Schulkonkurrenz â wozu? - AMV
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26 <strong>AMV</strong>-aktuell Sonderheft 06/1<br />
gefordert werden können (ebd.,<br />
S. 107).<br />
Diese Ideen:<br />
Reduktion der öffentlichen<br />
Bildung auf einen Kernbereich,<br />
Investition in Individuen und<br />
nicht in Institutionen,<br />
freie Wahl unter einem Angebot,<br />
das sich im Wettbewerb<br />
entwickelt<br />
dominieren die heutige Bildungsdiskussion,<br />
mindestens im angelsächsischen<br />
Bereich. Das ist<br />
auch in der Hinsicht erstaunlich,<br />
als kaum jemand FRIEDMANS<br />
Thesen zur Zeit ihrer Veröffentlichung<br />
beachtet hat. Keine einzige<br />
grössere Zeitschrift oder Zeitung<br />
hat FRIEDMANS Buch von<br />
1962 – Capitalism and Freedom<br />
– rezensiert. Der relative Verkaufserfolg<br />
als Longseller 5 spiegelt<br />
allmählich anwachsendes<br />
Interesse, während in den sechziger<br />
Jahren, nicht nur in den<br />
Vereinigten Staaten, die genau<br />
gegenteilige Politik angesagt<br />
war.<br />
Aber die staatliche Schulentwicklung<br />
scheint nur eine Erwartung<br />
wirklich zu bestätigen,<br />
nämlich dass mehr Mittel immer<br />
nur Gleiches erzeugen, und dies<br />
bei sinkenden Erträgen, wie etwa<br />
aus den PISA-Daten geschlossen<br />
werden könnte. Die Akzeptanz<br />
von FRIEDMANS Ideen<br />
setzt die Akzeptanz von radikaler<br />
Schulkritik voraus, aus der folgte,<br />
das System grundlegend ändern<br />
zu müssen, wenn wirklich Aufwand<br />
und Ertrag in einem kontrollierbaren<br />
Zusammenhang<br />
gesetzt werden sollen. Die Kritik<br />
geht von folgenden Tatbeständen<br />
aus:<br />
Staatliche Schulen sind unkontrollierbar<br />
teuer,<br />
5 Capitalism and Freedom verkaufte sich<br />
in mehr als 400’000 Exemplaren bis<br />
1980. 1980 erschien das Buch Free to<br />
Chose, das MILTON und ROSE<br />
FRIEDMAN verfassten; dieses Buch<br />
wurde allein im ersten Jahr des Erscheinens<br />
in 400’000 Hardcover-<br />
Versionen abgesetzt. Es entstand nach<br />
einer gleichnamigen Fernsehserie.<br />
die tatsächlichen Leistungen<br />
verschwinden hinter wohlmeinender<br />
Ideologie,<br />
weitere Investitionen in dieses<br />
System verbessern nur die<br />
Privilegien des Status Quo.<br />
Die Prämisse der Kritik ist Freiheit.<br />
„Freiheit von Kunden” ist<br />
eine abstrakte Grösse, die weder<br />
auf soziale und kulturelle noch<br />
auf gesellschaftliche Unterschiede<br />
achten muss. Kunden sind<br />
„Kunden”, weil sie sich, unabhängig<br />
davon, was sie selber<br />
ausmacht, für oder gegen Angebote<br />
entscheiden, also eine rationale<br />
Wahl treffen können.<br />
Das Hauptargument der Kritik<br />
bezieht sich auf die Macht der<br />
bürokratischen Organisation, die<br />
Freiheit behindert. Die Idee ist<br />
einfach: Alle staatlichen Anbieter<br />
müssten einem Wettbewerb ausgesetzt<br />
werden, also sich auf<br />
Bildungsmärkten bewähren, weil<br />
nur dadurch Entwicklungsanreize<br />
entstehen, die Monopole – auch<br />
Monopole pädagogischer Macht<br />
– ausschliessen. Die staatlichen<br />
Lehrpläne und Programme der<br />
Schulentwicklung, die im 19.<br />
Jahrhundert entstanden und im<br />
20. Jahrhundert weltweit etabliert<br />
wurden, sind de facto Monopole.<br />
Sie verletzen, wie FRIEDRICH<br />
