141-165 (4839 KB) - Wolfgang Wiegand
141-165 (4839 KB) - Wolfgang Wiegand
141-165 (4839 KB) - Wolfgang Wiegand
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Es handelt sich dabei um die ganz geläufige und audi entsprediend begründete<br />
41 Allegations- und Beweispflidit für die consuetudo. Dieser<br />
Beweis ist erforderlidi, weil es sich bei der consuetudo ungeachtet ihrer<br />
„Allgemeinverbindlichkeit" als ius commune in loco um ein factum<br />
handelt, das der Richter nicht von sich aus einführen oder supplieren<br />
darf 42 . Allerdings gibt es zwei Ausnahmen 43 : „Hoc tarnen limita primo<br />
nisi consuetudo esset scripta, quia tunc iudicatur de ea tamquam de ipso<br />
statuto in loco 44 . . . secundo limita nisi ipsa consuetudo esset publica<br />
et notoria in Mo loco 45 . Iudex ita debet servare consuetudinem sicut<br />
statutum." In diesen Fällen muß der Richter die consuetudo loci wie die<br />
lokalen Statuten 46 anwenden. Der Grund liegt auf der Hand: Die Beweisbedürftigkeit<br />
ist weggefallen, weil ihre Voraussetzung, die Zweifelhaftigkeit<br />
und Ungewißheit der consuetudo, im konkreten Fall beseitigt<br />
ist. Bei der consuetudo scripta bewirkt dies die Aufzeichnung, weil sie<br />
sich damit vom Statut nur noch durch die Art der Entstehung unterscheidet<br />
47 . Bei der consuetudo notoria entfällt die Ungewißheit, aber<br />
wohl nicht deshalb, weil sie nun, wie anderes Recht, certum et finitum<br />
ist, sondern weil, wie bei jedem anderen factum, die Notorietät 48 den<br />
Beweis erübrigt. Gerade das Festhalten an der Allegationspflicht bei der<br />
nicht-beweisbedürftigen consuetudo 49 unterstreicht, daß die consuetudo<br />
trotz ihrer Notorietät nicht dem übrigen Recht gleichgestellt und ex officio<br />
anzuwenden war.<br />
Betrachtet man die Sache mehr vom Ergebnis her, so fallen die Unterschiede<br />
nicht so sehr ins Gewicht. Die consuetudo notoria bedarf wie das<br />
«) Gestützt auf VI 1.2.1; X 1.4.8; C. 8.52.<br />
**) Daß der Richter selbst nicht subditus und damit nicht gebunden ist, läßt sich<br />
aus der Praxis erklären, ortsfremde Richter zu verwenden (dazu ENGELMANN, Rechtskultur,<br />
s. oben Kap. V/I N. 156), denen zwar die aufgezeichneten Statuten, aber<br />
naturgemäß nicht das Gewohnheitsrecht übergeben wurde: „Cum iuret ipsa statuta<br />
servare, qua traduntur sibi" (PAULUS DE CASTRO, oben Kap. IV N. 45). Dies bedeutet<br />
aber, daß die Parteien selbst durch Allegation und Beweis über die Anwendung dieses<br />
Rechts entscheiden konnten und bestätigt die in Kap. V/I gewonnenen Ergebnisse.<br />
4S<br />
) Text immer noch aus FRANCHUS n. 14 zu VI 1.2.1; s. auch oben Kap. V/I bei<br />
N. 116.<br />
**) Zur consuetudo in scriptis redacta s. oben Kap. V/I N. 60 ff.<br />
*») Einzelheiten oben Kap. V/I N. 67 ff.<br />
u<br />
) Ansonsten setzt er sich der Gefahr eines Syndikatsprozesses aus, vgl. hierzu auch<br />
unten N. 61 sowie Kap. VII N. 19 ff.<br />
") S. dazu schon oben Kap. V/I bei N. 60 ff.<br />
,s<br />
) Vgl. dazu schon oben Kap. V/I N. 159, wo auf die Ambivalenz der Verwendung<br />
des Kriteriums notorium hingewiesen wurde, vgl. etwa SICHARD ZU C. 2.10 n. 3<br />
(s. schon oben Kap. IV bei N. 50 ff.) : „Quae sunt in iure posita, illa sunt certa atque<br />
notoria, ex quibus iudici est pronunciandum nolenti volenti."<br />
*•) S. oben Kap. V/I bei N. 100 ff. FRANCHUS geht auf diese Frage nicht ein.<br />
155