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141-165 (4839 KB) - Wolfgang Wiegand

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Ungeachtet einzelner Regeln, nach denen die Beweislast im römischkanonischen<br />

Prozeß verteilt wurde 66 , basiert die Lehre vom onus probandi<br />

auf dem Vermutungsgedanken 67 , der diese Doktrin bis weit in das<br />

19.Jahrhundert hinein 68 , ja vielleicht noch darüber hinaus geprägt hat 69 .<br />

In seiner extremsten Ausprägung führte er zu Konsequenzen, die Burkkard<br />

so beschrieben hat: „Es gab eine Zeit, wo man die Praesumtionen<br />

als das die ganze Frage vom onus probandi principaliter Normierende<br />

ansah, indem man sagte: Derjenige muß beweisen, gegen den eine Praesumtion<br />

streitet... Die notwendige Folge dieser Auffassung, die sich<br />

schon bei den Glossatoren findet, war, daß man überall da, wo in den<br />

Quellen eine Bestimmung über die Beweislast in einem konkreten Fall<br />

enthalten ist, eine Praesumtion für das Gegentheil dessen, was danach<br />

zu beweisen war, annahm. Statt zu sagen: Alles, was praesumiert wird,<br />

braucht nicht bewiesen zu werden, kehrte man das Verhältnis um und<br />

stellte den Satz auf: Alles, was nicht bewiesen zu werden braucht, wird<br />

praesumiert" 70 . Selbst wenn man davon ausgeht, daß es sich hier um<br />

eine Überspitzung handelt, bleibt der Kern der Aussage richtig: Die<br />

mittelalterlichen Juristen denken, wenn sie den Streitfall vor Augen<br />

haben, in Vermutungen. Daraus lassen sich mehrere Folgerungen ableiten.<br />

Da das Funktionieren der in ihren Grundelementen geschilderten<br />

Rechtsanwendungslehre, das Ineinandergreifen einzelner Elemente erst<br />

relevant wird, wenn ein wirklicher Kollisionsfall vorliegt, ist es nur<br />

folgerichtig, daß die Umsetzung des Grundkonzepts in die Prozeßsituation<br />

sich in der forensisch-kasuistischen Literatur findet, in Consilien und<br />

Urteilen, die sich mit Fragen der Anwendbarkeit verschiedener Rechte<br />

auseinandersetzen. In dem dafür einleitend angeführten Beispiel aus<br />

den Consilien des Matthäus Wesenbeck war dieser Umsetzungsprozeß<br />

bereits vollzogen und die Grundaussage der Rechtsanwendungslehre in<br />

66<br />

) S. vor allem oben Kap. II bei N. 6, vgl. audi mit zusammenfassenden Nachweisen<br />

MUSIELAK, Beweislast, S. 259 ff.<br />

• 7 ) Zusammenfassende Darstellung bei MOTZENBÄCKER, Vermutungen. Weiterführend<br />

die Untersudiungen von KIEFNER, Semel malus semper praesumitur esse malus (ZRG<br />

Rom. 78 (1961) S. 308 ff.) sowie DERS., Qui possidet dominus esse praesumitur (ZRG<br />

Rom. 79 (1962) S. 239 ff.). Zu einzelnen Aspekten auch WIEGAND, fundata intentio,<br />

insbesondere bei und in N. 36. Umfassende Darstellung der Theorie des 15. und 16.<br />

Jahrhunderts bei MENOCHIUS, De praesumptionibus.<br />

° 8 ) Grundlegende Kritik dieser Theorie bei WEBER, Beweisführung, S. 80 ff., und<br />

zusammenfassende Darstellung bei BURCKARD, S. 125 ff.<br />

* 8 ) Vgl. neben HEDEMANN, Die Vermutung (1904) vor allem ROSENBERG, Beweislast,<br />

S. 199 ff., wo ROSENBERG ausdrücklidi darauf hinweist, daß die Vermutungstheorie<br />

noch immer nidit völlig überwunden sei. Vgl. zum derzeitigen Stand der Lehre LEIPOLD,<br />

Beweislastregeln und gesetzliche Vermutungen (1966).<br />

70<br />

) BURCKARD, S. 127 mit weiteren Nachweisen.<br />

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