09.02.2015 Aufrufe

Schulkonkurrenz – wozu? - AMV

Schulkonkurrenz – wozu? - AMV

Schulkonkurrenz – wozu? - AMV

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>AMV</strong>-aktuell Sonderheft 06/1 45<br />

fragwürdige) Orientierungsgrösse<br />

für erfolgreiche Praxis von Schulen<br />

ist deshalb Jahr für Jahr die Zahl<br />

der Neuanmeldungen – die, wie<br />

bereits erwähnt, hauptsächlich von<br />

Wahlkriterien abhängt, von welchen<br />

die meisten nichts mit der<br />

Ausbildungsqualität im Sinne der<br />

Hochschulvorbereitung zu tun<br />

haben.<br />

Geographische Distanz zwischen<br />

den Schulen<br />

Die Aargauer Mittelschulen liegen<br />

zu weit auseinander, als dass alle<br />

sechs Standorte jemals zueinander<br />

in echte Konkurrenz treten<br />

könnten. <strong>Schulkonkurrenz</strong> (auf der<br />

Basis echter Profilbildung) ist in<br />

einer Stadt wie Zürich machbar,<br />

aber nicht im dezentralen Kanton<br />

Aargau. Wenn man diesen Weg<br />

einschlagen möchte, so müsste<br />

man mindestens von zwei Zentren<br />

ausgehen: Aargau Ost und Aargau<br />

West.<br />

Die Schulen haben nicht gleich<br />

lange Spiesse<br />

Die einzelnen Schulen unterscheiden<br />

sich erheblich hinsichtlich ihrer<br />

Geschichte, ihrer Grösse und insbesondere<br />

im Bereich der oben<br />

erwähnten, besonders wahlrelevanten<br />

„sekundären Qualitäten“.<br />

Die Wahl ist nur scheinbar<br />

frei<br />

Die Zahl der umgeteilten<br />

SchülerInnen ist seit 2001<br />

permanent gestiegen (von 17<br />

im Jahr 2001 auf je 114 in<br />

den Jahren 2004 und 2005).<br />

Auf Beginn des Schuljahrs<br />

2005/06 wurden 3 ganze<br />

DMS-Klassen von Wettingen<br />

nach Baden umgeteilt.<br />

Ein Recht auf die Auswahl<br />

bzw. Ablehnung von Studierenden<br />

durch die Schulen<br />

besteht (glücklicherweise)<br />

nicht.<br />

<strong>Schulkonkurrenz</strong> IV: Warum sie im Gymnasium Aargau höchstens Probleme bringt<br />

Die Aargauer Kantonsschulen<br />

erfüllen seit ihrem Bestehen ihre<br />

Aufgabe (Hinführung der Studierenden<br />

zur allgemeinen Hochschulreife)<br />

ausgezeichnet und<br />

bieten darüber hinaus ein überaus<br />

reiches – und ständig wachsendes<br />

und sich aktualisierendes<br />

– Angebot von Zusatzleistungen<br />

an. Für ideologieverhaftete und<br />

unausgegorene, eventuell gefährliche<br />

Experimente im Bereich<br />

der Systemsteuerung besteht<br />

daher keinerlei Bedarf.<br />

Die Verbindung von „freier“<br />

Schulwahl (de facto mit je über<br />

hundert Umteilungen in den letzten<br />

zwei Jahren) und Teilautonomie<br />

bei gleichzeitiger Abwesenheit<br />

echter Schulprofile inhaltlicher<br />

Art führt unweigerlich zu<br />

einer Form von <strong>Schulkonkurrenz</strong>,<br />

die kaum qualitätssteigernde<br />

Auswirkungen haben kann: Allerorts<br />

herrscht rege Betriebsamkeit,<br />

am meisten aber im PR-<br />

Bereich: Wer Zeitung liest, muss<br />

den Eindruck bekommen, das<br />

Tagwerk der GymnasiastInnen<br />

bestehe heute hauptsächlich aus<br />

Firmengründungen, Konzertauftritten,<br />

der Teilnahme an Podiumsdiskussionen<br />

und dem Verfassen<br />

trendiger Maturitätsarbeiten.<br />

Neue Fächer werden<br />

angeboten, teilweise sogar erfunden,<br />

ohne dass die Angebote<br />

untereinander sorgfältig koordiniert<br />

zu sein scheinen (vgl. Editorial<br />

<strong>AMV</strong>-aktuell 05/3). Im Freifachangebot<br />

besteht die Gefahr<br />

einer Popularisierung: Kaum eine<br />

Schule kann es sich beispielsweise<br />

leisten, das Instrument<br />

„Keyboard“ nicht anzubieten,<br />

auch wenn die Frage nach dem<br />

gymnasialen Curriculum noch<br />

nicht wirklich geklärt ist – selbst<br />

gegen die Skepsis sämtlicher<br />

Lehrpersonen einer betroffenen<br />

Fachschaft.<br />

Die neu etablierte <strong>Schulkonkurrenz</strong><br />

zwingt die Schulen zum<br />

verstärkten Werben um die BezirksschulabgängerInnen,<br />

verringert<br />

die Lust zur Kooperation<br />

zwischen den Schulen, verstärkt<br />

paradoxerweise den Druck zum<br />

Komplettangebot und bläht die<br />

PR-Aktivitäten auf. Bezirksschülerorientierungen<br />

dienen neuerdings<br />

zunehmend dem Standortmarketing.<br />

In Zeiten sich abzeichnenden<br />

Schülerrückgangs<br />

droht die „Einschaltquote“ zur<br />

wichtigsten Kennziffer für erfolgreiche<br />

Schulführung zu werden.<br />

Unterdessen wählen die Studierenden<br />

ihre Schule aufgrund von<br />

wenig beeinflussbaren, sekundären<br />

Faktoren wie Schulweg, Attraktivität<br />

der Schulbauten, „Ruf“<br />

einer Schule, Familientradition<br />

etc. – und sie verhalten sich damit<br />

absolut rational, ist doch das<br />

angebotene Produkt überall das<br />

gleiche: Gymnasiale Bildung<br />

nach MAR Aargau und der Maturitätsausweis,<br />

der die Zutrittsberechtigung<br />

zur Hochschule darstellt.<br />

Marktsteuerung durch “freie<br />

Schulwahl“ ohne echte Angebotsdifferenzierung<br />

bringt mehr<br />

Schaden als Nutzen. Sie wandelt<br />

sich von einer Verheissung zu<br />

einer Gefahr, indem sie fatalerweise<br />

einen Anreiz zur Nivellierung<br />

nach unten schafft: Das<br />

„billiger“ oder „angenehmer“ erreichbare<br />

Maturzeugnis könnte<br />

für die „Kundschaft“ das attraktivere<br />

sein, da es den Zweck genauso<br />

erfüllt. Lässt man eine<br />

solche Entwicklung zu, wird sich<br />

jedoch früher oder später der<br />

politische Druck auf den allgemeinen<br />

Hochschulzugang noch<br />

weiter erhöhen: Die Systemlogik<br />

der Marktsteuerung erfordert<br />

letztlich erkennbar „wertvollere“<br />

und „weniger wertvolle“ Maturitätsausweise.<br />

Und das wäre<br />

dann das Ende der Chancengerechtigkeit.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!