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Ärzteblatt - qs- nrw

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Gesundheitspolitik<br />

Gesundheitspolitik – wie soll es weitergehen <br />

Fragen an Hannelore Birkholz (PDS), Vorsitzende<br />

des Ausschusses für Arbeit, Soziales,<br />

Gesundheit und Frauen im Landtag<br />

Brandenburg und an ihren Stellvertreter<br />

Dr. med. Peter Wagner (CDU)<br />

In diesem Heft lesen Sie die Antworten von<br />

Frau Birkholz, die von Herrn Dr. Wagner folgen<br />

in der nächsten Ausgabe.<br />

In der Gesundheitspolitik hat es keine Sommerpause<br />

gegeben oder waren die Probleme<br />

im Gesundheitswesen willkommen als Füller<br />

für das Sommerloch<br />

Es gibt ein verbreitetes Unbehagen darüber,<br />

dass auch die letzte Gesundheitsreform die<br />

strukturellen Probleme und Qualitätsdefizite<br />

nicht angepackt hat, wie die mangelnde Verzahnung<br />

von ambulanter und stationärer<br />

Versorgung, die Vergütung ärztlicher Leistungen<br />

im Osten und bestehende Fehlanreize.<br />

Und noch mehr Unverständnis gibt es über<br />

den Kurs der Bundesregierung, jetzt bis zur<br />

nächsten Wahl lieber überhaupt nichts mehr<br />

zu tun als sich einer kritischen Bestandsaufnahme<br />

zu stellen.<br />

Mehr oder weniger von der Öffentlichkeit bemerkt<br />

wurden alte und neue Reformgedanken<br />

in die Debatte geworfen.<br />

Im Grunde läuft die Diskussion jetzt auf eine<br />

prinzipielle Weichenstellung zu, nämlich auf<br />

die Entscheidung der Frage, ob noch alle medizinisch<br />

notwendigen Leistungen von der<br />

Solidargemeinschaft finanziert werden. Die<br />

Tendenz zur Privatisierung ist unverkennbar.<br />

Mit der Umschreibung „mehr Eigenverantwortung“<br />

klingt das natürlich freundlicher als<br />

etwa die Trennung Regel- und Wahlleistungen.<br />

Es meint aber beides nichts anderes als<br />

eine höhere Eigenbeteiligung der Patienten.<br />

Welches sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten<br />

Ziele, die unser Gesundheitswesen erreichen<br />

sollte<br />

Im Gesundheitswesen fehlt es an der Definition<br />

von Gesundheitszielen und damit natürlich<br />

auch an der Ausrichtung auf diese Ziele. Zur<br />

Zurückdrängung bestehender Gesundheitsrisiken<br />

muss die soziale und medizinische<br />

Prävention einen höheren Stellenwert bekommen.<br />

Wir brauchen eine für alle gleiche Gesundheitsversorgung,<br />

unabhängig von individuellem<br />

Einkommen und Vermögen.<br />

Was halten Sie<br />

von der Abkehr vom Sachleistungsprinzip,<br />

Behandlungsleitlinien für Standardbehandlungen,<br />

Fallpauschalen im ambulanten Sektor,<br />

Einführung eines ambulanten Vergütungssystems<br />

wie bisher im stationären<br />

Bereich, Abschaffung des Vertragsmonopols<br />

der KVen, stärkerem Wettbewerb zwischen<br />

den Leistungserbringern und individuellen<br />

vertraglichen Regelungen – niedergelassener<br />

Arzt – Kasse (Einkaufsmodell)<br />

Das Sachleistungsprinzip hat die gesetzliche<br />

Krankenversicherung bisher geprägt. Es hat<br />

sich bewährt und sollte schon deshalb beibehalten<br />

werden. Es geht doch nicht um die<br />

Frage – wie die Befürworter des Kostenerstattungsprinzips<br />

immer wieder anführen –,<br />

dass der Patient wissen soll, wie viel seine Behandlung<br />

kostet. Hier soll einfach ein Element<br />

aus der privaten Krankenversicherung übernommen<br />

werden, dem weitere folgen: Beitragsrückerstattung,<br />

unterschiedliche Tarife<br />

etc.. Das hätte dann mit dem Solidarprinzip<br />

nicht mehr viel zu tun.<br />

Wettbewerb ist dann vernünftig, wenn er um<br />

Qualitätskriterien geführt wird. Das sehe ich<br />

in der jetzigen Diskussion überhaupt nicht. Im<br />

Kassenbereich ist der Wettbewerb ja nichts<br />

anderes als ein Beitragssatzwettbewerb, der<br />

