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141-165 (4839 KB) - Wolfgang Wiegand

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ereidie enthält. Die Art seiner Begrenzung führt zu einem zweiten wichtigen<br />

Punkt.<br />

Wo immer die Grenze zwischen beweisbedürftigem und nicht-beweisbedürftigem<br />

Recht verläuft, erfolgt die Grenzziehung durch jene zwei<br />

Kriterien, deren Wechselbeziehung schon ausführlich 62 behandelt wurde:<br />

Dem Richter wird probabilis ignorantia zugebilligt, und das, was er nicht<br />

zu kennen braucht, wird durchgehend als factum behandelt: die „extravagantes",<br />

die ortsfremden Statuten und das Gewohnheitsrecht. Dieses<br />

Modell funktioniert auch, wenn es um die Rechtskenntnis höherer, nicht<br />

ortsgebundener Richter geht: Für sie gilt jene Begründung, die Franchus<br />

63 in seiner Kommentierung zum cap. licet Romanus, zunächst zugeschnitten<br />

auf den Papst, dann aber verallgemeinernd, gegeben hat:<br />

„. . . quia superior praesumitur scire iura communia et publica ut hic<br />

in textu. Secus est in statuto vel consuetudine que dicuntur ius privatum<br />

ipsius loci et sie sunt facti et in facto consistunt, quatenus respicient<br />

certum locum ex quo non sunt universalia. ideo superior praesumitur<br />

ignorare."<br />

Die Argumentation beruht — wie betont 64 — letztlich vielleicht auf<br />

dem Spezialitätsgedanken, der aber von dem factum-Argument nicht zu<br />

trennen ist. Gerade diese beiden Elemente spielen wiederum eine entscheidende<br />

Rolle, wenn es darum geht, dieses Modell in die prozessuale<br />

Praxis umzusetzen.<br />

Die Aufteilung des Rechts in zwei große Bereiche, die sich durch ihre<br />

Anwendungsvoraussetzungen unterscheiden, war die Leitlinie der einzelnen<br />

Analysen gewesen: Die Aufspaltung in einen beweisbedürftigen Teil<br />

und einen zweiten Teil, der dieses Beweises nicht bedarf, hatte sich in der<br />

Weise, wie sie hier nochmals zusammenfassend geschildert wurde, allenthalben<br />

wiedergefunden. Dabei war an verschiedenen Punkten vor allem<br />

durch Belege aus dem Codex-Kommentar von Johann Sichard, aber auch<br />

von Nicolaus Everhardus und Andreas Gail bereits darauf hingewiesen<br />

worden, daß die einzelnen Elemente, in denen sich diese Zweiteilung des<br />

Rechtes manifestiert — wie etwa die positio-iuris-Lehre oder die Gewohnheitsrechtstheorie<br />

65 — in Deutschland als Bestandteile des gelehrten<br />

Rechts aufgenommen waren. Ehe dieser Rezeptionsprozeß weiter verfolgt<br />

wird, ist das Bild der Rechtsanwendungslehre durch einen letzten,<br />

schon angedeuteten Aspekt zu ergänzen.<br />

«) Kap. IV nach N. 55.<br />

•») Zu VI 1.2.1 n. 14 s. auch schon oben Kap. V/II.<br />

M ) S. oben Kap. V/II bei N. 235 ff., 248.<br />

•») SICHARD, Kap. III N. 133, Kap. IV N. 50 ff., Kap. V/I N. 46 ff.; GAIL, Kap.<br />

III N. 133; EVERHARDUS, Kap. II und Kap. Ill N. 18, 133.<br />

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