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Cruiser Winter 2014

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CRUISER Edition <strong>Winter</strong> 14/15<br />

Religion<br />

Von Galilei bis zu Küng.<br />

Die katholische Kirche<br />

drohte ihren Kritikern mit<br />

Mitteln wie Inquisition,<br />

Exkommunikation, Entzug<br />

der kirchlichen Lehrbefugnis.<br />

So wehrt sie sich<br />

bis heute gegen Anpassungen<br />

an die Zeit. Hat die<br />

Bischofs synode in Rom<br />

im Herbst <strong>2014</strong> nun doch<br />

etwas bewegt?<br />

Es hätte ein schönes Weihnachtsgeschenk werden können für Gläubige,<br />

die schwul oder lesbisch sind, für Gläubige, die geschieden sind,<br />

für Frauen, die sich in den Dienst der Kirche stellen möchten. Doch<br />

noch sind die konservativen Bischöfe in der Mehrheit. Und Papst<br />

Franziskus wird sich hüten, über die Köpfe der konservativen Bischöfe<br />

hinweg ein päpstliches, unumstössliches Machtwort zu sprechen.<br />

Er hält wenig von «Roma locuta, causa finita» (Rom hat gesprochen,<br />

der Fall ist beendet). Anders als sein Vorgänger Benedikt XVI setzt<br />

Franziskus auf den Dialog und die Diskussion. Somit ist noch nichts<br />

entschieden. Die Formulierungen im Schlussbericht der ausserordentlichen<br />

Bischofssynode sind recht allgemein gehalten. Dennoch:<br />

nach der Synode (<strong>2014</strong>) ist vor der Synode (2015). Es besteht noch<br />

Hoffnung auf eine Öffnung der katholischen Kirche. Mag diese auch<br />

sehr langsam sein. Die Geschichte zeigt, wie brutal und hartnäckig<br />

Weltbilder verteidigt wurden.<br />

Das Dossier Galilei<br />

Als Galilei Anfang Januar 1610 als erster mit dem Fernrohr die vier<br />

grössten Monde des Planeten Jupiter entdeckte, wirkte dies wie ein<br />

Schock. Es widersprach der Vorstellung, die Erde sei der Mittelpunkt.<br />

Galileis Erkenntnisse, dass die Erde weder der Mittelpunkt der Welt<br />

noch unbeweglich sei, «sondern sie bewegt sich als ganze und befindet<br />

sich in einer täglichen Bewegung» waren für Rom ketzerisch. Der Papst<br />

befand aufgrund eines von ihm in Auftrag gegebenen Gutachtens: Galileis<br />

These sei «töricht und absurd, weil es der Heiligen Schrift, wie sie<br />

an vielen Stellen aufscheint, widerspricht, und zwar ihrem Wortlaut<br />

an sich wie auch den anerkannten Auslegungen dieser Stellen und<br />

den Meinungen der Kirchenväter und der Theologie». Die Meinung der<br />

Kirchväter galt mehr als wissenschaftliche Erkenntnis.<br />

Die Inquisition zwang Galilei zum Widerruf seiner Thesen, dass<br />

sich die Erde um die Sonne drehe. 1633 wurde Galileo Galilei von<br />

der römischen Inquisition angeklagt und zu lebenslanger Haft verurteilt,<br />

die später in lebenslangen Hausarrest abgemildert wurde.<br />

Nach der Verurteilung soll er vor sich hingemurmelt haben: «und<br />

sie bewegt sich doch». Galileis Schriften standen bis 1835 auf dem<br />

Index der verbotenen Bücher. Erst nach 362 Jahren, nämlich 1992,<br />

wurde er offiziell rehabilitiert. Die Geschichte zeigt, Rom reagiert<br />

langsam.<br />

Das Dossier Küng<br />

Man muss nicht ins Mittelalter zurückgehen um die Unbeweglichkeit<br />

der katholischen Kirche aufzuzeigen. 1979 entzog die Deutsche<br />

Bischofskonferenz aufgrund eines von Papst Johannes Paul II. gebilligten<br />

Erlass der Glaubenskongregation Hans Küng, damals Theologieprofessor<br />

an der Universität in Tübingen, die kirchliche Lehrbefugnis.<br />

Er wagte es, in seinem Buch «Unfehlbar? Eine Anfrage» das Dogma<br />

über die Unfehlbarkeit des Papstes in Frage zu stellen. Küng hat seine<br />

theologisch fundierten Aussagen über das umstrittene Unfehlbarkeitsdogma<br />

(aus dem Jahre 1870) nie zurückgenommen. Ausserdem<br />

regte er die Diskussion zu Themen wie Pflichtzölibat und Frauenordination<br />

an. Ab 1980 wurde Küng ein fakultätsunabhängiger Professor<br />

für ökumenische Theologie und Direktor des Instituts für ökumenische<br />

Forschung der Universität Tübingen, Ämter, die er bis 1997 innehatte.<br />

1989 war er Mitunterzeichner der «Kölner Erklärung», die sich<br />

für eine offene Katholizität und gegen die Überdehnung päpstlicher<br />

Autorität ausgesprochen hat. Vor einem Jahr machte der inzwischen<br />

über 85-jährige Schweizer wieder von sich reden:<br />

Er machte seinen körperlichen Zerfall öffentlich und schloss einen<br />

Freitod nicht aus. Er erklärte: «Des Anliegens, dass auch gläubige<br />

Menschen über die Art und Weise ihres Sterbens entscheiden möchten,<br />

sollte sich die Kirche annehmen.» Ist das sein letzter Protest gegen<br />

die unnachgiebige christliche Lehre Roms?<br />

Dossier Homosexualität / Sexualität?<br />

Um die Haltung der katholischen Kirche gegenüber Homosexuellen<br />

nur annähernd begreifen zu können, muss man weiter ausholen. Die<br />

Sexualethik war bis ins 16. Jahrhundert massgeblich von der kirchlichen<br />

Morallehre geprägt. Augustinus von Hippo († 430) brachte unter<br />

dem Einfluss des Neuplatonismus und der Stoa einen ausgeprägten Sexualpessimismus<br />

in die kirchliche Lehre. Jeder nicht «naturgemässe»<br />

oder «vernunftgemässe» sexuelle Akt (Ehebruch, Prostitution, Selbstbefriedigung,<br />

Coitus Interruptus, Homosexualität) ist dennoch Sünde.<br />

Freude an der Sexualität war immer unter dem Verdacht der Sündhaftigkeit.<br />

Darauf beruft sich die konservative katholische Lehre bis heute.<br />

Die Kirche predigte die Enthaltsamkeit und verbot logischerweise<br />

die Pille als Verhütung. Der emiritierte Papst Benedikt XVI. verbot den<br />

Gebrauch des Kondoms selbst als Prävention von HIV in Afrika. (Kaum<br />

nachvollziehbar liess er das Kondom jedoch für männliche Stricher<br />

zu). Das gestörte Verhältnis der Kirche zur Sexualität zeigt sich auch im<br />

Festhalten am Zölibat, am Ausschluss der Frauen vom Kirchendienst,<br />

im Verbot für Geschiedene wieder zu heiraten, in der Haltung gegenüber<br />

Homosexuellen.<br />

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