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141-165 (4839 KB) - Wolfgang Wiegand

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zweite Komponente wichtig ist, die praxisorientierten, vielfach schon<br />

deutsch geschriebenen Handbücher sowie nicht zuletzt die zahlreichen<br />

Kodifikationen des ausgehenden 15. und des 16. Jahrhunderts in Betracht,<br />

die zugleich Ausdruck und Träger der Rezeption sind 5 .<br />

Aus dem letzten Quellenbereich stammt das wohl berühmteste Beispiel<br />

für die Rezeption der italienischen Theorie, die als Kapitelüberschrift<br />

vorangestellte Formel des Richtereides aus der RKGO von 1495: „Item<br />

die alle sollen zuvor Unser Königlicher oder Kaiserlicher Majestät geloben<br />

und zu den Hailigen swern: Unserm Königlichen oder Kaiserlichen<br />

Camergericht getrewlich und mit Vleis ob sein und nach des Reichs<br />

gemainen Rechten, auch nach redlichen, erbern und leidlichen Ordnungen,<br />

Statuten und Gewonhaiten der Fürstenthumb, Herrschaften und Gericht,<br />

die für sy pracht werden, dem Hohen und dem Nidern nach seinem<br />

besten Verstentnus gleich zu richten" 6 . In dieser knappen Bestimmung<br />

sind wesentliche Elemente der Rechtsanwendungslehre in dem hier zugrunde<br />

gelegten Sinne, aber auch Elemente der allgemeinen Statutentheorie<br />

in dem früher beschriebenen Sinne 7 enthalten. Die Vorschrift, die in<br />

zahlreichen partikularen Kodifikationen Nachahmung gefunden hat 8 ,<br />

soll hier nicht in ihrer grundsätzlichen Bedeutung 9 diskutiert, sondern<br />

nur vor dem Hintergrund der durchgeführten Analysen behandelt werden.<br />

Zunächst ist eine Bemerkung zur Terminologie zu machen, die aber<br />

rasch in weitere Zusammenhänge führt. Aus der Wendung „die für sy<br />

pracht werden" hat man allgemein die Beweisbedürftigkeit des Partiku-<br />

6 ) Zur forensisch-kasuistischen Literatur vgl. schon oben Einleitung bei N. 8; zur<br />

pragmatischen Literatur des 16. Jahrhunderts, die man früher im Anschluß an STINT-<br />

ZING zu Unrecht auch als „populäre" Literatur bezeichnete, und zur Stellung der Rezeptionsgesetze<br />

vgl. die Hinweise bei WIEGAND, Plus Petitio, §§ 4-7.<br />

6 ) Text der Reichskammergerichtsordnung von 1495, § 3 nach ZEUMER, Quellen<br />

(S- 285); fast wörtlich übereinstimmend schon im Ständischen Entwurf von 1486<br />

(ZEUMER, S. 276) und noch in der Kammergerichtsordnung von 1555 I, Tit. 13 § 1<br />

und 57.<br />

7 ) S. oben Kap. I N. 22. Die Bedeutung der Kriterien ,redlich, ehrbar' und .leidlich',<br />

die der Inhaltskontrolle dienen und sämtlich aus dem vor allem in der kanonistischen<br />

Theorie entwickelten Kriterium ,rationabilis' (dazu BRIE, Gewohnheitsrecht, S. 24 ff.,<br />

67 ff., 177ff.; L'âge classique (LEFEBVRÏ), S. 551 ff.) abgeleitet sind, haben BRIE,<br />

Rezeptionszeit, S. 148 ff., insbesondere S. 150, und TRUSEN, Partikuläres Recht,<br />

S. 103 ff., 110 ff. dargelegt.<br />

e ) Nachweise bei BRIE, Rezeptionszeit, S. 150 N. 107, S. 160 N. 151; TRUSEN,<br />

Partikuläres Recht, S. 104; s. auch unten bei N. 66 ff.<br />

•) Die Regelung galt vor allem, als unter „Germanisten" und „Romanisten" noch<br />

um die Berechtigung der Rezeption gestritten wurde, als eine der Schlüsselstellen und<br />

erschien den Rezeptionsgegnern als „Sündenfall", vgl. etwa SCHVARTZ, Zivilprozeßgesetzgebung,<br />

S. 72 ff.<br />

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