AUGUST HAYEK 1960 6 schrieb,<br />
6 The Constitution of Liberty erschien im<br />
amerikanischen Original 1960. FRIED-<br />
RICH AUGUST VON HAYEK (1899-<br />
1992) war von 1927 bis 1931 Direktor<br />
des Oesterreichischen Instituts für Konjunkturforschung<br />
in Wien. HAYEK habilitierte<br />
sich 1929 in Politischer Ökonomie<br />
an der Universität Wien. Er wurde<br />
durch seine Prognose der Rezession<br />
1929 schnell bekannt und wurde 1931<br />
zum Tooke Professor of Economic<br />
Science an der London School of Economics<br />
and Political Science ernannt.<br />
HAYEK, seit 1938 englischer Staatsbürger,<br />
verliess die London School of<br />
Economics wegen eines Scheidungsprozesses.<br />
1950 erhielt er eine Stelle<br />
an der University of Chicago, wo er mit<br />
MILTON FRIEDMANS und GEORGE<br />
STIGLER zusammen arbeitete. HAYEK<br />
wurde 1962 auf eine Professur für Wirtschaftspolitik<br />
der Universität Freiburg/Breisgau<br />
berufen, die er bis 1967<br />
versah. Er erhielt 1974, mit GUNNAR<br />
MYRDAL, also seinem Hauptopponenten,<br />
den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften.<br />
die „Mannigfaltigkeit” (HAYEK<br />
1971, S. 466) und beeinträchtigen<br />
die individuelle Freiheit. Es<br />
könnte sich bald herausstellen,<br />
so HAYEK,<br />
„dass die Lösung darin liegen<br />
wird, dass die Regierung nicht<br />
mehr der Hauptträger der Erziehung,<br />
sondern der unparteiische<br />
Beschützer des Einzelnen gegen<br />
jede Verwendung” der pädagogischen<br />
Macht, also der politischen<br />
Bürokratie, werden muss (ebd.,<br />
S. 467).<br />
Für die praktischen Lösungen<br />
verweist HAYEK auf FRIED-<br />
MANS Aufsatz aus dem Jahre<br />
1955, also auf Bildungsgutscheine,<br />
private Darlehen zur Finanzierung<br />
höherer Bildung und<br />
hinreichende Selektivität des<br />
Bildungssystems (ebd.,<br />
S. 467ff.). Theoretisch verschärft<br />
HAYEK die Spannung zwischen<br />
Gleichheit (equality) und Qualität<br />
(excellence), indem er darauf<br />
hinweist, dass nur staatliche<br />
Reglementierung, die Zufälle<br />
ausschalten soll, für Chancengleichheit<br />
sorgen kann, 7 also die<br />
Illusion weckt, alle würden „mit<br />
denselben Aussichten beginnen”<br />
(ebd., S. 472), während der Erfolg<br />
selbst gesucht und geschaffen<br />
werden muss, so dass in<br />
jedem System Gewinner und<br />
Verlierer erzeugt werden, die<br />
vorher wissen müssen, welche<br />
Risiken sie eingehen. Ausschalten<br />
kann man diese kompetitive<br />
Selektivität nur dadurch,<br />
„dass „manchen Möglichkeiten<br />
genommen werden, die nicht<br />
7 „Der dem Verlangen nach ‘sozialer<br />
Gerechtigkeit’ zugrunde liegende<br />
Wunsch, die Wirkungen des Zufalls<br />
auszuschalten, kann auf dem Gebiet<br />
der Erziehung ebenso wie überall sonst<br />
nur erfüllt werden, wenn alle jene Gelegenheiten<br />
ausgeschlossen werden, die<br />
nicht der bewussten Regelung unterworfen<br />
sind. Aber die Entwicklung der<br />
Zivilisation beruht grösstenteils darauf,<br />
dass die Einzelnen von den ihnen begegnenden<br />
Zufälligkeiten und den im<br />
wesentlichen unvoraussagbaren Vorteilen,<br />
die ihnen ein bestimmtes Wissen in<br />
neuen Verhältnissen über andere<br />
geben wird, den besten Gebrauch zu<br />
machen” (HAYEK 1971, S. 471).