltbüros sofort stillgelegt wer<strong>den</strong><br />

müssen, weil sie wie der Tschernobvl-Reaktor arbeiten<br />

und keine Sicherheitskuppel haben. .. .. "<br />

Nachfragen ühernüssig<br />

Rein juristisch häue die EG- Kommission die<br />

Möglichkeit, die Überwachungseinrichtungen zu<br />

kontrollieren und sich dadurch die notwendigen<br />

Informationen selb!'lt 7.U be~chaffen. Doch in 29<br />

jahrtn hat !ilie -die!'!c.'!iI Recht noch kein ein7iges Mal<br />

wahrgenommen.<br />

Der Vertrag beinhaltet auch die Verpflichtung,<br />

vor dem Bau nuklearer Anlagen die Pläne nach<br />

Brüssel zu sen<strong>den</strong>, damit die Kommission wenigstens<br />

auf dem Papier die Einhaltungen der für die<br />

Umgebungsstrahlungen festgelegten Grundnormen<br />

verifizieren kann. Doch die Pläne für das französische<br />

AKW Cattenom beispielsweise trafen erst<br />

ein, nachdem die Anla~e schon fertiggestellt war.<br />

. .. .<br />

Mit gro&r Wahrscheinlichkeit wer<strong>den</strong> die<br />

Staats- und Regierungschefs der Gemeinschaft. die<br />

sich Ende Juni wieder zu einem Gipfel treffen,<br />

mit einer. gemeinsamen Erklärung zur ~tomenergie<br />

die Öffentlichkeit zu beruhigen versuchen.<br />

Dabei könnten ,ie sich viel Formulierungsarbeit<br />

ersparen, wenn sie sich <strong>den</strong> Text vornehmen. der<br />

schon 1975 beschlossen wurde. Bereits damals<br />

wur<strong>den</strong> in einer Deklaration die Hannonisierung<br />

der Sicherheitsanforderungen und Sicherheitsstandards<br />

als vordringliche Aufgabe bezeichnet. Doch<br />

geschehen ist seitdem nichts, wenn man von unverbindlichen<br />

Expenendiskussionen absieht.<br />

Widerstand gegen Kontrollen<br />

• • •<br />

Der wichtig~te Grund für die Widerstände gegen<br />

Kon~rollen und Aunagen ist eingestan<strong>den</strong>ermaßen<br />

die Konkurrenz der europäischen AKW­<br />

Hersteller und Stromversorger. Wer eine bestimmte<br />

Baulinie entwickelt hat, will keine Änderungen<br />

vornehmen. Und wer ein AKW ans Netz<br />

anschließen darf. das <strong>den</strong> Sicherheitsanforderung~n<br />

de~ Nach~arlande~ nicht entspricht, will sich<br />

DIcht die damit verbun<strong>den</strong>en Preisvorteile verderben<br />

lassen.<br />

So hat man es <strong>den</strong>n in der EG bislang bei<br />

~rundno~men bewend~n lassen, die Spielraum<br />

bieten: Fur Per~onen, die berufsmäßig mit Radioaktivitä~<br />

in Berührung kommen, gilt eine MaximaldOSIS<br />

von fünf Rem pro Jahr. Für die übrigen<br />

ßevölkerungsgruppen besteht ein Höchstwert von<br />

fünfhundert Millirem. Technisch machbar tväre allerding!l<br />

auch weniger; so sind in der Bundesrepublik<br />

nur fünfzig Millirem zulässig. Doch in der<br />

EG wird das Prinzip, Strahlungen zu minimieren,<br />

dadurch aufgeweicht, daß bei Grenzwerten auch<br />

wirtschaftliche Gt'sichupunkte berücksichtigt wer<strong>den</strong><br />

mUssen. Luxemburg - eben!lo wie da!'! Saarland<br />

mit dem in unmittelbarer Nähe gelegenen<br />

A K W Cattenom konfrontiert - fordert nun, die<br />

Nonnen zu verschärfen.<br />

Die Debatte um Strahlungsnonnen und Sicherheitsstandards.<br />

so wichtig sie auch ist. läßt die<br />

Grundsatzfrage außer acht, ob die Kernenergie<br />

überhaupt noch akzeptiert wer<strong>den</strong> soll. In der<br />

Kommission hütet man sich davor, diese Frage<br />

aufzuwerfen. Dem 1985 verabschiedeten Orientierungsprogramm<br />

zufolge soll der Antt'i1 von Atomstrom<br />

an der Stromerzeugung insgesamt im jahr<br />

1995 etwa vierzig Prozent und nach der Jahrhundertwende<br />

fünfzig Prozent erreichen. Mit besonderem<br />

Nachdruck sollen Schnelle Brüter und die<br />

gesamte Plutonillmwirt~chaft gefordert wer<strong>den</strong><br />

damit dieser Kreislauf nach der jahrhundertwend;<br />

wirtschaftlich einsatzfähig wird. Zumindm in der<br />

Bu.n~esrep~blik dürfte d~eses Programm gegenwanlg<br />

keme helle Begeisterung auslöse:t. Und<br />

auch. in. der K~mmission beginn~ sich eine gewisse<br />

~~ntuslo~ :'~eltzumach~n. Der. tü~ die Energiepolltik<br />

zustandlge KommIssar Nlcolas ~fosar hätte<br />

am liebsten die Vierzig-Prozent-Marke =Ur Atomstrom<br />

aus <strong>den</strong> in dieser Woche diskutierten energiepoiitischen<br />

Zielen gestrichen. Doch offenbar<br />

war die Mehrheit der Kommissare anderer Meinu~g.<br />

Die Mitgliedsstaaten dagegen ziehen es vor.<br />

keme Zahlen zu nennen und nur in allgemeiner<br />

Form v

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