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141-165 (4839 KB) - Wolfgang Wiegand

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die Form einer Vermutung gekleidet. Dafür gibt es zwei weitere Gründe,<br />

die sich aus einer Einwirkung des Vermutungsgedankens erklären lassen.<br />

Der nicht ex officio anzuwendende Teil des Rechts wurde als factum<br />

behandelt und war deshalb beweisbedürftig. Gelegentlich wurde dafür<br />

eine Sentenz angeführt, die ebenfalls vom Vermutungsgedanken geprägt<br />

ist: „Facta non praesumuntur sed probantur" 71 . Diese Feststellung provoziert<br />

in einer von Praesumtionen bestimmten Beweislasttheorie geradezu<br />

die Annahme einer praesumptio für das nicht-beweisbedürftige<br />

Recht, so wie es Burckard, wenn vielleicht auch etwas überzeichnet, beschrieben<br />

hat. Die gleiche Wirkung hat auch das zweite, mit dem factum-<br />

Gedanken verwobene Element, das ebenfalls die Beweisbedürftigkeit des<br />

partikularen Rechtes trägt: der Gedanke der Spezialität. Mit diesem Gedanken<br />

ist, wie mehrfach hervorgehoben wurde 72 , die Vermutungslehre<br />

eng verknüpft, und zwar über die lex ab ea parte, in der sich, wenn man<br />

es verkürzt ausdrücken will, der Gedanke der Spezialität oder allgemeiner<br />

das Regel-Ausnahme-Schema und das Vermutungsprinzip verbinden<br />

73 . Auf dieser Basis kommt Wesenbeck 74 zu der Schlußfolgerung:<br />

„Nam qui habet regulam iuris communis pro se, habet intentionem fundatam<br />

. . . secundum quam est pronunciandum, et obtinet donec contra<br />

specialitas iam excepta, vel consuetudo aut statutum contrarium probetur,<br />

in casu obtinere de quo agitur." Die Einreihung des Statuts und der<br />

consuetudo in die beweisbedürftigen Ausnahmen, die unter dem Aspekt<br />

der Spezialität erfolgt, erscheint nun als eine konsequente Kombination<br />

des diesen Rechten und deren Beweisbedürftigkeit zugrunde liegenden<br />

Spezialitätsgedankens mit dem Vermutungsprinzip, das hier in der Wendung<br />

.habere fundatam intentionem' zum Ausdruck kommt 75 . In Wesenbecks<br />

Gedankengang sind also einzelne Elemente aufgenommen und zu<br />

einem Argumentationsmodell zusammengefügt, das vor dem geschilderten<br />

Hintergrund verständlicher geworden ist. Damit kehren wir zum<br />

Ausgangspunkt zurück: der Rezeption dieser Rechtsanwendungslehre in<br />

Deutschland.<br />

71<br />

) S. oben Kap. II N. 100 u. ö. und Kap. V/I N. 97 (ZABARELLA). Vgl. hierzu<br />

allgemein mit ausführlichen Nachweisen MENOCHIUS, De praesumptionibus II 2 n. 3<br />

und IV 1 n. 2: „ea autem quae facti sunt non praesumuntur", jeweils gestützt auf die<br />

1. in bello § factae (D. 49.15.12.2, richtig: facti autem causae infectae nulla constitutione<br />

fieri possunt).<br />

7!<br />

) Kap. I bei WESENBECK, Kap. II zur 1. ab ea parte.<br />

) Ebda.<br />

74<br />

) Consilium 205, s. oben Kap. I N. 20 und N. 37.<br />

,6<br />

) Vgl. WIEGAND, fundata intentio, S. 136 ff. sowie oben Kap. I und Kap. II;<br />

auch die Gedankenführung bei PACIAN beruht auf dem Spezialitätsgedanken und ist<br />

zugleich mit der fundata intentio verknüpft.<br />

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