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141-165 (4839 KB) - Wolfgang Wiegand

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oder notorium erscheinen läßt u , schließt es aus, daß der Richter sidi auf<br />

eine entschuldbare Unkenntnis beruft.<br />

Daraus ergibt sich praktisch von selbst, in welchen Fällen die allgemeine<br />

Kenntnis nicht unterstellt 12 und infolgedessen dem Richter probabilis<br />

ignorantia zugebilligt werden kann: wenn Zweifel an der Authentizität<br />

bestehen, weil es sich um „extravagantes" handelt, die nicht in den<br />

autorisierten Sammlungen erscheinen 13 . Derartiges Recht hat der Richter<br />

nicht ex officio in den Prozeß einzuführen, vielmehr muß diejenige<br />

Partei, die es allegiert, seine Anwendbarkeit, observantia et esse ins 14 ,<br />

beweisen. Die Beweisbedürftigkeit ergibt sich aus der Zweifelhaftigkeit,<br />

die Zulässigkeit dieses Beweises daraus, daß man die Geltungsfrage als<br />

quaestio facti 15 qualifiziert. Diese Begrenzung der allgemeinen Rechtskenntnis<br />

und die korrespondierende Beschränkung der richterlichen<br />

Rechtsermittlungspflicht — entwickelt anhand der D. 19 c. 1 des cap.<br />

pastoralis und vor allem ausgehend von der auch für diese beiden Vorschriften<br />

grundlegenden lex cum prolatis 16 — spielen nach dem Eindruck,<br />

den die Kommentierungen dieser Vorschriften vermitteln, vor allem im<br />

partikularen Recht eine wichtige Rolle; sie sind aber keineswegs auf dieses<br />

") Dazu Kap. IV insgesamt (1. in omni); zum notorium in diesem Sinne PAULUS<br />

DE CASTRO Kap. III in N. 133, SICHARD Kap. IV bei N. 53, BALDUS Kap. Ill N. 124<br />

und Kap. IV N. 36 und 65 (zur 1. leges sacratissimae, vgl. oben N. 8).<br />

18 ) Daß es sich dabei um eine Fiktion handelt, war allen Beteiligten klar. Zwei<br />

Gesichtspunkte belegen das deutlich: Gerade das Abstellen auf die Möglichkeit der<br />

Vergewisserung durch „inspectio/apertura librorum" setzt Unkenntnis oder Zweifel<br />

voraus. Zum andern impliziert der Hinweis, der sich sowohl in den Kommentierungen<br />

zur 1. praescriptione als auch zum cap. licet Romanus findet, wonach Papst und<br />

Kaiser sich stets in Begleitung von „iurisperiti" befänden (z. B. Text der Glosse zur<br />

1. praescriptione oben Kap. Ill N. 84), die Annahme, daß sie eben nicht das Recht<br />

präsent im „Schreine ihres Herzens" tragen. Deshalb verformt sich ja die Sentenz<br />

von den ,omnia iura in scrinio pectoris' mehr und mehr zu einer unterstellten Rechtskenntnis,<br />

bis es dann in VI 1.2.1 heißt: „iura omnia in scrinio perctoris sui censetur<br />

habere", dazu oben Kap. V/II N. 217.<br />

1S ) Einzelheiten oben Kap. II bei N. 77 ff. Auf die Verbindung zwischen den verschiedenen<br />

Komplexen ist verschiedentlich hingewiesen worden, und zwar immer da,<br />

wo diese Begrenzung auftrat, vgl. etwa Kap. IV N. 27/32. Daraus ergibt sich im<br />

übrigen, daß nidit etwa die Schriftlichkeit als solche, sondern die Gewißheit des Rechts,<br />

die z. B. auch bei der consuetudo notoria vorhanden sein konnte, den entscheidenden<br />

Gesichtspunkt bildet (dazu Kap. IV und V/I).<br />

14<br />

) S. oben Kap. II, PACIAN im Anschluß an GUIDO DE BAYSIO ZU D. 19 c. 1<br />

(N. 113 ff.).<br />

,5<br />

) a. a. O. Gelegentlich schlägt auch hier die Terminologie der consuetudo-Lehre<br />

und des cap. licet Romanus durch. So heißt es bei JOHANNES A SANCTO GREGORIO<br />

zu D. 19 c. 1 (ausführlich in Kap. III N. 108): „... sed si positio contineret id quod<br />

extravagans, cum illud sit facti, ut volunt doctores et allegans artetur probandum ..."<br />

»•) D. 19 c. 1, X 2.22.8, D. 42.1.32, s. oben N. 13.<br />

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