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Schulkonkurrenz – wozu? - AMV

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30 <strong>AMV</strong>-aktuell Sonderheft 06/1<br />

weil über sie wenig bekannt ist,<br />

in Frage zu stellen. Effizienzfragen<br />

stellen sich also nicht nur<br />

negativ, sondern zugleich positiv.<br />

In Zukunft werden Schulen<br />

nachweisen müssen, was sie zur<br />

Festigung öffentlicher Güter beitragen<br />

und warum sie eine echte<br />

Marktorganisation nicht vertragen.<br />

Die Bildungspolitik der Zukunft<br />

wird sich vermutlich an der<br />

Frage entscheiden, ob die Schulen<br />

nach klar festgelegten Standards<br />

ihre Ressourcen effektiv<br />

einsetzen oder nicht. Das System<br />

ist zu teuer, um keine Kostenfragen<br />

aufzuwerfen (LE-<br />

VIN/MCEWAN 2001).<br />

Andererseits sind die Alternativen<br />

nur dann überzeugend,<br />

wenn bestimmte Zusammenhänge<br />

ausgeblendet werden. Elternwahlen<br />

sind immer Interessen<br />

geleitete Wahlen. Das Interesse<br />

am Wohl des eigenen Kindes<br />

wäre plötzlich für den Unterhalt<br />

von Schulen die dominante Grösse,<br />

die nicht garantieren könnte,<br />

dass andere als nur die Interessen<br />

für das eigene Kind die<br />

schulischen Angebote bestimmen.<br />

Das Wohl des eigenen<br />

Kindes geht mit Wertungen einher,<br />

die nicht nur individuell, sondern<br />

oft unvereinbar mit anderen<br />

Wertungen sind. Bildungsgutscheine<br />

sind eine überragende<br />

Forderung, der keine auch nur<br />

annähernde Praxis gegenübersteht<br />

(MANGOLD/OELKERS/<br />

RHYN 2000). Oft sind Vouchers<br />

nur andere Formen der Förderung<br />

von Bedürftigen, fast immer<br />

sind damit nur marginale Zahlen<br />

verbunden, vielfach entsprachen<br />

aber auch diese Versuche nicht<br />

den Erwartungen, weil freie<br />

Wahlen komplexe Entscheidungen<br />

verlangen, eine Transparenz,<br />

die fast nie gegeben ist,<br />

und einen Aufwand, der in keinem<br />

Verhältnis steht zum Ertrag.<br />

Modellrechnungen zeigen, dass<br />

sich das amerikanische Bildungssystem<br />

dramatisch verteuerte,<br />

würde wirklich flächendeckend<br />

die Bildungsfinanzierung<br />

auf Vouchers umgestellt. 12<br />

Nichts garantiert, dass sich dadurch<br />

die Wirksamkeit des Bildungssystems<br />

signifikant verbessern<br />

würde, zumal die Finanzierung<br />

der Bildung keinen Aufschluss<br />

darüber gibt, welche<br />

Effekte überhaupt erwartet werden.<br />

Schon die Frage, ab wann<br />

Freiheit so beschaffen ist, dass<br />

sie auch verantwortlich genutzt<br />

wird, lässt sich mit diesen Vorgaben<br />

kaum beantworten. Freiheit<br />

würde Bildung in einem bestimmten<br />

Minimum voraussetzen,<br />

über das nicht wiederum<br />

freiheitlich entschieden werden<br />

kann. Sollen entscheidungsfähige<br />

Kunden entstehen, müssen<br />

sie gebildet werden, ohne dabei<br />

wiederum nur „Kunden” sein zu<br />

können.<br />

Das vorgesehene Minimum der<br />

Bildung muss gleich vorhanden<br />

sein, also in allen sozialen Milieus<br />

und geographischen Räumen.<br />

Ein Bildungsmarkt wäre aus<br />

Gründen der Kundenkonzentration<br />

ausserstande, schwach besiedelte<br />

Gebiete zu bedienen,<br />

aber der Markt könnte auch nicht<br />

angemessen (fair) auf starke<br />

Ungleichverteilung von Elternressourcen<br />

