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141-165 (4839 KB) - Wolfgang Wiegand

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statutum keines Beweises, der Richter kennt ihren Inhalt und darf ihn<br />

im Zweifelsfalle ermitteln 50 , sofern sich eine Partei darauf beruft. Da<br />

außerdem die Allegationspflicht nicht unumstritten war und jedenfalls<br />

großzügig gehandhabt wurde 51 , stand die consuetudo notoria dem statutum<br />

vielfach gleich. Ein Unterschied ist jedoch noch hervorzuheben: Zwar<br />

hatte die consuetudo in aller Regel lokalen Charakter, aber eine consuetudo<br />

konnte natürlich in größeren Bereichen oder gar universal 52 verbreitet<br />

sein. Gerade bei derartigem Gewohnheitsrecht 53 lag die Annahme<br />

der Notorietät nahe.<br />

Auf Grund dieser Besonderheit ist der dritte Teil des nicht-beweisbedürftigen<br />

Rechts der problematischste. Zwar bedarf die consuetudo<br />

notoria keines Beweises, andererseits ist sie aber auch nicht ex officio,<br />

sondern nur nach Anführung durch eine Partei anzuwenden; sie liegt also<br />

an der Grenze des umrissenen Bereiches. Die consuetudo notoria sprengt<br />

diesen Rahmen auch insofern, als sie nicht, wie das Statut, ein in verkleinertem<br />

Maßstab nach unten transponiertes Modell des ius commune<br />

wiederholt, sie ist nicht notwendig partikular, sondern kann überregional<br />

oder sogar universal sein. Nimmt man hinzu, daß die Frage, was, wo und<br />

von wem als notorisch angesehen wurde, mit Sicherheit nicht immer<br />

einheitlich zu beantworten war 54 , so ergibt sich hier eine weitgehende<br />

50 ) Diese Frage, die praktisch zwischen den beiden oben Kap. V/I geschilderten<br />

Debatten um die Allegations- und Informationspflicht des Richters liegt, berührt<br />

ausdrücklich nur SALICETUS, vgl. den Text dort bei N. 52 und nochmals bei N. 150.<br />

51 ) S. dazu etwa MATTHIAS COLER, unten Kap. VII bei N. 50 ff.<br />

52 ) Schon HOSTIENSIS unterscheidet (X 1.4 — de consuetudine — n. 11): „Species<br />

consuetudinis sunt autem quatuor: generalissima, generalis, specialis, specialissima;<br />

generalissima: ut est consuetudo inter omnes catholicos..., generalis vero est: quando<br />

nedum una civitas : sed tota provincia sic observât ... sed speciale, quando in una<br />

civitate vel in alio loco specialiter obtinet. .."<br />

53 ) Man vgl. etwa das im Anschluß an JACOBUS DE RAVANIS immer wieder genannte<br />

Beispiel einer in England und Frankreich verbreiteten consuetudo, wonach der Erstgeborene<br />

allein erbt, s. dazu oben Kap. V/I sowie die Formulierung bei GAIL, wo es<br />

zum Wegfall der Beweispflicht heißt: „Fallit in generali et notoria consuetudine" (Kap.<br />

VII bei N. 25).<br />

M ) S. dazu etwa den Hinweis von WESENBECK in dem eingangs (Kap. I) dargestellten<br />

Gutachten, daß die Notorietät einer consuetudo allenthalben behauptet werde.<br />

Er verweist dafür auf CRAVETTA, Consilium 137 n. 1, wo es heißt: „Multa tarnen<br />

dieuntur notoria quae non sunt." Für diesen Fall sieht WESENBECK (in dem genannten<br />

Consilium 205 n. 36) zwei Möglichkeiten: „Quando nemo negat consuetudinem esse<br />

notoriam, non opus sit eius probatione ... tarnen quoties ab adversa parte illa negatur<br />

. . . toties statutum vel consuetudo nedum alleganda sed etiam probanda sunt." S. dazu<br />

auch unten Kap. VII N. 52 und 86. Ganz beiläufig wird in diesem Text außerdem<br />

nochmals hervorgehoben, daß die gesamte Doktrin überhaupt nur dann relevant wird,<br />

wenn das behauptete partikulare Recht von der Gegenseite bestritten wird. Vgl. dazu<br />

oben Kap. II (negatio iuris) insgesamt.<br />

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