letztlich über die Jagd nach jungen, gesunden<br />

und einkommensstarken Mitgliedern<br />

ausgetragen wird. Bei den Leistungserbringern<br />

wird es auch nichts anderes als ein<br />

Preiswettbewerb. Das lehne ich ab, weil es<br />

letztlich zu Lasten der Qualität geht.<br />

Sicher sollten und können wir von der alleinigen<br />

Einzelleistungsvergütung wegkommen.<br />

Ich halte Mischformen mit pauschalen<br />

Honorierungen für denkbar, die die Möglichkeit<br />

einschließen, den Leistungsumfang zu<br />

berücksichtigen und ausgewählte Leistungen<br />

auch künftig gesondert zu vergüten.<br />

Eine Diskussion um das Vertragsmonopol<br />

oder den Sicherstellungsauftrag der KVen<br />

macht nur Sinn, wenn man auch die Alternativen<br />

benennt. Mit einer isolierten Betrachtung<br />

der einzelnen Sektoren kriegen wir die<br />

notwendige Verzahnung nicht hin. Unser Ansatz<br />

wäre deshalb die Zusammenfassung des<br />

zersplitterten Versorgungsauftrages bei einer<br />

öffentlich-rechtlichen Körperschaft, die die<br />

Selbstverwaltungen der Kostenträger und Leistungsanbieter<br />

in einer Region umfasst.<br />

Behandlungsleitlinien sind im Grundsatz richtig.<br />

Sie geben auch den Ärzten mehr Sicherheit.<br />

von der Aufteilung in Wahl-und Grundleistungen<br />

(Katalog von Kernleistungen), höherer<br />

Eigenbeteiligung<br />

Die Aufteilung in Regel- und Wahlleistungen<br />

wäre genau wie höhere Eigenbeteiligungen<br />

ein Schritt zur Privatisierung gesundheitlicher<br />

Risiken.<br />

Zur Finanzierung :<br />

wie bisher paritätisch durch Arbeitgeber und<br />

Arbeitnehmer oder Einfrieren des Arbeitgeberanteils,<br />

Veränderung nur noch über Zusatzleistungen<br />

des Versicherten oder Auszahlung<br />

des Arbeitgeberanteils<br />

Herausnahme versicherungsfremder Leistungen<br />

Die (weitere) Aushöhlung der paritätischen<br />

Finanzierung zu Lasten der Arbeitnehmer –<br />

egal mit welchem Modell – lehne ich ab. Wir<br />

haben ja heute schon keine Parität mehr. Und<br />

wir haben auch ein krasses Missverhältnis<br />

zwischen Eigenbeteiligungen von Kranken<br />

und steuerfinanzierten Leistungen. Wenn Patienten<br />

zusätzlich zu ihren Versicherungsbeiträgen<br />

mehr Geld in die Gesundheitsversorgung<br />

stecken als die öffentlichen<br />

Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden<br />

zusammengenommen, dann stimmt etwas<br />

nicht. Deshalb wäre die Herausnahme<br />

versicherungsfremder Leistungen aus der<br />

GKV-Finanzierung hin zur Steuerfinanzierung<br />

legitim. Ich schließe da auch die Frage<br />

der Mehrwertsteuer für Arzneimittel ein. Eine<br />

Senkung wäre schon ein Gebot der Harmonisierung<br />

innerhalb der EU. Das Argument<br />

der Gesundheitsministerin, dies würde den<br />

Druck zum Sparen senken, ist abwegig und<br />

vorgeschoben.<br />

Der Gesundheitsminister von Rheinland-Pfalz<br />

hat eine Zusammenführung der Budgets<br />

für ambulante Versorgung und für Arzneiund<br />

Heilmittel vorgeschlagen und sieht den<br />

Arzneimittelbereich, Krankenhauskapazitäten<br />

und Arztpraxen als Einsparpotenzial an .<br />

Abgesehen davon, dass im Land Brandenburg<br />

sowohl ambulant als auch stationär Ärzte<br />

fehlen, wie ist Ihre Auffassung dazu<br />

Jeder Schritt zur Aufhebung der starren Trennung<br />

zwischen einzelnen Versorgungs- bzw.<br />

Ausgabenbereichen geht in die richtige Richtung.<br />

Einspardiskussionen nach dem Prinzip<br />

„Greif hier mal hin, greif da mal hin“ haben<br />

wir lange genug erlebt. Sie rufen nur die jeweilige<br />

Lobby auf den Plan und zwar oft berechtigt.<br />

Wir müssen zur Kenntnis nehmen,<br />

dass das Gesundheitswesen ein Wachstums-<br />

300 Brandenburgisches Ärzteblatt 10/2001 • 11. Jahrgang

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