reagieren. Die Reichen<br />

könnten weit mehr Zusatzinvestitionen<br />

aufbringen als die<br />

Armen und sich so die Schulen<br />

anmieten, die sie für ihre – und<br />

nur ihre – Kinder wünschen.<br />

Übertragen auf die Schweiz lässt<br />

sich sagen: Bislang liegen nur<br />

Modelldiskussionen vor, ernsthafte<br />

politische Initiativen gibt es<br />

derzeit nicht, wenngleich das<br />

Problem deutlich spürbar ist. Die<br />

Frage der Bildungsfinanzierung<br />

und so der Leistungserwartungen<br />

stellt sich unweigerlich. Und sie<br />

muss beantwortet werden, ohne<br />

sich auf die alten Sicherheiten<br />

zurückziehen zu können. Auf-<br />

12 Die Transportkosten würden dramatisch<br />

steigern, damit einhergehend der<br />

Versicherungs- und der Betreuungsaufwand,<br />

die Kosten für die Administration<br />

des neuen Systems, für unvorhergesehene<br />

Systemfehler, für Gerichtsprozesse<br />

usw. (Angaben nach LEVIN<br />

1998).<br />

wand und Ertrag müssen in ein<br />

transparentes Verhältnis gesetzt<br />

werden, was erklärt, warum Bildungsmonitoring<br />

und Schulevaluation<br />

zu zentralen Themen der<br />

Bildungspolitik geworden sind.<br />

Aber vermutlich stellt sich auf<br />

absehbare Zeit die Systemfrage<br />

– Staat oder Markt – nicht. Das<br />

gilt allerdings nur für den obligatorischen<br />

Bereich, der auch gesellschaftlich<br />

gut geschützt ist.<br />

Ein Grund, sich auszuruhen, ist<br />

das nicht.<br />

Literatur<br />

CIBULKA (Eds.): Private Schools and<br />

Public Policy. International Perspectives.<br />

New York/London: The Falmer<br />

Press 1989, S. 285-313.<br />

CHUBB J.E./MOE, T.M.: Politics, Markets,<br />

and America’s Schools. Washington,<br />

D.C.: The Brookings Institution<br />

1990.<br />

COONS, J.E.: School Choice as Simple<br />

Justice. In: First Things 1992, S. 15-<br />

22.<br />

COULSON, A.J.: Market Education: The<br />

Unknown History. New Brunswick<br />

N.J.: Transaction Publishers 1999.<br />

FINKELSTEIN, B.: Governing the Young.<br />

Teacher Behavior in Popular Primary<br />

Schools in Nineteenth-Century United<br />

States. New York/Philadelphia/ London:<br />

The Falmer Press<br />

1989. (= Studies in Curriculum History,<br />

ed. I.F. GOODMAN, Vol. 11)<br />

FRIEDMAN, M.: Capitalism and Freedom.<br />

With a New Preface by the Author.<br />

Chicago/London: The University<br />

of Chicago Press 1982. (erste Ausg.<br />

1962)<br />

HANUSHEK, E. A.: Throwing Money at<br />

Schools. In: Journal of Policy Analysis<br />

Vol. 1, No. 1 (1981), S. 19-41.<br />

HAYEK, F.A.V.: Die Verfassung der<br />

Freiheit. Tübingen: J.C.B Mohr (Paul<br />

Siebeck) 1971.<br />

HENIG, J.R. Rethinking School Choice:<br />

Limits of the Market Metaphor. Princeton,<br />

N.J.: Princeton University<br />

Press 1994.<br />

KAHNE, J.: Reframing Educational Policy.<br />

Democracy, Community, and the<br />

Individual. New York/London: Teachers<br />

College Press 1996.<br />

KERSTING, Chr.: Vom „Interimspädagogen“<br />

zum pädagogischen Unternehmer.<br />

In: M. MANGOLD/J. OELKERS<br />

(Hrsg.): Oekonomie, öffentliche Bildung<br />

und Demokratie. Bern et. al.<br />

2002. (= Explorationen. Studien zur<br />

Erziehungswissenschaft, hrsg. v. J.<br />

OELKERS, Bd. 35), S. 22<br />

LEVIN, H.: Educational Vouchers: Effectiveness,<br />

Choice, and Costs. In: Jour-

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