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Fortbildung<br />

Strahlentherapie gutartiger Erkrankungen - heute noch aktuell<br />

Jeanette Knobloch<br />

Zusammenfassung<br />

Sowohl die technischen Entwicklungen als<br />

auch die klinische Anwendung neuerer radiobiologischer<br />

Erkenntnisse haben den<br />

Stellenwert der Strahlentherapie im Rahmen<br />

der Onkologie gestärkt. Die Radiotherapie<br />

benigner Krankheitsbilder hat von diesen<br />

Fortschritten profitiert. Sie spielt bei der Behandlung<br />

nichtmaligner Erkrankungen verschiedener<br />

Formenkreise eine nicht zu unterschätzende<br />

Rolle.<br />

Schlüsselwörter:<br />

Strahlentherapie, Orthovolttherapie,<br />

Degenerative Erkrankungen,<br />

Entzündliche Erkrankungen,<br />

Hypertrophische Erkrankungen,<br />

Hyperproliferative Erkrankungen,<br />

Funktionelle Erkrankungen<br />

Einführung<br />

Claus-Peter Muth<br />

Die Strahlentherapie nichtmaligner Erkrankungen<br />

hat eine lange Tradition. Sie wurde<br />

erstmalig 1896 von FREUND in Wien bei<br />

einem Tierfellnaevus am Rücken erfolgreich<br />

durchgeführt. 1897, zwei Jahre nach Entdeckung<br />

der Röntgenstrahlen, wurde ihre<br />

analgetische Wirkung durch GOCHT erkannt<br />

(12). Anfang des 20. Jahrhunderts<br />

war die Strahlentherapie gutartiger Erkrankungen<br />

weiter verbreitet als die von Tumoren.<br />

Unerwünschte Späteffekte an Normalgeweben<br />

erforderten jedoch Vorsicht im<br />

Umgang mit Röntgenstrahlen. Mit verbesserten<br />

technischen Möglichkeiten übernahm die<br />

Strahlentherapie zunehmend Aufgaben der<br />

Tumortherapie, während die Behandlung<br />

gutartiger Prozesse aufgrund neuer Medikamente<br />

und Operationsverfahren in den Hintergrund<br />

trat. In Deutschland ist seit der Wiedervereinigung<br />

ein breiter Zugang zu den<br />

umfangreichen Ergebnissen in den Kliniken<br />

und Instituten gegeben. Durch die Deutsche<br />

Gesellschaft für Radioonkologie (DEGRO),<br />

Arbeitsgemeinschaft „Gutartige Erkrankungen“,<br />

erfolgte diesbezüglich eine Bestandsaufnahme,<br />

welche insgesamt eine hohe Akzeptanz<br />

der Radiotherapie bei gutartigen<br />

Erkrankungen in Deutschland widerspiegelte<br />

(13).<br />

Bei benignen Erkrankungen sollten ionisierende<br />

Strahlen nur angewendet werden,<br />

wenn mit anderen Behandlungsmethoden<br />

keine gleichwertigen Ergebnisse zu erzielen<br />

sind, oder bei gleichem Ergebnis stärkere<br />

Nebenwirkungen auftreten. Neuere strahlenhygienische<br />

Forschungen weisen auf das<br />

sehr geringe genetische und somatische<br />

Risiko einer niedrigdosierten Strahlenbehandlung<br />

hin, wenn Kontraindikationen wie<br />

Schwangerschaft und signifikante Gonadendosis<br />

beachtet werden (8).<br />

Allgemeine biologische Wirkmechanismen<br />

Entsprechend der vielfältigen Einsatzgebiete<br />

der Strahlentherapie werden hinsichtlich<br />

biologischer Wirkmechanismen bei den<br />

verschiedenen gutartigen Erkrankungen in<br />

den zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten<br />

unterschiedliche Hypothesen diskutiert: Entzündungen<br />

bewirken Änderungen der physikalisch-chemischen<br />

Eigenschaften der Gewebsflüssigkeit,<br />

eine Verschiebung der<br />

Wasserstoffionenkonzentration zu niedrigen<br />

pH-Werten, Änderungen des osmotischen<br />

Zustands, Veränderungen der elektrischen<br />

Ladung und der Oberflächenspannung der<br />

Zellgrenzen mit der Folge der Auflockerung<br />

des Zellverbandes. Weitere mögliche Angriffspunkte<br />

für Strahleneffekte liegen in der<br />

Beeinflussung der Zellproliferation teilungsfähiger<br />

Zellen. Es wird vermutet, dass keiner<br />

dieser Mechanismen allein zutrifft, sondern<br />

das komplexe Zusammenwirken von mehreren<br />

Effekten anzunehmen ist (1,7).<br />

Klinische Anwendungsgebiete<br />

Die klinischen Einsatzmöglichkeiten der Radiotherapie<br />

bei gutartigen Erkrankungen<br />

sind vielfältig. Die Indikationsstellung sollte<br />

interdisziplinär angelegt sein. In Deutschland<br />

sind folgende Einsatzgebiete bekannt:<br />

• degenerative Erkrankungen des Skelettsystems<br />

(Insertionstendopathien wie schmerzhafte<br />

Periarthritis humeroscapularis, Calcaneussporn,<br />

Epicondylitis humeri radialis<br />

oder ulnaris, schmerzhafte degenerative<br />

Gelenkerkrankungen wie Coxarthrose,<br />

Gonarthrose und Arthrosen an anderen<br />

Gelenken)<br />

• entzündliche Erkrankungen (akuter Entzündungsprozess/chronisch-<br />

rezidivierende<br />

Entzündungen)<br />

• hypertrophische/hyperproliferative Erkrankungen<br />

( Morbus Dupuytren, Morbus<br />

Ledderhose, Induratio penis plastica,<br />

Prophylaxe von Hautkeloiden)<br />

• funktionelle Erkrankungen (Gynäkomastieprophylaxe,<br />

endokrine Orbitopathie)<br />

• sonstige Anwendungsgebiete (Prophylaxe<br />

heterotoper Ossifikationen, Verhinderung<br />

von Gefäßverschlüssen nach Angioplastie<br />

oder Stentimplantation unter klinisch kontrollierten<br />

Studienbedingungen)<br />

Degenerative Erkrankungen<br />

des Skelettsystems<br />

Bei degenerativen Erkrankungen des Skelettsystems<br />

entstehen Schmerzen nicht nur auf<br />

Grund von Degeneration und Verschleiß<br />

selbst, sondern auch durch dadurch bedingte<br />

lokale Stoffwechselstörungen mit anhaltender<br />

Gewebsazidose. Die Bestrahlung bewirkt<br />

nach kurzzeitiger Verstärkung der<br />

Azidose eine lang anhaltende Alkalose. Die<br />

zellulären Grundlagen und Mechanismen,<br />

die für die analgetische Wirkung angeführt<br />

werden, sind noch nicht vollständig bekannt.<br />

Forschungsergebnisse beschreiben die Rolle<br />

der Zytokine sowie die Induktion inflammatorischer<br />

Makrophagen. Neben der Beeinflussung<br />

des autonomen- vegetativen Nervensystems<br />

kommt es zu einer verbesserten<br />

310 Brandenburgisches Ärzteblatt 10/2001 • 11. Jahrgang

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